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Full text of "Zeitschrift fuer die Geschichte des Oberrheins 71-1917"

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Zeitschrift 



für dti 



Geschichte des Oberrheins 



herausgegeben 



von der 



Badischen Historischen Kommission. 



Neue Folge, Band XXXII. 

[Der i;. imcn Rrihe 71- lUnil.) 




Heidelberg. 
Carl Winters Universitätsbuchhandlung, 

1917. 



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Inhalt. 

Seite 
Bericht über die 33. Plenarversammlung der Badischen Historischen Kom- 
mission, erstattet von dem Sekretär 1 

Zur Geschichte der Gegenreformation im Bistum Konstanz von Karl 

ScheUhaß 3, 187, 375, 493 

Wanderungen und Siedelungen der Alamannen, von Andreas Hund 44, 169 
Die Gründung des Bistums Samaiten. Ein Beitrag zur Geschichte des 

Konstanzer Konzils, von Walther Holtzmann 70 

Die Bibliothek des Humanisten Jakob Spiegel* von Alfons Semlcr , 84 
Die zeitgeschichtlichen Aufzeichnungen des Propstes Norbert Hodapp 

von Allerheiligen (1640 — 1653), von Hermann Baier ■ .. . . 98 

Fünf wiedergefundene Wappenbücher aus dem Faesischen Kunstkabinett 

zu Basel, von W. R. Stachelin t rzo 

Zu Goldasts Aulenthalt in St. Gallen, von Traugott Schieß ■ . , r 241 
Zur Entstehung und Überlieferung des Urhnrs Bischof ßertholds IL von 

Strassburg, von Hans Kaiser 283 

Die Anfangspcriode der Reformation in Sleidans Kommentarien, von 

Paul Kalkoff 297 414 

Richard Schröder f. Em Nachruf von Eberhard Freiherrn von 

Künßberg 330 

Das Cisterzienscrklosier Wctiingen und seine Beziehungen zu Salem bis 
zum Tode des Abtes Peter II P (1633), von Hans Lehmann 

(Fortsetzung und Schluss) 341» 515 

Fridrich P/aff f. Nachruf von Gustav Wolf 468 

Beiträge zu einer Biographie Moscheroschs, von Arthur Bechtold . 562 
Beiträge zur Baugeschichte des Rastattcr Schlosses (IV P Ein Bauherich t 
des Baumeisters Thomas Lcfebure vom Jahre 1700), von Karl 

Lohmeyer . * , 573 

Elsässische Gcschichtsliteratur des Jahres 1916» von Karl Stenzcl . . 581 
Miszellen: 

Der Oberlingcr Maler Marx Weiss (f 1580) und seine Familie, 

von Karl Obser 131 

Meereburgcr Deckengemälde von Gottfr. Bernh. Götz, von Karl Obser 136 
Die Reise des Frankfurters Joh. Fricdr. v. Ulfcnbuch über Durlach 
nach Rastatt und die Besichtigung des dortigen Schlosses (171 z)* 
von Hans Rott 137 



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VI 

Seite 
Aufzeichnungen eines Straissburger Schutmeisters über Wildbad 

um 1560. von Johann Adam 471 

Zum Tode des Humanisten Johannes von Botzheim, von Alfons Semler 632 

Die Thcoduls-Reliquie in Blotzheim, von Gottlieb Wyß 631 

Personalien , . . . 144, 335, 474, 634 

Zcitschriftcnschau ' . , . 144, 335, 475, 634 

Alemannia XXXXIV, 1 — 3. 147, 335- — Badische Heimat 
III, 2, 144* — Basler Zeitschrift fUr Geschichte und Altertums- 
kunde XVI t [ v 149. — Blätter aus der Markgralschaft Heft 3. 
634. — Frankenland III. 337. — Freiburger Diöcesanarchiv 
N.F. XVII. 147. — Jahresbericht des Vereins zur Erhaltung der 
Altertümer in Wcissenburg und Umgegend, her. für die J. »915/17. 
XI. 478. — Jahrbuch für Geschichte» Sprache und Literatur 
Elsass* Lothringens XXXII. 151. — Mannheimer Geschichtsblätter 
XVII, 9—10; XVIII, 1—8. 148, 366, 477, 635- — Mein 
Heimatland III» 1/6; IV» 1/2. 145, 636. — Mitteilungen d, Hut 
Vereins der Pfalz XXX VI. £50. — Schau-inVLand XLIIL 475. 

— Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner 
Umgebung. XLV f 146, — Strassburger Diözesanblatt XXXVI, 
7;8. 636. — Thurgauische Beiträge zur vaterländischen Geschichte. 
56. Heft. 478- — Zeitschrift der Gesellschaft für Beförderung der 
Geschichts-, Altertums- und Volkskunde von Freiburg, dem Breis* 
gau und den ^grenzenden Landschaften. XXXII. 476. 

Literaturnotizen 151, 337, 479, 637 

Auerbach, La France et la Saint-Erapire Romain Gcnnanique 
depuis la paix de Westphalie jusqu'ä la Revolution fran<;aise, 157. 

— Bamberger, Job* Conrad Seekatz. 484. — Bechtold» A., Mosche- 
rosch und der Kupferstecher Aubry. 492. — Bender, Weinhandcl 
und Wirtsgewerbe im mittelalterlichen Strasshurg. 164. — Bisegger, 
Alfred, Die Silber Versorgung der Basler Münzstätte bis zum Aus- 
gang des 18. Jahrhunderts. 487- — v. Borries, Deutsche Dich- 
tung im Elsass von 1815 — 1870. 163. — Bredt, Friedhof und 
Grabmal. 167« — Burckhardt, Albrecht, Geschichte der medi- 
zinischen Fakultät zu Basel. 488. — Dersch, der Heidelberger 
Humanist Adam Wemher von Themar. 162. — Escher-Schweizer, 
Urkundcnbuch der Stadt und Landschaft Zürich. X, 637. — 
Fink-Müller, Verzeichnis hessischer Weislümer. 340. — Ganz, Der 
Meister von Meßkirch. Neue Forschungen. 167. — Goldschmit, R. t 
Die Stadt Karlsruhe, ihre Geschichte und ihre Verwaltung, Fest- 
schrift zur Erinnerung an das 200jührige Jubiläum- 479. — 

— Hclmke, König Wenzel und seine böhmischen Günstlinge im 
Reiche, 157. — Holder, Die Reichenauer Handschriften der Gr. 
Hof- u. Landesbibliothek in Karlsruhe I — III, 1* 151. — Jungnitz, 
Die Breslauer Germaniker. 492. — Iwand, Fritz, Die juristische 
Fakultät der Universität Strassburg, 490. — Körner, Mit den 
Badenern von Mülhausen bis in die Champagne. 645. — • Mctzen* 



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VII 

tili;-. Ulrich Obrecht und die Anfänge der französischen Pnitur 
in Strassbaurg 1684— 1701. 16O- — B. A. Müller, Strassburger 
Lokalkolorit in Frischüns »Julius t edivivus* von 1 585* 639, 

— Oechsli» Briefwechsel Joh. Kaspar Blunlschlis mit Savigny, 
Niebuhr, L- v. Ranke» J. Grimm und Fcrd. Mcycr. l6l, — 
Occkinghaus, Vom Bitscher Land und seiner Geschichte. 646. 

— Roth» F. W. E-, Studien zum Johann Trithemius-Jubel- 
jahr 1 9 1 6. 163. — Rott, Kunst und Künstler am Baden-Dur- 
lacher Hof bis zur Gründung Karlsruhes- 639. — Sauer, Das 
Altarbild des Meisters von Messkirch in der Stadtkirche zu Mess- 
kirch. 166. — Schilling, R-, Das alic malerische Schwarzwald- 
Haus. 486. — Schöttle, G., Das Munzwescn von Schaffhausen. 
488. — Schmidt, Hans» Bad- Leibgrenadiere bei Loretto. 490. — 
Schottenloh er, Jörg Spitzenberg in Konstanz und seine Reformation*- 
drucke (1527—1530). 163. — Stenzcl, Die Politik der Stadt 
Strassburg am Ausgang des Mittelalters in ihren Hauptzügen dar- 
gestellt. 153- — Wackcrnagcl t Geschichte der Stadt Basel. II» 2. 
481, — Waldenmaier, Die Entstehung der evangelischen Gottes- 
dienstordnungen Süddeutschlands im Zeitalter der Reformation. 
638. — Weigmann, Briefe Moritz v. Schwinds an Ernst Förster. 
644. — Würt tem bergische Viertcljahrshefte für Landesgeschichte 
N.F. XXV (Festband). 337. 

Mitteilungen der Badischen Historischen Kommission Nr. 3g: 
L Verzeichnis der Pfleger der Bad, Historischen Kommission . . ml 
II. Freiherrlich von Gayling'sches Archiv im Schlosse zu Ebnet bei 

Freiburg, ncugeordnet und verzeichnet von Friedrich Hefele . miJ 



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Mitarbeiter dieses Bandes der Zeitschrift 

Adam, Johann, Pfarrer Dorlishcim i. E. 

Baas, Prof. Dr. Karl, Augenarzt Karlsruhe. 

BAIER, Dr. Hennann, Archivassessor Karlsruhe 

BechtolD, Dr. Arthur, Stabsarzt München. 

Beringer, Dr. August Mannheim. 

Brinckmanx, Dr. Karl, Privatdozent Berlin. 

Fraxkhauser, Fritz, Archivrat Karlsruhe. 

Haerikg, Dr. Hermann, Hilfsarbeiter beim 

Gr. Gener.landesarchiv, z. Zt. im Felde Karlsruhe 

H ekele, Dr. Fritz, Hilfsarbeiter beim Stadt- 
archiv Freiburg i. Br. 

Holtzmaxn, Walther, z. Zt. im Felde Heidelberg. 

Hund, Dr. Andreas, Professor Sirassburg i. E. 

Jacob, Dr. Karl, Universitätsprofessor Tübingen. 

Kaiser, Dr. Hans, Archivdirektor und Uni- 
versitätsprofessor Strassburg i. R. 

Kalkokf, Dr. Paul, Professor Breslau. 

Künssberg, Dr. Eberhard Freiherr v., Uni- 
versitätsprofessor Heidelberg. 

Lehmann, Dr. Hans, Direktor des Schweiz. 

Landesmuseumsu.Universitätsprofessor, Zürich 

Lohmeyer, Karl, Konservator der Städtischen 

Sammlungen Heidelberg. 

Münzel, Dr. Gustav Freiburg i. Br. 

Obser, Dr. Karl, Geheimer Rat und Direktor 

des Grossh. Generallanclesarchivs Karlsruhe. 

Rott, Dr. Hans, Professor Karlsruhe. 

Schellhass, Dr. Karl, Professor Berlin. 

Schiess, Dr. Traugott, Stadtarchivar St. Gallen. 

SCHNABEL, Dr. Franz, z. Zt, im Felde, Karlsruhe. 

Schulte, Dr. Aloys, Geh. Regierungsrat, Uni- 

sitätsprofessor Bonn. 

Schorbacii, Dr. Karl, Professor, Universitäts- 
bibliothekar Strassburg i. E. 

SCHÖTTLE, Dr. Gustav, Postrat a. D. Ulm. 

Semler, Dr. Alfons, Lehramtspraktikant Überlingen. 

Silmb, Dr. Rudolf, Universitatsbibliothekar Heidelberg. 

Staehelin, W. R. Basel. 

Stenzel, Dr. Karl, Hilfsarbeiter am K. Bc- 

zirksarchiv Strassburg i. E. 



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IX 



Winckelmans, Dr. Otto, Professor, Direktor 

des Stadtarchivs Strasburg i, E. 

WoLFp Dr. Gustav, Universitfllsprofessoi Freiburg i. Br. 

Wyss, Goitlicb, cand. phiL Ölten, 



Redaktion, 



Archivdirektor Geheimrat Dr. Obser, 
Archivdirektor Universitätsprofessor Dr. Kaiser, 
Für die * Mitteilungen* ! Archivdirektor Dr. Obser. 



Redaktionsausschuss; 

Universitfitsprofcssor Geh. Hofrat Dr. Finke, 
Universitätsprofessor Geheimrat Dr. Gothein» 
Archivdirektor Universitätsprofessor Dr. Kaiser. 
Geh. Archivrat Dr. Krieger. 
Archivdirektor Ceheimrat Dr. Obser, 






■ ■ 



Erscheinungsweise der Zeitschrift 

und redaktionelle Bestimmungen. 

jährlich erscheint ein Band von mindestens 48 Druckbogen, der in 
4 Heften ausgegeben wird und zum Preise von M. 12 bezogen werden kann; 
als Beilage erscheinen die »Mitteilungen der Badischen Historischen Kommission«. 
Mitarbeiter der Zeitschrift, die dieselbe zu dem ermflssigten Preise von M. 6 
zu beziehen wünschen, werden gebeten, sich an die Redaktion zu wenden. 

Die für die »Zeitschrift« bestimmten Beiträge sind, soweit sie dem Ge- 
biete der elsässischen Geschichte entnommen sind, an den Redakteur für den 
elsassischen Teil, Herrn Archivdirektor Professor Dr, Kaiser in Strassburg, 
Bezirksarchiv, und soweit sie die Geschichte der das heutige Grossherzogtum 
Baden bildenden Territorien behandeln, an den Redakteur für den badischen 
Teil, Herrn Archivdirektor Geheimrat Dr. O b se r in Karlsruhe, Nördliche 
Hildapromenade 2, einzusenden. 

Das Honorar beträgt für Darstellungen und Forschungen M, 30. — , für 
Quellenpublikationen usw. M. 20. — pro Druckbogen. 

Jeder Mitarbeiter erhalt von seinem Beitrag 20 Sonderabzüge gratis, 
weitere Sonderabzüge, die spätestens bei Rücksendung der Korrektur bestellt 
werden müssen, werden mit 20 Pf., für Mitglieder der Kommission mit 10 Pf. 
pro Druckbogen berechnet; jeder Teil eines Druckbogens und der Umschlag 
zahlt als voller Bogen. Die Sonderabzüge können dem Autor erst am Tage 
der Ausgabe des betr. Heftes zugestellt werden* 

Das Verlagsrecht auf die in der Zeitschrift veröffentlichten Beiträge bleibt 
der Badischen Historischen Kommission auf vier Jahre vom Tage der Ver- 
öffentlichung an gewahrt. 

Sämtliche Rezensionsexemplare {für Literaturnotizen) sind an Herrn 
Archivdirektor Dr, Obser in Karlsruhe zu senden, durch welchen auch die 
Versendung der Rezensionsbelege erfolgt. 

Bestellungen können bei allen Buchhandlungen und bei der Verlagsbuch- 
handlung direkt gemacht werden. 

Anzeigen für die vierte Seite des Umschlags werden mit 20 Pf. für die 
Petitzeilc berechnet und an Carl Winters Universitätsbuchhandlung in Heidel- 
berg erbeten; ebendahin Beilagen. 

Die Badische Historische Kommission. Die Verlagsbuchhandlung, 



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Bericht 

Über <iic 

dreiunddreissigste Plenarversammlung 

der 

Badischen Historischen Kommission. 

Karlsruhe im Dezember igi6. Die Plenarversammlung 
der Badischen Historischen Kommission fand am 20. Mai 
statt. Anwesend waren von den ordentlichen Mitgliedern: 
die Professoren Geh. Rat Dr. Schroeder, Bibliotheksdirektor 
(ich. Hofrat Dr. Wille, Geh. Rat Dr. Gothein, Geh. 
Kirchenrat Dr. v. Schubert und Dr. Oncken aus Heidel- 
berg; die Professoren Geh. Hofrat Dr. Finke, Dr. Pfeil- 
schifter, Dr. Schultze und Stadtarcblvrat Professor Dr. 
Albert aus Frei bürg; Archivrat Dr. Tumbült aus Donau- 
eschingen; Wirkt. Geh. Rat Dr. Wagner, Archivdirektor 
Geh. Rat Dr. Obser und Geh. Archivrat Dr. Krieger aus 
Karlsruhe; ferner die ausserordentlichen Mitglieder Realschul- 
direktor a. D. Hofrat Dr. Roder aus Überlingen; Professor 
a. D. Maurer aus Mannheim; llofrat Professor Dr. Pfaff 
aus Freiburg; Archivrat Frankhauser aus Karlsruhe; 
Archivdirektor Professor Dr. Kaiser aus Strassburg und 
Universitätsbibliothekar Professor Dr. Sillib aus Heidelberg. 

Am Erscheinen verhindert waren die ordentlichen Mit- 
glieder Geh. Hofrat Professor Dr. von Below in Freiburg, 
Geh. Regierungsrat Professor Dr. Meineckc in Berlin, Geh. 
Hofrat Professor Dr. Ilampe in Heidelberg und das ausser- 
ordentliche Mitglied Professor Dr. Walter in Mannheim. 

Als Vertreter der Grossh. Regierung waren zugegen 
S. Exzellenz der Minister des Kultus und Unterrichts Dr. 
Hübsch, Geh. Oberregierungsrat Schwoerer und Amt- 
mann Dr. Fecht. Den Vorsitz führte der Vorstand Geh. 
llofrat Professor Dr. Gothein. 

Seit ihrer letzten Tagung im November 1913 hatte die 
Kommission eine Reihe schwerer Verluste zu beklagen. 
Es starben der Minister des Kultus und Unterrichts Exzellenz 
Dr. Böhm am 30. Juni 1915; die Ehrenmitglieder Geh. Hofrat 
Professor Dr. v. Simson am 15. August 1915; Geh. Rat 

Zcibchr. f. Gttdi. d. Oberrh. N.F. XXXII. i. I 



2 Bericht ülrer iHc XXXIII. PI cnat Versammlung. 

Dr. Baumann am 2. Oktober 1915; Geh. Rat Dr. Dove, 
1901 — 1906 und 1907 — 1912 Vorstand der Kommission, am 
19. Januar 1916; das ordentliche Mitglied Professor Dr. Wie- 
nand am 8. März 1915; sowie das korrespondierende Mit- 
glied Landgerichtsdirektor Birkenmayer am 1. April 1916. 
Von den Mitgliedern der Kommission standen zur Zeit 
der Plenarversammlung drei, von den Mitarbeitern neun im 
Felde, bezw. gehörten dem Heere an. Ein Mitarbeiter, 
Dr. Burkhard, der Bearbeiter der Badischen Bibliographie, 
und zwei Pfleger, Professor Dr. Hunn und Konservator 
Professor Heinrich, hatten den Heldentod für das Vaterland 
erlitten. Über die 

Veröffentlichungen der Kommission 

seit der letzten Plenarversammlung vergleiche man die Zu- 
sammenstellung in Band XXXI dieser Zeitschrift S. 1 f.; 
über den Stand der 

Verzeichnung und Ordnung der Archive der Gemeinden usw. 

den Bericht in den Mitteilungen der Badischen Historischen 
Kommission Nr. 38 S. 11 ff. 

Wahlen. 

Die Kommission bescliloss, Seiner Königlichen Hoheit 
dem Grossherzog zur Allerhöchsten Ernennung als ordent- 
liche Mitglieder vorzuschlagen die ausserordentlichen Mit- 
glieder Archivrat Fritz Frankhauser in Karlsruhe und den 
kaiserlichen Archivdirektor und ao. Professor an der Uni- 
versität Strassburg Dr. Hans Kaiser, sowie den ordent- 
lichen Professor der neueren Geschichte an der Universität 
Freiburg Dr. Felix Rachfahl. Die Ernennung erfolgte mit 
Allerhöchster Staatsministcrialentschlicssung vom 17. Juni 1916. 

Ferner beschloss die Kommission als Sekretär den Ge- 
heimen Archivrat Dr. Krieger in Karlsruhe auf die 
Dauer von fünf Jahren Seiner Königlichen Hoheit dem 
Grossherzog zur Allerhöchsten Bestätigung vorzuschlagen. 
Dieselbe erfolgte durch die gleiche Ministerialentschliessuug 
vom 17. Juni 1916. 

Der Sekretär der Badischen Historischen Kommission. 

Krieger 



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Zur Geschichte 
der Gegenreformation im Bistum Konstanz*. 

Von 

Karl Schellhaß. 



i. Visitation des päpstlichen Nuntius Felician Ninguarda, 

Bischofs von Scala, im Bistum Konstanz im August und 

September 1579. 

a) Verlauf der Visitation. 



Am 14. oder 15. August 1579 traf in Konstanz von 
Feldkirch kommend der päpstliche Nuntius für Oberdeutsch- ' 
land, Felician Ninguarda, Bischof von Scala, ein '). Es war 
nicht das erstemal, dass er hier war. Schon im Mai des 
Jahres hatte er auf dem Wege von München nach St. Gallen 
'die Stadt berührt, um nach kurzem Verweilen für längere 
Zeit in die Schweiz zu gehen. Dort, wie noch zuletzt in 
Feldkirch, hatte er im Interesse der Kurie für Beilegung 
der zwischen dem Bischof von Chur und den Graubün- 
denern bestehenden Streitigkeiten und für die Einsetzung 
des Abtes von St. Gallen zum Koadjutor des Bischofs tätig ' 
sein müssen. 



* Insbesondere das Entgegenkommen der Leitet der Archive von Karls- 
ruhe, Innsbruck und Schaffhausen, der Herren Geheimrat Obser, Professor 
Michael Mayr und Dr. Werner, die mir während des Krieges Archivalien 
und aufklärende Mitteilungen nach München sandten, ermöglichten das Zu- 
standekommen dieser Arbeit. Ihnen sei auch an dieser Stelle gedankt. 

') Die näheren Belege über Ninguardas Tätigkeit wird mein im Druck 
befindlicher Band seiner Nuniiaturberichte aus den Jahren 1578 — 1583 bringen. 
Siehe vorläufig: Die Nuntiatur von Giovanni Francesco Bonhomini 1579 — 1581 
Documente erster Band: Aktenstücke zur Vorgeschichte der Nuntiatur 1570 
— 1579, Die Nuntiaturberichte Bonhomiui's und seine Correspondenz mit Carlo 

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4 SchellhaB. 

Anders wie im Mai plante er jetzt ganz gewiss einen 
längeren Aufenthalt Äusserungen, die ihm gegenüber des 
öfteren während seiner fast mehr als zweimonatigen An- 
wesenheit in der Schweiz gefallen und durch Darlegungen 
von offizieller Seite auf dem Bundestage zu Baden im Juli 
bekräftigt worden waren, hatten ihm gezeigt, dass in der 
Diözese Konstanz nicht alles in religiöser Beziehung so war, 
wie es hätte sein müssen. In den zu ihr gehörenden Teilen 
der Schweiz war ihm auf die Mahnung zu einer Reform 
der Sitten ganz offen erwidert worden, dass der Klerus 
dem nachkommen würde, wenn man die Stadt Konstanz 
reformiert sehen werde. Hatte er zwecks Besserung der 
Zustände auf Entfernung der Konkubinen gedrungen, so 
war ihm entgegengehalten worden, dass einige Geistliche 
das erst tun würden, wenn man damit im Konstanzer Dom 
bei den Kanonikern beginnen würde, von denen einige zwei 
und drei Konkubinen hätten. Dazu kamen Beschwerden 
über das Auftreten des obersten bischöflichen Beamten, 
des weltlichen Statthalters Johann Wolgmhuett *), der auf 
" Schweizer Boden nicht von dort gebürtige, sondern auslän- 
dische Leute zu Beamten einsetze, und über die Verwendung 

liorromeo 1579. bearbeitet von Franz Steffens und Heinrich Reinhardt, 
Solothurn 1906 (= Nuntiaturberichte aus der Schweiz seit dem Conzil vnn 
Trient erste Abteilung Bd. 1; von mir im folgenden durchweg zitiert N*B. aus 
der Schweiz I l). Wegen der Persönlichkeit des aus Morbegno gebürtigen 
Dominikaners Xinguarda verweise ich auf meine Veröffentlichungen in den 
Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken Bd. I — V 
(Korn 1897 — KJ03J- Hier genüge die Bemerkung, dass Nniguarda in den 
Jahren 15?- — '57T au ^ dcuischcm Hoden als apostolischer Kommissar tatig 
gewesen und im Mai 1578 als Nuntius für Oberdeuischland zuerst nach Steier- 
mark und Kärmhcn gegangen war. Nach einem Aufenthalt dort bis in den 
Sommer findet man ihn bis zum Schluss des Jahres >57^ zuerst in Salzburg, 
dann in München, Tiiol und in Graubünden, zu Beginn des Jahres 1579 noch- 
mals bis in den März in Tirol und im Frühjahr wiederum in Salzburg und 
München. Von München aus war er gegen Mitte Mai über Konstanz in die 
Schweiz gezogen. 

*) Die Persönlichkeit dieses Mannes, über den bisher recht wenig bekannt 
xu sein scheint (vgl, II. Reinhardt f und K. Steffens, Studien zur Gesch. 
der kaihohschcn Schweiz im Zeitaller Carlo Boiromco's — Einleitung zu N.B- 
aus der Schweiz I i, Solothurn 19IO — S» 58 Anin* 4L wird uns im Laufe 
der Darstellung recht vertraut werden. Sein Xame erscheint in den ver- 
schiedensten Formen, er selbst schrieb sich in Originalbricfcn Wolgmhuett, 



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Zur Geschichte der Gegenreformation im Bistum Konstanz» c 

der Einkünfte aus Schweizer Gebiet ohne Rücksicht auf die 
Bedürfnisse der Orte, wo man sie einziehe- Die Gebäude, 
so hatte man dem Nuntius gesagt, würden nicht ausgebessert, 
noch weniger trete das so notwendige Seminar ins Leben 
und der Armut käme man nicht zu Hilfe, alle Einkünfte 
sende man vielmehr nach Italien. Die Drohung einer 
etwaigen Beschlagnahme der Einkünfte in ihren Herr- 
schaften und die Andeutung, sich allenfalls für Errichtung 
eines eigenen Bistums in ihrem I-andc zum Besten ihrer 
Kirchen und der Geistlichkeit bemühen zu müssen 8 ), hatten 
ihn in eine hochgradige Verstimmung der Schweizer hinein- 
blicken lassen, für die doch nicht zuletzt das Oberhaupt der 
Diözese, der Kardinal-Bischof Altaemps, verantwortlich zu 
machen war. Es war doch schliesslich eine direkt gegen 
ihn sich richtende Klage, dass es seit der Synode vom 
Jahre 1567, also seit der Annahme der Beschlüsse des 
Tridentiner Konzils für das Bistum Konstanz, und seit seiner 
Abreise nach Italien im Jahre 1569 4 ) nie zu einer Visitation 
gekommen sei. Die Wurzel allen Übels schien darin ihren 
Grund zu haben. 

Die Erkenntnis, dass in dieser Beziehung Abhilfe drin- 
gend not tue, hielt Xinguarda jetzt in Konstanz fest Er 
war sich gewiss bewusst, dass sein Eingreifen hier in mehr 
als einer Beziehung im Hinblick auf den fernen in Rom 
weilenden Bischof, den Kardinal, bedenklich war. Hatte er 
doch keinen ausdrücklichen Auftrag vom Papst und keine 
befürwortenden Zeilen von Altaemps* Seite in dieser Sache 
vorzuweisen! 

Um die für ihn schwierige Lage zu verstehen, muss 
man sich daran erinnern, wie ängstlich drei Jahre vorher, 



a ) Der Gedanke einer Abtrennung von Konstanz und th:r Errichtung 
eines eigenen Bistums war schon i. J. l 5*H innerhalb der fünf katholischen 
Orte ßciiiissert worden, vgl. die Ann). 2 genannte Einleitung S. 63 f. 

4 ) Am 18. Sept. 1569 war er nach Italien abgereist (Karlsruhe Geiural- 
LandesarchivProlokollsammlnng n. 7245 S. j2 Domkapkclsilzung vom 17* Sept.). 
Cber die Persönlichkeit des am 6, Okt. 1561 %um Bi>chof gewählten und schon 
vorher im Febr. 1561 in da* Kardinalskolleg aufgenommenen Mark Sicttth von 
Ilohenems siehe jene Einleitung S. 42 ff. Ich nenne ihn im folgenden durch- 
weg Altaemps; für die Kurie war er der Kardinal von Altaemps. — über die 
Synode von 1567 siehe Q. a. O. S. 122 ff, und S. 122 Anm. 5. 



13k 



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6 Sehcllhaß. 

im Juni 1576, der damalige Nuntius Bartolomeo Portia. der 
sich des längeren in der Südwestecke des Reichs, in Frei- 
burg i. B. und in der Gegend von Konstanz, aufgehalten 
hatte, es vermieden hatte, zu einer Visitation der Diözese 
zu schreiten: aus Ehrfurcht vor dem Kardinal, in Wahrheit 
aber doch, weil er keine Vollmacht hatte. Ein kurzer Auf- 
enthalt in Konstanz hatte ihm nur den Anlass gegeben, 
dem Weihbischof brieflich in freundschaftlichem Tone vor- 
zuhalten, dass er wegen der ausgetretenen Mönche, wegen 
des Konkubinats, der Priesterehe und der heimlichen Ehen 
Schritte ergreifen müsse 5 ). Mehr zu fordern, hatte er sich 
nicht getraut, sicher im Hinblick auf das Ansehen, in welchem 
Altaemps beim Papste stand ). 

Wenn Ninguarda trotzdem durch eine Visitation in die 
religiösen Zustände der Diözese bessernd einzugreifen be- 
schloss, so zeigt das, wie sehr ihn die in der Schweiz er- 
haltenen Mitteilungen beeinflussten. Es war alles in allem 
die Erkenntnis, dass die bischöflichen Beamten bei der Ab- 
wesenheit des Kardinals ohne Rücksicht auf dessen häufige 
Mahnungen zur Visitation und zur Reform gar nicht für 
Ausführung der in der Synode von 1567 enthaltenen guten 
Vorschriften gesorgt hatten. Bei dieser Sachlage glaubte 
er Altaemps geradezu etwas Angenehmes zu erweisen, wenn 
er, wie es seinen warmen persönlichen Beziehungen zu diesem 
und seinem Amt als Nuntius und Visitator entspreche, es 
auf sich nähme, vermittels der Visitation viele im Klerus 
und in der Ordensgeistlichkeit von Konstanz eingenistete 
Missbräuche auszurotten, und umsomehr, da ihn viele fromme 
und eifrige Leute darum ersucht hatten. In diesem Sinne 
schrieb er bereits am 16. August dem Kardinalbischof von 
seinem Vorhaben, die Kirchen und Klöster der Stadt be- 



*"') Siehe über dies alles den diillen (Schluss-) Hand der von mir heraus- 
gegebenen Nuntiaturbeiichte des Grafen Bartholomäus von Portia (N.B. III 5). 
besonders n. 104 Beil. 2 S. 460 f. 

°) Siehe a. a. O. S. LXX Z. 23 f. Im Dezember 1574 hatte der 
Konstanter Domdekan von dein aus Koni zurückgekehrten Wolgmhueit gehurt, 
der Kaidinal sei in solcher Autorität beim Papst, dass in seiner Hand die 
Geschäfte des ganzen Erdkreises (orbis) seien (Karlsruhe General- Landcsarchiv 
Protokol Isain mlung 11. 7245 S. 182 f. Domkapilelsitzung vom 17. Dezember 

■574)' 



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Zur Geschichte der Gegenreformation im Bistum Konstanz. - 

suchen zu wollen 7 ). Da er gleichzeitig ankündete, dass er 
die Visitation unter Beistand der bischöflichen Beamten, das 
heisst des Suffragans Balthasar Wuorer 8 ), des Generalvikars 
Andreas Wendelstein, des vom Bischof mit der Führung 
der geistlichen Geschäfte betrauten Domdekans Philipp von 
Freiberg und des Dompredigers Dr. Miller und. unter Hinzu- 
ziehung von Altaemps' weltlichem Statthalter Wolgmhuett 
ausführen werde, so deutete er an, dass er nur im Sinne 
des Kardinals zu handeln gedachte. ,Ea beweist aber auch, 
dass er es schon kurz nach seiner Ankunft verstanden hatte, 
die leitenden Persönlichkeiten seinen Plänen günstig zu 
stimmen. 

Auch Äusserungen Erzherzog Ferdinands in Innsbruck 
im März des Jahres hatten Xinguarda übrigens davon über- 
zeugen können, dass eine Klostervisitation in Konstanz sehr 
am Platze sei. Der Fürst wird ihm damals von den unlängst 
eingetroffenen Nachrichten über die trostlosen Zustände im 
Kloster Petershausen gesprochen haben 9 )- Man glaubte zu 



T > Man lese vorläufig N.B. aus der Schweiz I i n. 580 S. 440 f, 
*) Über diesen siehe die Anm. 2 genannte Einleitung S. 124 Anm. 2. 
!l ) Ninguarda haue in der ersten Hhlfte des Mär/, mit dem Erzherzog in 
Sachen der Reform verhandelt. Am 21- [im Konzept 20.] Febr. 1579 hatte 
der Kürst an den Prälaten zu FetcraJiausen wegen seines -übel Hausens* ge- 
schrieben (Innsbruck Siatlbaltereiaichiv Amrnser chronologische Akten betr. die 
Klöster Stein a. Rh. und Pctersh:iuscn Konzept; zu vgl. im Archiv die Notiz im 
Korzeptbuch über die Regimen tssachen 1579 BL 28b: an den I'iälaten Verweis 
wegen Verschwendung und übel Hausens 20. Februar 1579: das Datum »21.« 
des nicht vorliegenden Originals ergibt sich aus der Antwort vom 3. April; Vgl. 
Anm io). Schon am 7. Februar 1579 halle Di. Justinian Moser aus lnns» 
brück dem Abi geschrieben (Karlsruhe a. a. U. Aklen Tctershausen Fase. 394 
Stück 1 Original mit dem Vermerk: Regislratum den 16. März): der Fürstlichen 
Durchlaucht sei vor kurzem angelangt, als solle Adressat übel verschwcndlich 
und dem Gotteshaus hochnachteilig hausen, eine grosse Summe Geld ohne 
Wissen und Bewilligung des Konventes aufgenommen und nicht dem Gottes- 
haus zu Nutz, sondern in anderer ungebührlich Weg angewandt und vergeben 
haben, wie es auch zum Teil noch geschehe; der Fürst werde Adressatem 
zwar auch selbst zuschreiben, er, Moser, habe aber bei dem zwischen ihnen 
bestehenden engen Verhältnis nicht unterlassen können noch wollen, ihm ganz 
geheim davon zu berichten, damit Adressat seine Sachen darnach anzustellen 
wisse und, wenn das richtig sei, eine bessere und nützlichere Haushaltung an- 
richte, damit anderes Einsehen nicht verursacht werde. Moser bat, seine War- 
nung nicht übel aufzunehmen und ihn gegen niemand zu nennen, sonst müsse 



igle 



NIHCnONUHWRpn' 



3 Schellhaß. 

wissen, dass der Abt dort seit längerer Zeit schädlich hause, 
das Siegel des Konventes mit seinem Abteisiegel in Ver- 
wahrung habe und dass er bis in die 40000 fl. ohne Wissen 
des Konventes unter dessen Namen und Siegel auf Interesse 
aufgenommen, Verschreibimgen aufgerichtet und die Gelder 
zum Nachteil des Gotteshauses verwandt habe 1U ), Diese 
Mitteilungen des Fürsten, dem wenig später, im Mai, seine 
Regierung ungeachtet der inzwischen eingelaufenen Recht- 
fertigung des Abtes eine Visitation durch den Bischof in 
Anwesenheit erzherzoglicher Vertreter als ratsam bezeichnet 
hatte 11 ), mussten in seinem Gedächtnis haften. Zudem hatte 
er offenbar in Erinnerung daran schon bei seinem flüchtigen 
Aufenthalt im Mai beim Weihbischof, ja auch bei einigen 
Mönchen über die Regierung des Abtes recht unerfreulich 
lautende Erkundigungen eingezogen, ohne indessen damals 
von der Absicht einer Visitation etwas Bestimmtes verlauten 
zu lassen 1 -). 

er ein andermal stillschweigen* In diesem Zusammenhange begreift man es, 
wenn Ninguarda am 16- März aus Innsbruck nach Rom schrieb, dass er, auch 
auf Bitten des Erzherzogs, auf dem Wege nach Salzburg und bei der Rück- 
kehr in die Schweiz auch das Klsass und die Gegend bei Konstanz besuchen 
werde; vgl. darüber demnächst die Nuntiatur berichte. Das luld zu nennende 
Mandat des Erzherzogs vom 26. März (vgl. Anm. 27) wird nunmehr erst recht 
verslUndlich, 

l0 ) Ich entnehme dies dem in der letzten Anmerkung genannten Schreiben 
des Fürsten vom 21. Februar und der vom 3. April datierten Erwiderung des 
Abtes (Innsbruck a. a. O. Ferdinandea fol. 293 n. 374 Original mit dem Ver- 
merk -praesentatum it. aprilis a. 79 oak Regierung*», der die Zeilen Ferdi- 
nands am [4, März aus Stockach, also zwei Tage früher als den früheren Hricf 
Mosers vom 7. Februar (vgl. Amn. 9}. erhalten hatte. 

!i j Das vom 25. Mai aus Innsbruck datierte Schreiben der Statthalter 
(Grat (ieotg von Thurn], Regenten und Räte oberösterrcichischer I-ande liegt 
im Original mit dem Vermerk, dass es am 2b. überreicht sei; ein anderer 

Vermerk »22. September Visitation a. 79* gehl wohl auf Ninguardas Tätig- 
keit — Innsbruck a. s. O. und abschriftlich Kopialbuch »Au die Fürstliche 
Durchlaucht 1 579 lib. 15* fol. 410. Wegen dieses Briefes siehe Anm. 35 
und wegen der Rechtfertigung des Abtes Anm. 10 und $3. 

") Diese Tatsache entnehme ich einem Betichte des Abtes aus dein 
Oktober 1579 (Karlsruhe Gencral-Landcsarchiv Akten Petershausen Fase. 394 
Stück 52 undatiertes Konzept). Dort sagt er, nachdem er von seinem er>ten 
Verhör im Prediyerklosler berichtet hat fich bemerke, dass ich bei den An- 
fuhmngen aus den Briefen sehr oft die Wortfolge der Schreiben beibehalte« 
mich aber fast durchweg der modernen Rechtschreibung bediene]: Der Nuntius 



igle 



FftlHaT$NU>Ut*[R?TV 



Zur Geschichte der Gegenreformation im Bistum Konstanz. q 

Nach dem allen überrascht es nicht mehr, wenn der 
Nuntius das unmittelbar bei Konstanz an der Rheinbrücke 
gelegene Kloster vielleicht schon am 16. August aufsuchte 13 ), 
diesmal mit der Absicht zu visitieren, noch bevor er sich 
offiziell mit dem Domkapitel wegen der Visitation in Ver- 
bindung gesetzt hatte 11 ). Es überrascht aber auch nicht, 
dass Ninguarda, der bereits hier in Begleitung bischöflicher 
Beamter, des Generalvikars, des Weihbischofs und des Dom- 
predigers, erschienen war, in seinem Gefolge Amtleute Erz- 
herzog Ferdinands hatte, die von dessen Wunsche nach 
einer Visitation jedenfalls unterrichtet waren l *). 

Wir sind über den Verlauf von Xinguardas Besuch 
sehr schlecht unterrichtet. Sicher ist aber, dass der Abt 



sei gar nicht »gemeint gewesen, solches (das Verzeichnis seiner Ausgaben) von 
mir anzunehmen, sondern vermeint, habe nunmehr Ursache genug, das gegen 
mir vorzunehmen, welches ihm meine ehrvergessenen Mönche mit Hilfe, Vor- 
schub und Zutun des doihini suffraganei (welches ich doch zweifeisfrei von 
unserem Jacobus [?? Hinweis auf den verstorbenen Wcihbischof Jakob Elincr?] 
seliger wohl wollte vertragen blieben sein), als er zuvor hier gewesen, 
sich aber von dieser seiner Visitation wenig vernehmen lassen, 
eingebildet haben, nämlich nolumus hunc amplius regnare super nos«. 

ly ) An Como schrieb Ninguarda schon am 16. August (vgl, N.B. a, a, O. 
n * 379 S* 439K dass er mit der Visitation begonnen habe. 

ll ) Schon am 31, August betonte der Abt von Fetershausen in einem 
Schreiben an Paulscn von Apetlzhoffenn, kaiserlichen und Kr/herzog Ferdinands 
Rat uud Verwalter der Landvngtci Schwaben (Innsbruck ;i. a. CK Original mit 
dem Vermerk »praesentatum Altorf f 2- septembris a. 79** »hiervon Copei zu 
schreiben*.), dass Felician die Visitation anfänglich bei ihm und dann auch 
anderen Dom und Stiften und Klöstern der Stadt Konstanz vorgenommen. 
Darauf weist er noch öfter hin. In einer von ihm aufgesetzten Instruktion für 
die Kidgenossen aus dem August 1580 (Karlsruhe a. a. O. Akten Petershausen 
Fase 394 Stück 49 Kopie) hebt er nach Erwähnung dieser Tatsache hervor, 
dass der Nuntius wohl Ursache gehabt hatte, tind dass es der Billigkeit ent- 
sprochen haben wflrdc, solche beim Domkapitel als dem Haupt gemeiner 
Clerisci des Bistums anzuheben. 

IL ) Meine Darstellung stützt sich hier und im folgenden, soweit Peteis- 
hausen in Betracht kommt, vornehmlich auf den schon genannten Fase, 394 
(von nun an stets zitiert Fase* 394). Siehe insbesondere die in der letzten 
Anmerkung genannte Instruktion (Stück 49) und einen Protest des Abtes aus 
dem November oder Dezember 1 579 (Süick 61. Schlu*s Stück 62 Kopie). 
In diesem wird die Gegenwart des weltlichen Magistrates, in jener die der 
Amtleute der fürstlichen Durchlaucht erwähnt. Ich verweise dann auf die 
. Anm, 12 uud 14 genannten Schreiben des Abtes, in welchen die obengenannten 
drei geistlichen Beamten als Begleiter des Nuntius genannt werden. 



v;| C 



■ ■ 



lO Schellbaß. 

ihm ohne weiteres auf seine Kragen Rede stand, da er an- 
gesichts der bischöflichen Beamten annahm, dass alles mit 
Wissen und Zustimmung des Konstanzer Bischofs geschehe. 
Dass auch weltliche Beamte, neben den Amtleuten der 
Verwalter der Hauptmannschaft in Konstanz, Johann von 
Mcndliszhofen, anwesend waren lB ), gefiel ihm zwar nicht, 
da es im Widerspruch mit dem geistlichen Recht stünde 
und gegen die Privilegien des Gotteshauses Verstösse; es 
hielt ihn aber nicht ab, sich gegen den Abgeordneten des 
Papstes entgegenkommend zu beweisen. Er hatte, wie er 
spater sagte, der Visitation nicht gleich im Anfange Hinder- 
nisse bereiten wollen l7 ). 

Die Ninguarda in Innsbruck zu Ohren gekommenen 
Vorwürfe gegen Christoph Funck, Freiherrn von Buchen- 
berg, der seit 23 Jahren die Abtswürde bekleidete und 



l4l j Meine Annahme, dass bei dem weltlichen Magistrat (vgl. Anm. 15) 
an diesen zu denken sei, da der genannte Protest neben den drei bischöflichen 
Beamten in einem etwas spateren Zeitpunkt Meodliszhofen als Mittelsleute de* 
Prälaten aufführt, wird durch den inzwischen aufgefundenen in Anm. 14 gc- 
nannten Brief des Abtes vom 31. August bestätigt. Er sagt dort, dass ersieh 
samt den Seinigen der Visitation ganz gehorsam und unweigerlich »untergebent 
habe, obwohl er seiner Meinung nach erbebliche Ursachen genug gehabt, be- 
sonders die. dass der Nuntius ihm (»welches er doch gegen anderen Klöstern 
und Geistlichen keinem vorgenommen«) den Herrn Stadtvcrwahcr Junckher 
Hansen von Mcnlisboffenn sowohl im Eliminieren und Erfragen als auch vor 
und nach auf den Hals gesetzt, welches doch den beschriebenen geistlichen 
Rechten, wie auch zugleich aller Bescheidenheit zuwider, und ihm. dem Abt, 
gar unzweifltch, auch der fürstlichen Durchlauchtigkeit Gemüt und Willen zu* 
wider, ihn seiner angestellten Visitation zif*aenlschütten*, 

i: j Siebe einen Brief des Abtes vom 22. September an den Kardinal- 
Bischof (Fase. 394 Stück 5): hier betont er. dass die Visitation bei ihm zu 
allererst vorgenommen worden sei, und dnss er darum durch Ungehorsam nicht 
ein böses Exempel habe geben wollen und deshalb die Visitation in ihrem 
I-aufe nicht verhindert habe. Ahnlich sagt er in dem Briefe vom 31- August 
(vgl. Anm. 16) weiter: damit er aber gar nicht dafür gehalten würde, als 
wenn er der Visitation» besonders da sie ordentlich und 1 cch tmäs^iger weise 
angestellt würde, Abscheu trüge oder sonst derselben sich zu entziehen gemeint, 
so habe er sich der, ungeachtet oben angezeigter ihm und seinem Gotteshaus 
ganz beschwerlicher neuerlichen eingeführter Beschwerden, ohne alles Verweigern 
nicht allein untergeben, sondern bisher alle Gehorsam eiwiesen. des gänzlichen 
Veihoffcns, dieser seiner erwiesenen Gehorsam bei ihm Heini Nuntius mehr 
zu gemessen als zu entgelten. Siehe die Fortsetzung des Briefes Anm. 52. 



igle 



■ ■ 



Zur Geschichte der Gegenreformation im Bistum Konstanz. j | 

wohl schon etwa 60 Jahre alt gewesen sein wird 1 *), richteten 
sich wohl insbesondere gegen dessen finanzielle Verwaltung 
und nicht so sehr gegen seine geistliche und kirchenpoli- 
tische Wirksamkeit. Von dieser hatte der Prälat des öfteren 
in den vergangenen Jahren als Visitator im Auftrage des 
Konstanzer Bischofs Marc Sittig und zur Genugtuung Erz- 
herzog Ferdinands von Österreich erfreuliche Proben bet- 
bringen können 19 ). Und man darf annehmen, dass ihm auch 



IP J Wenigstens ist des Öfteren in den von uns behandelten Jahren von 
seinem Alter (senectu») und von seiner Hinfälligkeit die Rede. Positive Nach- 
richten Über snin Lehen Ins zum Jahre 1579 finden sich nur wenige. Da er 
laut Finnin Lindner (Fünf Profeisbücher süddeutscher Benedikrincrabtoicn, 
Beitrüge zu einem Monasticon benedictimim Germaniae, 5. Petershauscn, 
Kempten, München, Kose! 1910, S. 5) erst kurz vor seiner Wahl zum Abt 
(am 8. Juli 1356) i. J. 1552 Profess getan und erst 1555 die Priesterweihe 
erhalten hatte; so möchte man annehmen, dass der Freiherr sich anfänglich 
dem weltlichen Berufe hatte widmen wollen und erst nachträglich die geistliche 
Laufbahn eingeschlagen hatte. Die Chronik' Blätter der sekularisierten Bcncdik- 
tiuerabiei Petershausen oder des verweltlichten Gotteshauses zum hl. Grc*;ord. G. 
am rechten Rheinufer bei Conslanz, Waldsbut hei A. Maicr 1841» bieten 
S- 49 — 50 wenig. Siehe ausserdem bei Lindner (S. VII) die kurzen Be- 
merkungen über die Keichsabtei Petershausen. Sic lag am rechten Rheinufer, 
war mit Konstanz durch eine Brücke verbunden, von Gebhard IL, Bischof von 
Konstanz, i. J. 983 gegründet worden und halte als Pationiis primär ius Papst 
Gregor den Grossen. Über das Schicksal des Klosters in der Zeit von J 528 
— 1 55^* > n welchem Jahre Abt Gebhard nach einer 28jährigen Verbannung 
wieder in Petershausen einziehen konnte» und über den Brand und die Zer- 
störung des Klosters i. J. 1548 (vgl* Anm. 54 und 64), die einen Wiederauf- 
bau nötig machten und Funck in grosse Schulden stürzten, siehe che Chronik- 
Blätter S- 47—49- 

'") So im Sommer 1371, wo er und der Abt von St- Blasien in 
Gemeinscliaft mit den vorderöstcrrcichischen Kommissaren in den vorder- 
österreichischen Landen eine Visitation vorzunehmen hatten, so im 
November und Dezember 1572 und im Februar und April 1573. wo 
er zuen t mit dem Prior von Reichenau und nachher im April mit Abt 
Kaspar von St. Blasien für die Visitation und Reform insbesondere des Klosters 
Allerheiligen in Freiburg i. B. talig gewesen war. Siehe Näheres hierüber bei 
G m c 1 i n t Aus Visitationsprotokollen der Diöaxsc Konstanz von 1571 — 1 586 
(Keilschrift für die Geschichte des Obcrrhems Bd. 25, 1R73. S- 12g ff., vor- 
nehmlich S. 134—137, 137—139!- Wie eingehend sich i. J. 1373 die Prä- 
laten von Petershausen und von St. lilasicn auch über das Prfedigcrklaster in 
Frciburg zu unterrichten gesucht hatten, zeigt die von mir in meinem drillen 
Portk-Band (N.B. III 5 S. 363 S- 20 ff.) wiedergegebene Äusserung der 
Konstanzer Statthalter vom 15. Februar J 5 75 (etwas seltsam ist deren Be- 
hauptung, dass die Visitation kraft apostolischer Autorität damals erfolgt sei. 



igle 



ffWCftONUHtVEUTO 



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12 Schellhaß. 

seine Stellung als Mitglied und Haupt der schwäbischen 
Prälatenbank und vertrauliche Aufträge des I^andesfürsten 
verschiedentlich Gelegenheit gegeben haben werden, sich in 
jener Beziehung nachhaltig zu betätigen- ). Also in erster 
Linie Kragen der Verwaltung und finanzieller Xatur waren 
es jedenfalls, von denen die Erörterung mit dem Abte aus- 
ging; sie zeigte dann offenbar nur zu bald, dass allein ein 
scharfes Vorgehen gegen den Prälaten, der neben allem auch 
des Konkubinats sich schuldig gemacht habe und seinen 
geistlichen Obliegenheiten je länger desto weniger nach- 
komme, eine Gesundung der finanziellen Lage des Klosters 
herbeiführen könne. Mit dem Auftrag an den Abt. ein 
Verzeichnis der von ihm aufgenommenen Schulden aufzu- 
stellen und Rechnung abzulegen, wird dieses erste Zu- 
sammentreffen seinen Abschluss gefunden haben. 



Kurz darnach wird der Nuntius dem Kloster der Augu- 
stiner-Chorherren in Kreuzungen und dem der Nonnen vom 



sie war doch im Auftrag des in Rom weilenden Bischofs geschehen?!). — 
J<_nen Mitteilungen Gmelins entnehme ich auch, dass Christoph Funck im 
Sommer 1372 zusammen mit dem Konstanzcr Dekan als bischöflichem Statt- 
halter und dem Konstanzer Weihbischof das Kloster Wiblingen visitiert hatte 
|vgL a. a. Ö. S. 137). 

*°> Schon Kaiser Ferdinand wird ihn verschiedentlich zur Ausführung 
von dahin gehenden Kommissionen herangezogen haben- Wenigstens heisst es 
in jenen Chronik- Blättern S. 49: »Vom K:iiser als Bekennet echter Reformation 
wolgeachtct, wurde er zum Geheimen Kaiserlichen Käthe ernannt, und zu 
vielen und grossen Ccmiszioncn gebrauchet*- Funck selbst spricht in dem 
undatierten Entwurf zu einem Briefe an den Konstanzer Bischof aus dem 
Oktober 1 579 (Fase. 394 Stück 4) davon, dass ihm Erzherzog Fer- 
dinand und die RcichspriMaicn des schwäbischen Kreises des öfteren Visita- 
tion, Kommission und andere Geschäfte aufgetragen hauen. Näheres ist mir 
darüber nicht bekannt» vornehmlich auch nicht über seine Wirksamkeit als 
Haupt der schwäbischen Pnilatenbank. Doch möchte ich vermuten, dass seine 
Anwesenheit auf dem Regensbuigcr Reichstag i. J* 1576 (vgl, N.B. III 5 
S. 526 Z, 35 f.) in engSttr Beziehung hiemi stand. Dass er die Korrespon- 
denzen und Geheimnisse jener Prälaten bewahrte, deutet er in dem Aniu. 12 
erwähnten Beriebt an. Am 8. Februar 1580 nennen ihn Statthalter und Räte 
Kti Konstanz in einem Schreiben an die zu Walds« versammelten Prälaten 
(Fase* 394 Stück 30 Kopie) ausschreibenden Obhcrrn der Pralatrnbank des 
schwäbischen Kteises. Er nahm also eine überragende Stellung ein. Die Art 
seiner Persönlichkeit blieb aber trotzdem bisher im Dunkel, Die Möglichkeit, 
sich darüber ein Urteil zu bilden, wird wohl erst unsere Darstellung geben. 



«k mSSSSS!S\ 



Zur Gesc h ic ht e der Gegenreformation im Bistum Konsum». | 2 

Orden des hl. Benedikt in Münsterlingen (sie lagen beide 
in nächster Nähe von Konstanz) einen flüchtigen Besuch 
abgestattet haben- 1 ). Nähere Kunde darüber fehlt völlig 2 -). 
Ein Rückschluss auf die spateren Ereignisse zwingt aber Zu 
der Annahme, dass die dortigen Zustände ihn in seinem Em- 
schluss, eingehend zu visitieren, nur bestärkt haben werden. 



Inzwischen war es Zeit geworden, sich mit dem Dom- 
kapitel ins Einvernehmen zu setzen, wenn er zu einer Visi- 
tation des städtischen Klerus schreiten wollte. Er kündigte 
also den Domherren seinen Besuch für den 20. August- 3 ) 
an. Unmittelbar vorher mag er in setner Vielgcschäftigkeit 
noch den Konventen der nach Schaffhausen hin gelegenen 
Klöster St. Katharinenthal und Paradies, die er schon im 
Mai auf dem Wege nach St, Gallen besucht hatte, auf die 
Reform ihrer Lebensweise bezügliche Anordnungen zuge- 
sandt haben- 1 ). Jedenfalls fühlte er sich gewiss eben jetzt 
mehr wie je als Visitator. 

Am 20. August fand er das Domkapitel in der Zahl 

von 18 residierenden Kanonikern versammelt"). Worauf 

er hinauswollte, wurde diesen, wenn es noch nötig war, 
klar, als er ihnen seine apostolische Vollmacht vorwies, die 
ihn laut seiner Fakultätenbulle vom 1. Mai zur Reform aller 
Kirchen und Konvente, auch der exempten, ermächtigte 10 ), 



7i ) Die nähere BcgrtoftlOg 10 den NumUturberichten. 

") Meint* Krwartung, im Kaiitonsarchiv Fraucnfcld Akten über Nin* 
£tmrd&S Visitation üii finden, wurde getäuscht. Man verwies» mich von dnrt 
auf die Forschungen und die Abhandlung A. Büchi's, Zur trideminischen 
Reform der thurgauischen Klu&icr (Zeitschrift Illr K fa W fllwrii ehe Kirchcn- 
geschichlc Bd. I. Staus IQ07K Hiichi stützt sich aber, suweil 1579 in Betracht 
kommt, so gut wie ausschliesslich auf X.B, aus der Schweiz 1 !■ Vgl. Anm. 93, 

DJ ) Das ergibt sieh aus der in der übernächsten Note genannten Auf- 
zeichnung. 

"} Hierüber das Nähere in dem Hand der Nunualurberichte. 

-*) Das Folgende laut einer in Karlsruhe General- Landesarcbiv Proiuk-ill- 
sammlung n. 7245 S* 277—279 liegenden Aufzeichnung über Ningumdas Vw 
Handlungen mit dem Konstanter Domkapitel am 20. August. Sie schlichst mit 
einer kurzen Nuliz über das zweitägige Verhör «Irr Kanoniker und ul>er die 
Überreichung der Charta visitatoria und über das Anm, 169 genannte Rrevc 
vom 20. November. 

**) Das NttHere in den» Hände dn Xumiaturberichte. 



imimim 



'4 



SchcMhaß. 



und als er ihnen ein vom 26. März 1579 aus Innsbruck 
datiertes Mandat Erzherzog Ferdinands von Österreich vor- 
hielt- 7 ). Da der Fürst hierdurch die Geistlichen in seinen 
schwäbischen Land-, Graf- und Herrschaften zum Gehorsam 
gegen Ninguarda bei dessen beabsichtigter Visitation und 
Reformation, seine Beamten aber zu dessen etwaiger Unter- 
stützung verpflichtete, so bedurfte es kaum mehr der aus- 
drücklichen Erklärung des Nuntius, dass er jetzt auch eine 
Visitation der Kanoniker in der Konstanzer Kirche vor- 
nehmen wolle, damit dem Willen des Papstes entsprochen 
werde. Sie erfuhren dann, dass ihn zu seinem Entschluss 
die in der Schweiz gemachten Erfahrungen bewogen hätten, 
wo man eine Visitation erst nach einer Visitation der Muttcr- 
und Kathedralkirche habe zulassen wollen, und gedroht 
habe, dass die auf Schweizer Boden befindlichen Ange- 
hörigen des Bistums die Einkünfte und Güter verwenden 
würden, um einen eigenen Bischof für ihre Gegend zu 
wählen. Hatten doch jene geklagt, dass in Konstanz der 
Konkubinat der Kleriker keine Strafe nach sich ziehe, dass 
der Konstanzer Bischof die katholischen Schweizer nicht 
visitiere, sondern vernachlässige, und dass man auch nicht 
in gebührender Weise den Gottesdienst versehe! Ganz be- 
sonders musste sie aber der Vorwurf des Nuntius treffen, 
dass er an vielen Orten ihres Bistums das Tridentiner Ehe- 
dekret nicht veröffentlicht gefunden habe, da der Kardinal 
Altaemps nach Schluss der Synode von 1567 gerade diese 
Verfügungen in deutscher und lateinischer Spruche zur Be- 
kanntmachung in den Kirchen und zur Nachachtung ge- 
sondert im Druck hatte erscheinen lassen 20 ). Wie konnte 

,j: ) Es liegt abschriftlich in Karlsruhe A. a. O. Konstanz Gcneralia 
Kirchcnvisiuiioncn Fase. 576; in der Unterschrift sind neben dem Erzherzog 
Justinian Moser (mit dem Vermerk »vidit«) und als ausführender Beamter 
F. Schrennckh (»ftd mandatum ) genannt. Zur Vorgeschichte dieses Mandats 
siehe Anni. 9, 

w » Angekündigt hatte er die Veröffentlichung der Dekrete in deutscher 
Fassung in einem Mandat vom 6. September 1567. Sic wird aber kaum vor 
dem Erscheinen de* Drucks der Synodalddcrctc von 1367 erfolgt sein, in den 
sie in deutscher und lateinischer Fassung aufgenommen sind. Siehe die Con- 
stitutione* et decreta synodaüa civitatis et dioecesis Constanticnsis, Dilingac 
»päd Sebaldum Mayer 1560, Blau loth— 137, ebendort Blatt 100— 101 das 
Mandat vom 6, September, au vgl. dort S. 09 i. Tilulus 15 Caput unicum. 



13k 



■ ■ 



Zur Geschichte der Gegenreformation im Bistum Konstara. | c 

man sich, da dieser Umstand auf gröbste Nachlässigkeit in 
anderen Dingen schliessen liess, der Forderung Ninguardas, 
dass die Kanoniker sich nun einzeln seiner Visitation unter- 
werfen möchten, damit er seinem Auftrage entsprechen 
könne, in begründeter Weise widersetzen? 

Sie suchten erst einmal die Antwort bis zum Nach- 
mittag hinauszuschieben. Ihnen schien es (und das gaben 
sie offenbar auch Xinguarda zu verstehen), dass die ihnen 
gezeigten Vollmachten für eine Visitation ihres Kapitels 
nicht notwendig Gültigkeit hätten, und dass sie auch nicht 
gehalten »eien, dem Mandat des Erzherzogs zu gehorchen. 
Ausserdem Hess der Umstand, dass von seiten des Kardinal- 
Bischofs gar kein Mandat und keine zustimmende Erklärung 
vorlag, den Argwohn aufkommen, dass Eelician gegen dessen 
Willen handle. Wegen der in der Schweiz erhobenen Vor- 
würfe müsse man. so meinten sie. sich nicht an das Kapitel, 
sondern an den Bischof wenden, den das allein angehe. 

Dem gegenüber betonte der Nuntius, dass von einem 
Aufschuh nicht die Rede sein könne und dass er keinem 
Rechte des Kapitels schaden wolle, und dass er auch gar 
nicht dem Mandat des Erzherzogs, durch das man den 
Rechten und Immunitäten des Kapitels in keiner Weise 
vorgreifen wolle, solches Gewicht beilege; er erstrebe allein 
die Besserung der Kanoniker, damit er dem Papste Genüge 
tue. Ihren Bedenken hinsichtlieh des Kardinals begegnete 
er mit der Versicherung, dass man auch in dessen Sinn 
handeln und dass nichts gegen dessen Willen oder Rechte 
geschehen werde. 

Er hatte damit den rechten Ton angeschlagen. Die 
Kanoniker erhoben aus Ehrfurcht vor dem heiligen Stuhl 
und in gehorsamer Gesinnung, indessen unter Vorbehalt 
ihrer Rechte, keinen weiteren Einspruch gegen die Visitation. 



Nur in äusseren Umrissen lässt sich bei dem hehlen 
der eigentlichen Visitationsakten der Verlauf der Visitation 
verfolgen, die nunmehr am oder bald nach dem 20. im Dom 
eingesetzt und sich dann auch auf die anderen Kirchen und 
Klöster in und bei Konstanz erstreckt haben wird. Aber 



igle 



■ ■ 



l6 Schellhaß. 

mit Hilfe der Briefe Ninguardas und des bald zu erwähnen- 
den Bonhomini, Bischofs von Vercelli, und der auf uns ge- 
kommenen Erlasse, der Chartae visitatoriae, für die Stephans- 
kirche in Konstanz und für das Kloster Petershausen und 
auf Grund einiger Notizen deutscher und schweizerischer 
Herkunft wird es trotzdem möglich sein, ein Bild der bis 
Ende September sich erstreckenden Tätigkeit des Nuntius 
Ninguarda in Konstanz zu entwerfen. Es möchte deutlich 
genug sein, um uns die Zustände in und bei Konstanz in 
jenen Tagen zu veranschaulichen. 

Residenz Ninguardas in diesen Tagen war das Prediger- 
kloster in Konstanz, er hatte also engen Anschluss an seine 
Ordensbrüder gesucht. Hier verhörte er zwei Tage lang 
aufs eingehendste die einzelnen Domherren, und unmittelbar 
darnach vermutlich, nachdem er den verschiedenen Kirchen 
und Klöstern der Stadt seinen Besuch gemacht hatte, den 
grösseren Teil der Welt- und Ordensgeistlichkeit; mit solchem 
Eifer, dass er schon am 28. August nach Rom schreiben 
konnte, die Visitation fast zum Abschluss gebracht zu haben. 

Bei dem Versuch, trotz der mangelhaften Überlieferung 
über die damaligen Zustände in den Kirchen der Stadt ins 
Klare zu kommen, wird -man sich vor allem zu erinnern 
haben, dass es in erster Linie die Klagen über den Kon- 
kubinat des Klerus waren, die dem Nuntius ein Eingreifen 
gleichsam zur Pflicht machten. Er wird sie als in jeder 
Beziehung begründet haben anerkennen müssen. Bildete 
doch das Konkubinatsverhältnis schon seit Jahrzehnten, ins- 
besondere auch im Konstanzischen, nicht die Ausnahme, 
sondern, wenige Gemeinden abgerechnet, die Regel, ohne 
dass die nähere und weitere Umgebung der Geistlichen, 
die ihre Gefährtinnen und Kinder auch durch Testamente 
sicher zu stellen suchten, daran Anstoss nahm 19 ). Eingehend 
hatte sich Kardinal Altacmps auf der Synode von 1567 mit 
dieser Sachlage beschäftigen und scharfe Strafen gegen die 

*") Siehe darüber A. Kluckhohn, Urkundliche Beitrage zur Gesch. der 
kirchlichen Zustände, insbesondere des sittlichen Lebens der katholischen Geist- 
lichen in der Diocese Konsum* wahrend des 16. Jahrhunderts (Zeitschrift für 
KirchenRcschichte Hd. XVI, Gnthn 1896, S. 590—625, besonders S. 622 
2. 1 ff.l. 



h;Ic 



■ ■ 



Zur Geschichte der (irgcnrcformaiion im Bistum Konsum. | j 

Konkubinarier in die Dekrete aufnehmen müssen, nachdem 
er schon am 17. Juni 1566 ein Mandat in der nämlichen 
Angelegenheit erlassen hatte 30 ). Alles ohne Erfolg, denn 
noch im Juni 1576 hatte Portia dem Konstanzer Weih- 
bischof geklagt, dass man den allgemein verbreiteten Kon- 
kubinat keinem zum Vorwurf mache oder zur Schande an- 
rechne, und dass die Buhlweiber (meretrices) von den Geist- 
lichen ganz öffentlich wie Ehefrauen behandelt würden ; es 
fehle nur noch, dass sie sich nicht verheirateten 31 )! Da ihm 
ernste Leute vor Monaten die Sachlage ähnlich in den 
Diözesen Mainz, Würzburg und Bamberg gekennzeichnet 
hatten, wo die Geistlichen ganz offen zur Ehe zu schreiten 
gewohnt seien, und da ihm die Zustände im Speyrischen 
eine ähnliche Entwicklung zu nehmen schienen, ganz zu 
schweigen von den für den Katholizismus auch unter diesem 
Gesichtspunkt traurigen Aussichten in Steiermark und 
Kärnthen :t *J. so diente jene seine Äusserung zur Vervoll- 
ständigung einer Schilderung, die dem gläubigen Katho- 
liken einen trüben Ausblick in die Zukunft eröffnete. Nicht 
zum wenigsten auch darum, weil Portia hatte hören müssen, 
dass an den Höfen der geistlichen Pursten manche diese 
Ungehörigkeiten für zulassig hielten, andere aber zu ver- 
stehen gäben, bei dem herrschetsden Priester mangel werde 
man unmöglich wie in der Zeit Gregors VII. solchen Un- 
anständigkeiten zu Leibe gehen können, ohne den ganzen 
Stand auszurotten 33 ). 

Der unbefangene Beobachter wird sich also in der 
Regel der dem Worte Konkubinat anhaftenden üblen Be- 
deutung entwöhnen und sich klar machen müssen, dass er 
es meist mit Geistlichen zu tun hat, die die letzten Pol- 
gerungen ihres von der römischen Kurie verbotenen Tuns 
im Hinblick auf ihre Einkünfte nicht durch Austritt aus 
der Kirche zu ziehen wagten. 



so ) Siehe in den Anni. 28 jjenannlPti Constitutione* Pars sreunda Tilttlus I 
CSp. 11 De concubinariif mit dem dort lösenden Mnndnt von 1 566. 
"> Siehe N.B. III 5 S. 4G1 Z. (> ff. 

") Man lese .1, a- O. S. 402 '/.. 13 ff. und 475 Z. 25 (f. 
M ) Siehe a. a. O. S. 402 7„ 1; If. 
Zeitschr. f, Goch, d. Ol-rOi, M.F. XXX1L 1. , 



# wiÄÄsrv 



18 Schcllh.iB. 

- 

Natürlich wird es nur zu oft zu groben Ungehörig- 
keiten und Ausschreitungen gekommen sein. Darauf deutet, 
um nur etwas anzuführen, die Mitteilung des Konstanzer 
Rates an den Domdekan im August 1576, man wolle die 
ganze Klerisei gewarnt haben, bei Nacht sich nicht an arg- 
wöhnischen Orten finden zu lassen, da der Wächter Auf- 
trag habe, dort betroffene Leute gefänglich einzuziehen 1 * 1 )» 

Doch Mahnungen dieser Art werden wenig geholfen 
haben, ebensowenig wie eine Verfügung des Domkapitels 
im März 1577, dass die Domherren bei Strafe der Ent- 
ziehung der Präsenz die »laggeyen Baretlin« und grossen 
Hemdkragen abtun und beim Gottesdienst nicht in der 
Kirche spazieren gehen sollten 35 ). Man wird hier und 
weiterhin an die Dekrete jener Synode von 1567 erinnert, 
die gegen ähnliche Ungehörigkeiten vorging 30 ), und daher 
auch auf Gleichförmigkeit der Verhältnisse in allen Kirchen 

ai ) Siehe Karlsruhe a- a. O. Protokollsammlung n. 7245 S* 215 f. Ich 
mache übrigens aufmerksam auf einen dem Domkapitel am 9. Januar 1573 
unterbreiteten Befehl Erzherzog Ferdinands an den Rat {vgl. a. a. (X S. 1 25 t 
126), die Konkubinen aller Priester oder Geistlichen, so viel sie deren auf der 
Gasse antreffen würden, gefänglich einzuziehen und ihnen die Stadt zu ver- 
bieten. Wie der Rat es an Rücksicht gegen das Kapitel, so Hessen die KapN 
tularen, denen augenscheinlich schon vorher Weisungen vom Bischof in der 
Sache zugegangen waren, es an diplomatischer Feinheit gegenüber den Kats- 
herren nicht fehlen. Denn könnte es grü>serc Rücksichtnahme geben, wenn 
diese die Geistlichen, so haben ccincubinas, durch ihre Mitteilung gewarnt und 
sich für alle Fälle entschuldigt haben wollten, da sie ihres Herrn Refehl nach- 
kommen müsslcn? Und war es nicht ein sehr feiner Schachzug von selten 
des Kapitels, wenn es bat, mit solchem Mandat nicht /u eilen, da man auf 
den unlängst ergangenen Befehl des Bischofs ?*clbsi damilun und des Kon- 
kubinats halber derartig Abhilfe schaffen würde, dass es der Stadt Konstanz 
Exccution nicht bedürfe? Nichts zeigt besser als dieses kurze Protokoll, wie 
die Sachlage in Konstanz war. Dass alles beim alten geblieben war, zeigt das 
am 12 November 1575 im Domkapitel verlesene Schreiben des Bischofs an 
den Suffragan und Vikar (vgl. a» a. Ü. S, 206), dass sie gegen jeden beliebigen 
Konsian/or Klerus hinsichtlich des Konkubinats und nnderer ]*aster scharf 
ahndend vorgehen sollten* 

:,Ä ) Siehe n. a. O, 5. 222, 22J. Auch die sich anreihende Vorschrift, 
dass sie zu Advent und 211 Quadrage*ima immer ihre >almutia« [das sind 
Mantelkragen: Dncangc] tragen müsslcn, aufgenommen die Sonntage und die 
doppelten Keste. deutet auf Unregelmässigkeiten* 

*') Man lese unter anderein Pars seeunda Titulus 1 dtp* 5 und Pars 
prima Titulus 16 eap, 5. 



vS lc mSSStSSSsof 



Zur Geschichte der Gegenreformation im Bistum Konstanz. 



»9 



der Stadt schliessen dürfen, wenn Ninguarda es in seinen 
Weisungen für die Kanoniker und Kaplane (sacellani) der 
Kollegiatkirche St Stephan 37 ) für erforderlich hielt, den 
Luxus in der Kleidung und die Unaufmerksamkeit während 
der geistlichen Handlungen zu geissein. Denn er mahnte 
zur Bescheidenheit während des Singens (psallendum), zum 
ruhigen Verhalten im Chor und während der kanonischen 
Hören 38 ) und machte ihnen Ehrfurchtsbezeugung durch 
Entblössung des Hauptes während des Hochamtes und 
durch Beugung der Knie bei Erhebung der Hostie und bei 
Erteilung der Kommunion und weiter Vermeidung jedes 
Geschwätzes und jeder Lästerung in der Kirche und in 
ihrer äusseren Erscheinung die Tonsur, das Tragen eines 
geistlichen Gewandes und den Gebrauch einfacher Hemden 
zur Pflicht 3tl ). An eine Vorschrift der Synode von 1567 
klingt auch die Anordnung Ninguardas für jene Kanoniker 
an. dass sich keiner ohne triftigen Grund der Beobachtung 
der kanonischen Hören entziehen solle 40 ), wenn man nicht 
der Fabrica der Kirche für die Versäumnis der Morgen- 
messe, des Hochamtes, der Vesper und des Officium com- 
pletorium je einen Kreuzer, für die der einzelnen Hören je 
einen halben Kreuzer und im Wiederholungsfall diese Summe 
das viertemal doppelt, das fünftemal dreifach und somit einen 
in diesem Verhältnis immer mehr steigenden Betrag zahlen 
wolle. Folicians Mahnung wird also kaum auf die Stephanskirche 
beschränkte Misstände zur Sprache gebracht haben. Eben- 
sowenig seine Einschärfung, dass ein bis auf die Knie hinab- 
reichendes Gewand die Geistlichen auf Reisen sofort als 
Kleriker kenntlich machen müsse, und dass sie vom Würfel- 
spiel und von anderen verbotenen Spielen, von Vogelstellerei, 
von Jagden und Chorreigen und anderen weltlichen Dingen 
fern zu bleiben und den Trunk und Schlemmerei zu ver- 



"') Diese vom 18. September 1 579 datierten Weisungen liegen abschrift- 
lich in Karlsruhe a. a. O. Prolokollsamntlung n. 7310 fol. 31a — $3a(b). 

*") Vgl. in den Dekreten von 1567 Pars seeunda Titulus 2 cap. 8. 

™) Vgl. hinsichtlich der äusseren Erscheinung a. a. O. Pars seeunda 
Titulus 1 cap. 4 und 5. 

*°) Siehe in den Dekreten Pars prima Titulus 16 cap. 4. Die oben 
genannten Geldstrafen fehlen hier. 

2* 



gle 



■ ■ 



20 Schellhaß. 

meiden und öffentliche Wirtshäuser nur auf Reisen zu 
betreten hätten. Hatte man sich doch schon auf der Synode 
von 1567 veranlasst gesehen, den Geistlichen nahe zu legen, 
dass sie an Schmausereien und Trinkgelagen» insbesondere 
in Wirtshausern, nicht teilnehmen und es unterlassen möchten, 
auf die Jagd und den Vogelfang zu gehen 41 ). Und wie 
damals die Synode, so musste jetzt Ninguarda in der Stephans- 
kirche und fraglos auch in den anderen Kirchen darauf auf- 
merksam machen, dass das Tridentiner Konzil alle Provisionen, 
Expektanzen, Reservationen und sonstigen Indulte verbiete 4 *). 
Etwas Neues war es, wenn er, übrigens wohl nicht nur bei 
den Kanonikern von St. Stephan, daran erinnerte, dass Vor- 
zichtlcistungen auf kirchliche Bencfizien laut einer Konsti- 
tution Pius 1 V. vom 2. September 1568 nur Gültigkeit hätten, 
wenn sie an der Kurie binnen 6 Monaten und ausserhalb 
der Kurie, am Ort der Bencfizien, innerhalb eines Monats 
nach dem Datum der Bittschrift veröffentlicht würden, und 
wenn sich der Anwärter auf die vakanten Benefizien melde. 
Die Bestimmung des Papstes Pius i8 J, dass sonst solche 
Benefizien beim Abscheiden des bisherigen Besitzers, des 
Resignanten, als durch Todesfall vakant betrachtet und 
etwaige auf die Verzichtleistung sich stützende Verleihungen 
und Verfügungen als ungültig betrachtet werden sollten, 



4I ) Vgl. a. a. O- Pars seeunda Titulus 1 cap, 2, 4 und 8. In cap. 5 
ist von langen »tunicac ad lalos* u&quc* die Rede, die Niets zu tragen seien, 

4t ) Vgl. a. a. O. Pars seeunda Titulus 2 cap. iO- Doch war i. J. 1567 
dem Domkapitel eine gewisse £ahl von ExpektauittD gelassen worden mit 
Rücksicht auf den katholischen Ritterstand. Oh auch Ninguarda jetzt diese 
Einschränkung machte? 

4:i ) Ich kenne sie bisher nur ans Ninguardas Weisungen für ilie Stephans- 
kirche. Ks heisst dort, sie schreibe vor: quod queeunque benefitia ecclcsiastica 
sive in romana curia sive extra eam resignata, nisi de Ulis faetae resignationes, 
si in eadein curia, infra sex mens«* a die datae supplicatioms et nun a die 
prestiti consensus computandos, si vero extra dietam curiam sint, infra mensein 
tunc, ubi dicta benefitia consistunt. ptihhcatae fueiint vel possessio illorum al> 
eis quos id contigcM petita extitcrit, si resignantes ipsi ista poslmodutn in 

eoiundem resignatorum benefitiorum possessionis decesscrint* non per restgna- 
lionem, sed per obitnm huiusinudi vacarc censcatnur. Collationes quoque et 

quevis aliac dis|K»sitiones de illis lanquain per resignationein vacaulibus facta 

Ct inde sueuia nullius sint valoris vei momenti. Vgl. Bullar. Rom. Taurin. VII 

6G4 (IChses). 



igle 



■■lü.'l '■■;i.. ■ i 



Zur Geschichte der Gegenreformation im Bistum Konstanz. 2 I 

mochte wohl des öfteren auch für Konstanz von praktischer 
Bedeutung sein 44 ). 

Dass bei dem Überwiegen weltlicher Liebhabereien im 
Klerus» das diesem ganzen Zeitraum eigentümlich ist, wie 
anderwärts, so auch in Konstanz die Verpflichtung, min- 
destens einmal in der Woche zu beichten und nur reinen 
Herzens zum Lesen der Messe zu schreiten, nur sehr lässig 
inne gehallen wurde, möchte man auch auf Grund der Ver- 
fügungen für die Stephanskirche, die jene in Erinnerung 
brachten **), vermuten. Für die ganze Konstanzer Geist- 
lichkeit hatten wohl auch die für die genannte Kollegiat* 
kirche ausgesprochenen Mahnungen, die zudem nur solche 
der Synode wiederholen, Gültigkeit, dass man bei Strafe 
der Suspension vom Gottesdienst niemals in Privathäusern 
zelebrieren, das Sakrament der Ehe erst nach vorheriger 
Beichte eingehen und feiern und dass nur ein vom Bischof 
oder von dessen Generalvikar geprüfter und approbiei ter 
Presbyter mit der Entgegennahme der Beichte anderer 
Priester betraut werden solle 16 ). 

Wird man alles in allem in den Konstanzer Kirchen 
eine gewisse Gleichförmigkeit der Zustände und Unzuträg- 
lichkeiten vorauszusetzen haben — ihnen suchte Ninguarda 
wenig später durch Kennzeichnung der gewiss schon oft 
auch von den Kapitularen selbst geahndeten Ungehörig- 
keiten A1 ) Abhilfe zu verschaffen — t so galt das offenbar 



**) Vgl. in den Dekreten von 1567 Pars scainda Titulus 10 cap. unicum; 
dieses zeigt, welcher Missbrauch mit den »Rcntintia'ioncs beneficiorunu ge~ 
trieben worden war. 

4& ) Vgl. in den Dekreten Pars prima Tilulus El cap. 3. 

4fi ) Vgl, & a* O. cap. 13, Tilulus 15 cnp. 9 und Titulus 12 cap. 2. 
An der letzten Stelle werden anstatt des Gcneralvikars geschworene bischöfliche 

Examinatoren genannt. 

4; ) Über das Fernbleiben der Chorherren und Kaplanc vom Gottesdienst 
war noch letzthin, im Juli, im Kapitel von St. Stephan Klage geführt worden. 
Man war am 17, Juli übereingekommen (vgl. a. 8. O. foK 28b — 29a), den 
Kaplanen gleichfalls wie den Chorherren für jeden Tag zwei Versäumnisse zu 

gute zu hüllen und ihnen für jedes weitere Versäumnis eine gebührende, nicht 
nfthrr bezeichnete Geldstrafe anzudrohen. Im Aittchluss daran hatte man (vgl. 

a. a- O.) noch für die drei Kn plane der Brüderschaft zu St. Stephan und für 
cito zwei zur Bruderschaft im Münster gehörenden Kaplanc* Bestimmungen fest' 

gesetzt, auf die hier nicht weiter eingegangen werden kann. Ich bemerke nur. 



8 lc miHoÄivlftyn 



22 Schellhaß. 

nicht minder für die Klöster in und ausserhalb der 
Stadt «>. 

Wie in den anderen von ihm bisher besuchten Kon- 
venten"), so wird er auch hier sofort erkannt haben, dass 
den Insassen neben der Beachtung der Ordensregel und 
der Klausur, deren strenge Handhabung in Gemässheit der 
Bullen der Päpste Fius V. und Gregor XIII. Frauen den 
Zutritt zu den eigentlichen Klostergebäuden der Mönche 
und insbesondere auch den Nonnen den Empfang von Be- 
suchern beiderlei Geschlechts im Kloster unmöglich machen 
würde* )» vor allem das gemeinsame Leben und der Ver- 
zicht auf jedes, auch noch so geringfügige Eigentum, zur 
Pflicht zu machen sei. Doch bis er dahingehende Be- 
stimmungen, die sich in der Tat in der uns allein vor- 
liegenden Charta für das Kloster Petershausen vorfinden 
erlicss, vergingen noch mehrere Tage. Seine Absicht war 
offenbar, erst einmal die Ankunft des in der Nähe befind- 
lichen Nuntius für die Schweiz, des Bischofs von Vercelli, 
Bonhomini, abzuwarten, dessen Kommen zwecks einer Aus- 
sprache über die Lage in der Schweiz und in der Kon- 
stanzer Gegend er schon länger entgegensehen konnte 51 ). 
Die Empfindung, bei seiner dem Konstanzer Bischof gegen- 
über nicht völlig klaren Befugnis zur Visitation, eines 
anderen Vertreters der Kurie zur Stütze seiner Handlungen 



is sie, wie das Protokoll der Kapitelsitzung vom 24. Juli zeigt (vgl- a. a. O. 
fol. 30a). den übrigens vergeblichen Widerspruch der letztgenannten beiden 
Kaplan? erregt hatten. Wesentlich schärfer waren doch jene im Text erwähnten 
Anordnungen Ninguanlas, der den Kanonikern überhaupt keine Versäumnis zu 
gute hielt. 

4H ) Ninguarda spricht von vier Manns- und zwei Frauenk lüstern in der 
Stadt. Bei ersteren scheint er also das 1533 bereits aufgehobene Schotten- 
klostcr den 1579 noch bestehenden drei Klöstern der Augustiner. Dominikaner 
und Franziskaner hinzuzurechnen. Die beiden Krauunklüster sind St» Peter und 
Zofingen- Vgl. Krieger, Topographisches Woiteibuch des Grossherzogtums 
Baden Bd. I (2. Aufl. 1904) 1233 ff. 
4 »j Daiüber an anderer Stelle. 

"°) Wegen der Bulle Pius' V. (vom 24. Oktober 1566) siehe in meiner 
Ninguarda-Arbeit (Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und 
Bibliotheken Bei- I 250 Ann». 2), wegen der Bulle Gregors XIII. (vom 13. Juni 
1 575> sich e N.B. aus der Schweiz I 1 S. 451 Anni. I. 
öl > Man lese N.B. a. a. O. S. 479 Z. 3 ff- 



igle 



rciKcnctfwtWCT 



Zur GcscbichU: drr Gegenreformation im Bistum Konstant. t 23 

zu bedürfen, mag ihn dabei geleitet haben. Tatsache ist, 
dass er endgültige Verfügungen auch hinsichtlich der ausser- 
halb der Stadt gelegenen Klöster, denen er zu Ausgang 
des Monats von neuem seine Aufmerksamkeit zuwandte, 
bis zum Erscheinen Bonhominis hinausschob. Es waren 
dies die Klöster Petershausen, St. Georgen zu Stein a, Rh., 
Münsterlingen und Kreuzungen. 



Versetzen wir uns in die Stimmung des Abtes von 
Petershausen nach Ninguardas Weggang. Der Besuch des 
Nuntius war ihm offenbar völlig überraschend gekommen 5 -). 
Wie betäubt wird er sich im Augenblick kaum erinnert 
haben, dass er schon am 3. April 48 ) zu Klagen Erzherzog 
Ferdinands, die in mehr als einer Beziehung den von Feli- 
cian vorgetragenen Beschwerden ähnelten, in seiner Er- 
widerung auf ein Schreiben des Fürsten vom 21. Februar 
Stellung genommen hatte. Es verlohnt der Mühe, von 
seinen damaligen Ausführungen naher Kenntnis zu nehmen. 

Im Frühjahr hatte er als den ihn während seiner ganzen 
Regicrungszeit seit 1556 leitenden Gesichtspunkt, den er 
nur gelegentlich infolge von Krankheit und körperlichen 
Beschwerden aus dem Auge verloren habe, bezeichnet: Er- 
haltung der vom Brande des Jahres 1548 M J heimgesuchten 
Klostergebäude in gutem Zustande und Verteidigung der 
dem Kloster noch verbliebenen und Wiedergewinnung der 
diesem entzogenen Rechte. Und geschickt hatte er dem 
Vorwurf des Habsburgers, dass er neben dem Siegel der 
Abtei auch das des Konvents in seiner Verwahrung habe, 
zu begegnen gewusst! Dasselbe sei im Jahre 1528, als Abt 
Gebhard infolge der Reformation aus Konstanz flüchtete. 



:,a ) In dem zuletzt Anm. 17 genannten Briefe fährt der Abi fori: Wie- 
wohl ich nun auch gleich zu Anfang der Visitation mich vci sehen, er sollte, 
wie denn billig, auch mein Notdurft erfordert, dessen zuvor mich berichtet 
haben, so bin ich doch kür/ und unversebenheh überfallen und deswegen mich 
keineswegs genugsam meines Tuns und Lassen Rechenschaft zu geben etinnern 
möge», und deswegen höchlich beschwert zu sein vermeine. Siehe die Fort- 
setzung Anm. 57. 

" a ) Vgl- Anm, to und II. 

5 *) Vgl. Anm. 18 und 64. 



8 lc ntmSÄw 



\ 



2i . Schellhaß. 

dem Rate der Stadt Konstanz übergeben, von diesem aber 
Gebhard bei seiner Rückkehr im Jahre 1536 wiederum zu- 
gestellt und bis zu dessen Tod bei ihm und sodann auf 
Rat des verstorbenen Bischofs Christoph in seinen, des 
Abtes, Händen verblieben. Er rühmte sich, das mit Wissen 
der Konventualen getan zu haben, von denen er volle 
Offenheit verlangt habe, falls sie sich daran und an der bei 
der Notlage sich aufdrängenden Aufnahme einer ansehn- 
lichen Summe Geldes stossen würden. Er deutete damit 
verhüllt an, dass er unter dem Konventssiegel Gelder auf- 
genommen habe, dass das aber ganz im Sinne der Kon- 
ventualen geschehen sei, da sie niemals Bedenken geäussert, 
geschweige denn ihr Siegel zurückgefordert hätten. Aber 
eben diese Tatsache der Geldanleihe hatte dann um die 
Jahreswende eine dem Abt feindliche Bewegung ins Leben 
gerufen 5 *). Die Konventualen hatten ihn durch Mittelsper- 
sonen um Auslieferung des Konventssiegels gebeten und 
gleichzeitig dem Verlangen Ausdruck gegeben, dass er etwas 
mehr »als bisher geschehen sein möchte* mit ihnen in einen 
Gedankenaustausch über die Klosterangelegenheiten ein- 
treten wolle. Diesem Begehren behauptete er in jeder Weise 
entsprochen zu haben, ja, er habe ihnen ausser dem allen 
auch das ihnen ganz unbekannte neue Konvenlssiegel aus- 
geliefert, das sich Abt Gebhard fern von Konstanz habe 
machen lassen. Eine Anleihe auf Zins ohne ihr Wissen 
könne also in Zukunft gar nicht in Frage kommen. Ent- 
schieden bestritt er schlechten, dem Gotteshaus nachteiligen 
und > verschwenderischen« Gebrauch der Gelder zu Ge- 
schenken an verdächtige Weibspersonen und an seine vielen 
armen Freunde, im Gegenteil, er behauptete, noch bevor er 
sich so weit in Verzinsungen habe einlassen müssen, alles 
was er bei seiner Haushaltung habe erübrigen können, auf 
die Ausbesserung seines Gotleshauses, auf günstige Güter- 



u ) Ans dem Anin. 1 1 erwähnten Schreiben erfühlt man, dass Statthalter 
und Räte in Innsbruck bereits am 19. Dcvember 1578 dem Fürsten geraten 
hatten, »wa* des Herrn l'iälatcn zu Petershausen Übeln Hausens halber vor- 
kommen', an den Bischof zwecks Vornahme einer Visitation durch diesen ge- 
langen zu lassen. Also im November oder Anfang Dezember mag der Abt 
durch sein Verhalten Anstoss eiregt haben. 



gk 



■ ■ 



Zur Geschichte der Gegenreformation im Bistum Konstanz. 2S 

kaufe, sowie Heranbildung eines Konventes und Anschaffung 
von Kirchen- und Hausgerat 56 ) verwandt zu haben. Nie 
sei es ihm in den Sinn gekommen, durch überflüssige Auf- 
nahme von (rasten (Gastung) oder durch Trinken und Rssen, 
noch woniger durch Spiele oder kostbare, seinem Stand 

• 

nicht gemässe Kleidung und durch Öffentlichen ärgerlichen 
Wandel in ungebührlicher Gesellschaft das Seinige zu ver- 
tun oder zu verschwenden. Je ein Verzeichnis der Ein- 
nahmen und Ausgaben (auf den Inhalt der beiden Auf- 
zeichnungen wird in Abschnitt 2 zurückzukommen sein) 
werde das des Näheren dartun. Er wies schliesslich auf 
die schwere Teuerung hin, bei der er von seinen Unter- 
tanen nicht die Zinsen und Gülten habe bekommen und 
ihnen bis über 6500 Gulden an Geld und Früchten aus der 
für ihn und das Gotteshaus bestimmten Verpflegung habe 
vorstrecken müssen. Nichts zeige besser, dass er solchen 
Anforderungen ohne die Aufnahme von Geld gar nicht 
habe entsprechen können, und dass ihm auch völlig die 
Gelegenheit gefehlt habe» irgend etwas ohne Nutzen des 
Gotteshauses (er wollte damit sagen: verschwenderisch) zu 
vergeben. Es war eine Appellation an die Güte des Fürsten 
gewesen (von dem er bei dieser I-age der Dinge kein 
scharfes Vorgehen gegen seine Person zu befürchten glaubte), 
wenn er ihn zum Schluss auch an die bereitwilligst über- 
nommenen Kommissionen erinnert und in jeder Beziehung 
gute Verwaltung verheissen hatte. 

Die hier wiedergegebenen Darlegungen rief sich Funck 
wohl nun erst, als Ninguarda ihn verlassen hatte, recht ins 
Gedächtnis zurück. Eine Anlehnung -an den im Frühjahr 
eingenommenen Standpunkt ergab sich damit im Kaufe der 
nächsten Tage und Wochen während der Verhandlungen 
mit dem Nuntius von selbst. Der Abt bereute jetzt gewiss 
ernstlich, dass er Felician so entgegengekommen war, nach- 
dem er sich in seiner Annahme, dass alles mit Kardinal 
Altacmps' Wissen geschehe, getäuscht sah angesichts des 
anfänglichen Sträubens des Kapitels, auf die Visitation des 



* u ) Im Briefe heisst es: Er/iglung eines Konventes und der&clbigcn slmlin» 
notwendiger Kirchen und Hamgeratcs. 



ogle 



■ ■ 



26 Schellhaß. 

Nuntius einzugehen 57 ). Er ärgerte sich augenscheinlich, dass 
er auf dessen Fragen nach seiner Verwaltung und nach der 
finanziellen Lage des Konventes zu überstürzend und eilig 
geantwortet habe. Somit hatte er es wohl schon sehr bald 
für richtig gehalten, bei Ninguarda durch den Generalvikar, 
den Weihbischof und den Domprediger und durch den 
Stadtverwalter Mendliszhofen, die alle Vier seinem Verhöre 
beigewohnt hatten, manche seiner Aussagen richtig stellen 
zu lassen. Es verschlug ihm dabei wenig, dass er in den 
ersten Dreien ihm besonders missgünstige Persönlichkeiten 
erblickte. Währenddem war er auch mit Aufstellung der 
von Ninguarda verlangten Rechnungsablegung beschäftigt^ 

Kaum war er damit fertig, da wird ihm die Auffor- 
derung zugegangen sein, sich beim Nuntius im Prediger- 
kloster einzufinden. Er leistete dem Folge, vielleicht am 
29. August, in der Annahme, dass man von ihm einen 
weiteren Bericht über seine Administration und über die 
Verwendung der des öfteren aufgenommenen Gelder ein- 
fordern, ihn aber auch seinem Ersuchen gemäss zu einer 
Erläuterung seiner früheren Darlegungen kommen lassen 
werde. Aber Gewitterschwüle empfing ihn, als "ob seiner 
von vornherein ein Urteilsspruch harren würde. 

Ninguarda hatte mittlerweile gewiss nichts rühmliches 
über Funcks Wirksamkeit als Abt und Verwalter seines 
Klosters gehört. Immer deutlicher wurde ihm, dass dieses 
übermässig verschuldet war, dass viele bewegliche und un- 
bewegliche Güter nicht mehr im Besitz des Konventes, son- 
dern auf Pfand gegeben waren, und dass man hierin das 



1; J Der nachfolgenden Schilderung liegen zugrunde die schein genannten 
Stücke 52 und 61 (Schluss Stück 62) und 49 des l-'asc 394 (vgl. Anm. 12, 
14 und 15) und sodann der zuletzt Anm. 52 genannte Brief des Abtes vom 
31. August. Hier heisst es weiter: und [habe] deswillen durch den Herrn 
Suffragancum und nndere seine des Visilators Beisitzer, als den Herrn Vikar 
Wendelstein, Doctor Müllern und Stadt Verwalter untertänig gebeten, mich zu 
Retractalion und notwendiger Erläuterung meiner Aussagen und Bekenntnisse, 
welche unbedacht lieber weise beschehen, kommen zu lassen, damit ich an meiner 
Notdurft nicht verhindert und er hinwiederum meines Tuns und Lassens und 
bisher getragener Verwaltung meines Gotteshauses genügsamen Bericht hätte 
(siehe die Fortsetzung Anm. 76). Dass das Verhör im l'rcdigerklostcr war, 
sagt der Abt in Stück 6l. 



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--i!i.n-::.:".ir.|- 



Zur Geschichte der Gegenreformation im Bistum Konstanz. 



27 



Ergebnis der 23jährigen Regierung des Prälaten zu sehen 
habe 58 ). Da ihm wohl auch des Näheren bekannt geworden 
war, dass jener für seine Konkubine und als Vater mehrerer 
Kinder auf Kosten des Klosters grosse Ausgaben gemacht, 
hierbei seines geistlichen Berufes, soweit es auf die genaue 
Beobachtung der vom Orden und von der Kirche vorge- 
schriebenen Fasten w ) und die Pflege des Gottesdienstes 
ankam, so gut wie vergessen hatte, so ist es nicht ver- 
wunderlich, dass er den Abt bei seinem Erscheinen mit 
»hitzigem und eifrigem Gemüt« und »mit ehrrührigen Bc- 
scheltungenc »entgegen den Statuten des Trientischen 
Konzils grimmiglich« anfuhr 60 ). Auch das von dem Abt 
mitgebrachte Verzeichnis über seine Haushaltung, über die 
Zinsen und die jährlichen Abgänge wies er anfänglich mit 
den Worten zurück, er solle es erst ins lateinische über- 
setzen, um es dann allerdings anzunehmen mit der Bemer- 
kung, das durch einen Vetter des Suffragans 6 ') besorgen 
lassen zu wollen. Dies schloss schon eine eingehende Prü- 
fung der einzelnen Posten für den Augenblick aus, macht 
aber auch die nicht sehr freundlich klingende Aufforderung 
Ninguardas erklärlich, er solle »unterschiedlichen, lauteren 
und ordentlichen Bericht geben, was, wohin und wieviel er 
schuldig und die Zeit seiner Regierung er für Ausgaben 
gehabt, desgleichen was er und seine Vorfahren jeder in 
Sonderheit für Schulden gemacht« 62 ). Dieses Verlangen mag 
Funck dann schon jetzt auf die Ausflüchte zurückgreifen 
haben lassen, deren er sich später brieflich in einer Bitt- 



s *} Hier und im folgenden lehne ich mich .in die kurzen Andeutungen 
des von Xinguarda am 6. September gelallten Urteilsspruch es (Fase. 394 
Stück 3). 

i!> j Man gab indessen zu, dass er sich des l-'leischgenusses enthalten habe. 

€0 ) So laut Stück 49. 

,!l ) Vielleicht Herrn Johannes Kiene* von "Bmtzdorff aus der Herrschaft 
Hochenbäig Konstanter Hislums hurtig- ; vgl. über diesen die oben Anm. 3 
und 8 erwähnte Einleitung S. 124 Anm, 2. Diesen Vetter nennt Fnnck seinen 
Ausspäher und Vogelhund, »welcher sowohl meiner als des gemeinen Cleri gm 
freund (mein' es hinter sich«: das heisst umgekthri) ^gewesen »nd noch ist». 
Wegen der verächtlichen Bedeutung von Vogelhund verweist mich K. Obscr auf 
Fischer, Schwäbische-' Wörterbuch. 

M ) So laut Stück 49. 



igle 



KtlHCtlCHUHWRiW 



2 y Schellhaß. 

schrift an den Konstanzer Bischof bediente 63 ). Er erinnerte 
an das Jahr 1548, das der Reichsstandschaft der Stadt Kon- 
stanz ein Ende bereitet hatte, oder vielmehr an den Brand, 
der, eine Folge der Ausschreitungen der spanischen Solda- 
tesca, damals das Kloster und den Flecken Petershausen 
heimgesucht hatte**). Neubauten oder Wiederausbesserung 
der beschädigten Teile waren im Kloster, im Amt Peters- 
hausen und in den Pfarrhäusern noch in seiner Regierung 
erforderlich gewesen und hatten naturgemäss grosse Un- 
kosten verursacht. Er hob weiter hervor, dass er ver- 
schiedentlich, als es nacheinander Fehljahre und schlechte 
Krnten gab, Wein und Korn für seine Haushaltung habe 
kaufen müssen und seine Untertanen und Zinsleute in jener 
Zeit nur dann zur Zahlung der fälligen Gelder hätte zwingen 
können, wenn er deren Weiber und Kinder in das Elend 
und von Haus und Hof hätte treiben wollen. Wie über- 
zeugend schien er, zumal er auch sehr vorteilhafte Güter- 
käufe abgeschlossen zu haben behauptete, dergestalt der 
Anschuldigung zu begegnen, dass er eine grosse Schulden- 
last durch Prassen und Schlemmen hervorgerufen habe! 
Wie Hess sich aber damit der ihm von der Gegenseite ge- 
machte Vorwurf in Einklang bringen G5 ) T dass er eine Schuld 
von über 50000 Gulden, diu zum kleinsten Teil von seinem 
Vorgänger herrühre, nicht gedeckt habe, dass er seit einigen 
Jahren nicht an Entrichtung der hierfür zu zahlenden Inter- 
essen und jährlichen Zinsen denke und seinen Dienern, den 
Handwerkern und anderen Bauleuten noch grosse Summen 
für ihre Arbeiten schulde? 

Es war nur natürlich» dass man nun auch auf den 
Lebenswandel des Abtes und auf die Erfüllung seiner geist- 
lichen Obliegenheiten und religiösen Amtshandlungen zu 
sprechen kam. Dass jener im Konkubinat lebte, war sicher. 



*") Das Folgende laut dem Anni, 20 genannten Briefe an den Bischof* 
**) Vgl. hierzu F. X. Staiger. Die ehemalige Kcncdictiner- und Reichs- 
abtei Pctorshnusen bei Cnnstanz {Kreiburger Diöcesan-Archiv Bd. 7, 1873, 
S. 231 tt.) S. 257 f. Das Kloster war damals eine Beute Her plündernden 
Soldaten, die Kheinbriicke aber und der ganze Flecken IVtcrshausen ein Raub 
der Flammen geworden. 

l(Ä ) Das Folgende int Anschlags all den genannten Urteilsspruch. 



igle 



■ ■ 



Zur Geschichte der Gegenreformation im Bistum Konstanz. jQ 

Sicher auch (darin darf man dem später vom Nuntius 
gefällten Urteilsspruch glauben), dass jener seit 15 Jahren 
weder das Hochamt noch die Vesper bei den grossen Festen 
gesungen hatte und oft auch drei oder vier Monate, selbst 
um die Oster- und in der Fastenzeit, vom Kloster abwesend 
gewesen war. Die Disziplin im Kloster, wo übrigens kaum 
mehr als fünf Konventualen gewesen sein mögen mi ), lag 
völlig darnieder, da Funck sich um die Messe, um die 
Beichte, um den Gottesdienst und um die Beobachtung des 
klösterlichen Lebens so gut wie gar nicht bekümmert und 
auch gar nicht auf regelmässigen Besuch des Chors ge- 
drungen katte 61 ). Offenbar tat hier ein jeder Mönch das, 
was ihm beliebte. . Das Gehorsams-, Armuts- und Keusch- 
heitsgelübde und die Vorschrift, gemeinsam zu leben, die 
Fasten und die Klausur zu beachten, existierten wohl kaum 
für die Mönche* 8 ), die sich auch äusserlich nicht durch Pflege 
der Tonsur, will sagen durch Tragen der Mönchskrone bU ), 
als solche kenntlich zu machen beliebten und durch das 
Tragen von Leinwand vermutlich öfter gegen die von ihrem 

Orden zur Pflicht gemachte Einfachheit im Auftreten ver- 

stiessen. Von einer Heranbildung der Novizen, die min- 
destens einmal im Monat ihre Sünden bekennen und das 
heilige Abendmahl nehmen müssten, und von der Verpflich- 
tung der Priester zur Beichte mindestens einmal in der 
Woche, war vermutlich kaum die Rede. Freilich gab es 
im Kloster auch solche — und diese, in erster Linie den 
Prior Andreas Oechsli, wird man als Gewährsmänner Nin- 
guardas bezeichnen dürfen 70 ) — , die an dem allen Anstoss 
nahmen und sich gewiss vornehmlich über die auf eigenen 



M ) Eine positive Nachricht darübrr fehlt mir. Der dem Abt von 
St Georgen in Stein a. Rh. unterstehende Konvent zählte zurzi-it fünf Köpfe; 
vgl. Anm. 86. 

" T ) Alles laut der nämlichen Ouellc. 

*"*» Warum hätte er sonst auf deren Beachtung in seiner noch näher zu 
prüfenden Charta visitatoiia (sie ist auch tat das nächstfolgende unsere Quelle) 
dringen sollen! 

ao t Die grosse Tonsur der Mönche im Gegensatz zu der kleinen Tonsur 
der Wcltgeistlichtn ist gemeint. 

™l Neben ihnen ausserhalb des Klosters wohl jenen Vetter des Suffia- 
gans, vgl. Anm. 6l. 



igle 



niHCtlCHUHIWtVTf 



3o Schellhaß. 

Besitz und Erwerbung von Eigentum abzielenden Bestre- 
bungen des Abtes entsetzten. Sie behaupteten, wie wir 
wissen mit Grund, dass er das Klostersiegel bei sich auf- 
bewahrt habe. Sie schienen ferner anzudeuten und damit 
der für Erzherzog Ferdinand bestimmten Darlegung des 
Abtes aus dem April jeden Wert abzusprechen, dass er 
mit diesem Siegel ohne Wissen der Mönche Verpfän- 
dungsbriefe bekräftigt habe, dem Vorwurf aber, er bereichere 
sich, mit dem Hinweis auf ein angebliches apostolisches 
Indult begegnet sei t das ihn dazu ermächtige 71 ). 

Dem gegenüber mag Funck, der inzwischen vielleicht 
seine Konkubine weggeschickt hatte, entsprechend der 
von ihm später beliebten Darstellung sein vergangenes 
Leben im Konkubinat mit seiner Jugend, seinem Unverstand 
und seiner menschlichen Blödigkeit entschuldigt haben; ihr 
sei es zuzuschreiben, wenn er, wie übrigens auch andere 
seinesgleichen und selbst solche höheren Standes, unter den 
Einfluss einer argwöhnischen Weibsperson gekommen sei; 
allerdings habe man dabei, so viel menschlich und möglich, 
jedes öffentliche Ärgernis vermieden 72 ). Auf die Vorwürfe 
aber, dass er sich beim Gottesdienst, im Fasten und Beten 
und in der Verwaltung des Gotteshauses lässig und saum- 
selig gezeigt habe, erwiderte er wohl, nachdem er schon 
im April Erzherzog Ferdinand gegenüber Krankheit und 
körperliche Beschwerden als mildernde Gründe für etwaige 
Nachlässigkeiten herangezogen hatte 73 ), jetzt wie später mit 
einem Hinweis auf seine schwache Gesundheit und häufiges 
Unwohlsein 74 ). Auch seine Stellung als Reichsabt und 
Reichsprälat des schwäbischen Kreises und als Präsident 
und Visitator der Benediktiner-Kongregation in Schwaben 75 ), 

Tl ) Diese Vorwürfe machte ihm der Urteilsspruch. 

7T ) So laut dem Amn. 20 genannten Briefe an den Bischof, der Anm. 14 
genannten Instruktion, dem Anm. 17 genannten Briefe des Abtes vom 22- Sept. 
und laut seiner Supplik an Kr/h. Ferdinand 1580 März (Fase. 39.) Stiick 5t). 

") Vgl. Ann.. 53. 

T4 ) Ich verweise hier und im folgenden auf seinen Anm* 20 genannten 
Brief an den Bischof. Vgl, auch Ka&c. 394 Stück 51. 

TS ) Ich meine die laut den Chronik-BlSiteni S. 50 unter seinem Präsi- 
dium gegründete »Congregation St. Joseph in Schwaben, woxu die 300 Ordens 
briider zu Peiersfhausen") und Kwlom, St. Georg und Isne, Muhrau und Wein- 
gare, Wibling und Zwiefall geborten«. Vgl. zum folgenden Anm, 20. 



8 lc mmmSSfm 



Zur Geschichte der riegenreformation im Bistum Konstanz. ? j 

in deren Interesse er ebenso wie wegen seiner Beziehungen 
zu Erzherzog Ferdinand als Protektor des Klosters und als 
Landesherrn des öfteren in Kommissionen, Visitationen und 
anderen Geschäften vom Konvent fern gewesen war, mussten 
sicherlich wie nachher so auch jetzt herhalten, um seine 
häufige Abwesenheit vom Konvent in befriedigender Weise 
zu erklären. Und er hätte hinzufügen können, dass er auch 
im Auftrage des Kardinal-Bischofs Altaemps einen grossen 
Teil jener Visitationen erfolgreich durchgeführt, noch auf 
dem letzten Reichstag in Regensburg aber an den dor- 
tigen Verhandlungen regen Anteil genommen habe. 

Aber trotz aller Reschwichtigungs- und Beschönigungs- 
versuche des Abtes, als die sich seine Antworten auf die 
Fragen des Nuntius charakterisieren lassen, blieb doch noch 
genug übrig, wo Behauptungen gegen Behauptungen standen. 
Der Eindruck, den der recht missvergnügt nach Peters- 
hausen zurückkehrende Abt 7C ) bei Xinguarda hinterlicss, 
war augenscheinlich der, dass es am besten sein würde, 
jenem einen Verzicht auf seine Würde nahe zu legen. Doch 
vorher war eine Prüfung seiner Rechnungsablegung und 
eine Besprechung mit ßonhomini notwendig, 



Noch während Funck verhört wurde, muss der wie 
dieser dem Benediktinerorden angehörige Abt von St. Ge- 
orgen zu Stein am Rhein, Martin Geiger, erschienen sein. 
Er kam aus Bühel am Schinorberg, seinem damaligen Wohn- 
sitz, vom Nuntius gerufen 77 j und diesem jedenfalls sehr 
elegen, da sich während der Erörterungen des letzten 



CT. 

O 



T *| Unter dem Kindruck der letzten Erörterungen mit dem Nuntius offen- 
bar fuhr er in dein zuletzt Anm. 57 genannten Briefe fort: Es hat aber das- 
selbe (Retnctation) bis daher gar nicht sein wollen» sondern muss also in 
grosser Sorge stehen, dass mir dermassen Beschwerden begegnen möchten, die 
sowohl mir meines Standes halber unleidlich als auch dem armen Gotteshaus 
um unzahlbarlichcr Ursachen willen ganz untrüglich und in Sonderheit hoch 
nachteilig* Siehe den Scliluss Anm- 116. 

7T ) Ich entnehme diese sonst unbekannte Tatsache einem in Schaff hauten 
Staatsarchiv Akten des Klosters Stein liegenden Gegenbericht des Abtes von 
Stein auf die ihm i. J. 1581 vorgehaltenen 21 Klagepunkte (Inquisitorialartikcl) 
und ferner einer dem Ramherger Hischof zugesandten Verantwortungsschrift des 
Abtes aus dem April 1581 (Karlsruhe General- Landesarchiv Akten Pciens- 
hausen Fa«. 1021 Stück 4 Original-Reinschrift)* Wenn er dort in Art- 15 



S lc mSSSSSSSm 



3 = 



Schcllhail. 



Tages immer mehr herausgestellt haben wird, dass Funck 
und Geiger eng befreundet waren und dass man beiden 
fast die nämlichen Vorwürfe machen konnte. 

Man erinnere sich, dass Martins Kloster schon seit 1525 
in den Händen der Züricher war, und dass der anfänglich 
zu einem Ausgleich mit ihnen geneigte Abt David von 
Winkelheim damals durch seine Flucht nach Radolfszell zu 
der dauernden Anwesenheit des Prälaten und seiner Kon- 
ventualen auf Reichs- oder österreichischem Boden den 
Anlass gegeben hatte iö >. Die Übersiedlung seines zweiten 
Nachfolgers, des im Jahre 1555 zur Regierung gekommenen 
Martin 79 j, von Radolfszell nach Bühel im Jahre 1566 oder 
1567* ) hatten wohl mehr Gründe ökonomischer und land- 
wirtschaftlicher Natur als die Rücksichtnahme auf bessere 
Ausübung des Gottesdienstes ratsam erscheinen lassen. Denn 



sagt, dass er und sein Konvent im August 1579 vom Nuntius gen Kon- 
stanz zitiert worden seien, so muss sich diese Zuation des Konventes auf einen 
späteren Zeitpunkt beziehen (davon weiter oben). Dem Bamberger Bischof 
gegenüber sagt er nämlich in Abs- 8: Im August 1579 habe Fclidati eine 
Visitation ;:ji dollCsliaus zu Fclersliausen voigennmmen, dazu er darfi mich 
ohne meine Con venlusiles in höchster Kile auch erfordert. 

7B ) Siehe hierüber eine handschriftliche. Geschichte de* ehemaligen Klosters 
711 Stein am Klient in Karlsruhe ft. a. 0- neue Handschriften n. 665 (früher 
846). Die Reformation hatte schon 1523 in der Stadt Stein ihren Anfang 
genommen; 1525 war die Klosterkirche den Bürgern zum Gebrauch des evan- 
gelischen Gottesdienstes eingeräumt worden. Im nämlichen Jahre hatte der 
Abt die Abtei und das Kloster an Zürich gegen ein Leibgeding übergeben, 
nachdem die meisten Kloslerbrüder schon vorher ausgetreten waren. Von 
Kadolfszell aus, wohin der Abt voll Reue über die Übergabe des Klosters noch 
1525 geflohen war» widerrief er seine Verfügungen in der Sache, 

^ Laut der Anm. ;8 genannten Geschichte war Geiger nach Johann 
Nüsterly's Tode i. J. 1555 zum Nachfolger gewählt worden (es ist nicht recht 
klar, ob sich das Jahr auf den Tod oder die Wahl bezieht). 

m f Ich stütze mich darauf, dass vor Februar 1567, also im Januar oder 
zu Ausgang des Jahres 1566, ein Nichigenanmer aus Hrämüngen im Auftrage 
de* Abtes den fürslenbergischen Oberamtmann in der Landgrafschaft *Barg* an 
die Zusicherung des Grafen Heinrich zu Fürstenberg erinnert hatte» dem AU 
»zu seiner neulich gen Bühel erbauenen Behausung (welches in Seiner 
Gnaden Eigentum und in meines freundlichen lieben Schwagers Hans Konrad 
von Schulen Lehen liegt) einen ummauerten fierichiszwang einzugeben« (Schaff- 
hausen a. B, O. Konzept; das Zciulatum lässl sich dem auf demselben Folio- 
blau folgenden Schreiben desselben an denscil>en aus dem Februar 1567 ent- 
nehmen, das auf das eiste Schreiben Bezug nimmt». 



igle 



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Zur Geschichte der Gegenreformation im Bistum Konstanz. ^2 

da man ZU Radolfzell sich mit »einer gemeinen Bürgers- 
behausung* hatte begnügen und neben »vielen anderen 
Unkosten alles aus dem Säcke! mit dem baren Pfennig 
hatte kaufen müssen« 81 ), so war es Geiger sehr zu statten 
gekommen, als er von einem Bauersmann einen in Verfall 
geratenen Hof in Bühel um einige tausend Gulden erwerben 
konnte. Und der Gedanke, sich hier durch Errichtung einer 
Ziegelhütte, eines Hauses, einer Mühle und Schmiede, durch 
Wein- und Ackerbau, durch Wiesenkultur und Viehzucht 
von anderen in jeder Beziehung unabhängig zu machen, 
war augenscheinlich bald in die Tat umgesetzt worden. Kr 
konnte sich um so mehr einer gewissen Unabhängigkeit 
rühmen, als er wohl schon bald durch erfolgreiche Ver- 
handlung mit dem Landes- und Lehensherrn, dorn Grafen 
Heinrich zu Fürsten berg und Herrn Hans Konrad von 
Schinen, sich Jurisdiktionsbefugnisse (Gerichtszwang) er- 
worben **) und durch Errichtung einer Kapelle auch für 
die geistlicht mi Bedürfnisse des Konvents und der nächsten 
Nachbarschaft gesorgt hatte**). 

Von dem allen wird Xinguarda nicht allzu deutliche 
Kunde erhalten haben, auch dass Geiger wie Funck im 
Konkubinat lebte und sich einer stattlichen Kinderzahl, man 
sprach von neun Sprösslingen, erfreute* 1 ). Er mochte dann 
den Eindruck erhalten, dass die fast zu gleicher Zeit zur 



Hl ) Hier und im folgenden stütze ich mich auf Art. 3 des vorhin er- 
wähnten Gegenberichts. 

RJ ) Man lese die vorletzte Anm. Die Anm» 78 genannte Klostergeschichic 
spricht zum Jahre 1570, im Auschluss an einen Pergamentbrief vom 14. Nov., 

davon, dass Abt Martin 1570 in dem Fürstenbergischen Orte Bühel eine 
klösterliche Behausung und Kirche erbaut habe; »weil dann dort die Vogtei 
und niederer Gerichtszwang den (trafen von Fürstenberg und den von Schinen 
zugehörig, so halten dieselben ihnen bewilligt, dass sie also zu ihrer Kcsidcnz 
mit angefangenem Bau fortfahren, solchen mit einer Mauer umfangen und ein- 
machen mögen, ihnen auch zu demselben, soweit die umgebende Mauer be- 
greift» die Gerechtigkeit des niederen Gcrichtszwanges frei übergeben und ein« 
händig gemacht; wogegen der Bau. so lange der in der Prülatur i landen, 15 fl. 
jahrlichen Zins bezahlt werden und der Zug [Abzug?] im Fall der Abänderung 
vorbehalten sein solle** 

M ) Im Jahre 1570, vgl* letzte Anmerkung. 

M ) Laut Art. 9 des erwähnten liegenberichts. Im folgenden stütze ich 
mich auf dessen Art« 18, 1, 2, 6 und it. 

Zctisrhr. f. Gesch. d. Oberth. N.F. XXXII. i- 3 



8 lc WiÄÄ^ 



34 



Schc1lli»t». 



Herrschaft gelangten Äbte, Funck 1556 und Geiger 1555, 
bei vermutlich fast gleichem Alter von den gleichen Re- 
gierungsgrundsätzen beseelt waren. 

Auch Geiger konnte man vorwerfen, dass er den Gottes- 
dienst zu wenig pflege, dass er das Siegel der Abtei und 
des Konventes unter seiner Verwahrung habe, dass er 
Schulden über Schulden aufgehäuft und dass sein Lebens- 
wandel im Konvent unerfreuliche Zustände gezeitigt habe. 

Ahnlich wie Funck wird er zur Rechtfertigung der 
Schulden auf die schlechten Ernten und teuren Jahre hin- 
gewiesen haben, in denen bei den hohen Preisen die Zins- 
leute des Gotteshauses nicht bezahlt hätten. Wenn er zu- 
geben musste. dass er bei dieser Sachlage letzthin nicht die 
Schulden des Konventes habe ablösen können, so betonte 
er auf der anderen Seite, auch hierin an Funck erinnernd, 
dass er eben damals durch Bauten und durch kostspielige 
Unterhaltung armer Leute im Hause einer Hungersnot vor- 
gebeugt habe, eben darum aber auch nicht Getreide oder 
Früchte zum Verkauf habe bringen können. Wirkte diese 
Äusserung beruhigend, so gewiss auch der Einwurf, dessen 
er sich, wie spater, so sicherlich bereits in diesem Zeitpunkte, 
bediente, dass schon seine Vorgänger beide Siegel verwahrt 
und damit einem Verlangen ihrer Konventualen entsprochen 
hätten. Wie er über die Pflege des Gottesdienstes dachte, 
zeigt eine spätere Bemerkung, man könne, weil man weder 
Kirche noch Kirchgang, viel weniger Kirchenbesucher 
(Kirchgenossen) noch pfarrliche Gerechtigkeiten, sondern 
allein eine Kapelle habe, diesen nicht in jeder Beziehung 
zur Ausführung bringen. Somit blieben für sie als Ordens- 
personen, wenn die bei Hochzeiten und sonst in Pfarr- 
kirchen üblichen Zeremonien in Wegfall kämen, nur übrig 
Verrichtung der kanonischen Hören, das Lesen der Messen 
und die Verpflichtung, dass ein jeder sich gelegentlich in 
den Psalmen und in heiligen Gedanken (meditationibus) er- 
gehe, und sie wüssten nicht, hierin etwas unterlassen zu 
haben, es müssten denn der enge Raum ihrer Wohnung 
und ihre kleine Zahl ihnen hierbei hinderlich gewesen sein. 
Für den Augenblick gab sich Kinguarda. der das Verhör 
in Anwesenheit des Weihbischofs, des Generalvikars und 



h;Ic 



■ ■ 



Zur Geschichte der Gegenreformation im Bistum Konstanz. \^ 

des Dompredigers Dr. Miller vornahm, mit der Erklärung 
Geigers zufrieden» er und sein Konvent könnten dir Regel 
dos heiligen Benedikt, die Statuten und sonstige -löbliche 
Bräuche nicht so genau halten als andere» da sie wie Bürger 
in Häusern wohnen müssten und kein recht erbautes Kloster 
und keine Gelegenheit zu klösterlichem Leben hätten sö ). 

Gespannt musste man sein, was der Abt auf die Vor- 
haltungen des Nuntius wegen der im Konvent herrschenden 
sittlichen Zustände erwidern würde. Da der Vorwurf nicht 
nur ihn persönlich, sondern auch seine Konventualen traf, 
von denen drei mit ihm im Hause lebten und zwei ausser- 
halb, der eine als Propst in Klingcnzell, der andere als 
Pfarrer in Ramsee M: ). so wird er fraglos umgehend eine 
Darlegung der Tatsachen für erforderlich gehalten haben. 
Schälen wir sie aus den Mitteilungen heraus, die er im 
Jahre 1581 über seine Vergangenheit und über das Leben 
seiner Genossen machte, so ergibt sich uns folgendes Bild 07 ). 
Fast rührend klingt es, wenn er seiner Mutter gedenkt. 
die» so lange sie lebte, bei ihm zu Bühel »als ein Weibs- 
bild in der Küche mit Milch, Schmalz» Obst, Flachs, Werg, 
Bettgewand, Hausrat und anderen dergleichen Weiber- 
geschäften als eine Magd und Beschliesserin etliche Jahre 
gedient« habe. Nach ihrem Tode hatte er nacheinander 
zwei Haushälterinnen angestellt und nach deren Abscheiden 
zur Zeit eine alte verlebte Weibsperson über die 50 Jahre 
alt* um sich**). Von den dreien» deren letzte ihm beson- 
ders ans Herz gewachsen zu sein schien**'), hatte er alles 

"■'•> In Art. 16 des Gcgcnhcrichts sagt Geiger ausdrücklieb: Dieses An- 
zugs (der oben wiedergegebenen Ausseiung) ist der Herr Feücianus wohl zu- 
frieden gewesen. 

**) Vgl. Anm, 66. 

* z ) Meine Quellen sind für das nachstehende insbesondere Art, 7 , S und 
9 des Gegenberichtes und die für den Hornberger Bischof bestimmte Verant* 
wortuogsschrift aus dem April 1581 (gegen Schluss). 

***) Streng bei der Wahrheit blieb Geiger augenscheinlich bei dieser Dar- 
stellung nicht» denn dem Bamberger Bischof gegenüber (vgl- letzte Anmerkung) 
sagte er, dass er zu Anfang seiner Prälatur (das wfire also schon 1556!) 
eine Haushälterin gehabt habe- 

h0 ) Sie war ihm augenscheinlich die Mutter seiner Kinder und teilte mit 
ihm als solche* wie wir sehen werden, das bewegte* an Wechsel fallen reiche 
Leben seiner letzten Jahre, 



roogle rtiiHaT0NUHiy[ft5*r» 



3& 



Schellhalt. 



in allem sieben Kinder, nicht, wie die büse Welt behauptete, 
neun! Es waren offenbar fünf Knaben und zwei Mädchen, 
die er schlecht und recht erzog, auf dass sie einmal ihren 
Unterhalt zu verdienen vermöchten, da sie nicht wie un- 
vernünftige, arme, junge Tiere in das Wasser geworfen und 
ertränkt werden könnten. Der Gedanke an deren Zukunft 
war es auch gewesen, der ihn letzthin, als ein grosses 
Sterben in der Gegend herrschte 110 ), bewogen hatte, sich für 
den Fall seines Todes von seinen Konventualen 200 Gulden 
Heiratsgut für die Mädchen zusichern zu lassen, sowie für 
die Knaben das Versprechen, für ihre Zukunft sorgen zu 
wollen. Die mit Geiger im Konvent lebenden drei Kon- 
ventualen hatten keinen Anhang, weder mit Konkubinen 
noch Kindern, wohl aber die anderen zwei, die sich ausser- 
halb des Gotteshauses auf dessen Pfründen, also in Klingen- 
zell und Ramsee, zu verpflegen hatten. Ihnen war es eben 
wie so vielen anderen Priestern ergangen, die in den Dör- 
fern inmitten der Bauern ihre Nahrung zu suchen und den 
Ertrag ihrer Pfründen einzuziehen und nutzbar zu machen 
hatten. Im übrigen führte man zu Bühel ein recht ein- 
gezogenes Leben. Dazu zwang schon die einsame Gegend 
und der Aufenthalt auf einer Einöde. Von einem regen 
Verkehr und von einer öffentlichen Wirtschaft dort konnte 
keine Rede sein; Wein auszuschenken und sich für die 
Zechen bezahlen zu lassen, war schon darum bedenklich, 
weil man dann bei dem dortigen Mangel an Wein um so 
weniger zu trinken hatte. Doch einen guten Trunk hatte 
man einem braven Mann nie verwehrt, aber alles "ohne 
Tanzen, Springen, Fluchen, Schelten, Spiele und dergleichen 
ungestüme Sachen«. 



™*( Wohl im Sommer und Herbst 1574' Cm Konstanzer Domkapitel 
\vuidc nämlich am 20- August über die Polizeiordnung der Stadt Konstanz 
beraten, die den Domherren von wegen des neuen Wein«, der sterbenden 
Leuften* und einiger Münzen überreicht worden war (Karlsruhe a. a* O. 
Protokollsammlung n, 7245 S. 168). Und am 17. Dezember 13*4 konnte der 
Domherr Kurtz dem Domkapitel mitteilen, dass der Kardinal Altaemp* auf 
die Kunde von den Sterbleufen* am Bodensee ihm und dein Kapitel des 
Stiftes Konstanz Schlüsser und Hfiuaer zur Flucht 111 »Stcrbcleufeii' zur Ver- 
fügung gestellt habe (a. a, O. S. 18a). 



igle 



■ ■ 



Zur Geschichte der CiegenrefurmiilLun im Bistum Konstanz. 17 

Glaubt man nicht, einen ehrlichen Menschen von seinem 
Tun und I-issen erzählen zu hören? Wird man nicht an 
einen tüchtigen Haushalter und Verwalter erinnert, der nach 
Möglichkeit aus Feldern und Wiesen den besten Ertrag zu 
ziehen suchte, im übrigen es hinsichtlich seines Verkehrs 
mit den Frauen nicht allzu genau nahm? Schlimm war 
nur. dass er ein geistliches Gewand trug, und es war recht 
unvorsichtig, wenn er im Gespräch mit dem Nuntius an 
die Bestimmung des Tridentiner Konzils erinnerte, wonach 
die Ablegung des Glaubensbekenntnisses vor einer gewissen 
Zahl von Jahren zu nichts verpflichte und nichtig sei ul ], 
und hinzufügte, also wäre es mit ihm zum Teil auch be- 
schaffen. Worte, die dahin ausgelegt wurden, als ob er 
behaupte, er sei kein Mönch, denn er habe zu der Zeit, als 
er Profess getan, die Sache nicht verstanden, und er sei 
darum auch nicht verbunden oder schuldig, ein Votum oder 
da* Klostergelübde zu halten' 1 *). 

In dieser Weise etwa verlief Ninguardas Aussprache 
mit dem Abt. Der Nuntius hatte genug erfahren, um auch 
darüber mit Bonhomini zu beraten. Martin Geiger kehrte, 
vielleicht noch am nämlichen Tage, nach Bühel zurück. 



Bald darnach wird sich Felician im Predigerkloster, 
vielleicht auch an Ort und Stelle, Klarheit über die Zu- 
stände in Kreuzungen und Münsterlingen zu verschaffen 
gesucht haben. Mit welchem Ergebnis, darüber schweigen 
die Quellen 9 % Man hört nur, dass in Münsterlingen die 
Hälfte der Kirche in den Händen der häretischen Zwinglianer 
war. und dass die Nonnen in der Kirche in Berührung 

»- »II I MIM MM I -. ■ 

w< ) Gemeint ist offenbar Sessio 25 des Tridentiner Konzils De regularibus 
et montalibus caput 15: in jedem Manns- und Frauenorden soll die Profesaio 
nicht vor Ablauf des 16. Jahres erfolgen . . .; dir vorher erfolgte Professio 
soll nichtig sein und keine Verpflichtung mit sich bringen zur Beobachtung 
irgend einer Regel vel religionis vel ordinis tider irgend welche andere Wir- 
kungen nach sich ziehen. 

*'*) Diese Auffassung legte man ihm wenigstens unter in Art, 16 des 
*• J« '5^ 1 geg* 11 >hn angestellten Prozesses (siehe den summarischen Bericht 
und kurze Verzeichnis darüber in Schaff hausen Staatsarchiv in Akten des 
Klosters Stein, Folioblatt von 12 Seiten; Xflheres darüber später). 

•^ Vgl. Aniu. 22- 



■■ v 8 lc -r„.iv Ji .' 1J , r :.f k ,-. 1 . 



38 Schelthaß. 

mit dem Volke kamen. Eine von dem Nuntius damals 
getroffene Verfügung wegen Zulassung der Laien zum Chor 
während der Offizien betrachtete er selbst wohl nur als 
eine vorläufige, bis zu einer Besprechung mit Bonhomini. 

Dieser langte endlich um den 2. September in Kon- 
stanz an, als Ninguarda wohl gerade seine Tätigkeit in 
und ausserhalb der Stadt zu einem vorläufigen Abschiuss 
gebracht hatte und mit Aufstellung der zu erlassenden 
Weisungen beschäftigt war. 

Bonhomini fand eine Stimmung im Klerus vor, die 
einem erspri esslichen Zusammenarbeiten etwas hinderlich zu 
sein drohte. Feliciaiis scharfes Auftreten gegen den Kon- 
kubinat hatte augenscheinlich unangenehmes Aufsehen er- 
regt und manche aus ihrer behaglichen Ruhe aufgescheucht. 
Infolge seiner Aussprache mit Äbten und Äbtissinnen war 
dann der Argwohn aufgenommen, er denke an schärfere 
Massregeln und plane Absetzung von zwei oder drei Äbten. 
Bonhominis, wie es schien unvermutete, Ankunft konnte in 
dieser Beziehung unmöglich beruhigend wirken. 

Ob er und Ninguarda sich vorher im Leben gesehen 
hatten? Jedenfalls noch nicht, solange sie gleichzeitig" 1 ) 
als päpstliche Nuntien in der Schweiz geweilt hatten. Nin- 
guarda ahnte sicher, dass sein später ernannter Kollege* in 
gewisser Weise in ihm einen Rivalen gesehen und ge- 
radezu gefürchtet hatte, sein Einfluss als Visitator in der 
Schweiz werde durch Feltcians Wirksamkeit in den näm- 
lichen Tagen eine Einbusse erleiden. Eine Bestätigung für 
diese Annahme empfing er vielleicht schon aus dem Be- 
richt, den ihm der fast unmittelbar aus Kloster Tänikon 
kommende Bonhomini bald nach seiner Ankunft über dieses 
gemacht haben wird. Ninguarda wusste vermutlich längst, 
dass sein nicht ungern aufgenommener Vorschlag auf den» 
Tage in Baden im Juli, nach Tänikon wegen Vornahme 
der ordentlichen Wahl einer Äbtissin eine Gesandtschaft aus 
der Mitte der Kantone abgehen zu lassen, die grttsste Ent- 
rüstung des wenig; später in Baden eingetroffenen Bonho- 



m 



( Seil dem Juli 1579, vgl. X. B. 1 1. 



S' c mSSSStmmat 



Zur Geschichte der Gegenreformation ira Bistum Konstanz. 



39 



mini erregt hatte M ), Wie sie sich nunmehr in dieser Sache 
verständigten, steht dahin. Vielleicht zog aber Felician aus 
Bonhomini's Verhalten die Lehre, üass er bei seiner Visi- 
tation auf Konstanzer Roden nur im Einklang mit ihm 
vorgehen dürfe und ihn eben darum in sein bisheriges 
Schaffen hineinschauen lassen müsse. 

Es kam auf diese Weise .zu einem Gedankenaustausch 
zwischen den beiden Männern über die gesamten religiösen 
Verhältnisse, vornehmlich aber über die in Angriff ge- 
nommene Visitation. Recht leicht machte Bonhomini seinem 
Amtsgenossen offenbar die Sache nicht immer. Denn er 
erlaubte sich Kritik an der Art und Weise der Visitation. 
Er gab zwar zu. dass der Dominikaner Ninguarda die 
Punkte berühre, worauf es ankomme, insbesondere den 
Ordensgeistlichen gegenüber, behauptete aber später, dass 
jener das erst auf seine Anregung hin getan habe. Ver- 
wundert schien er, dass jener nicht den Sakristeien und den 
Kirchen, oder, wie er später deutlicher sagte, den zu den 
Kirchen und den Altären und zur Ausschmückung gehörigen 
Gegenständen seine Aufmerksamkeit zugewandt 96 ), sondern 
nur die Personen visitiert und das nämliche Verfahren auch 
in den Abteien beobachtet hatte. In den Nonnenklöstern, 
wo Felician allerdings auf Beachtung der Klausur gedrungen 
habe, war ihm anscheinend die Prüfung allzuwenig ein- 
gehend gewesen. 

Gelegentlich warf er wohl Ninguarda zu grosse Milde 
vor. Er war empört, dass der Weihbischof Balthasar Wuorer, 
ein im übrigen vortrefflicher und tadelloser Mann, für jede 
Weihe, die er erteile, neben seinem Gehalt als Notar ganz 
offen, er wisse nicht wieviele Batzen nehme. Bonhomini 
bezeichnete das seinem Kollegen gegenüber als offenkundige 
Simonie und äusserte, er würde den Mann und die Examina- 
toren, die sich für die vor der Übertragung der Weihen erforder- 
liche Prüfung Geld geben Hessen, von ihrem Amte zeitweilig 
entheben (suspendieren). Es war leicht, so etwas zu sagen 
und hinterher zu erklären, er wasche seine Hände in Un- 

"'*') Das Nähere über «lies alles in im-incm Haiide der Nuntialurbericlue; 
vgl. vorläufig X B. ans der Schweiz I l. 

*) Vgl. vorläufig X.B, ans der Schweiz Ii S. 4S4 und S. ^80 Ann». !. 



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SchcJlhaß. 



schuld und überlasse alles Ninguarda, denn diesem sei die 
Visitation aufgetragen. Felician wusste eben, dass der Weih- 
bischof zwar einige Monate lang auf jene Gelder verzichtet, 
dann aber von dem obersten weltlichen Beamten des Kar- 
dinalbischofs Altaemps, Wolghmuett, den ausdrücklichen 
Befehl erhalten hatte, sie einzuziehen u; ). Was hätte es 
unter diesen Umständen für einen Zweck gehabt, gegen 
den Stachel zu locken? Da war es doch besser, mit den 
gegebenen Verhältnissen zu rechnen. Charakteristisch ist 
es auch, dass Bonhomini an Ninguardas Dienern das be- 
waffnete Auftreten und an einigen auch die farbige Klei- 
dung, an Allen aber die kurzen Röcke tadelte, während 
doch gerade die Häretiker auf dem Tage in Baden sich wie 
über Bonhomini's offenen Rock auch über die langen Ge- 
wänder seiner Umgebung entrüstet hatten 08 ). Vorsichtiges 
Auftreten, das Felician seinem Gefolge auch in der Kleidung 
zur Pflicht machte, Bonhomini dagegen während seines Auf- 
enthaltes in der Schweiz des öfteren vermissen Hess"), war 
damals sehr am Platze. 

Das war um so mehr von Nöten, weil seltsame 
Gerüchte laut wurden, als man die beiden päpstlichen Ver- 
treter zusammen sah. Hatte schon Ninguardas Erscheinen 
zu Gerede Anlass gegeben, so wollte man jetzt wissen, dass 
sie beide gekommen seien, um dem Kardinalbischof einen 
Tadel auszusprechen, und man behauptete geradezu, dass 
der Papst offenbar diesem das Bistum zu nehmen gedenke. 
Diese Annahme schien viel für sich zu haben, da Ninguarda 
und Bonhomini schon bald einen gemeinsamen Besuch des 
Benediktinerklosters Reicheiiau ins Auge fassten, also ge- 
rade des Klosters, als dessen Herr sich der Konstanzer 
Bischof auch bei Aufführung seiner Titulaturen zu be- 
zeichnen pflegte. Da Wolghmuett in Vertretung des in 
Rom weilenden Bischofs wie über die Propstei der regu- 



w: j Mit dem N.B. a. a. O. S. 484 genannten -uflicial maggiorc« ist sichei 
Wnlghmuetl gemeint; das zeigt eben dort S. 330, wo dieser »principale agenle 
et ufficialc« genannt wird. 

m i Ich verweise auf N.B. a. a- O. S. 391 f. n. 344 und S. 580 Z. 10 
v. u. ff. n. 465. 

'"'» Ich verweise auf N.B. aus der Schweiz. 



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■ ■ 



Zur Geschichte der Gegenreformation im Bistum Konstanz. 4 I 

Herten Kanoniker vom Orden des hl. Augustin in Öningen, 
so auch über die Abtei Reichen au gewissermassen eine 
persönliche Herrschaft ausübte 100 ), so mochten die über die 
Ankunft der Nuntien erbosten Leute nicht ohne Grund 
hoffen, dass gerade diese Ankündigung jenen mit Misstrauen 
gegen die beiden Herren und mit Abneigung gegen deren 
Einmischung in die bischöflichen Angelegenheiten erfüllen 
würde. Ihr Gedanke war augenscheinlich, durch Ein- 
flüsterungen den Fortgang und das Ergebnis der Visitation 
zu verhindern. Und sie gingen hierbei vielleicht von der 
Voraussetzung aus, dass es Wolghmuett kaum angenehm 
sein könne, wenn in Rom bekannt würde, dass es, ganz zu 
schweigen von dem Lebenswandel der Mönche, auf der 
Reichenau nicht in allem gut bestellt war. Das Dachwerk 
am Münster war hier so durchlöchert (zergengt), dass, so 
es regnet, »das Wasser vom Himmel an vielen Orten die . 
Kirche und alles herrliche Gebeuw ernetzet«. In einer > vor 
Zeiten vornehmen < Kapelle hatte der »Hofküfer« seine Werk- 
statt. Tn der Nähe geriet eine Kapelle täglich mehr in 
Zerfall, und doch zeigte sie noch Spuren früherer Schön- 
heit 101 ). Konnte nicht aber Ninguarda und Bonhomini an- 



HH> | Über Oningcii und Reichenau siehe A. F* Husch ing. Erd- 
beschreibung Siebenter Teil, 7. Ausg- Hamburg l>yo. S. 390 — 392, In einem 
spater des näheren zu berücksichtigenden Gegenberichu des Abtes von Stein aus 
d. J- 1581 auf eine Schrift Wolghmuetts an Erzherzog Ferdinand (Schaffhausen 
Staatsarchiv in Akten des Klosters Stein n. 502 Kopie) heisst es, in dem 
»Antwort* Qberschriebenen Abs. 4, vom Gotteshaus Reichenau und vom 
Gotteshaus Öningen, dass dort ein ordentlicher Abt und Propst und das Regi- 
ment allein dem »Wollmulhcnc übergeben sei; und daselbst die Regierung in 
solcher Gestalt ist angestellt, dass auch [nun folgen die oben im Text wieder- 
gegebenen Mitteilungen über die Zustande auf der Reichenau; daran schlicssen 
sich dann die ebenfalls oben wicdcrgegcbenen Mitteilungen über die bischöfliche 
Pfalz in Konstanz], 

l1ll ( Diese L J. 1581 niedergeschriebene Huschreibung des Abtes Geiger 
(vgl. letzte Anmerkung) darf auch für das Jahr 1579 herangezogen werden. 
Ganz ähnlich äussert sich Geiger auch in einem (icgcnbcrichu auf eine Schrift 
von Woighmuett an den Bamberger Bischof aus dem nämlichen Jahre 1581 (Schaff- 
hausen a. a. O. n. 501 Kopie; Näheres sputer). Jene obengenannte zweite Kapelle 
befand sich nach beiden Denkschriften auf der *Eg-c oder »Kchgarten- (vgl, 
Krieger Wb. II coL 558 s. \\ St. Albert), Kurze Notizen aus dem zweiten Stück 
gab schon F. Vetter, Das S. Gcorgeukloster zu Stein a. Rh, (Schriften des 
Vn\ f. Gesch. d. Bodensees u, s. Umg. Heft XIII, 1884, 30 Anm. 77t. 



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Schcllhalf. 



gcsichts solcher Verwahrlosung die Lust anwandeln, sich 
auch anderen bischöflichen Besitzungen zuzuwenden, ins- 
besondere der Pfalz zu Konstanz, wo der freilich nicht 
dort, sondern in Meersburg mit der bischöflichen Kanzlei 
residierende Wolghmuett bei Altaemps' Abwesenheit für 
Instandhaltung der Gebäude die Verantwortung trug? Wie 
unangenehm musste es dann sein, wenn die Nuntien, wie 
die Einheimischen, bei der Besichtigung feststellten: »Vor 
Zeiten las man Messe und hielt den Gottesdienst zu Kon- 
stanz auf dem Münsterhof in der Kapelle unter der bischöf- 
lichen Pfalz, jetzt steht das leere Haus da, wohnt weder der 
Bischof noch der Kaplan da, will schier niederfallen und 
liegen in der Kapelle Zimmerhölzer, alte Bretter, Fassböden 
und -dauben und dergl. Dinge mehr da, und ist in viel 
langen Jahren allda keine Messe nie gehalten wordene' 02 ). 
Wenn man, wie wir vermuten möchten, in solcher 
Weise Wolghmuett gegen die Nuntien und die geplante 
Visitation der Reichenau aufzubringen suchte, so erreichte 
man den Zweck nicht. Er hielt es offenbar für nicht an- 
gebracht, sich zu strauben, nachdem die geistlichen Beamten 
des Bischofs, an der Spitze der von diesem zu seinem 
Statthalter eingesetzte Domdekan Philipp von Freyberg, der 
Weihbischof Wuorer, der Generalvikar Wendelstein und der 
Domprediger Dr. Miller schon Ninguarda bei seiner Visi- 
tation hilfreich zur Hand gegangen waren. Er Hess also 
den Dingen ihren Laut Und das machten ihm die Nuntien 
leicht. Sie hatten bereits im Hinblick auf das sich äussernde 
Missvergnügen von dem Besuche der Reichenau abstehen 
wollen, dann aber von einigen Kanonikern hören müssen, 
dass sie in dem Falle die bevorstehenden Verordnungen 
Felicians nicht annehmen würden. So ging man denn doch 
zur Reichenau, anscheinend unter der Leitung und Führung 
Wolghmuetts, der auf diese Weise am besten allen Unan- 
nehmlichkeiten auswich. Beide Teile wetteiferten an Rück- 



lul ) Es sind Worte aus dem in der vorletzten Anmerkung genannten 
negenberichl. Kürzer, aber in dem nämlichen Sinne, äussert sich der in der 
letzten Anmerkung genannte Gcgcnhcricbt. Es heis-.t dort: die bischöfliche 
l'falz und Residenz zu Konstanz sei allerdings baulos und in der Kapelle 
damnler liege allerlei gar altet Plunder und Gerumpel, und es werde gar keine 
Messe darin gehalten. 



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Zur Geschichte «ler Ocgenreforni:.iii>n im Hisium Konstanz. i* 

sichtnahme. Honhomini und Xinguarda verzichteten von 
vornherein auf den Erlass irgendwelcher Weisungen; sie 
verzeichneten nur die einer Abhilfe dringend bedürftigen 
Punkte, auf dass der Bischof von sich aus Abhilfe schaffen 
könne. Über das alles erfahren wir nun leider gar nichts, 
auch nicht, ob dort wirklich ein unehelicher Sohn Papst 
Julius' III. Xamens Julius mit seiner Konkubine und deren 
Mutter lange' unterhalten worden war oder wurde 108 ). 

Dieses hier zutage getretene harmonische Zusammen- 
arbeiten der Nuntien und der bischöflichen Beamten war 
um so wertvoller, da es andauerte. Insbesondere Wol- 
ghmuett hielt sich, wie wir sehen werden, je länger desto 
mehr für berufen, für rücksichtslose Durchführung der von 
Rom ausgehenden Verordnungen hinsichtlich der Abte von 
Petershausen und Stein einzutreten. (Fortsetzung folgt i* 



,oa ) Schon Vetter in der Anm. roi genannte» Schrift S. 31 gedachte 
dieses unehelichen Sohnes. In jenem vorhin erwähnten zweiten Gegenbericht 
heisst es über diesen: Man solle doch einmal nachforschen, ob nicht vor etlichen 
Jahren einer sei in der Reichcnau gewesen und daselbst eine lange Zeit er- 
halten worden mit Namen Julius, ein unehelicher Sohn Papst Julii des Vierten 
U, mau nuiss jedenfalls ^Jes Dritten verbessern], ob nicht derselbe öffentlich 
habe ein Concubinen gehabt und selbige samt ihrer Mutter habe erhalten, ob 
nicht dieselbe Cnncubine noch eine Schwester gehabt, ob nicht dieselbe sich 
auch hat an einen Geistlichen gehüngt und wer derselbe gewesen. 



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Wanderungen und Siedelungen der Alamannen. 

Von 

Andreas Hund. 



Als ich mich vor einer Reihe von Jahren zum Zweck 
einer Schulrede mit der Besiedelung des Elsasses durch unsere 
germanischen Vorfahren befasste, drängte sich mir die Über- 
zeugung auf, dass nur die Alamannen — und nicht die 
Franken - als Gründer und Namengeber der ungemein 
zahlreichen elsässischen Heim-Orte in Betracht kommen 
können. Das fast vollständige Fehlen der Ingen-Orte im 
Elsasa war also aus der alamannischen Besitznahme des 
Landes zu erklären. Betrachtungen über die gesamtala- 
mannische Landnahme waren die naturgemässe Folge. Der 
dabei eingeschlagene Weg führte zu einer mich weit über 
Erwarten befriedigenden Erklärung der Ingen-, Heim- und 
Weiler-Orte im Gebiet der Alamannen wie auch anderwärts. 
Im Laufe der Zeit wurde noch manche siedelungsgeschicht- 
liche Abhandlung hinzugezogen; das Vertrauen zu der ge- 
fundenen Erklärung aber ward keineswegs erschüttert, im 
Gegenteil nur gefestigt. Um die Sache jedoch in den Einzel- 
heiten und auch kartographisch auszubauen, fehlte bisher 
die nötige Müsse. Da auch für die nächste Zeit keine 
Hoffnung auf solche besteht und die hauptsächlichste Frage 
bereits in voller Öffentlichkeit angeschnitten ist 1 ), habe ich 
mich entschlossen, über den gelegentlichen Ausflug in das 
dornenreiche Gebiet der Siedelungsgeschichte in dieser Zeit- 
schrift, deren Arbeitsgebiet sich mehr oder minder auf fast 
alle in Frage stehenden Landschaften erstreckt, in einem 

') Vgl. Verhandlungen des XIX- Deutschen Gcographcnlagcs zu Strass- 
butg i- Eis. 1914, S. XXX. 



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Wanderungen und Siedelnngen der Alamannen. i: 

Aufsätze zu berichten. Wie die Überschrift schon andeutet, 
zerfällt das (ranze in zwei Teile. Der erste Teil ist den 
Wanderungen gewidmet; er Berichtet auf Grund der schrift- 
lichen Überlieferung über Ort und Zeit der Landnahme. 
Der zweite Teil gehört den Siedelungen; er handelt von der 
Art der Landnahme, insofern sich diese aus den Ortsnamen 
und aus der Zeit und den Umständen der Einwanderungen 
erschiiessen lässt. Der erste Teil bildet demnach die notwendige 
Unterlage des zweiten; er ist gewissermassen das Fundament, 
auf dem dieser aufgebaut ist. Die alamannische Landnahme 
hätte denn als Überschrift diese Einheit des Ganzen durch- 
aus treffend versinnbildlicht. Da man darunter aber leicht 
eine mehr auf Vollständigkeit abzielende Behandlung er- 
warten kann, erhielt der Aufsatz die weniger anspruchsvolle 
jetzige Überschrift. Sie eignete bereits einem Vortrage, den 
der Verfasser bei der Versammlung der Lehrer höherer 
Schulen in Elsass- Lothringen zu Strassburg im Mai 1910 
über den Gegenstand gehalten hat 1 ). 



A. Wanderungen. 

Nach der herrschenden Ansicht gehen die Alainannen 
in ihrem Kern auf die Semnonen zurück-;. Diese wohnten 
zu Beginn unserer Zeitrechnung in der Mark Brandenburg 
und galten nach Tacitus als das älteste und edelste Volk der 
Sweben. Nach der Mitte des 2. Jahrhunderts kam aus nicht 
genau erkennbaren Ursachen über die germanischen Völker- 
schaften zwischen Elbe und Weichsel eine allgemeine 
Wanderlust. Als erste Folge davon stellt sich der Marko- 
mannenkrieg dar, der die römischen Grenzen an der Donau 
fast die ganze Regicmngszeit des Kaisers Mark Aurel hin- 
durch in andauernder Aufregung erhalten hat. Im Jahre 
180 starb dieser während des Krieges zu Vindobona, dem 
heutigen Wien, und sein Sohn Commodus schloss sofort Frieden. 
Nur wenig über drei Jahrzehnte nachher haben die Römer 



') Ein Bericht darüber erschien in der Strassburger Posi vom 5. Mai 
1910, Nr. 516. — *) Bis zur Mitte des 5. Jahrhunderts fusst die Darstellung, 

soweit nichts anderes angegeben, auf: L. Schmidt, Allgemeine Geschichte der 
germanischen Völker bis zur Mitte des sechsten Jahrhundert-;. 1909. S. 18S ff. 



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46 



II und. 



am Schwarzen Meer mit den Goten und gleichzeitig am 
obern Main mit den Alamannen ZU kämpfen 1 ). 

Die Semnonen werden zürn letzten Male im Jahre 177 
genannt; die mit den Markomannen verbündeten Quaden 
beabsichtigten damals zu ihnen auszuwandern, was Mark 
Aurel mit Gewalt verhinderte. Durch ihre Wanderung wurden 
zunächst die Hermunduren betroffen; wie es scheint, haben 
diese den Weg erst nach heftigen, für sie verlustreichen 
Kämpfen freigegeben. Im Jahre 213 begegnen sie uns zum 
ersten Male unter dem neuen Namen. In diesem Jahre waren 
die Alamannen in das Dekumaienland eingebrochen, in jenes 
Dreieck zwischen Rhein und Donau, das die römischen 
Kaiser gegen Ende des 1 . Jahrhunderts zum Schutze der 
Provinzen Obergermanien und Rätien in das Römerreich 
einbezogen und durch den Limes gegen die Germanen ab- 
gegrenzt hatten. Caracalla zog von der Donau aus gegen 
sie und brachte ihnen am Main eine Niederlage bei. Der 
Ansturm muss auf die Römer grossen Eindruck gemacht 
haben. Der Limes wurde daraufhin gewaltig verstärkt, der 

rätische Teil durch eine Mauer und der obergermanische 

durch den Pfahlgraben. Es half nichts: als zwei Jahrzehnte 
nachher der Sturm abermals losbrach, hielt der Limes trotz 
aller Verstärkungen nicht stand. Ein Teil der Kastelle ist 
schon damals zerstört und nicht wieder aufgebaut worden. 
Nur notdürftig wurden die wichtigsten Punkte über das Jahr 
250 hinaus gehalten. Um 260 sind die sämtlichen Limes- 
kastelle zerstört oder aufgegeben und das Dekumaienland 
in der Gewalt der Alamannen 1 '). 276 und 277 kämpfte 
Kaiser Probus siegreich gegen die Alamannen, die zusammen 
mit Kranken in Gallien eingefallen waren und dort 60 Städte 
zerstört haben sollen. Er trieb sie über den Rhein zurück, 
tötete viele Tausende und verfolgte die Überlebenden bis 
über den Xekar und die Schwäbische Alb. Hierauf schloss 
er Frieden; die Hesiegten hatten Lebensmittel und 16000 Re- 
kruten für das römische Heer zu stellen. Die alten Limes- 



') Vgl. K. Weiler. Die Besiedlung des Alamannciilarides; Würucmbcr- 
gisclu- Vierteljahrshcfu- ;• 1 898. S. 303. — *) Vgl. K. Fabririui, Die Besitz- 
nahme Badens durch die Römer. IQOJ. S. 87 f. 



gk 



■ .■ 



Wanderungen und Siedelunucn der Alamannen. i- 

anlagen wurden jedoch nicht wiederhergestellt; ungehindert 
setzten sich die Alamannen wieder im Dekumatenlande fest. 
Seit dem Ende des 3. Jahrhunderts wird dieses Alamannia 
oder Barbaria genannt. Über die damalige Ausdehnung 
des alamannischen Gebietes sind wir ziemlich genau unter- 
richtet. Im Westen und Süden war es durch Rhein, Boden- 
-see. Argen, Hier, Donau vom römischen Reiche geschieden, 
im Osten durch den ehemaligen Limes von den Burgundern; 
im Norden reichte es über den Main hinüber in die Wetterau 
und in den Rheingau. 

Nachdem die Römer den Limes aufgegeben hatten, be- 
festigten sie die Rheinlinie, wie auch die Grenze am Boden- 
see, an Argen, Hier und Donau. Aber immer wieder haben 
die Alamannen den Weg hinüber ins Römerreich gefunden. 
Bis zum Ende des 4. Jahrhunderts vergeht kaum ein Jahr- 
zehnt, ohne dass wir nicht von Raubzügen alaman nischer 
Seharen ins römische Gebiet an Rhein und Donau hören. 
Bisweilen gelangten solche tief nach Gallien und Italien 
hinein. Abwehr und Ahndung führten dann umgekehrt 
die römischen Legionen ins Alamannenland, einmal sogar 
schräg hindurch von Mainz bis Günzburg. Von einer Ver- 
änderung der Grenzen zugunsten der Römer ist nur einmal 
kurz die Rede: 289 unternahm Diokletian vom Bodensee 
aus einen Vorstoss und schob die Grenze der Provinz Rätien 
bis zu den Donauquellen vor, ohne jedoch das Gebiet dauernd 
behaupten zu können. Um so mehr tritt um die Mitte des 
4. Jahrhunderts das Streben der Alamannen hervor, in der 
oberrheinischen Tiefebene die Grenzen zu ihren Gunsten zu 
verändern. Es ist indes nicht ausgeschlossen, dass die Römer 
selbst den Anstoss zu diesem Unterfangen gegeben haben. 
Es wird nämlich berichtet, dass Kaiser Konstantius IL, um 
dem 350 erhobenen Usurpator Magnentius Schwierigkeiten 
zu bereiten, die Völker am Rhein zu einem Einfall in Gallien 
anstiftete, indem er ihnen den Besitz des eroberten Landes 
zusicherte. Das linksrheinische Gebiet wurde damals auf 
das schwerste heimgesucht; Städte wie Strassburg, Speyer, 
Worms, Mainz gerieten in die Gewalt der Alamannen. Als 357 
die Römer unter Julian durch den mit Verhauen gesperrten 
Pass von Zabern ins Elsass einrückten, trafen sie auf wohl- 



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■ ■ 



4» 



Hund. 



bestellte alamannische Acker. In der Gegend von Strass- 
burg fiel bekanntlich die Entscheidung gegen die Alamannen. 
Julian errang einen vollständigen Sieg. Chnodomar, der 
Führer der Bewegung, geriet in Gefangenschaft; ein grosser 
Teil des Heeres fiel in der Schlacht oder ging auf der Flucht 
in den Fluten des Rheins zugrunde. Um die unruhigen 
Alamannengaue zu befrieden, überschritt hierauf Julian bis 
360 viermal den Rhein. Auf dem linken Ufer suchte er 
die zerstörten Städte wiederherzustellen. Die hier zurück- 
gebliebenen Alamannen wurden in ihren Ansiedelungen als 
Reichsuntertanen belassen und traten zum Teil in die Rechts- 
stellung der Läten ein. 

Die Befriedung des unruhigen Volkes durch Julian hielt 
nicht lange an. Mit seinem Tode beginnen die Raub- und 
Plünderungszüge der Alamannen und die Abwehr- und 
Strafexpeditionen der Römer von neuem. Es ist fast 
schlimmer denn je zuvor. 366 überschritt ein starkes -Ala- 
mannenhcer den zugefrorenen Rhein, schlug ein römisches 
Heer und marschierte gegen Reims und Paris, erlitt aber 
bei Scarpina an der Mosel und bei Chalons an der Marne 
empfindliche Niederlagen. 368 überfielen Alamannen unter 
Rando die Stadt Mainz. In demselben Jahre überschritt 
dann Kaiser Valentinian I. an der Spitze zahlreicher Truppen 
i/pfi t -!e&.y-v den Rhein bei der Neckarmündung und schlug die Ala- 
J/'W fau mannen in einer blutigen Schlacht bei Solicinium. 370 unter- 
/ •>.»/*->'*"■ nahm der General Theodosius von Rätien aus einen V'or- 
\ . f,\ stoss gegen sie und machte dabei zahlreiche Gefangene, die 
/ £> f i**J n < * er P° eDene angesiedelt wurden. Valentinian verstärkte 
' nach seinem siegreichen Zug die Befestigungen der Rhein- 
linie und überschritt in den 70er Jahren noch zweimal den 
Strom. Nachhaltige Krfolge sind nicht zu sehen. Zu An- 
fang 378 gingen die Lentienser über den zugefrorenen 
Rhein und fielen verheerend in die Schweiz ein. Sie wurden 
zurückgewiesen und riefen die Hilfe ihrer Stammesgenossen an. 
Das vereinigte alamannische Heer, angeblich 40000 Mann 
stark, brach dann in Gallien ein, wurde aber von den Römern 
bei Argentaria (Horburg bei Kolmar) entscheidend geschlagen; 
der Tentienserkönig Priarius, der Anstifter des Krieges, 
ward getötet. Kaiser Gratian ging hierauf über den Rhein, 



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ffliHoiMuinviRsm 



Wanderungen und Siegelungen der Alamannen. ,,, 

um die Lentienser völlig zu vernichten; da aber selbst seine 
erlesensten Krieger nur mit Mühe die Ringwalle auf den 
Höhen zu erklimmen vermochten, gewährte er ihnen gegen 
die Verpflichtung, Truppen zu stellen, den erbetenen Frieden. 
Die Schlacht bei Horburg scheint wirksam gewesen zu sein. 
Nur noch zweimal hören wir im 4. Jahrhundert von Ein- 
fällen der Alamannen ins römische Gebiet 384 machten 
die Juthuugen, die seit 270 in Verbindung mit den Ala- 
mannen genannt werden und später mit ihnen zu einem 
Volke verschmolzen, auf Anstiften des Gegenkaisers Maximus 
einen Einfall in Rätien, und 3Q2 streifte eine Alamannen- 
schar beutemachend über die Alpen bis nach Italien. 

Wohl infolge einer Niederlage, die für die Zeit um 380 
bezeugt ist, verloren die Alamannen ihr Gebiet nördlich des 
Mains an die Franken. Als diese 406 den Wandalen den 
Durchzug nach Gallien zu wehren suchten, erscheinen sie 
als Anwohner des Mains. Wahrscheinlich schon gegen Ende 
des 4. Jahrhunderts war sodann das Gebiet zwischen unterm 
Main und Neckar in den Händen der Burgunder. Sicher 
trifft das zu für die Zeit nach 406. Damals überschritt be- 
kanntlich, dem Beispiele der Wandalen, Alanen und Sweben 
folgend, der grössere Teil der Burgunder den Rhein, um 
hernach unter einem König und als römische Föderaten in 
den Gebieten von Worms und Mainz ein kurzlebiges, aber 
sagen berühmtes Reich zu gründen, während der kleinere 
Teil auf dem rechten Rheinufer zurückblieb und die her- 
gebrachte republikanische Verfassung beibehielt 1 ). 

Jene Völkerflut des Jahres 406 scheint ansteckend ge- 
wirkt zu haben. 408 wurde Gallien von neuen Einfällen 
der überrheinischen Germanen heimgesucht. Dabei werden 
nach vielen andern an letzter Stelle auch die Alamannen 
genannt. Sie mögen mitgeholfen haben bei der Zerstörung 
von Strassburg und Speyer; aber dass damals schon, wie 
gewöhnlich angenommen wird, das Gebiet zwischen Rhein 
und Wasgenwald, oder gar die Schweiz *), dauernd von ihnen 



') Vgl. Schmidt, Allg. Geschichte der germ. Völker S. 69 f. — *) So 
Weiler a. a. 0. S. 320. S. auch W. Occhsli, Zur Niederlassung der Burgunder 
und Alamannen in der Schweiz; Jahrbuch für Schweizerische Geschichte 33, 

1908. S. 235. 

ZciMchr. f. Gesch. d. Oberrh. N.F. XXXII. 1. 4 



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5° 



Hund. 



besetzt worden wäre, ist ausgeschlossen. Wir hören zwar, 
dass der Gegenkaiser Konstantin mit Alamannen, Burgun- 
dern und Franken Föderationsverträge abschloss, aber eine 
Landabtretung auf dem linken Rheinufer ist nur für die 
Burgunder bezeugt. 410 sandte Konstantin seinen Feld- 
herrn Edobech über den Rhein, um von den Alamannen 
und Franken Hilfe gegen den Usurpator Maximus zu holen. 
Als Konstantins Stern im Erlöschen war, wandten sich Bur- 
gunder und Alamannen dem Gegenkaiser Jovinus zu. Nach 
dessen Niederwerfung im Jahre 413 schloss Kaiser Honorius 
einen neuen Vertrag mit den Burgundern. Ob Ahnliches 
mit den Alamannen geschehen ist, wissen wir nicht; Tat- 
sache ist, dass wir bis über die Mitte des Jahrhunderts hinaus 
nichts mehr von Alamannen einfallen am Rheine hören. Nur 
im Osten an der Donau brachen die Juthungen, die bei der 
Gelegenheit zum letztenmal unter diesem Namen erscheinen, 
in die Provinz Raetia seeunda ein, wurden aber 430 von 
Aetius zurückgetrieben. Dieser schlaue und tatkräftige Mann 
hat plan massig und mit Erfolg an der Herstellung und Er- 
haltung der Rheingrenze gearbeitet. 428 warf er die ripua- 
rischen Franken, die einen Landstrich auf dem linken Rhein- 
ufer besetzt hatten, über den Strom zurück. 432 schlug er 
den Salierfürsten Chlojo, der unter Verletzung des Foedus 
in das Gebiet von Arras eingebrochen war, bei Hesdin an 
der Canche und stellte das Abhängigkeitsverhältnis der 
salischen Franken wieder her 1 ). Als 435 die Burgunder 
unter König Gundahar in die Provinz Belgica einfielen, zog 
er ihnen mit einem römischen Heere entgegen und besiegte 
sie. Der hierauf geschlossene Friede aber ward von ihm 
im folgenden Jahre gebrochen; ein hunnisches Heer, das in 
römischem Solde stand, überfiel die Burgunder und brachte 
ihnen jene schwere Niederlage bei, die den geschichtlichen 
Kern des Nibelungenliedes bildet. Den Rest des Volkes 
verpflanzte er dann 443 in die Landschaft Sapaudia südlich 
vom Genfer See; dort mochte er die Abfallüsternen für 
besser untergebracht halten als an der Grenzwacht am 



') Vgl. Schmidt, Allg. Geschichte der germ. Völker S. 218. 



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■ ■ 



Wanderungen und Siedclungim der Alamannen. = I 

Rhein '). Bei dieser umfangreichen Tätigkeit ist Aetius nie- 
mals mit den Alamannen zusammengestossen. Das ist nur 
erklärlich, wenn die Alamannen vor der Zeit des Aetius 
noch keine Gebiete auf dem linken Rheinufer besetzt 
hatten und während seines Waltens keine zu besetzen ver- 
suchten. 

Kaum ist Aetius tot, so ändert sich das Bild. Den 
kraftvollen Schirmer des weströmischen Reiches erstach 
bekanntlich im Jahre 454 Kaiser Valentinian III. mit eigener 
Hand. Im folgenden Jahre erlag dann dieser selbst auf 
Anstiften des Senators Petronius Maximus den Dolchen 
zweier Diener des Aetius (16. März 455), und Petronius 
Maximus ward zum Kaiser ausgerufen. Aber nicht einmal 
ganz ein Vierteljahr war Maximus Kaiser; als er vor den 
Wandalen aus Rom fliehen wollte, wurde er von den Sol- 
daten seiner Leibwache getötet (31. Mai 455). Es folgte 
Avitus, der Schwiegervater des Apoll inaris Sidonius (9. Juli 
455). Der Swebe Rikimeraber, der Befehlshaber der in Italien 
stehenden Barbarentruppen, entsetzte diesen bereits nach 
einjähriger Regierung und erhob dann 457 (1. April) seinen 
Freund Majorian, der ein bedeutender Mann war und sich 
denn auch vier Jahre behauptete. In diesen wirren Zeiten 
lebten die Angriffe der Germanen am Rhein wieder auf. 
Die Alamannen besetzten im Jahre 455 Gebiete auf dem 
linken Rheinufer. Wir entnehmen das dem Lobgedicht des 
Apollinaris Sidonius auf Avitus vom Jahre 456. Die in 
Frage kommenden Verse 2 ) lauten: «Den Aetius schlachtete 
Placidus (Valentinian III.), der unsinnige Halbmann. Und 
kaum war das Diadem deinem Haupte aufgesetzt, Petronius, 



') Vgl .H. von Schubert, Die Unterwerfung der Alamannen unter die Franken. 
1884. S. 10 ff. Kür die Burgunder im besondern L. Schmidt, Geschichte der 
deutschen Stämme bis zum Ausgange der Völkerwanderung. 1910. S. 371 ff. 
— -) Apoll. Sidonius, Cum. VIT, 359 (f.; MG. AA. VIII, 212 f.: 1339) 
Aetium Placidus maciavU semivir amens. | vixqu" nio imposilum eapili diadema, 
Petroni: ilico barbarics . . . (372) Francus Gcrmamim primum Belgamque 
seeundum | sternebat, Rhcnumquc ferox, Alamannc, bibchas | Romain ripis ei 
«troque superbus in agro | vcl civis et victor cias. sed perdita cernens | terra- 
mm spatia prineeps iain Maximus, unuin | qnod luit in rebus, peditumque 
cqnitumque magistrum | le sibi, AvitC, legit . . . (388) Ut primum ingesti pon- 
dus suseepit honoris. | legas qui veniam posennt, Alamannc, furori. 

4" 



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C2 Hund. 

zeigt sich bald die Barbarenflut . . . Der Frauke streckt den 
Bewohner von Germania prima, von Belgica sccunda nieder. 
Und den Rhein trankest du, wilder Alamanne, auf dem 
Ufer des Römers, und im Gebiet zu beiden Seiten (des 
Stromes) warst du Übermütiger entweder Bürger oder Sieger. 
Als aber Kaiser Maximus die Länderstrecken verloren sah, 
tat er das einzige, was der Lage gemäss war; er wählte 
dich, Avitus, zu seinem obersten Feldherrn des Fussvolks 
und der Reiterei . . . Sobald Avitus die Bürde der aufge- 
drängten Ehre annahm, schicktest du, Alamanne, Gesandte, 
um für deine Raserei um Verzeihung zu bitten t'). Auch 
unternahmen im Jahre 456 Alamannen einen Raubzug in 
die Gegend von Bellinzona. In des Sidonius Lobgedicht 
auf Kaiser Majorian findet sich darüber folgende Stelle -): 
jDer grimmige Alamanne hatte die Alpen bestiegen, und 
über den Pass der Räter durch weite Einöden geführt, war 
er, den Römer plündernd, aufgetaucht, und über die einst 
nach dem Namen des Canus benannte Ebene hatte er 
900 Feinde auf Raub entsandt. Aber schon warst du 
(Majorian) Heermeister. Du schickst den Burco dorthin mit 
geringer Mannschaft. Aber das genügt, wenn du zu kämpfen 
befiehlst; sicher ist den unsrigen der Sieg, du brauchst die 
Schlachtreihen nur entsandt zu haben; es vollendet das Glück 
den Triumph, nicht des Volkes wegen, sondern aus Liebe 
zu dir« 1 ). 

Das für die Alamannen erstrebenswerteste Gebiet links 
des Rheins lag in der oberrheinischen Tiefebene. Den bis 
dahin römischen Teil dieser Ebene nahmen im Jahre 455 
Alamannen und Franken in dauernden Besitz. Den Franken 
scheint damals nur das Gebiet von Mainz zugefallen zu sein. 
Bei dem Geographen von Ravenna ist Mainz (Maguntia) 
fränkisch, Worms (Gormctia) bereits alamännisch. Weiter 



') Vgl. Oechsli a. a. (X S. 24t». — ') Apoll. Sidonius, Cum, V. 373 ff,; 
MG, AA. VIII, 197: (373) . . • conscenderal Alpes | Rneiurumque iugo per 
longa silentia tlucuis | Romano exientt populato (nix Alamannus | perque Cani 
quondam dictos de nomine campos | in praedam centunt novics dimisciat 
hostes. I iamqur magister eras: ßurconem dirigis illuc j vxigua conütantc manu. 
sed sufficil Mild, | cum pugnarc iubes; ccria est victoria nostris | tc mandasst 
iicics; peragit Fortuna triumphum | non populo, »cd amore tuo. 



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Wanderungen und Siedelungen der Alamannen. c: 

bis zum Rheinknie schliessen sich an: Altrip (Altripe), Speyer 
(Sphira). Pforz (Porza), Strassburg (Argentaria quae modo 
Stratisburgo dicitur), Breisacli (Brezecha), Basel (FJazela) 1 ). Da 
anzunehmen ist, dass die Alamannen das Gebiet von Worms 
von dem unmittelbar gegenüberliegenden Rheinufer aus be- 
setzten, so müssen sie um die Mitte des 5. Jahrhunderts 
wieder gegen den Main vorgestossen sein. Dieser Vorstoss 
ist wohl kurz nach dem Zuge des Attilla erfolgt; denn bis 
dahin war das Land zwischen unterm Neckar und Main 
allem Anscheine nach in den Händen der Franken und der 
seiner Zeit auf dem Ostufer des Rheins zurückgebliebenen 
Burgunder. Durch Teilnahme am Hunnenzuge 3 ) dürften diese 
so mitgenommen worden sein, dass die Alamannen ihr altes 
Gebiet mühelos wieder in Besitz nehmen konnten. Ein 
Wiedervordringen der Alamannen an den Main ergibt sich 
übrigens auch aus den Namen der Städte, die vom Geographen 
von Ravenna als alamannisch bezeichnet werden. Man darf 
in diesem Falle allerdings nicht jede Deutung verwerfen ;, J. 
Dabei sollen gewisse Bedenken gegenüber der Deutung von 
Uburzis auf Würzburg nicht unterdrückt werden. Um so 
einwandfreier aber erscheint die Identifizierung von Ascapha 
mit Aschaffenburg '). 

Wenn wir dem Geographen von Ravenna glauben 
dürfen, drangen die Alamannen im Südwesten durch die 
burgundischc Pforte bis auf das Hochland von Langres vor. 
Er führt nämlich bei der Beschreibung von Alamannicn, 
für die er sich auf den gotischen Philosophen Anarid beruft, 
Langres (Ligonas), Besancon (Bizantia), Mandeure (Mandroda) 

*) Ravennatis anonvtni cusniogtaphia cd, M. Pinder et G. Parihey. 1860. 

S. 230 ff. — *> Apoll- Sidonius, Cenn. VII, 319 ff.; MG. AA. VIII, an: (319) 
. . - subito cum rupta tnmultu ] harkiries totas in tc transfuderat aretos, [ Gallia. 
pngnncem Rugum conrilante Gelono | Gcpida tnix sequitur; Scyrum Burgundio 
cogit: [ Chunus, Bellonotus, Xeurus, Baslama, Toringus, | Bructerus, uIyma vcl 
quem Niceralhi.t Linda, | prorumpit Franais; ccciditcito seeta bipenni | Hercyniain 
Untres et Rhcnnin texuit alno; j et iam terrificis diffudernt Attila tiirmis | in campus 
so, Helga, tiios. *) — Vgl. Schmidt, Allg- Gesch. der germ, Völker S- 19;- 
— 4 ) Vgl. Mommsen, Über die Untcritallcn betreffenden Abschnitte der 
ravenna tischen Cosmographie; Berichte über die Verhandlungen der königlich 
silchsischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Lcipvig. Phil.-hist. Klasse. III. 
1851. S. 106 ff. A Jacobs. Gallia ab anonynio Ravennate descripta. 1858. 
S. 31 ff- 



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sa Hund. 

als alamannische Städte auf. Von langer Dauer kann ihre 
Herrschaft hier nicht gewesen sein. Derselbe Geograph 
nennt bei der Beschreibung von Burgund, für die er den 
römischen Philosophen Castorius als Gewährsmann angibt, 
Besancon (Busuntius) und Mandeure (Mandroda) unter den 
burgundischen Städten, und von der Stadt Langres wissen 
wir aus Gregor von Tours, dass sie um 480 bereits bur- 
gundisch war. Sie wurde damals von den Franken bedrängt; 
ihr Bischof Aprunculus kam in den Verdacht, mit den 
Feinden gemeinsame Sache gemacht zu haben, und flüch- 
tete, von den Burgundern mit dem Tode bedroht, nach 
Clermont, wo er der Nachfolger des 47g verstorbenen Apol- 
linaris Sidonius auf dem Bischofstuhle wurde 1 ). 

Der Geograph von Ravenna führt die alamannischen 
Rheinstädte von Worms bis Basel in ihrer örtlichen Reihen- 
folge auf. Wie die Dinge liegen, ist trotz anderweitiger 
Deu tu ngs versuche das Gleiche auch weiter stromaufwärts als 
zutreffend anzunehmen. Es folgten demnach auf dem Süd- 
ufer des Rheins und des Bodensees von Westen nach Osten 

aufeinander: Augusta (Äugst), Caistena (Kaisten), Cassan- 
gita, Wrzacha (Zurzach), Constantia (Konstanz), Rugiuin, 
Bodungo, Arbore felix (Arbon), Bracantia (Bregenz). Nicht 
so einfach liegen die Dinge für die Orte, die der Ravennater 
südlich der Rheinlinie nennt. Da diese Orte sich unmittelbar 
an die »iuxta civitatem Stratisburgo« gelegenen anschliessen 
und hier mehrere sich entweder gar nicht oder nur unsicher 
identifizieren lassen, so ist man von vornherein im Zweifel, 
wo der Schnitt zwischen den elsässischen und den schwei- 
zerischen Orten zu machen ist. Rechnet man diese von 
Albisi an, so dürfte es ausgemacht sein, dass sie alle um den 
Züricher See herum oder nicht allzu weit von diesem zu 
suchen und grossenteils auch zu finden sind. Es ergibt 
sich dann folgendes Bild: Albisi (Albisrieden), Ziurichi 
(Zürich), Duebon (Dübendorf), Crino, Stafulon (Stäfa), 
Cariolon, Thedoricopolis, Vermegaton. Auch für die 
»ad aliam partem« genannten Orte dürfte an einer gewissen 
örtlichen Aufeinanderfolge festzuhalten sein, so dass vom 



'} Vgl. Schmidt, Geschichte der deutschen Stiimine S. 377 f. 



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Wanderungen und Siedelungcn der Alumannen. 



55 



Lech zum Main anzusetzen wären: Augusta nova (Augsburg), "l 

Rizinis (Reisensburg an der Donau), Turigoberga, Ascis, "" < ^** 1 
Ascapha (Aschaffenburg), Uburzis, Solist '). ^-*"**? » 

Die Stadt Thedorieopolis im alamannischen Helveiien, 
von der wir sonst keinerlei Kunde haben, kann nur nach 
dem Ostgotenkönig Theoderich benannt sein. Nichts liegt 
näher, als diese Namengebung, die man mit Umnennungen 
wie Adrianopolis, Konstantinopolis, Gratianopolis {Grenoble) 
vergleichen kann, in Verbindung zu bringen mit den Ver- 
diensten, die sich Theoderich um die Alamannen erworben 
hat, als er ihnen Schutz und Schirm ward gegen die 
Franken. Darum aber kann die Beschreibung Alamanniens 
beim Geographen von Ravenna auch keineswegs einheitlich 
sein; es müssen darin vielmehr Zustände verschiedener Zeiten 
miteinander vermengt sein. Die »Dietrichstadt« verträgt sich 
mit einem alamannischen Langres zeitlich ebensowenig wie 
mit einem Alamannien, zu dem noch Städte wie Worms, 
Speyer, Aschaffenburg gehörten. Langres war, wie oben 
ausgeführt, um 480 schon burgundisch, und als die Be- 
dingungen für eine Dietrichstadt iia Helvetien gegeben waren, 
lagen Worms, Speier, Aschaffenburg bereits ausserhalb der 
Grenzen Alamanniens. Des Ravennaters Gewährsmann für 
Alamannien, der gotische Gelehrte Anarid, kann deshalb 
nicht der 2. Hälfte des 5. Jahrhunderts, sondern nur der 
1. Hälfte des 6. angehören; übrigens ist auch gar nicht ein- 
zusehen, wie ein Ostgote — um einen solchen kann es sich 
beim Geographen von Ravenna doch wohl allein handeln — 
zu einer andern Zeit Anlass und Anregung zu einer der- 
artigen wissenschaftlichen Beschäftigung hätte finden sollen-). 
Es ist also nicht angängig, mit Hilfe des Geographen von 
Ravenna die Alamannen im 3. Viertel des 5. Jahrhunderts 
in Helvetien und Rätien einwandern zu lassen*). Nun aber 
steht und fällt mit dem Ravennater die Möglichkeit, die 
alamannische Besetzung der Lande südlich des Rheins und 

') Vgl. Mommsen a. o. Ü. S. 10G. Jacobs a. a. O. S. 33. — ? ) Vgl. 
J. Egger, Uie BarbnreneinfUlle in die Provinz Rätien und deren Besetzung 
durch Barbaren; Archiv für österreichische Geschichte. 90. 1901. S. 217. — 
*) So für Rätien Weiler a. a, O. S. 321 ff.; für die Schweiz. Occfoli a. a. O. 
S. 247 ff. 



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miiaiONUMt'f "!-'!- 



56 



Hund. 



Bodensees und südlich der Donau zwischen Hier und Lech 
für jene frühen Zeiten glaubwürdig darzutun. Es bleibt da- 
her kaum etwas anderes übrig, als der von Baumann und 
Schubert begründeten Ansicht beizupflichten, nach der diese 
Gebiete erst in der Folge von Chlodwigs berühmtem Sieg 
Alamannenland geworden sind'). Wie die folgenden Ab- 
schnitte zeigen, lässt sich darüber noch manches sagen. 

Trotz aller gegenteiligen Erklärungsversuche darf es 
nicht für ausgeschlossen gelten, dass jene Schlacht vom 
Jahre 496, die Gregor von Tours in ursächlichen Zusammen- 
hang mit der Bekehrung des Salierkönigs Chlodwig gebracht 
hat, identisch ist mit jener Schlacht bei Zülpich, in der der 
Ripuarierkönig Siegbert im Kampfe gegen die Alamannen 
'•ine Knieverwundung erhielt, infolge deren er dann zeit- 
lebens hinkte *>. Der städtereiche Mittel- und Niederrhein 
hat die Alamannen wohl besonders angezogen, und so mögen 
Angriffe auf die Ripuarier ihnen den Zusammenstoss mit 
Chlodwig eingetragen haben. Wie dem auch sei, die Schlacht 
vom Jahre 496 endete mit der Niederlage der Alamannen. 
Was in der Folge geschah, ist "nicht mehr mit vollkommener 
Sicherheit zu ermitteln. Immerhin lassen sich die späteren 
Verhältnisse und die Nachrichten bei Cassiodor, Ennodius 
und Agathias nicht allzu schwer miteinander in Einklang 
bringen. 

Die Grenzscheide zwischen den späteren .Herzogtümern 
Franken und Schwaben begann im Osten uuweit west- 
lieh der I.echmüntlung und lief zunächst in nordwestlicher 
Richtung zum 1 lesselberg im Jura, von diesem in süd- 
westlicher Richtung über den Hnhenberg bei Ellwangen, 
den Hohenasperg bei Ludwigsburg zur oberen Murg, von 
da an in nordwestlicher Richtung über die Badener Höhe 
zum Rhein, links des Rheins nördlich vom Hagenauer Forst 
den Sclzbach aufwärts in den. Wasgenwald hinein, wo sie 

') K. L. Baumann, Die alamanuische Niederlassung in K.'Uia Secunda; 

Zeitschrift des Historischen Vereins für ScfawubCD und Neuburg. 2. 1875, neu 
erschienen in dessen Forschungen zur Schwäbischen Geschichte. 1899. S. 473 ff. 
(darnach liier angeführt}. Schubert a. a. O. S. 193 ff. — *) Vgl. A. Ruppei» 
borg. Über Oft und Zeit von Chlodwigs Alainannonsicg; Ronner Jahrbuch. 101. 
1S97. S. 38 ff. 



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Wanderungen und Siedelungen der Alamannen. 



57 



unweit der Wasserscheide zwischen Rhein und Saar auf die 
Ostgrenze des Herzogtums Lothringen stiess'); es war zu- 
gleich die Grenzscheide zwischen den Bistümern Augsburg, 
Konstanz, Strassburg auf der einen, Eichstätt, Würzburg. 
Speyer auf der andern Seite. Die Südgrenze des Herzog- 
tums Franken ist, soweit unsere Kunde in dieser Beziehung 
zurückreicht, im wesentlichen auch die Südgrenze des frän- 
kischen Volkstums. Die Alamannen müssen daher aus den 
Gebieten nördlich dieser Linie in der Hauptsache ausge- 
wandert sein. Von einer Flucht der Alamannen aus ihrer 
Heimat hören wir denn auch bei Cassiodor sowohl wie bei 
Ennodius. 

Bei Cassiodor handelt es sich um jenen Brief Theoderichs 
an Chlodwig, der kurz nach Beendigung von Chlodwigs 
Burgunderkrieg (502) geschrieben sein dürfte-). Mehr oder 
minder von Belang für unsere Sache sind die ersten zwei 
Drittel des Briefes; sie folgen hier im Wortlaut 3 ): »Luduin 
regi I'Yancorum Theodericus rex. Gloriosa quidem vestrae 
virtutis affinitate gratulamur, quod gentem Francorum prisca 
aetate residem feliciter in nova proelia concitastis et Ala- 
mannicos populos caesis fortioribus inclinatos victrici dex- 
tera subdidistis. sed quoniam sein per in auetoribus p<'rfidiae 
resecabilis videtur excessus ner primariorum plectibilis culpa 
omnium debet esse vindieta, motus vestros in fessas reliquias 
temperatef quia iure gratiae merentur evadere, quös ad 
parentum yestrorum defensionem respicitis confugisse, estote 
Ulis remissi, qui nostris finibus celantur exterriti 1 ). Memo- 
rabilis triumphus est Alamannum acerrimum sie expavisse. 
ut tibi cum cogas de vitae munere supplicare. sufficiat illum 
regem cum gentis cecidisse superbia: sufficiat innumerabilem 
nationem partim ferro, partim servitio .subiugatain. nam si 



j.f. lr,< 



! ) Vgl- Weiler a. a* O. S. 325 f. — v ) Vgl. Ruppersberg a- ä. O, 
S- 58 f. — 3 > Cassiodori Variarum II, 41; MG- AA. XII, 73. — *) In der 
Ausgabi* der Monunictita hat die Stelle folgende Gestalt: sed (luoniam ?*cmper 
in auetoribus pcrfüliac resecabilis videtur excessus nec primariorum plectibilis 
culpa omnium debet esse vindieta, motus vestros in lessas reliquias temperate, 
qttia iure gratiae merentur evadere, quod ad parentum vestronun defensionem 
respicitis confugisse* estote Ulis remissi, *jui nostris finibus celantur exterriti. 
Die Gründe für die Zeichenandrning sind offensichtlich. 



igle 



■ . 



rg Hund. 

cum roliquis confligis, adhuc cunctos superasse non crederis. 
accipe in talibus causis frequenter expertum: illa mihi feli- 
citer bella provenerunt, quae moderato fine peracta sunt, is 
enim vincit assidue, qui novit omnia temperare, dum iacunda \4£ 
prosperitas Ulis potius blanditur, qui austeritate nimia non 
rigescunt cede itaque suaviter genio nostro, quod sibi gen- 
tilitas communi remittere consuevit exemplo. sie enim fit, ut 
et meis petitionibus satisfecisse vidcamini nee sitis solliciti 
ex illa parte, quam ad nos cognoscitis pertinere.« Ala- 
mannen sind also in den Schutz von Verwandten Chlodwigs 
geflohen. Zu diesen gehören zweifellos auch jene, die sich 
erschreckt in Theoderichs Grenzen verbergen ; Theoderich 
ist ein Verwandter Chlodwigs 1 ), Neben diesen Flüchtlingen 
ist noch von fessae reliquiae die Rede. Chlodwig soll seinen 
Zorn gegen sie massigen. Er soll nicht mit ihnen (cum 
reliquis) kämpfen, sonst glaubt man ihm nicht, dass er be- 
reits alle überwunden hat. Er soll auf Theoderich den viel- 
erfahrenen hören und ihm gewahren, was selbst die Heiden- 
schaft (göntilitas) 2 ) einander gemeiniglich zuzugestehen pflegt, 
dann braucht er nicht in Sorge zu sein wegen jenes Teiles, 
der, wie ihm bekannt, zu Theoderich :, j gehört. 

Verlassen wir das diplomatische Aktenstück und sehen 
wir zu, was Ennodius, der Mailänder Kleriker und spätere 
Bischof von Ticinum (Pavia), in seinem um 506 verfassten Pane- 
gyricus auf Theoderich 4 ) über die Alamannen zu sagen weiss. 
In Betracht kommt das 15, Kapitel; es lautet: »Quid quod! 
a te Alamanniae generalitas intra Italiae terminos sine detri- 
mento Romanac possessionis inclusa est, cui evenit habere 
regem, postquam meruit perdidisse. facta est Latiaris custos 
imperii semper nostrorum populatione grassata, cui feliciter 
cessit f Li gisse patriam suam: nam sie adepta est soli nosiri 
opulentiam. adquisistis quae noverit ÜgonibLis tellus adquiescere. 



J ) Möglich wäre auch, dass sich das Miosiris finibus- nicht auf den Ver- 
wandten Throderich allein, sondern auf die Verwandten bezöge; dann müsste 
dieser erläuternde Sau lauten: Es sind das zweifellos jene, die sich erschreckt 
in deren Grenzen verbergen. — *t Über die Bedeutung von gen tili tra vgl. 
Ruppersbcrg a. a. O. S. 56 f. — 8 J Vielleicht auch: zu ihnen (den Ver- 
wandten)« da von »ad nos« dasselbe gilt wie von »nnstris (Anm. 1). — *) MG. 
AA. VII, 212. 



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Wanderungen und Sit-delungen der Alamannen. =n 

quam vis nos contigerit damna nescire. sub te vidimus even- 
tusoptimosde adversitate generariet fieri seeundorum matrem 
occasionem periculi. ulvis liberata gratulatur terram incolens, 
quae hactenus dehiscentibus domicilüs solidioris eaeni omer- 
gebat beneficio«. Ausserdem findet sich im 17. Kapitel mit 
einem Hieb auf Byzanz der Ausruf: -rex meus sit iure 
Alamannicus. dieatür alienus«. 

Dass man aus Ennodius nicht herauslesen darf, das 
ganze alamannische Volk sei durch Auswanderung in die 
Grenzen Italiens unter die Herrschaft Theoderichs gekommen, 
liegt auf der Hand. Das Unglück, das den Alamannen zum 
Segen geworden ist, kann nur ihre Niederlage gegen Chlodwig 
gewesen sein. Infolge jener Niederlage aber können nicht 
alle Alamannen ausgewandert sein: die späteren Verhält- 
nisse sprechen dagegen. Wohl aber müssen die Nordala- 
mannen damals ihre Heimat in der Hauptsache verlassen 
haben. Vom Neckarfranken der früheren Zeit sagt Apolli- 
naris Sidonius bei Aufzählung der Völker, die am Hunnen- 
zuge nach Gallien teilnahmen: ulvosa vel quem Xicer alluit 
unda, prorumpit Francus 1 ); vom Schilfe befreit (ulvis liberata) 
ist bei Ennodius das Alamannenvolk, das sich freut, ein 
Land zu bewohnen, das sich dank einer dichteren Siedelung 
aus seinem Verfall erhob 2 ). Verstehen wir unter diesem 
Alamannenvolk die Xordalamannen, so fügt sich die Stelle 
aufs beste in unser sonstiges Wissen ein. Die Nordalamannen 
hätten demnach Schilfland verlassen und dafür innerhalb 
der Grenzen Italiens altes, aber in Verfall geratenes Kultur- 
land gewonnen. 

Dieses Land ist nur in den beiden Rätien zu finden. 
Dort haben wir in dem Alpenvorland zwischen liier und 
Lech, in gewissen Teilen von Vorarlberg und südlich vom 
Bodensee altes Alamannenland. ohne dass nachweisbar wäre, 
dass sich die Alamannen in diesen Gebieten schon früher 
festgesetzt hätten 11 ). Mit vollem Recht konnte Ennodius 
diese Lande als Italia bezeichnen. Nach der Notitia digni- 
tatum, dem römischen Staatshandbuch aus dem Anfang des 



') Vgl. oben S. 33 Anm. 2. — ') Vgl Schubert a. ;i. O. S. 79. — 
J ) Vgl. Kgner a. a. O. S. 335 (f. 



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6o Hund. 

5. Jahrhunderts, gehorten die beiden Rätien zur Praefectura 
Italiae und in dieser wiederum zur Dioecesis Italiae; in dem 
zuletzt genannten Sinne dürfte das Wort Italia bei Enno- 
dius zu verstehen sein ; ). In welchem Zustand diese Lande, 
vor allem Ractia seeunda, das Alpenvorland zwischen Hier 
und Inn, gegen Ende des 5. Jahrhunderts gewesen sein 
mögen, ergibt sich aus den gleichzeitigen Verhältnissen im 
angrenzenden Ufernorikum, die uns in Eugipps Leben des 
heiligen Severin (f 482) so anschaulich entgegentreten. In 
den wenigen Städten hielt sich die römische Bevölkerung 
noch zur Not; das flache Land aber war durch die bestän- 
digen Einfälle der nördlich der Donau wohnenden Rugier, 
Thüringer und Alamannen verödet 2 ). Ähnlich lagen die 
Dinge zweifellos auch in Rätien. Nur wo das Gebirge 
oder dichte Waldungen sicheren Schutz gewährten, hat die 
römische Landbevölkerung jene trüben Zeiten der 2. Hälfte 
des 5. Jahrhunderts überdauert :I ). Es konnte Theoderich 
darum auch nicht schwer fallen, die flüchtigen Alamannen 
ohne Schmälerung des römischen Besitzes (sine detrimento 
Romanae possessionis) hier anzusiedeln. Dass die beiden 
Rätien tatsächlich zum Reiche Theoderichs gehörten, ist 
erwiesen durch zwei Stücke in Cassiodors Varien. Gemeint 
sind der Musterbestal tungsbrief für den rätischen dux, die 
formula ducatus Raetiarum, sowie das Schreiben Theode- 
richs an den dux Raetiarum Servatus '). Ob die geordneten 
Verwaltungsverhältnisse, die uns in den zwei Stücken bei 
Theoderichs Minister Oassiodor entgegentreten, gleich zu 
Beginn der Herrschaft des Ostgoten vorhanden waren, ist 
freilich sehr zu bezweifeln; was wir aus der Zeit der letzten 
weströmischen Kaiser und Odowakars über diese Donau- 
länder wissen, spricht durchaus dagegen. Höchst wahr- 
scheinlich hat Theoderich die Flucht der Alamannen auf 
rätischen Boden dazu benutzt, um die damals nur mehr dem 
Namen nach bestehende Donaugrenze wiederum zur tat- 
sächlichen Xordgrenze des italischen Reiches zu machen. 
Unter denselben Verhältnissen wie in Rätien müssen 

') Vgl. Oeduli a. a. O. S.^.25 ff. — ') Eugippii Vita Sancti Scverini 
c. 19. 2j. 2;. 31; MG. AA. I. 3 ) Vgl. Baumann a. u. O. S. 487. — 

A ) Cauiod. Var. I, 11. VII, 4: MG- AA. XII, 20. 20.4. 



"S' c wS&hSsoi 



Wanderungen und Sieddungen der Alamannen. (y\ 

sich die Alamannen auch im östlichen (iross-Sequanien, in 
der heutigen Mittel- und Xordwestschweiz, festgesetzt haben. 
Auch liier haben wir alles Alamannenland, ohne dass frühere 
Besitznahme nachweisbar wäre 1 ). In Rätien übernahm den 
Schutz der Ostgotenkönig Theoderich, der Gemahl von 
Chlodwigs Schwester Audefleda, in Gross- Scquanien allem 
Anscheine nach der Burgund^rkönig Gundobad, der Oheim 
von Chlodwigs Gemahlin Chrodechildc. Nur so dürfte in 
Theoderichs Brief an Chlodwig die Stelle zu verstehen sein: 
quia iure gratiae merentur evadere, quos ad parentum vestro- 
rum defensionem respicitis confugisse, estote illis remissi, 
qui nostris finibus celantur exterriti. Die Worte -ad paren- 
tum vestrorum defensionem < auf Theoderich allein zu be- 
ziehen, geht nicht an. An Theoderich und Audefleda, 
Chlodwigs Schwester, zu denken, ist ebenfalls nicht zulassig; 
in keinem der vielen Stücke bei Cassiodor ist von ihr die 
Rede. Es bleibt nur übrig, unter den parentes den Ost- 
gotenkönig Theoderich und den Burgunderkönig Gundobad 
zu verstehen. Die Maxima Sequanorum, Gross-Sequanien, 
war eine Provinz der Dioecesis Galliarum und gehörte um 
die Wende des 5. und 6. Jahrhunderts im südlichen Teile 
längst zum Burgunderreiche. Wenn sodann Bosan<;on und 
Mandeure wirklich einmal alamannisch waren, so müssen 
sie spätestens damals in burgundischen Besitz übergegangen 
sein-). Nichts lag naher, als dass der Burgunderkönig Gun- 
dobad die in das Helvetier- und Raurakerland geflüchteten 
Alamannen geradeso behandelte, wie die auf rätischen Boden 
geflüchteten der Ostgotenkönig Theoderich, dessen Tochter 
Ariagne seit 494 mit Gundobads Sohn Siegmund vermählt 
war. Er gewann so mühelos ein Land, das seinem Reicht* 
die Rheingrenze vom Bodensee bis Basel brachte und durch 
die Einwanderung der flüchtigen Alamannen noch besonders 
begehrenswert geworden sein mochte. 



') Wie es mit einem solchen Nachweis mich Ausschaltung dö Geographen 

von Ravenna bestelle ist» ergibt sich aus. Oechsli a. a. O. S. 246 ff. — 
*) Vgl. Oechsli ft. a. O. S. 253 ff. Übrigens hat schon Mommsen an 
den Burgunder gedacht; in dem von ihm hergestellten Iudex locomm der im 
Jahre 1894 erschienenen Monumentenausgabe findet sich zu dem zweimal in 
•dem Brief vorkommenden Alamannennamen die Bemerkung: Alamanniei popoli 
a Francis devicti in dicionem Burgnndionuni confugiunt (MG- AÄ. XII, 502). 



ogle 



■ ■ 



02 Hund. 

Diese Auslegung von Theoderichs Alamannenbrief ist 
nur denkbar, wenn man ihn nicht mit Schubert und Momm- 
sen 1 ) zum Jahre 507, sondern um 502 ansetzt. Damals war 
gerade der Krieg zwischen Chlodwig und Gundobad mit 
wesgotischer Hilfe zugunsten des Burgunders entschieden 
und der Friede zwischen den beiden Herrschern wiederher- 
gestellt. Die Spannung zwischen den Franken und den 
Westgoten aber bestand weiter, und der Krieg drohte jeden 
Augenblick von neuem auszubrechen. Da trat der Ostgoten- 
könig als Vermittler auf. In einem Schreiben forderte er 
»seinen Bruder« Gundobad auf, sich an einer diplomatischen 
Aktion zur Beseitigung der Kriegsgefahr zu beteiligen 2 ). 
Der Burgunder scheint dieser Auffordcrnng Folge geleistet 
zu haben; es kam jetzt auch zu einem Frieden zwischen dem 
Westgoten- und dem Frankenkönig. In der Folge aber 
schlug sich Gundobad auf die Seite Chlodwigs. Wie aus 
einer Stelle in der Lebensbeschreibung des Bischofs Caesa- 
rius von Arles zu schliessen ist, muss das schon sehr früh 
geschehen sein. Es wird dort berichtet, dass der Bischof 

bald nach seinem Amtsantritt, der in das Jahr 502 oder 503 

fällt, von einem seiner Notare bei der westgotischen Re- 
gierung angezeigt wurde, dass er Arles unter burgundischc 
Herrschaft zu bringen suche. Zu solchen Bestrebungen hatte 
der Bischof nur Anlass, wenn die Burgunder die Verbündeten 
der Franken waren; nur der Sieg der fränkischen Waffen 
konnte nach Ansicht der orthodoxen Geistlichkeit den Völker- 
frieden herbeiführen, den Caesarius laut Aussage seines Bio- 
graphen täglich vom Himmel erflehte. Als dann 507 der 
Krieg zwischen Chlodwig und den Westgoten wieder aus- 
brach, rückte im Frühjahr das burgundischc Heer aus, um 
zu den Franken zu stossen. Theoderichs Heere aber kämpf- 
ten auf Seiten der Westgoten gegen Burgunder und Franken. 
Während der Franke und der Ostgote aus dem mehrere 
Jahre sich hinziehenden Krieg erheblichen I.andgewinn da- 
vontrugen, blieb der Burgunder, von seinem Verbündeten 
im Stiche gelassen, im wesentlichen auf seine bisherigen 



'» Vgl. MG. AA. XII. S. XXXII. -- -) Cassiod. Vir. III, 2; MG. 
AA. XII, 79 (von Moinmsi-n ebenfalls zum Jahre 507 angesetzt). 



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■ ■ 



Wanderung« und Siedelungen der Alainanncn. 63 

Grenzen beschränkt 1 ). Es leuchtet ein, dass bei der oben 
ausgeführten Deutung Theoderichs Brief an Chlodwig 507 
nicht unterzubringen ist, wohl aber um 502. 

Im Jahre 516 folgte auf Gundobad sein Sohn Siegmund. 
Er war schon bald nach Beginn des Jahrhunderts vom Aria- 
nismus zum Katholizismns übergetreten und unter Führung 
des Bischofs Avitus von Vienne ein eifriger Förderer des 
neuen und Verfolger des alten Glaubens geworden. Seine 
Thronbesteigung bedeutete für den katholischen Klerus des 
Burgunderreiches neue Verhältnisse. Um diesen Rechnung 
zu tragen, beriefen die Metropoliten auf den September 517 
ein Konzil nach Epaon 2 j. An diesem burgundischen Reichs- 
konzil nahm auch der helvetische Bischof Bubulcus teil. 
Seine Unterschrift steht unter den 24 bischöflichen an 
15. Stelle und lautet: Bubulcus in Christi nomine episcopus 
civitatis Vindoninsis relegi et subscripsi % Trotzdem Vin- 
donissa, das heutige Windisch, im nordöstlichen, alamanni- 
schen Helvetien gelegen, nicht die Hauptstadt des Landes 
war, erscheint es hier als Sitz eines burgundischen Bischofs. 
Das ist nur zu erklären, wenn zur Zeit des Konzils von 
Epaon auch das nordöstliche, alamannische Helvetien zum 
Burgunderreiche gehörte. Andernfalls hätte Bischof Bubul- 
cus seinen Sitz doch gewiss in dem unzweifelhaft burgun- 
dischen Aventicum, der Hauptstadt des Helvetierlandes, ge- 
habt und sich als Mitglied des burgundischen Episkopates 
sicher auch darnach benannt. Zu dieser Erwägung berech- 
tigt vor allem der Umstand, dass der Wechsel des helve- 
tischen Bischofsitzes zwischen Aventicum und Vindonissa 
tatsächlich bezeugt ist; Bischof Grammathis nennt sich 535 
episcopus ecclesiae Aventicae, 541 episcopus civitatis Vin- 
donensium und 549 episcopus ecclesiae Vindunnensis 1 ). 

König Siegmund hatte von seiner ersten Gemahlin, 
Theoderichs Tochter Ariagne, zwei Kinder, Sigerich und 
Suavegotta. Auf Grund einer falschen Anschuldigung liess 
er den Sohn Sigerich im Jahre 522 ermorden. Während 
Siegmund, der seine Tat rasch bereute, sich im Kloster 



') Vgl. Sihmidt, Geschichte der deutschen Stumme I. S. 386 ff. — 
*| Ebenda S. 392 ff. — "J MG. Conc. I, 30. — ') Vgl. Oechsli a. a. O. 
S. 254 f. 



Jv' c rawaTOHUHivfittirv 



64 



Hund. 



Agaunum Bussübungen hingab und zum Gedächtnis seines 
Sohnes eine ewige Psalmodie stiftete, rüsteten der Ostgoten- 
könig und der Franke Chlodomer zum Kriege. Bald nach- 
dem Siegmund wieder in seiner Residenzstadt Lyon ange- 
langt war, fiel 523 Chlodomer in Burgund ein; seine Brüder 
Childebert und Chlotachar leisteten ihm Hilfe, während 
Theuderich, der Gemahl von Sigerichs Schwester Suave- 
gotta, zunächst neutral blieb. In einer Schlacht, deren Ort 
wir nicht kennen, wurden Siegmund und sein Bruder 
Godomar geschlagen. Godomar brachte sich in Sicherheit; 
Siegmund suchte Schutz Im Kloster Agaunum, wurde aber 
auf der Flucht dorthin von seinen eigenen Untertanen ver- 
raten und an Chlodomer ausgeliefert, der ihn, seine Ge- 
mahlin und seine Söhne Gisklahad und Gundobad in die 
Gegend von Orleans bringen und dort bald darauf in einen 
Brunnen werfen Hess. Während die Franken im Norden 
mit der Unterwerfung des Landes beschäftigt waren, rückte 
ein ostgotisches Heer unter dem Befehle des Tuluin von 
Süden her in Burgund ein und nahm ohne Schwertstreich 
das Gebiet zwischen Durance und Isere für Theoderich in 
Besitz. Die fränkischen Eroberungen waren indes nur von 
kurzer Dauer. Kaum hatten die drei Brüder den Heimweg 
angetreten, so sammelte der tatkräftige Godomar, der 5:4 
zum König erhoben worden war, die zerstreuten Burgunder 
und gewann die von den Franken eroberten Gebiete zurück. 
Als daraufhin Chlodomer, diesmal von Theuderich unter- 
stützt, von neuem in Burgund einrückte, fiel er in der 
Schlacht bei Veseronce (524). Wie es scheint, war damit 
den Franken vorerst die Lust am Kampfe vergangen; sie 
schlössen einen Waffenstillstand und zogen nach Hause. 
Godomar war jetzt unbestritten Herr von Burgund. Um 

530 kam zwischen ihm und Theoderichs Tochter Ama- 
laswintha ein Bündnisvertrag zustande; damals erhielt er 
auch das Gebiet zwischen Durance und Isere zurück. Das 
Verhängnis war indes nicht mehr aufzuhalten. Der Todes- 
kampf begann im Jahre 532 mit der Belagerung der Stadt 
Autun durch die Frankenkönige Chlotachar und Childebert; 

Theuderich hatte die ihm angetragene Beteiligung an dem 
Kriegszuge abgelehnt Godomar, der zum Entsätze der 



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KIHCtlDNUHIVIR^iIV 



Wanderungen und Siedclungen der Alainannen. (ys 

Stadt herbeieilte, wurde entscheidend geschlagen. Im 
Jahre 534 ward das Ende des Burgunderreichs mit seiner 
Teilung zwischen Chlotachar, Childebert und Theuderichs 
(f 534) Sohn Theudebert besiegelt 1 ). 

Wie aus den Akten des Konzils zu Clermont vom 
Jahre 535 hervorgeht, gehörte zu Theudeberts Teil von 
Burgund auch das Bistum Avenches. Von den 15 Bischöfen, 
die auf dem von Theudebert einberufenen Konzil anwesend 
waren, unterzeichnete an letzter Stelle Bischof Grammatius 
von Aventicum. Derselbe Grammatius begegnet uns auf 
den beiden gemeinfränkischen Konzilien zu Orleans von 
541 und 549 als Bischof von Vindonissa*). Der erste uns 
bekannte Bischof des Helvetierlandes ist Bubulcus; er hatte 
517 seinen Sitz ebenfalls in Vindonissa. Dieser Wechsel 
des helvetischen Bischofssitzes zwischen Windisch rechts 
der Aar im späteren Bistum Konstanz und Avenches links 
der Aar im späteren Bistum Lausanne lässt vermuten, dass 
die Aar, die von altersher die Grenze zwischen den 
beiden Bistümern bildete, in der Zeit zwischen 517 und 535 
die Scheidegrenze zweier verschiedener Hoheitsgebiete ge- 
worden war, in der Zeit zwischen 535 und 541 diese Eigen- 
schaft aber wieder verloren hatte. Diese Annahme ist durch- 
aus berechtigt, wie leicht zu erweisen ist. Im alamannischen 
Nordosthelvetien lag die »Dietrichstadt«, die Thedoricopolis 
des Geographen von Ravenna. Diese Tatsache dürfte kaum 
anders zu deuten sein, als dass Nordosthelvetien unter Theo- 
derich einmal zum Ostgotenreich gehört hat. So wie die 
Dinge liegen, ist anzunehmen, dass der Übergang aus bur- 
gundischem in ostgotischen Besitz in jenem bekannten Jahre 
523 erfolgte. Die treibenden Kräfte dürften weniger die 
Ostgoten als die alamannische Bevölkerung des Landes ge- 
wesen sein; bedeutete für sie die ostgotische Botmässigkeit 
doch nichts Geringeres als die Vereinigung mit dem Ala- 
mannenstamm, der damals unter Theoderichs Schutzherr- 
schaft zweifellos neu aufblühte. Dieser Herrschaftswechsel 
dürfte für den Bischof von Vindonissa keineswegs angenehm 
gewesen sein. Theoderich war Arianer und seine Duldsam« 



') Vgl. Schmidt. Geschichte der deutschen Stamme I. S. 396 ff. — 

-( MG. Conc. I, 70. 97. 109. 

Zetadir. f. GeKh. d. Oberrh. N.F. XXXII. i. 5 



"g lc «ÄÜÄrv 



66 Hund. 

keit gerade damals auf eine harte Probe gestellt. So mag 
sich der helvetische Bischof denn dazu entschlossen haben, 
seinen Sitz in der Hauptstadt des Landes, in Aventicum, 
zu nehmen, das sehr wahrscheinlich schon vor Vindonissa 
Bischofssitz gewesen war. Im Jahre 536 trat bekanntlich 
König Witigis die ostgotischen Gebiete diesseits der Alpen 
an die Franken ab, um ihre Hilfe gegen Byzanz zu ge- 
winnen. Die alamannischen Lande erhielt Theudebert. Damit 
war das alte Helvetien wiederum unter einem Herrscher 
vereinigt, und der helvetische Bischof konnte seinen Sitz 
wieder in das für die Missionstätigkeit günstiger gelegene 
Vindonissa zurückverlegen. Das hat Bischof Grammatius 
zweifellos getan; auf dem Konzil zu Clermont vom Jahre 
535 erscheint er als Bischof von Aventicum, auf den beiden 
Konzilien zu Orleans von 541 und 54Q als Bischof von 
Vindonissa. 

Wie Agathias berichtet, hat sich Theoderich den Stamm 
der Alamannen tributpflichtig gemacht'). Der Ostgoten- 
könig hat also die Schutzherrschaft, die er den auf rätischen 
Boden geflüchteten Alamannen angedeihen Hess, auf den 
Stamm ausgedehnt. Entwicklung und Umfang dieser Herr- 
schaft dürften klar zutage liegen. Durch Chlodwigs Sieg 
vom Jahre 496 ist zweifellos nur Xordalamannien an die 
Franken gekommen. Die geflüchtete Bevölkerung fand 
Wohnplätze und Schutz in den bekannten Gebieten von 
Rätien und Gross-Sequanien, dort unter dem Ostgotenkönig, 
hier unter dem Burgunderkönig. Als dann Chlodwig nach 
Beendigung des burgundischen Krieges (502) sich anschickte, 
auch Südalamannien zu unterwerfen, trat der Ostgotenkönig 
für das bedrängte Volk in die Schranken. In einem wort- 
reichen Schreiben mit vielen verbindlichen Redensarten, aber 
auch nicht ohne versteckte Drohungen warnte erden Franken- 
könig vor einem Kampfe mit dem Reste der Alamannen. 
Soweit das rechtsrheinische Land in Frage kommt, dürften 
Chlodwigs Eroberungspläne damit erledigt gewesen sein. 
Wenn nicht alles trügt, hat Theoderich schon bald nach 

') Agathias I, 6: toi'tov* Af {die Alemannen) noöttftor GrvötQijroi 6 luir 
jTorvW ßaai/.cr;, f/vittu Htu iij; $Vfi3uOffi 'Ira/.iai ixitürri, f; q)ÖQOV OBItt- 
•'otyi/r naoaOTtJoAflKVOS, y.ari/xoor fi%l lö ifvlov. 



- loogk imoÄivw: 



Wanderungen und Siedclungcn der Alamannen. 67 

dem Schreiben seine Herrschaft über dieses Gebiet ausge- 
dehnt. Dass das rechtsrheinische Alamannien einmal tat- 
sächlich unter ostgotischer Herrschaft gestanden hat, kann 
trotz aller gegenteiligen Behauptungen ■) keinem Zweifel 
mehr unterliegen. Die Bergfeste Hohenoeufen auf einem Vor- 
sprung der Schwäbischen Alb weist in ihren ältesten Teilen 
spätrömisch -ostgotische Bauart auf-). Keineswegs auf Zu- 
fall dürfte denn auch beruhen, dass nachweislich bis ins 
1 6. Jahrhundert hinein nirgends in deutschen Landen die 
Sage von Dietrich von Bern so allgemein gepflegt wurde, 
wie gerade in den Gegenden am oberen Neckar"). Als 
entscheidend kommt hinzu, dass später unter der ausschliess- 
lichen Herrschaft der Franken die alamannischen Lände 
rechts des Rheins und die anerkanntermassen vorher ost- 
gotischen Gebiete Rätiens und Helvetiens das Herzogtum 
Alamannien bildeten, während das Elsass und der deutsch- 
schweizerische Teil des ehemaligen Baseler Bistumssprengeis 
nicht dazu gehörten. Als Ennodius seine Lobrede auf Theo- 
derich schrieb, dürfte diese Herrschaft schon bestanden 
haben. Trügt nicht alles, so hat der Lobredner in seiner 
Darstellung die Aufnahme flüchtiger Alamannen auf räti- 
schem Boden und die Ausdehnung der Schutzherrschaft auf 
das rechtsrheinische Alamanncnland miteinander vermengt. 
So nur will in den vielberufenen Ausdruck »Alamanniae 
generalitas* einigermassen Sinn kommen. Auch wird sein 
Ausruf: *>rex meus sit iure Alamannicus, dicatur alienus*, 
bei dieser Lage der Dinge erst recht verständlich. Später, 
wohl 523, ist dann zweifellos das recht saarische Helvetien 
hinzugekommen. Damit hatte das Werk, das Theoderich 
an dem Volke der Alamannen getan, seinen Abschluss ge- 
funden. Wie es bewertet wurde, zeigt die »Dietrichstadtc 
im alamannischen Helvetien, der wir beim Geographen von 
Ravenna begegnen. Welche Stadt die Ehre hatte, den 
Namen des grossen Ostgoten zu führen, wissen wir nicht; 



'i Vgl. Schmidt, Allg. Geschichte der germ. Volker S. 199. — *| Vgl. 
K. Paulus, Die Kunst- and Alierumis-Denkmnle im Königreich Württemberg 
Inventar. Schwär* wald kreis. 1897. S. 204 ff. 455 ff. — '■') Vgl. L. Uhland, 

Zur schwäbischen Sagenkunde. Dietrich von Bern; Germania 1. 1 856. 
S. 304 ff. 

5* 



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«DtaicwtiWKasrt» 



n 8 Hund. 

man hat vermutet, es sei Vindonissa gewesen, da dieser 
Name beim Geographen von Ravenna fehlt und Vindonissa 
anscheinend die bedeutendste Stadt ( im alamannischen Hel- 
vetien war 1 ). 

Die ostgotische Herrschaft über das Alamannenvolk hat 
ihren Gründer um zehn Jahre überlebt. Noch um 534 konnte 
Cassiodor die Rheinlachse neben den Donaukarpfen als in- 
ländische Gerichte der ostgotischen Königstafel preisen 2 ). 
Als aber 536 die Ostgoten von den Byzantinern hart be- 
drängt wurden, trat König Witigis neben andern Landen 
auch das alamannische Volk an die Franken ab, um deren 
Bundesgenossen schaft im Kampfe gegen Ostrom zu ge- 
winnen 3 ). Die Alemannenlande kamen an Theudebert, 
der in Metz residierte. Bei diesem Reichsteil, für den 
sich später der Name Auster festsetzte, sind sie denn 
auch in der Folgezeit fast ausschliesslich verblieben. Nur 
einmal scheinen sie bei den vielen Teilungen des Mero- 
wingerreiches nicht ungeteilt geblieben zu sein. Es war im 
Jahre 596, als sich die Brüder Theudebert II. und Theude- 
rich II. in das väterliche Erbe, die Reiche Auster und Bur- 
gund, teilten und Theuderich zu Burgund noch das Elsass, 
wo er auferzogen worden war, und die drei Gaue Suggen- 
tensis, Turensis und Campanensis erhielt. Trügt nicht alles, 
so ist nämlich unter Turensis das Gebiet zwischen Aar, 
Churrätien, Bodensee und Rhein zu verstehen, das später in 
Tur- und Aargau zerfiel und den südlich von Rhein und 
Bodensee gelegenen Teil des Konstanzer Bistumssprengeis 
ausmachte. Wie Theudebert die Abtretung austrasischer 
Gebiete nicht verschmerzen konnte, so allem Anscheine nach 
die Alamannen nicht die Zerreissung ihrer unter ostgotischer 
Herrschaft zusammengewachsenen Lande. So dürfte sich 
erklären, wie während des Bruderkrieges von 609/10. der 
mit Theuderichs Verzicht auf das Elsass und die drei Gaue 
endete, die Alamannen dazu kamen, in den burgundischcn 
Ultrajoraner oder Aventicenser Gau einzufallen, den Grafen 

■ 

*) Vgl. Schubert a. a. O- S, 199. Otchsli a. a. O. S, 257. — 2 ) Cassiod. 
Var. XII» 4; MG. AA. XII, 362: destinet carpam Dann* vius, a Rheno 
vemat anchorago. — *) Vgl, Schmidt. Allg. Geschichte der germ. Volker 
S. 104. 



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Wanderunge» und Siedlungen der Alainannen. (JQ 

Abbeliti und Herpin eine empfindliche Niederlage beizu- 
bringen und nach gründlicher Verwüstung des Gebietes mit 
zahlreichen Gefangenen und reicher Reute in die Heimat 
zurückzukehren. Auch gewinnt, wenn der »Turgau« erst 
durch den Krieg von 609/10 zum Reiche Theudeberts ge- 
kommen ist, die gerade damals beginnende Mission Colum- 
bas, der im Auftrage des austrasischen Königs in jene 
Gegenden ging, neue Beleuchtung. Columba wurde be- 
kanntlich von Brunhilde und Theuderich verfolgt, und so 
mochte sich Theudebert von der Tätigkeit dieses Mannes 
in dem soeben von der verhassten Herrschaft seiner Ver- 
folger erlösten Lande am Züricher- und Bodensee besonders 
reiche Erfolge versprechen 1 ). (Fortsetzung folgt). 

') Vgl. OechsU a. a. O. S. 261 ff. 



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ratHctioNLWvaün 



Die Gründung des Bistums Samaiten. 

Ein Beitrag zur Geschichte des Konstanzer Konzils. 

Von 

Walther Holtzmann, z. Z. im Felde 1 ). 



Ein deutscher Soldat übergab im März vorigen Jahres 
dem Kownoer städtischen Museum einige Urkunden, die er 
in der Stadt gefunden hatte. Der Museumskustos, Herr 
T, Daugird, gestattete mir die nähere Untersuchung der 
Stücke. Sie erwiesen sich als Bischofs-, Königs- und Papst- 
urkunden für das Bistum Samaiten. Als ältestes und inter- 
essantestes Stück fand sich die Gründungsurkunde des Bis- 
tums mit einem Brief des Konstanzer Konzils, der mir die 
Anregung zu den vorliegenden Zeilen gab. Die Urkunden 
stammen aus dem Diozesanarchiv, dessen ältere Bestände in 
einem Zustand völliger Verwahrlosung auf dem Fussboden 
einer Dachkammer, den Einflüssen der Witterung preis- 
gegeben, nach der Einnahme von Kowno durch die deut- 
schen Truppen aufgefunden worden sind. Ihre Durchsicht 
förderte ausser einigen weiteren Originalurkunden von 
Päpsten 2 ) und polnischen Königen mehrere Kopialbücher 
zutage, deren ältestes, der ^Codex Babinowski« 3 ). bei der 



') Herrn Geheimrai Finke in Freiburg danke ich hiermit für den Hinweis, 
dass die Gründungsurkunde bis jetzt noch nicht bekannt ist. dem kgl. Staats- 
archiv in Königsberg für die Abschrift des als Beilage 2 abgedruckten Stückes. 

— •) Aussteller und Datum der Papsturkunden: Julius II. 14. April 1507; Cle- 
mens VII. 2. März 1529* Paui IV. 4. August 1556; Urban VIII. 28. April 1625,. 

— x ) Kundationes, privilegia ecclesiae catbedralis Mednicensis totiusque dioccesis 
Samogitiae ex mandato illusirissimi, reverendissimi domini Stanislai Kiszka, episcopi 
Samogitiae, per nie Matthaeum BabSnowski, canonicum dietae cathedralis, sacra 
apostolica auetoritate notariuni fidelitcr ex autbenticis descripta et collecta; 
Voinis seu Mednicis anno 1619- mensis augusti die 7; 178 Blätter; hierauf 
rin Index und ein neuerer, bis ins 18. Jahrhundert führender Nachtrag. 



pglc 



IfllHaiWUHIWtVlY 



Gründung des Bistum» Samaiten. - j 

Publikation der Gründungsurkunde herangezogen werden 
konnte. Ich lege hier das für die Geschichte des Kon- 
stanzer Konzils nicht unwichtige Stück nebst einigen Be- 
merkungen über seine Vorgeschichte vor. 

Im Thorner Frieden (1411} verlor der deutsche Orden 
die lange und heiss umstrittene Landschaft Samaiten; dem 
F*olenkönig Wladislaw und seinem litauischen Vetter Witold 
sollte das Land, zunächst nur auf deren Lebenszeit, ange- 
hören. Auf diesen Rechtstitel gestützt, begann der tat- 
kräftige Witold sofort, das der Nationalität nach litauische 
Gebiet seinem Grossfürstentum anzugliedern. Hierzu war 
vor allem die Christianisierung Samaitens ein wertvolles 
Mittel. In den litauischen Stammlanden hatte das Christen- 
tum seit der Bekehrung Wladislaws und Witolds (1386) all- 
mählich festen Fuss gefasst; in dem neugegründeten Bistum 
Wilna erwuchs unter einer Wladislaw und Witold ergebenen 
Geistlichkeit ein Zentrum der neuen Lehre. Nahm nun 
auch Samaiten die Taufe, und zwar aus der Hand polnischer 
und litauischer Bischöfe, dann war dem Orden der Vorwand 
für jede weitere Expansion genommen, dann war er zurück- 
geworfen auf seine alten Besitzungen in Preussen und Liv- 
land. Mag für Wladislaw, den schwächeren und weniger 
bedeutenden der beiden verbündeten Vettern, die Bekehrung 
des letzten heidnischen Restes ein Herzensbedürfnis gewesen 
sein, für Witold war sie ein Punkt in seinen politischen 
Berechnungen. Seit 14 13 Hess er in Samaiten die Taufe 
spenden 1 ), und als im Strassburger Waffenstillstand be- 
schlossen worden war, die preussisch-polnische Streitsache 
vor dem Konstanzer Konzil vorzubringen, da war ihm dies 
ein willkommener Anlass, das begonnene Werk vor aller 
Welt zu Ende zu führen. 

Am 28. November 14 15 zog in Konstanz eine Ab- 
ordnung neugetaufter Samaiten ein-), die dem Konzil vor 



') Caro, Geschichte Polens JH. 418 ff. — ■) Dietrich von Xiem bei 
v. d. Hardt, conc. Const. II. 422 gibt die Zahl der Gesandten auf 60 an; 
der Ordensprokurator erwähnt nur einen Samaiten: Nieborowski, IVter von 
Wormdith 1915, Reg. 62. Dlugosz, bist- Polon. 1711. XI. 373 setzt die 
Gesandtschaft fälschlich auf 1416 an und vermischt sie mit einer polnischen 
Gesandtschaft, 



-S lc mSSSSSS: 



-i Holtsmmno- 

# - 



Augen " führen sollte» dass es Witold mit seinen frommen 
Absichten ernst war. Zunächst hielten sich die Gesandten 
noch zurück und machten nur Stimmung für ihren Herrn, 
indem sie erklärten, sie seien gute Christen, und Witold 
habe schon viele Kirchen gebaut, was jedoch eine Lüge 
war 1 ). Anfang Februar 1416 kamen sie in einer Sitzung 
zu Wort*)- Sie verlasen einen Brief, in dem die Bereit- 
schaft der Samaiten zur Übernahme des neuen Glaubens 
dargelegt war. Der Übertritt wäre schon lange vollzogen 
worden, wenn nicht der Orden immer Schwierigkeiten be- 
reitet hätte. Hierauf folgte eine Flut von Beschimpfungen 
und Anschuldigungen, umso wortreicher, je mehr sie der 
tatsächlichen Grundlagen entbehrten. Der Eindruck sollte 
verstärkt werden durch die Verlesung eines Hilfegesuchs, 
das die bedrängten Samaiten angeblich im Jahre 1407 an 
die christlichen Fürsten versandt hatten, und in dem die 
Angriffe gegen den Orden wiederholt und durch einige 
konkrete Fälle von Grausamkeit erhärtet wurden. Die Bot- 
schaft schloss mit der Bitte, das Konzil möge Wladislaw 
und Witold ersuchen, mit Erzbischof Johann von Lemberg 
und Bischof Peter von Wilna zusammen sich nach Samaiten 
zu begeben, wo die beiden Prälaten die Taufe spenden und 
eine Bischofs- und die erforderlichen Pfarrkirchen gründen 
sollten 8 )- Der Orden entgegnete auf diese Angriffe in der 
Generalkongrcgation vom 24. Februar 1416'). Seine Ant- 
wort sticht vorteilhaft gegen die Invektiven Witolds ab. 



M Nichomwski, Reg. 62. Die Gründungsuikimde weiss nichts von schon 
bestehenden Kirchen in Samaiten. — -) Nur Richeutal untl nach ihm Dächer 
berichten von der Sitzung« Die Datierung hei Richenlal, ed. Bück, S. 89: 
an dem dornsug vor (Konsianzer Hs. : nach) unRcr frouwen tag vor der 
Lwchtmeß ist unklar; sie würde den 30. Januar oder 6. Februar ergeben* 
(Dacher bei w cL Hardt IV. 606 gibt den 9- Februar an.) Niebormvski 
S* '73 'CR* diese Sitzung mit der tienrralkongrL*gation vom 13. Febniar 
zusammen, ohne sein Vorgehen ztx begründen. Richcntal S. 88 erw&hnt 
die Sitzung vom 13- Februar, ohne dabei die samaitischc Sache zu beriihren. 
— n ) Proposicio Samaytamm in Lile» ac res geslae inter Polonos ordinem- 
qne cruciferontni III. 184 — 190 und Pruchuka, Codex epistolaris Wiloldi 
1018—1024. llicr/u Riehen t«iU S. 89: . . . und batend das concilium, das 
man in sendet «wen bischoff und eUwevil ander gelerl lüt, die sy unterwüttiod 
cristan globen, dann der mertail linder inn wftr, die genügt wiirind uff den 
Cristatl glohen; ferner Dlugmz XL 374- — ') w d. Hardt IV- 615 ff. 



igle 



fßiHaT^uHiv[R<irf 



Gründung des Bistum» Satnaiten. - - 

Auf die angeblichen Greuel geht sie überhaupt nicht ein, 
sondern legt nur kurz die Beziehungen zwischen dem Orden 
und den Samaiten dar. Die feindliche Gesinnung und die 
andauernden Empörungen der Bevölkerung hatten eine 
systematische Bekehrung unmöglich gemacht. So seien 
die Ritter gezwungen worden, Geiseln zu nehmen und 
nach Preussen mitzuführen, wo sie alle getauft worden seien. 
Der Brief, den die Samaiten verlesen hätten, sei wohl auf 
Befehl Witolds angefertigt; er beweise Übrigens nur die 
von ihm ausgehende Aufhetzung der Samaiten gegen den 
Orden. Das Verlangen nach der Taufe erwecke Befriedigung 
bei dem Orden; das Konzil mftge jedoch einige Konzils- 
gesandte bestimmen, die in Konstanz über das Bekehrungs- 
werk wahrheitsgetreuen Bericht ablegen könnten. Auch 
möge man bei der Neugründung die Rechte des Ordens 
berücksichtigen, dem ja nach dem Tode Wladislaws und 
Witolds wieder die Herrschaft über Samaiten zustehe'). Der 
Antrag war ein kluger Schachzug des Orden sprokurators; 
man kannte offenbar in Ordenskreisen die beiden vorge- 
schlagenen Prälaten als Kreaturen Wladislaws und Witolds 
und wollte die Konzilsväter, auf die das Auftreten der 
Samaiten einen guten Eindruck gemacht hatte, vor allzu 
grosser Leichtgläubigkeit Witold gegenüber warnen. Die 
Samaitengesandtschaft antwortete auf die Entgegnung des 
Ordens nicht; sie brach am i. März von Konstanz auf. um 
in Samaiten über den Stand der Angelegenheit zu be- 
richten 2 ). 

Der Antrag des Ordensprokurators hatte indes den 
Beifall der Konzilsväter gefunden. Am 5. März begann 
man mit der Bildung eines Ausschusses, der aus 3 Kar- 
dinälen und 16 Doktoren — aus jeder Nation 4 — be- 
stehen und über die Person des auszusendenden Konzils- 
legaten Beschluss fassen sollte 1 ). Richental überliefert uns 



') Rcspnnsio ordinis contra propcisiciunem I'oluiioiuni in causa Samaiiarum 
in Cod. ep. Vit. 1033 — 1038. Die Mitarbeit des Ordens prokurators erscheint 
nach Nieborowaki S. 17; und Rey. 6; sehr wahrscheinlich. — *) Dietrich von 
Niem in v. d. Hardt. II. 422. — "| Beilage 2. Das Stück ist datiert: des 
ersten dornstage na dem asschetaj» = 3. März [1416]. Xieborowski, Reg. (><), 
berichtigt durch S. 4, hat den auf dem Umschlage der Urkunde stehenden 



.vK IglC KIHCtlOWUHIVlRJUV 



ja H<>| tzmanii. 

den Xamen des Erwählten: es war der Kardinalpriester 
Johann Dominica, Elekt von Ragusa, der sich zu der 
Mission freiwillig und in heiligem Eifer angeboten haben 
soll. Zwei Weihbischöfe und Doktoren eines Bettelordens 
sollten ihn begleiten '). Ob die Gesandtschaft zur Aus- 
führung gekommen ist. wissen wir nicht; die Nachricht 
Riehentais, dass sie sich den am 1. März zurückkehrenden 
Samaitcn angeschlossen habe, ist ein Irrtum 1 '). Tatsache ist 
dagegen, dass der Kardinal niemals in Samaiten war; denn 
am 2. August 1416 spricht Wladislaw dem Konzil seine 
Freude über die Absicht der Kardinalsenduug aus, über die 
man ihm brieflich berichtet hatte :t ) t und am 2. Januar 1417 
bedauert er, dass dieser vor 10 Monaten gefasste Entschluss 
immer noch nicht zur Ausführung gelangt sei 1 }. Was den 
Kardinal von seiner Sendung abgehalten hat, ob es die 
Unionssache war, die die Anwesenheit sämtlicher Kardinäle 
in Konstanz erforderte 5 ), oder ob der Orden wegen der 
politischen Stellungnahme des Kardinals Schwierigkeiten 
bereitete, bleibt dahingestellt. Jedenfalls erfolgte die Bereit- 
erklärung Johann Dominicis zu der Mission nicht ohne vor- 
heriges Einverständnis mit den polnischen Gesandten am 
Konzil 15 )- Auch spricht der Eifer, mit dem Wladislaw sich 



tntümlichen Vermerk vor dem asschetaj; = 27. Februar, der von einem neuen 
Inventarisator *Ummt, unbesehen übvrnoinmcn. 

') Richcntal S. 8<) und darnach Dacher bei f. d. Hardt IV, 606, Richcn- 
tal erzählt die samailische Angelegenheit /wischen einer am 6. März stattgehabten 
Prozession und der zum 4. April anzusetzenden, vom Patriarch von Antiochien 
vorgenommenen Priesterweihe. Die oben (S. 73 Anm. 3) erwähnte unklare 
Datierung der eisten Verhandlung beweist, dass Richcntal sich des genauen 
Datums nicht mehr erinnern konnte. Die Xotiz fasst den Verlauf der ganzen 
Angelegenheit kurz zusammen und ist demnach keinesfalls vor dem 6. März 
entstanden, jedenfalls erst Mitte März, da die Zusammensetzung des Ausschusses 
einige Tage in Anspruch genommen haben dürfte. — *l Richcntal S. 89: und 
die füren mit hin (d. h. mit den Samaiten) hin. — :l ) V. d* Hardt IV. 869 ff. 
— *) Nieborowski. Anhang S. 287. — 5 ) Am 3t. Mai 1416 rief eine Konzils- 
bulle alle Kardinäle und Konzilsväter nach Konstanz zurück, v„ d. Hardt IV. 
775 "• — ") IWflf spricht der Wortlaut der Hieben talschen Notiz S. 89 . - , das 
er gern und luterlich durch gottes willen varen wOlt, ob er kein verloren 
schäflein unflerm herrgott wider bringen inöcht Kichental erhielt seine Infor- 
mationen von den in seinem Hanse wohnenden Polen, vgl. S. 49, 12 r. 



C \oogk mSStSS» 1 . 



Gründung des Bistum* Straften* y z 

wiederholt nach ihm erkundigt, dafür, dass ihm die Persön- 
lichkeit des Kardinals nicht unwillkommen war. 

Die Gesandtschaft der Samaiten, die am i. März von 
Konstanz nach dem Norden abgereist war, kehrte im Juni 
wieder zum Konzil zurück. Richental ist hierfür die ein- 
zige Quelle 1 }. Am 17* Juni kam sie nach seinem Bericht 
vor dem Ausschuss der Nationen -) zu Wort. Sie klagte 
über die Schwierigkeiten, die der Orden ihr in den Weg 
gelegt habe. Die Antwort des Ordens verrät, worum er 
sich bangte: die Samaiten seien ehemals mit dem Schwert 
bezwungen worden, und wenn sie Christen werden wollten, 
so gehörten sie dem Erzbischof von Riga an. Hier enthüllt 
sich das Motiv der deutschen Opposition; schon in seinem 
Brief vom 5. März erwähnte der Prokurator, er habe ge- 
beten, dass die Neugründung von Domkirchen ohne Schaden 
des Ordens und der Bischöfe von Preussen und Livland 
geschehe H ), Der Orden befürchtete also mit Rocht durch die 
Bekehrung der Samaiten eine Beeinträchtigung der Rechte 
seiner Bischöfe. Sein Widerstand war nutzlos. Nach dem 
Bericht Richentals erteilte der Nationenausschuss dem Orden 
einen Verweis; die Samaiten gehörten zum römischen Reich 
und sollten in weltlichen Dingen dem Reich gehorchen, in 
geistlichen aber ihren eigenen Bischöfen. Dlugosz entstellt 
den Bericht über diese Sitzung, wenn er überliefert 1 ), dem 
Orden sei aufs strengste verboten worden, die Samaiten zu 
belästigen; richtig aber ist seine Notiz, das Konzil habe 
durch einen Brief dem Erzbischof von Lemberg und dem 
Bischof von Wilna den besonderen Auftrag erteilt, in 
Samaiten eine Kathedralkirche zu gründen. 

Die Urkunde hierüber*), ausgestellt am 1 1. August 14 16, 
weist nach einer feierlichen Einleitung auf die Gesandtschaft 



l ) S. 92 f. und nach ihm Dacher bei v. A Hardt !V. 790. — '-) Vielleidu 
das die Sitzung, in der der zweite Traktat Wladimiris überreiche wurde; vgL 
Nieborowski S. 190 und Reg. 76 und Bess, Zs. für Kirchcngesch. 16, 447, 
wo das Stück teilweise abgedruckt ist. — 3 ) Beilage 2: aber was sie thum 
kirchen aldo worden usrichten czu buwen, hau ich atwege gebeten, «las es 
geschee dem orden unschedelich und den. Bisschoffen czu Prassen und czu 
Lifflande. — *) Dlugosz XI, 374. In den erhaltenen Berichten des Ordens- 
prokumtors findet sich Über diese Dinge nichts. — fl ) Beilage I. 



igle 



rfilHaTCtJUHIVlB^TY 



yG Holmnann, 

* 
Wladislaws und Witolds hin, unter deren Mitwirkung > das 

Volk von Samaiten den Schmutz alten Heidentums abzu- 
waschen wünscht*» und ernennt dann die beiden Prälaten 
Johann von Lemberg und Peter von Wilna zu Kommissaren 
und Gesandten des Konzils. Sie erhalten weitgehende Voll- 
machten: Spendung der Taufe, Errichtung von Metropolitan-, 
Kathedral- und Pfarrkirchen, Stiftern und Klöstern, Fest- 
setzung der Pfründen, Errichtung und Besetzung der Stellen, 
Weihe und Erteilung der kirchlichen Würden usw. Wenn 
die Urkunde sogar die Errichtung eines Erzbistums vor- 
sah, so ging sie über das hinaus, was die Samaiten gefordert 
hatten, und stellte damit die Unabhängigkeit des neuen 
Sprengeis von dem Erzbistum Riga fest. 

Die Ausführung des Werkes wurde sofort in Angriff 
genommen. Noch vor Eintritt der kalten Jahreszeit schickte 
Wladislaw den Bischof Peter von Wilna nach Samaiten, 
zunächst nur zur weiteren ( Missionierung. Am 2. Januar 
14 1 7 konnte der Polenkönig dem Konzil von einer am 
20. Oktober erfolgten Massentaufe berichten 1 ). Sein Brief 
rief in Konstanz grosse Freude hervor. König Sigismund 
beantwortete ihn am 28- Mai 1417 mit einem herzlichen 
Gratulationsschreiben-). Erst im Herbst 1417 konnte indes 
zur Gründung des neuen Bistunis geschritten werden, da 
der Erzbischof von Lemberg im Frühjahr und Sommer mit 
der Heiratsangelegenheit Wladislaws beschäftigt war*). In 
Kowno. trafen im Herbst die beiden Prälaten mit Witold 
und dem Starosten von Samaiten Kinsgail zusammen und 
unternahmen von hier aus ihre Missionsreise in das Innere des 
Landes 1 ), Unter den Getauften und Übergetretenen, deren 
Zahl in den Berichten wohl zu hoch angegeben wird, befanden 

■| Xichorowski S- 287. — 2 J Carn, am der Kanzlei K. Sigfcrnunds, 
Arch« f. üsterr. Gesch. 59, S- 155 H. Ebenda S. 151 eine Erklärung (Ür 
die freundliche Haltung Sigismunds Wladislaw gegenüber. — 3 ) Am 2. Mai 
segnete er in Sanok dir Ehe Wladislaws mit seiner dritten Gemahlin Elisabeth 
von Pilcia ein; Dlugosz XI. 379. Der grösste Teil des [wlnischen Adels 
und der Geistlichkeit war gegen diese Ehe; dass Johann die Trauung vornahm, 
beweist seine Ergebenheit zu dem Konig. — 4 ) Berichte hierüber Beilage I, 
Codi cp, Vit. 394 und Lites 111. 191 f. Caro. Arch, f. fisterr. Gesch. 59. 
S* 152 hält letzteres Stück für den Bericht Dominien, was völlig irrig ist* wie 
der Vergleich mit Beilage 1 reigt. 



C iooglc mSStSS» 1 . 



Gründung des Bistums Saimileo. - j 

sich auch Griechisch-Orthodoxe'). Die Reise endete in Witolds 
Residenz Troki, wo die Gründung der neuen Bischofskirche 
vorgenommen wurde. Als Orc hierfür bestimmte Witokl 
den Hecken Worni im Gau von Medniki, wo er eine Burg 
besass*). Er erhob ihn /ur Stadt und befahl, dass er ferner- 
hin den Gaunamen Medniki führen solle 3 ). An der Dom- 
kirche wurde ein Kapitel von 6 Klerikern errichtet, Bischof 
und Kapitel von Witold dotiert*). Der Dompropst des 
Wilnaer Kapitels, Mathias, ein sprachkundiger und offenbar 
Witold ergebener Litauer, wurde von dem Grossfürsten als 
Kandidat für den neuen Bischofsstuhl präsentiert ' , ); die Prä- 
laten gingen auf den Vorschlag ein und weihten ihn unter 
Hinzuziehung eines dritten Bischofs. 

Hiermit war der Auftrag des Konzils erfüllt, das neue 
Bistum gegründet. Ein schöngefärbter Bericht ging nach 
Konstanz ab 6 ) und erregte dort grosse Freude. Der neu- 
gewählte Papst Martin V., der dem Orden wohlgesinnt war, 
hielt sich zwar etwas zurück und schickte nur ein reichlich 
offizielles Schreiben; um so Überschwang lieh er drückte sich 
Sigismund in seinem Gratulationsbrief an Wladistaw aus, 
den er mit dem schmeichelhaften Titel eines zweiten Kon- 
stantin bedachte, während Witold leer ausging 7 ). Der Orden 
betrachtete naturgemäss die neue Schöpfung mit scheelen 
Blicken; Johann von Posilge berichtet in seiner Chronik 



*) Hierfür spricht der Passus in Wladislaws Brief vom 2- August 1416: 
Nisi enim tot guerrarum impcditi fuissemus anfractibus» jamdiu dietae gentes 

et aliae de ritu Graecorum ad sinum s. R. e convolassent, v. d. 

Hardt IV* 870. Über die Verbreitung des griechischen Bekenntnisses vgl. 
Caro, Gesch. Polens III. 31, — *) Cod. ep. Vit. 734 ist eine Urkunde 
Witolds vom 9. Juli 1426 gegeben in unserem hwsze Medniki. — ^ Worni 

— dieser Name ist heute allein gebräuchlich — etwa 30 km südl. Telsze* 
Litauisch medtninkai bedeutet die Waldbewohner, von lit. medis = Holz; lit 
varnai = die Krähe (nach gütiger Mitteilung des Kownoer Dompropstes, 
Herrn Dombrauskas). — 4 ) Cod. ep. Vit. 393 f., Troki 24. Oktober 1417. 

— *) Vgl. den Auszug aus der Präsentationsurkunde vom 23- Okt. in Bei- 
lage 1 und Lites III. 191. Die Nachricht von Dlugusz XI. 390, dass Mathias 
ein Deutscher gewesen s^i, ist danach irrig. — *( Lites III* 191 f, vom 
24. Okt. 1417 oder einem der unmittelbar folgenden Tage zu datieren. Dlugosz 
XI. 390 erwähnt den Bericht. — : ) Beide Briefe bei Guo, Arch. f. österr. 
Gesch. 59, S. 163 ff. 



8'*^ hMcncflUHiv[(t£iY 



;s 



Holtzmann* 



zum Jahre 1418 ! ): *Sy hattin offgenomen vor zeitin eynen 
bischoff und hattin etliche kirchin gebuwet yn dem lande 
nach anwysunge der Polen und herezogin Wythaud, dy sy 
vor gute cristin usgegeben hattin kegin dem pabist und 
dem concilio. Dy bewistin ir ald^ tocke in desym somer, 
wend eyn alt wolff ist böse bendig zeu machin.* Die 
weitere Nachricht, sie hätten ihren Bischof und die Priester 
vertrieben, die Kirchen verbrannt, worüber Witold erzürnt 
60 Edle habe köpfen lassen, ist irrig. Der Samaitenauf- 
stand von 1418 richtete sich gegen einige Bojaren 2 ); eine 
Belästigung der Kirchen fand nicht statt und der angeb- 
lich vertriebene Bischof Mathias wurde 1421 Bischof in 
Wilna 8 ). 



J ) Script, rer. Pruss. III. 3?&. — *) Vgl. die Korrespondenz zwischen 
dem Hochmeister und Witold hierüber Cod. ep. Vit. 408 If. — *} Caro. 
aus dem über cancellariac des Stanislaus Ciolck, Arch. f. Ostern Gesch. 45. 
S. 424 f. Erst unter dem zweiten Bischof Nicolaus wurde das Bistum Medniki 
von Wladislaw dotiert, vgl. ebenda S. 387. 



«k K mSmmm 



Gründung des Kfctuins Samaiten. ^g 



Beilage i . 



Erzbischof Johann von Lxmberg und Bischof Peter von Wilna 
gründen in dem nenbekehrten Samaitcn ein Bistum, errichten bei der 

Bischofskirche zu Medniki ein Domkapitel von 6 Klerikern, das Gross- 
fürst- mtold dotiert, und weihen den Propst Mathias von Wilna zum 

Bischof dieses Bistums, Troki, 24* Oktober 141?. 

Eingefügt: Das Konstanter Konzil erteilt dem Erzbischof Johann 
von Lemberg und dem Bischof Peter von Wilna die Vollmacht, in 
Samaiten die Taufe zu spenden, Erzbistümer, Bistümer, Pfarreien, 
Klöster und Spitäler zu gründen* zu dotieren, Stellen zu errichten und 
zu besetzen, die kirchliche Gerichtsbarkeit auszuüben usu\ Konstanz, 
//. August 1416. 

B = Lesarten des Codex Babinowskt (vgl. oben S. 70. Anm. 3). 

Nos Johannes Dei gratia archiepiscopus Leopoliensis et Petrus 
eadem gratia episcopus Wilnensis ad perpetuam rei memoriam ac 

futurorutn noticiam deducere cupientes universis Christi fidelibus 
salutem in eo. qui est omnium vera salus. Literas sacrosanete ac 
generalis synodi Constanciensis in cordula canapi more Romane 
curie bullatas, non viciatas, non abrasas, non cancellatas, nee abo- 
litas, nee in aliqua sua parte suspeetas, sed prorsus omni vido 
suspicioneque carentes cura (B foL y) ea qua deeuit reverenoia 
reeepimus in hec verba: 

Sacrosancta et generalis synodus Constanciensis venerabilibus 
fratribus Johanni archiepiscopo Leopoliensi et Petro episcopo Wil- 
nensi salutem et Dei omnipotenlis benedictionem. Misericors et 
mtscrator dominus, qui miseretur quibus volt l ) et quando voll, 
CUiUS int omprehensibilia sunt iudicia et investigabiles vie -), licet 
in finibus seculorum, cum venisset plenitudo temporis et genus 
humanuni per eum ad partieipacionem sue glorie creatum a tarn 
felici facultate delapsum ad eandem misericorditer reformaret, misit 
filiinn säum unigenitum, natum de virgine, factum sub lege 3 ), qui 
eiusdem generis humani captiviiatem sui sanguinis precioso comercio 
liberavit, delens quod adversus nos scriptum erat cirographum, 
affigens illud cruci, spolians prineipatus et potestates tenebrarum 
palamque triumphans illos 4 ), qui ad huiusmodi misericordiam 6 ) 



') Rom. g, 18- — *) Rom. u, 33, — a ) Galat. 4. 4. — 4 ) Colou. 2, 
14. 15- — A ) Urk. und B: misericordie. 



j; loogk mSSt5SS\ 



So HoJtzmann» 

redempcionis et reformacionis in cunctis populis et gentibus edo- 
ccndam misit discipulos suos dicens: Ite f docete omnes gentes 
baptizantes eos in nomine palris et filii et Spiritus sancti ! ), et 
licet in omnem terram sonus illorum exiverit 8 ), non omnes tarnen 
vocem et graciam illam equaliter ac eodem tempore susccperunt* 
Est enim gens quedam Samaytarum aquilonarium parcium, ethnici 
et gentilitatis errore seducti et, si sonum illum audierint, minus 
tarnen efficaciter retinentes, relicto Creatore creaturam adorantcs in 
idolatria perstiterunt, nostris temporibus pemiittente domino ad 
illius miscricordiam reservati, quibus exurgens dominus quando 
voiuit misertus est in illis, quia tempus miserendi est et quia venit 
tempus 3 ), Etenim spiritus sancti lumine eorum mentibus inspirante 
et operante gratia atque carissimo ecclesie filiis Wladislao Polunie 
rege Ülustri et nobili viro Witoldo Lituanie duce cohoperantibus 
gens eadem Samaytarum cupit a squalore illius vetuste gentilitatis 
fönte sacrt baptismatis ablui ac dyabolice captivitatis absolvi vin- 
culis, et redempcionis humani generis et inde felicitatis elerne fieri 
participem, prout prefati principes nobis per suos solennes oratores 
inlimarunt postulantes, quatinus ad partes illas ad tarn pium atque 
fructuosum et salutiferum opus, ad prcfatam gentcm baptizandam 
instruendamque in fide orthodosa et dogmatibus christianis ac cetera 
pcrficicnda, que ad fidcm huiusmudi propagandam» instituendaque 
omnia, que ad christianam religionem, cultum Dei et ccclesiastica 
dograata pertinent, viros Deo acceptos christianis dogmatibus eruditos 
plenos fidei unum vel plures delegare curaremue (B. fol. 3 V ), Nos igitur 
premissa exultantibus animis pioque etavidosusdpientesaffectuatten- 
dentesque t quod ad predicta facienda ydonei penitus existatis, nam 
inter cetera ydioma moresque ipsorum noscilis et cum iltis quem- 
admodum sit agendum ob conversacionem habitam inteüigitis, id- 
circo vos et vestrum quemlibet t quos multis divine gracie caris- 
matibus novimus insignitos, quos eciam ille bonorum omnium 
elargitor atmificus sciencie magniludine, industiie ciaritate et matu- 
ritate consilii decoravit, ad gentem et partes Samaytarum predictas 
necnon Ruthenorum et alias gentes el partes septentrionales infi- 
delium ad premissa et alia ad Christiane religionis et divini cultus 
augmentum pertinencia salubriter instituenda duximus eligendcs, 
vosque nostros comissarios et legatos 4 ) in Christi nomine depu- 
tamus, ut ibidem evellatis et destruatis, edificetis et plantelis 5 ) ac 
doccatis illas genles el baptizetis in nomine patris et filii et spiritus 
sancti; ecclesias eciam in partibus Samaytarum cathcdrales et metnv 
politanes t collegiatas et parrochiales et monasteria, dumtamen inter- 
veniat consensus quorum interest, et conventus ordinum quorum- 
cumque, zenodochia et alia pia loca ibidem edificetis, erigalis. dotes 



*) Malth> 28, ig. — *) Psalm 18, 5 (Vulg,). - *f So ß, welcher deo 
Text der Urkunde: quia tempus miserendi eius quia venit teiupus verbessert, 
— 4 ) lagalos Urk. — :, J Jcrem. I, 10. 



'OOgle rßiHaio^uHivtn^iv 



Gründung des Bistums Sa matten. £$1 

illis constituatis ac provincias et dioce&is cum subiciendis illis territoriia 
certis limitibiis distribuatis et discernatis; in ecelesiis, nionasterüs et 
convenlibus et aliis piis locis archiepiscopos» episcopos, presbiteros 1 ), 
diaconos aliosque ministros et personas ecclesiasticas, dignitates, 
canonicatus et prebendas instituatis illasque conferatis; in*) ecclesias 
insuper archiepiscopos, episcopos consecrari ac alios sacros conferri 
ordines, abbates benedici, virgines consecrari cetcraque facialis 
omnia et singula, que ad fidera et religioncm christianam atque 
Dei cultum seeundum sanetorum patrum et Romane ecclesie ac 
sacrorum canonum tradiciones et statuta pertinere noseuntur; ac 
insuper inquirendi ac omne inquisicionis heretice pravitatis et scis- 
matis negocium exercendi et iudicandi in terris predictis contra 
quaseunque personas, eciara si pontificali prefulgeant dignitate, ac 
omnes penas eciam deposicionis et degradacinnis et censuras eccle- 
siasticas seeundum casuum exigenciam infligendi et in loco seu 
locis depositorum prelatorum vel aliorum hac vice dumtaxat atios 
ydoneos preficiendi et instituendi, et alia omnia faciendi circa hec 
necessaria et oportuna vobis et vestrum cuilibet plenam et (B 
foK 4r) liberam concedimus facultatem. Nos enim de omnipotentis 
Dei confisi miscricordia vobis premissorum ac omnem aliam pote- 
statem concedimus et donantc spiritu saneto affuturam * credimus, 
quam a beatts Petro, Clemente ac ceteris apostoücis et Romanis 
pontifieibus ad dimilia missi habuissc noseuntur. Per premissa 
autem vel eorum aüquod seu dependencia non intendimus alicui 
in iuribus aut iurisdiccionibus vel aliis aüquod prciudicium in 
aliquo quomodolibet generari. Datum Constancie III idus Augusti 
anno a nativitate domini millesimo quadringentesimo sexto deciino, 
apostolica sede vacante. 

Nos igitur Johannes archiepiscopus Leoi>oliensis et Petrus 
episcopus Wilnensis per sacrosanetam et geueralem synodum Gm- 
stanciensem legati et specialiter deputati predietas literas volentes 
debite execueioni, ut tenemur, demandare, de voluntate et con- 
sensu serenissimi prineipis domini Allexandri alias Wilowdi, magni 
ducis Litwanie, Russie etc. ad Samavtarum terras Deo duce intra- 
vimus, ubi a gente predieta honorifire sumus suseepti et huma- 
nitcr pertraetati, ipsamque gentem, prout nobis ad extra videbatur, 
magno desiderio affeetantem sacro fonle baptismatis abluimus cum 
effectu, ubi multa milia hominum utriusque sexus cum inaxima 
multitudine parvolorum sacrum baptisma suseeperunt. Denique 
quia non erat moris prefate gentis in urbibus habitare, quarc 
nominatus prineeps ob huiusmodi operis sancti ineeptt prosecu- 
cionem ad terram iam dietam Samaytarum personalitcr veniens 
locum dictum Worni in districlu Medinicensi pro civitate satis 
aptum assignavit nomen Medniky eiclem iinponcudo; in quo nos 
ecclesiam pro kathedra episcopali fundavimus in honorem sanete 



') So B; in der Urk. Loch im Pergament. — -) Fehlt Ulk. und B. 
Zeiwchr. f. d. (Iwch. Obcrrh. N.F. XXXII. i. 6 



1 lOOgle Hn«aT0«wvift5iiv 



82 Holtzmann. 

I 
et individue trinitalis et gloriose virginis Marie genetricks Dei ac 
beatorum Pelri et Pauli apostolorum necnon et AHexandri papae 
et martiris gloriosi; pro qua quideoi ecclesia cum ipso principe 
ibidem in terra Samaytarum ciotem assignavimus; insuper et de 
thezauro proprio dictus princcps anuatira promisit certam summani 
pecuuie ecclesie se daturum tamdiu, quousque ipsius ecclcsie predia 
poterint instaurari et dilatari. Prefatum erco locum in civitatem 
et ecclesiam sie dotatam in kathedralein erigimus Christi nomine 
invocato, ita quod sepe dictus locus civitas Medniky et ecclesia 
kathedralis Mcdinicensis futuris et perpetuis tcmjxmbus debent 
nuneupari. Creamus insuper in nominata ecclesia sex canonicatus 
(B fol. 4 V ), ad quos per episcopum, qui pro tempore fuerit, per- 
sone ydonce debent institui, qui omnes communes habebunt pro- 
ventus et residenciam debebunt facere personalem circa ecclesiam 
memoratam, nisi forte pjopter defectum sacerdotum aliquem vel 
aliquos de canonicis episcopus, qui pro tempore fuerit, in ecclesiis 
parochialibus propter fidei negocium ad tempus voluerit residerc, 
qui tarnen circa ecclesiam kathedralem non debebunt 1 ) privari sua 
canonica pnreionc. Tandem lriis Omnibus et singulis seeundum 
divinam voluntatem sie ordinatis cum iam ovibus olim erroneis ad 
ovile tarnen reduetis Jesu Christi, cogitare repinius de pastore 
vdonco, qui eas regeret hie in via. Ast sepc dictus prineeps 
Allexander, magnus dux Lituanic, huius sanclissimi operis ineeptor 
et dirrector, honorabilem virum Mathiam de Wilna magisirum 
arcium et ecclesie Wilnensis prepositum nobis presentavit 2 ) asserens 
eum fore ydoneum ad hoiua oneris levamentum, de cuius vita et 
moribus nobis eciam bene constabat. Unde vigore et auetoritate 
literarum a sacra synodo iamdieta nobis concessarum ipsum magi- 
strum Mattiiam servatis servandis tercio conepiscopo katholico nobis 
adiuneto in episcopum ecclesie Mcdinicensis consecravimus divina 
nobis gracia suffragante et genti supradicte prefeeimus et presenlibus 
preficimus in episcopum et pastorem dantes ei plenam etomnimodam 



■) So B; in der Urkunde Loch im Pergament — *) Die Prfisen- 
tationsurkunde Wicolds ist in Abschrift et halten in dem Codex Babl- 
nowski, (vgl. 70 Anm. 3-t fol. 2': . . . . Xc igiutr siait navis sine 
reinige derelicla facile periclitat» sie gens isla Samagitanun nondum in 
fide sancui instrueta et firnmta. deficiente pastore in errores priores paganicos 
et revera priores reeidivare videretur, uos i^itur huiusmodi pericula eviiarc et 
opus Um sanetum solemniter inchoatum finc budabili cupientes (fol 2 V ) termi- 
nale, opiscopalurn seu ecclesiam cathcdralem ibidem in terra SainagiUmm in 
districtu Medniccnsi dignum duximus erigendum et lundandum H de facto 
erigimus i*t fundamus, ad quem vcncrabilem virum magistruni Matthiam origine 
LUhuamim, pruporitum Yilnensem. idoneum et discretum postulamus, quem 
paternitatihus vestris Christi nomine invocato praesemtamus - - - Actum et 
datum in Trockis s;tbbato proximo posl undeciin millia virgimim anno Domini 
millcsimo quadringentesimo septimo. 



j : iooglc mSStSSS 1 . 



Erfindung dt> Itistums Sainaitcii. g* 

tarn in spiritualibus quam in temporalibus potcstatcm, ut, quoscunique 

ligaret super terram, essen t ligati et in celis, et quos solveret super 

terram, soluti essent et in celis l ). In cuius rei fidem et testi- 

monium presentes nostras litcras scribi nostrorumque sigillorum 

uppensione iussunms coinmuniri. Datum in Novetroky dominico 

proximo post festum undeeim miliunx Virginuin, que fuit vicesima 

quarta dies mcnsis octobris anno a nalivitate domini miltesimo 

quadringentesimo deeimo septimo, presentibus honorabili et discreto 

viris dominis Paulo ranonico Wilnensi et Jacobo Mariini presbiteio 

tliocesis Gnezncnsis neenon strenuis militibus Jawnus palatino NoWO 

trocensi-) et Michaele alias Keysgal capitaneo terre Samaytarum :: > 

et aliis quam pluribus fide dignis tes-tibus ad premissa. 

Original auf Pergament. Von den beiden Siegeln ist das linke, 
das des Erzbischofs von Lembifg* erhalten. J on dem rechten cn- 
stieren nur noch Reste des umhüllenden I^etmvandsiickchens. 



Beilage 2. 



Der Ordensprokutator Peter von Wotmdit/t an den Hochmeister; 
Abreise der Ordensgesandten zu König Sigismund nach Paris und 
Finanzierung dieser Gesandtschaft. S/reit mit den Polen über die An- 
gelegenheit der SatnaitetK Ermahnung zu einer Geldzahlung an den 
Bischof von Posen. 

Konstanz, 5. März /1416J. 

Minen undirtenigen willigen gehorsam CZU vor. 

Erwcrdigcr lieber gnediger her homeister. 

[Der Komtur von Thorn, der Landkomtur von Elsass und 
Herr Kaspar Schuwenpflug sind heute zum römischen König nach 
Paris abgereist. 1000 Gulden zu ihrer Unterhaltung soll der Hoch- 
meister nach Brügge bezahlen. Ermahnungen zu pünktlicher Er- 
ledigung der Geldgeschäfte. Heute oder morgen fahren auch der 
Erzbischof von Gnesen und Kalisko zu Schiff den Rhein herunter 
nach Paris ab. Erneute Mahnung, Geld zum Unterhalt der Ge- 
sandtschaft in Konstanz zu schicken ], 



') Matth. i6 t 19. — *) Der Palatin Johann Jawnul von Troki war einer 
der hervorragendsten (trösten LitQQCni und spielte in der Geschichte Wiiolds 
eine grosse Rolle; vgl. Caro, Arch. f. Öslerr. Gesch B. 45, S. 515, Anm. 2- 
— *) Kinsgaü. Kenzgal, Kisingcil, Starost (Capitsineus) von Wilkomir und 
Samaiten, in den Briefen und Urkunden Witolds oft genannt; vgl. Prochaska, 
über epistolaris Witoldi im Register s. v. 

6* 



'OOgle rßiHaio^uHivw^iv 



Qa Holtzmann. 

Ouch, als uwer gnade wo] vornomen hat von cler vorlegunge. 
die die polen han gcthon. und von unser entwert, so haben sie 
von der czit, als wir gentwert haben, hefticlich dornoch gestanden, 
das man in eyne czit beschevden hette, das sie uff unse vor- 
legunge wider hetten mocht entwerten, und das han ich bis du 
her erweret do mete, das ich alweg bat, das man uns czu voren 
an follen sulde ushoren; aber hüte morgen kriegte wir uns aber 
vor der dutschen nacio, und do wart die nacio czu rate unde boten 
beide teil des konniges von Polen unde ouch des Ordens, das wirs 
von beyden teilen weiden ablassen von den clagen, wente es doch 
nichts gutes inbrecht, sunder weiden beide teil czu rechte steen 
vor dem Concilio der sachen, die man vorlegte, so mochte mans 
uns nicht erweren, als erbot icli mich von des Ordens wegen der 
sachen czu rechte gesteen vor dem Concilio, als des wir hetten 
vorgeben oder noch vorgeben wurden, und doran wolden sie nicht, 
also das ich mich versehe, man werde in sulcher inoße wider sie 
noch uns me hören, Vortme so haben sie es also gross gemacht 
myt der toufe der Samayten, wie das sie umb kenes getwanges 
willen, sunder von der gnade des heiigen geistes czu der hilgen 
toufe komen wellen; das ouch dye Cardinale als hÖte vom dem 
Collegio der Cardynale dry gesant hatten czu unser nacio und 
furbas czu den anderen dryn nacion, das man von iclicher nacio 
4 doctores sulde crwelen, die myt sampt den Cardinalen die sache 
sulden handeln und czu rate werden, wen man von des Concilio 
wegen von Cardinalen und von Bisschoffen und von doctorum dar 
sulle senden, sie czu toufen und kirchen usezugeben; wider die 
toufe turre wir nicht sprechen; aber was sie thumkirchen aldo 
worden usrichten czu buwen, han ich alwege gebeten, das es ge- 
schee dem Orden unschedelich und den Bisschoffen czu Preussen 
und czu Lifflande. got gebe, das sie gute cristen werden. 

[Ermahnung um Regelung der Geldforderungen des Bischofs 
Andreas von Posen], Geben czu Consteinz des ersten dornstage 
na dem Asschctag undir mynem Ingezcgel. 

Bruder Peter von Wormcdith 

dutsches Ordens in dem hofe 
czu Rome obirster piocurator. 

Staatsarchiv Königsberg, Ordensbriefarchiv (A % Ä iL 27/ Ori- 
ginal, Papier; Siegel ab. 



j ; iooglc mmtSS» 1 . 



Die Bibliothek des Humanisten Jakob Spiegel. 

Von 

■ 

Alfons Semler. 



Während noch zu Anfang des 15. Jahrhunderts Privat- 
bibliotheken nur ganz vereinzelt nachweisbar sind, begegnen 
wir bereits ein Jahrhundert später zahlreichen Bibliotheken 
von beträchtlichem Umfang: durch die Einführung des 
Buchdrucks, den Humanismus und die kirchlichen Reform- 
bestrebungen hatte zu Anfang des 16. Jahrhunderts der 
Sammeleifer auf dem Gebiete des Bücherwesens einen 
mächtigen Aufschwung genommen. In den politischen 
Wirren der Folgezeit gingen aber die meisten dieser Biblio- 
theken wieder zugrunde oder wurden v erschleudert, und es 
ist ein seltener Glücksfall, wenn eine Büchersammlung aus 
dieser geistig bewegten Zeit als Ganzes sich in unsere Tage 
herübergerettet hat wie die Bibliothek des Beatus Rhenanus 
in Schlettstadt 1 ). Ein weniger günstiges Schicksal hatte dir 
Bibliothek eines andern Schlettstadter Humanisten, des 
kaiserl. Sekretärs Jakob Spiegel; auch sie wurde zerstreut. 
Immerhin gewährt uns ein Katalog dieser Sammlung Aus- 
schluss über ihren Umfang und ihre Zusammensetzung. 

Der Katalog befindet sich im Besitze des Bezirksarchivs 
in Strassburg 3 ). Er wurde von Spiegel selbst geschrieben, 
als er Ende des Jahres 1542 seine Bibliothek an den Strass- 
burger Bischof Erasmus verkaufte. Es ist ein Papierband 
von 49 Blättern, ungefähr 32,2X21 cm. Als Umschlag 
dient eine Pergamenturkunde Karls V. Der Katalog ist 

') Vgl. darüber J. Geny, Geschichte der Stadthiblioihek zu Schieitstadt. 
Schlettstadt 1889 S. 29; Knod, Aus der Bibliothek des Beatus Rhenanus. 
Schlettstadt 1889. — '-') G 949. 



'.S lc mSnSSSSm 



36 Scmlcr. 

vor allem von Interesse, weil er einen Einblick in die 
geistigen Bedürfnisse dieses durch und durch deutsch den- 
kenden und fühlenden Mannes gewährt, der im wissen* 
schaftlichen Leben der damaligen Zeit einen hervorragenden 
Platz einnimmt. Er rechtfertigt vollkommen Knods 1 ) Charak- 
teristik Spiegels als einen Mann »von ungemeinem wissen- 
schaftlichen Interesse und staunenswerter Belesenheit, an 
theologischem, juristischem, historischem, mathomatischem 
Wissen ein wahrer Polyhistor*. In der Bücherei sind alk- 
Wissensgebiete vertreten: Dichtkunst, Theologie, Rechts- 
wissenschaft, Philosophie, Pädagogik, Geschichte, Grammatik 
und Stilistik, Lexikographie, Mathematik, Geographie, Natur- 
wissenschaft, Medizin, Kriegswesen, Astrologie, Kaballistik. 
Aber nur das letzte Drittel des Katalogs ist nach systema- 
tischen Gesichtspunkten geordnet; sonst sind die Bücher 
nach ihrer Grösse verzeichnet. Darauf ist wohl auch zurück- 
zuführen, dass eine grössere Anzahl von Werken doppelt 
aufgeführt ist, im allgemeinen Teil und im systematischen. 
Allerdings besteht auch in diesen Fällen die Möglichkeit, 
dass es sich um verschiedene Ausgaben desselben Werkes 
handelt, was sich an der Hand des Katalogs nicht entscheiden 
lässt Nur in vereinzelten Fällen ist Drucker und Druckort 
genannt; fast immer fehlt auch das Druckjahr, so dass sich 
die Rücher nur in seltenen Fällen bibliographisch bestimmen 
lassen. Auch ist zwischen Handschriften und Drucken nicht 
unterschieden. Ziemlich häufig fügt Spiegel ein kurzes Urteil 
über das Buch oder seinen Verfasser bei 2 ). 

Unter den poetischen Werken nehmen die lateinischen 
und griechischen Autoren den breitesten Raum ein; sie sind 
meist von Zeitgenossen Spiegels herausgegeben und erläutert, 
und zwar sind es in der Regel bereits neuere Ausgaben, 

■) Knod, Jakob Spiegel. Progt. Schlctlstadt 1880 S. 27. — T > z. B. 

Hl. 3t: De contemptu rcruni fortuitaium Guilhelmus Budeus. Annolioncs i|>>o 
opere non minus doeta ac insjgnes. ■- B). jv. Testamcntum Duodecim Pairi- 
arcbaruni (iliorum Jacob, |«i Robertuni Lincolicnxeui Kpiscopum (• Grcco in 
Latinum v<-rsum. Floruil aulor Anno M.C.C.XLIJ, — Bl. lor: lnsliluliones 
Jusliniani summo studio (ideque. rcstitult' ptrr Gicg. llaloander. — Bl. 241: 
Stephani Xigri Opuscula, qut; ipsc xdidit tum a Grecis que vertit Vena pagella 
indicat. — Bl. 25t: De Schismate exlhißucndo, & vere Ecclesiaslice KbertBtC 
adserenda Epistola? aliquot tltgn.x 1 Icrtu. 



- loogk imoÄivW: 



Die Bibliothek Jakob Spiegels. gy 

als sie Rhenans Bibliothek aufzuweisen hat. Nicht sehet) 
ist derselbe Autor durch mehrere Ausgaben und Kommen* 
tare vertreten. Die Griechen liegen zum grössten Teil nur 
in lateinischen Übersetzungen vor. In der christlichen Zeit 
treten dann zu den Dichtern und Philosophen zahlreiche 
Theologen. Die Bibel, besonders das Xeue Testament, ist 
in einer Anzahl von Ausgaben mit alten und neuen Kommen- 
taren vorhanden. Auch Evangelienharmonien fehlen nicht 
Dagegen fällt die Zeit der Scholastik fast ganz aus. Xatur- 
gemäss weist die Bibliothek zahlreiche Werke seiner Zeit- 
genossen auf, gleichgültig ob sie Anhänger oder Gegner 
der Reformation waren- Besonders begegnen wir immer 
wieder drei Xamen: Krasmus von Rotterdam 1 ). Luther und 
Mclanchthon. Auch Spiegels eigene Werke waren in seiner 
Bibliothek vorhanden; doch gibt der Katalog nur kurz den 
Titel, sodass wir aus ihm keinen Aufschluss erhalten, der 
über Knods Bibliographie hinausginge. Xur beim Kommentar 
zu Bartolinis Austriados erhalten wir von Spiegel selbst eine 
unmittelbare Bestätigung, dass er auf eine Anregung Maxi- 
milians zurückgeht-». Eine auffällige Erscheinung ist» dass 
Beatua Rhenanus recht spärlich vertreten ist, noch mehr 
aber, dass die Werke seines Oheims Wimpfeling bei weitem 
nicht vollzählig in seiner Bibliothek vorhanden waren :| ). 
Neben diesen allgemein bildenden Werken vernachlässigt 

') BL i^v: Eraaim Koterodami Omina Opera qureunque ijwc autor per 
mifa agnovit. novem tnmis dMincta, quoruin catalogus in prima tomu habetur. 
Sunt corapaginata rahiminib, xij. Ausserdem werden viele Kinzclausgaben ver- 
zeichnet. Auch waren eine Anzahl Kataloge der Werke des Krusmus vor* 
banden. — -j 1SL $zr: Ad divum Maximilianmn Kichardi ßartolim de Hello 
Xorica Auitriados Lil>. xij* In hunc poetam Ja- Spiegel scribebat Scholia 
iubente Maximiliane* — ") l'nter dem Namen Wimpfeling werden nur ver- 
zeichnet: ]ll. 2j>v: Addescentia Jaeobi Vuinphelinyij i!). HL jov: Ad. Jul. ij 
Pont. Kxcusaliu Ja. Vuiuiplelingij, — Bl- 3 ir: Pragmatici. 1 sanclioms mcdutla 
excerpta per Ja. Vuinipfclingum ad iusstim Ca?s. Maximiliani ;brsg« von 
Spiegel)» Ausser diesen lassen sich noch eine Anzahl Werke nachweisen» die 
von Wimpfeling verfaul oder herausgegeben sind, wo er aber nicht als Amur 
genannt ist; & II. Bl. ?r: Rap. Mantuani Fastorum lihri xij, cum alijs nun 
millis (vgl. Ch. Schmidt, Hill. Ihteraire II 339); Bl. 33r: Citatogui Episcopoium 
Argenünensium {Ch- Schmidt a- a. O- II 32b); HL 34V: Majjnctii Rnbani 
Mauri de I*indibus S. Crudi opus versu pro^aque mirificum (Ch. Schmidt 
a. a, 0. II 333»- 



c ;oogk mSStSSS\ 



88 Scmlcr. 

der Jurist Spiegel keineswegs seine Fachwissenschaft. Seine 
Bibliothek weist besonders viel juristische Werke italienischer 
Autoren aus der /weiten Hälfte des 15. und dem Anfang 
des 16. Jahrhunderts auf 1 ). 

Über die Gründe, weshalb Spiegel, noch nicht einmal 
60 Jahre alt, seine Bibliothek verkaufte, geben die vorhan- 
denen Urkunden keinen Aufschluss. Es ist nirgends die 
Rede davon, dass die Bücher erst nach dem Tode Spiegels 
den Besitzer wechseln sollten. Es ist auch nicht anzunehmen, 
dass er um diese Zeit durch seinen Gesundheitszustand be- 
reits an ihrem Gebrauch behindert gewesen ist, da er sich 
zwischen 1542 und 1546 zum zweitenmal verheiratet-). In- 
folge seiner Wiederverheiratung wird dann auch im Jahre 
1546 sein Vertrag mit dem Bischof abgeändert. Während 
er bisher als Entgelt für die Überlassung seiner Bibliothek 
ein Fuder Wein bezogen hatte, soll er jetzt nur noch ein 
halbes Fuder Wein erhalten, ausserdem aber sechs Viertel 
Korn. Nach seinem Tode soll seine Witwe ein Viertel Fuder 
Wein und die 6 Viertel Korn weiterbeziehen. 

Die Spiegelschc Bibliothek kam zunächst in das bischöf- 
liche Schloss nach Zabern. Über ihre spätem Schicksale 
sind wir aber nur ungenügend unterrichtet. Nach Knods 
Angaben 1 ) wurde ein Teil frühzeitig nach Österreich ver- 
schlagen, während die Strassburger Universitätsbibliotkek 
einen andern Teil erwarb. 

Der Katalog der Spiegeischen Bibliothek (Strassburg. 
Bez. Aren. G 949) zeigt folgende Anordnung: 

Bl. i r M. D. xliij. Index librorum bibliothecae doctoris 
Jacobi Spiegeln Selestadiensis. — Bl. i v leer. Bl. 2r Encln- 

') Dahei schwärmt er keineswegs für die Italiener und ihre Gelehrsam- 
keit, im Gegenteil. Er sagt: Dieses A'olk . . . hat ja doch keinen Funken alt- 
römischer Tugend und keim-n Tropfen nlirümischen Blutes mehr in seinen 
Adern; es zeigt vielmehr in seinem ganzen Bestände eine bunte Mischung von 
allen möglichen Xationen.* Knepper, Nationaler Gedanke und Kaiseridec hei 
den etsäss. Humanisten S. 125. Über Spiegels aufrichtige Abneigung geget: 
die Franzosen vgl. Knepper ebd. S. 123 f. — -) Das* er sich 1541 oder 1542. 
also um eben die Zeit, wo er seine Bibliothek verkauft, mit Heiratsplänen 
trug, lieweist ein Gerichtsprotokoll vom Jahre 1535. Vgl. Kaiser. Aus den 
letzten Jahren de- Buitiu. Khenanus. Zs. f. Gesch. d. Ohmh. K.F. Bd. 31 
S. 48 u. Anm. 2. — s ) Knod, Jakob Spiegel I S. 5 Anm. 1. 



y lc hwSSiuÄ: 



Die Bibliothek Jakob Spiegels. &G 

ridia variorum tum autorum, tum disciplinarum. — BL i2vleei\ 
— .BL i3rMixta t incodicibusmedianis t seufoltis. -BL 19V leer. 
BL 2or Codices, sive libri in quarta variorum autorum. — 
BL 33V teer. — BL 34r Poetiea, in medianis codieibus seu 
foüis, ut typographi aiunt — BL 35V leer. — Bl. 36r Theolo- 
gica potissimum, mixtis interdum aliis autorum lucubrationi- 
bus, perpaucis tarnen, partim in regali. partim in mediana 
papyro. — BL 39V leer. — BL 4or Juridica, in mediana papyro. 

— BL 42 leer. — BL 43r Juridica in regali papyro, — 
BL 49V Et ego Jacobus Spiegel Selestadiensis iureconsultus etc. 
hunc librorum meorum indicem in quadraginta Septem foliis ') 
completis & incompletis propria manu mea scriptum Revo- 
rendissimo in Christo patri et sacri Romani Impcrii prineipi 
dn< Erasmo electo & confirtnato <*cclesiae Argentinensis Eli- 
saciceque provinciali comiti domino meo observando iuxta 
donationem celsitudini suae faetam desuper obtuli et in evi- 
dens eiusdem testimonium sigillo meo inserta chordula per 
indicem supra et infra transfixa, appenso munivi. Selestadü 
in die s. Andrea anno salutis restituta* millesimo quingen- 
tesimo quadragesimo seeundo. 

In dem Katalog der Spiegeischen Bibliothek sind Werke 

nachstehender Autoren vertreten: 

Accursius Bl. 411% — Aerius ClaronensU 251*. — Aclianus 25V. — Aemi* 
lius Paulus i8v. — Aeneas Plalonicus 2ir. — Acsculup i8v. — Afer Diony* 
sius liv. 2jr. 35r. — Afrodisisieus Alexander tjv. — Agapetus (Diux») 31% 
Agathias i/V. — Agincla Paulus 20\\ — Agnellus (Bischof) 14V. — Agricola 
Georg gr, 2jr- $zr. — Agricola Joh. 8v. nv, — Agricola Julius 15V. — 
Agricola Rudolf 3r. 28r. 32r. — Agrippa Hcnricus Cornelius 4V. cjv. i$u — 
Ailli (Alliako) Peter v., 2t»n — Albericus 43 r. (Dictionarium), — Albertus de 
Ferrariis 44^ — Albertus Magnus 2üv. — Albucases (Medizin,) |6\\ — AIciatus 2r. 
Gr, 9r, g\\ 15T- i6r. 40r. 4ir*). — Alesius Alexander 2r. 4V, 5V, — Ali' 
xiandrus ab Alexandro 13V. — Alkindus Jakob l6v. — Almansor (Astrolog) i;n 

— Alpinus, Marcus Tatius 3V. — Altensteig Job* 2>v. — AHhamer Andreas uv. 
22r. — Ambrosius» Bisch. V. Mailand I4r* i6r. 23v. 30V, — Ameibach Veit 2r. 
fr. 7v, 9r. — Ammianus Marccllinus 13V. 15V, — Andreas Joh. isr- — Andreas 
de Isernia 43r. — Andronicus Tranquillus 2bv. — Annius Job* i<)r. — Anns* 
dort Nikolaus 4V, — Antibolus Peter 4G1-. — Antonimis* Episcopus Constan- 
linensis 14V. — Antonius, Archicpisc. l v Iorintinus 4gr. — Antonius NcbrisscnsU 



J ) Spiegel zählt offenbat das Titelblatt und das leere Blatt 42 niebt mit. 
— *> Ober Spiegels Stellung zu Alciattts vgl, Kncd. Jakob Spiegel 2- Teil 
S. 26. 



Dglc 



■;.l vü.ivfr.b 



go Semler. 

(A. de hebriia) 6r- i ir. — Apeus Peier 4r. — Apianus Peter 22r. — Appianua 
Alexandrinus 22\\ — Appolinaris Sidonius 34V. — Apulems i^r. tyr. i8r. 32t, 
34V, Aquila Joh, 26%*'), — Aqinln Romanus 8i\ — Arena Jakobus de t 45V. 

— Aretinns (Oambiglioni) Angclus 43r. 44V* — Aretinus (Marsuppim) Carolus 2;i\ 

— Arelinus (Brunus) heonhard 4i\ i;v. — Aristides 5V. 6r. 6v. — Aristoteles 
5v, 6r. 6\\ 7r, 8v. nr. 131*. — Amohius 2r. — Arrianns Nicomedensis 2r. 

— Athanasius 271*. — Aufretus Stcphanus 45V. — Augurellus, Joh. Aurelius 
6r- 2ir. — Avitius Alcimus 25r. — Axiochus Piatonis 28r. 

Baibus (Ralhn), Joh. Franciscus 48r. — Balhus Hicronymus 22r. — 
Baldus Joh. Franc. I2r. 43V. 45V. — Baplisto ä S, Blasio Patavinus 44-. — 
Barlwirus Franciscus 6v. — Barbaro Herniolan 2$r 28r. 3or. — Barbaüa (Bar* 
bazza) Andreas 44V. — Barlandus Adrianus 8v« — ßarlctius Marimis I5r- — 
Bartollmu Richard*-*) 22r. 31V, 32r. 34r. — Barlolomacus Brixiensis 44V, — 
Barlolomacus Nikolaus. Lochicnsis 4r. — Bartolus I2r. 43r. 43V. 44V, — Ba- 
silius Magnus 3(>r* 38V. — Baverio Marcus Anton. 46r. — Bayfius Lazarus l lr. 
30r. 32V. — Bazzizius Christophor. 20v. — Bcl>el Heinrich 25V- — Beda Na* 
lalis 31V. — Beda Vencrabilis 8v- tor. i8v. 36V. 39". — Belvisi, Jakobus de. 461*. 
Bembo Pielro 7r. 8r. iov. 25V. — Beneventus 22r. — Benignus Georg, (Er/- 
bisch.j, 2$r. 2;v. Bentinus Michael i6r. — Rcraldus Nikolaus 2ir- — Bern- 
hard von Ciaüvaux 29r P — Beroaldus Philipp lör. i?r. 17V. 22r. 34^ — Ber* 
irandus Petrus 48r. — Bessariou (Kardinal) iyr. 2jr. 3ir. — Bctulejus Sixtu« 
(Sixt Birk) 4r. — Biario, Petrus ä Nnvarrcnsis 48V. — Biel (iabriel 2Öv. — 
Bigus Ludwig (Lodovico Pico) 2or. — Blondus (Biondo) 14V. — Bocatiui 
(Bocati) Joh. i'r. — Bodius Hermann nv. — Boernus Joh. $r. — Bocritu. 
Nikolaus a Moiucpes&ulnno, 47V. — Boctins 3r. fr, 27V. - — Bolognini Lud- 
wig 44r. 48-. - Bonfino Anton 25-. — Boniccntus Andreas. Hononicnsis 46r. 

— Bono Jakob 8r» — Borbonius Nikolaus 6v. — Bosso Matthäus 20r* 2jr. 
Bovadilius Kr. von Toledo 4V. — Bracellus Joh, 29V. — Brasavolus, AnL 
Mun 1 1 r. 1 3r* — Bra>sieanus. Joh. Alex* iov. 23V. 28*, 36r. — Brenz Joh. 2v. 
5V. Gr. ilv. 38V. — Britannicus Joh. 34V. — Brixius (Bricl iiennanus 26v- 
29V. 32V. - Brundlus Joh. 47r. Brunfels Otto l6v. i8v. 37-. — Brunti 
Albert 4-|r. Brunus Franz 44V. — Bucer Martin 24r. 32r. j6v. 37r. — 
ßudeus Wilhelm 3r. 6r, gv. 13V. 14V. i$T* i6r. 23V. 34V. 40r. — Bullinge; 
Heinrich 51-. 6r. 6v- 8v. gv. 25V, — Butrigarius Jakob 46V. — Butrio Anton, 45 r* 

Cacciatupi, Joh. Baptista 47V. — Caelius Lttdovtcus, Rhodiginus 1 jr- 
i"r. — Caesarius Joh. iir. - Caius (Jurist) 40V. — Calcagnini Caelius 8r* 
1 iv* — Cfdderini Domitioa t"v. — Calderini Joh. 47V. — Callimachus P. 23V. 
27r, - - Calvin Joh. ü\\ 37r. — Calpurnius 3v. 28r* 34r* — Canario. Anton de, 451 • 

— Caincrarius Joach, 4r. jv. 8r. 9V. iir. nv. iar. 28r, 32v. 37V. — Camer> 
Joh. 17V. 20v, 251* 28v. — Campegius iCoinpeggi) Joh, 4?r. Canibus. J0I1. 
Jacobus a t 48V. — Capella Galeattus jy. IIV- 22v. — Capeila Marlianus \ft\* 
34V. — Capito Wollgang 2V. — Capitolinus Jui* 13V* — Carüm Joh. 5v. lor. — 
Casolis. Philippus de 46V. — Cassianus Constantino|x>l* 24V, — Cassiodoru> t 
Magnus Aurelius i$v. - Cassius Dionysius 13V, - Oito lor* 26r. — Catullus Jr. 



% 



') Spiegelt Lehrer in Tübingen (Knod, J. Spiegel I. Teil S. 2?t. — 
'•"I Hofj>oci und Freund Spiegels (>. Knotl, I. Spiegel t. Teil S. 2 1 >. 



y lc KnonMUHtt: 



Die Bibliothek Jakob Spiegels. q] 

34r. — Ccbeiis Thebanis. .s8v, — Celsus, Aurelius Com. 2v. — Celles Konrad 1 ) 
8r. 8v. ijr. 2or. 34*. — Cepolla Bartomolacas 45r. — Ccrealis. Bisch, v. Kar- 
thago i^r. — Charon I.ucianus 28r. — Chartophylaeis Nicephorus 4r. — Cicero 
Marc. T, ;v. I3r. IJjr. i6r. t8r. i8v. 23r. l6l\ — Cimbriacus yv. jav f ]. — 
Cino u Sinihaldis 44 r * — Ciricrus, Jo. Pari&ieusis 47*'. * — Citttdlfll« Paulus de 47t. 
Clarux fdiacus I4r. — Clemanges (Clunengits) Niooliu de 2*)r. — Cleophilus 
Octtvius2tr. — Clyp6QS2$r. — Codro {Urcco) Antonius i8r. 26v. — Collenulius 
Pandulphus 301-. — Collimitius (Tannstetter* lieorg 14V. — Columella, L« Jiimus 
Moderalu? 26r. — Comemis» Paul Jovius (Mcdi/in) 1 tr. — Comestor Petrus 3yr. — 
Confalonerius Job Bap. iiv. — Consctus Anton. 45V« — Cortesius (Corte/ > Fer- 
dinand I4r. — Cortesius Paulus 8r. i8v. 38V* — Corvinus Messala 17V- — Cospo 
Angelo, Bonomensis I4r. — Costa, Stephan«** Papirnsis 45V. — CrinUus Petras [9r. 

— Cri>pus Joh. 32r. — Crocus Cornelius 7r. — Cruciger Kasp. yr. — Cugno. 
Guilhelm de 4jr. - Curtc, Rochus de. Pnpiensis 45V. — Curtius Franz. 44V, — 
Curtius Jakob Jt* — Curtius Matthacus 2*r. — Curtius J\\ l8v. — Cuspimamis 
Joh. a ) 15V. — Cypriunus (Märt.) alV- 3<>r. — Cyrillus | Bisch, v. Alexand.) I4r. 37r. 

Daldianus Artemidorti* tor. Damiauus Janus SIT. — Dardanus B. 

♦ Epigiammat.) 23r, Decius Joh. Ludw. i8r. — Decitts Philipp 43r* — De- 

mosthenes 3V. 6v- - De$|xuilenus ä6v j ). — DiaeOMll Paulus i8r. — Dionyaius 
von Halicarnali l'w 20r. 3fir. — Dioscorides Pedianus 1 3r. — Dubravius Janus 
»Jan Dubrawskyi l8v. 

Eck Joh. lor. 23r, 24V« 17V. 3ir. 31 v. 3*3 r 36V. Kgen Joh., gen. 
Plieininger 28\\ — Egesippus (Flavius JostphOi) i6r. — EgDadUfl Joh. Bap. 

13V1 i8r. Empaer (Emser) Hieron. JOVi Eiumiu, Desidcr, v. Rotterdam. 
4r- 4v- 51". jv. fir 8r- 91-. 9V. jor. iov. ur. nv. ian 13V. i;r. 20r 2ir. 
aiv. 22r. 2jr* 24r. z6r. zOw 28v. 30t. 30V. 3ir- 32V. 341% 36V. 37V, 38r. 38V. 

— Esop 2;r. 2;v. — Euehcrius Lugdtincnsis 37V- — Euripidcs tor. — ElUWbhlS 
Caesariensis 4^ ijr i6r. 23V. 3qr. — Kverardus Nikolaus V- Middelburg 41V. 
Kxiguus Dionysius I4r. 

Faber Jakob 361% — Faber Joh., Risch. von Wictr 4 ) 24^ 37r- 38r- 
Faber Ja. Stapulcnsis 31V* 36V. 37r. 37V. — Faustus, Bisch. 14V. — Fäu- 
stus P. 23r. (Aegloga moralissima), — Feraldus Joh- 4?v. - Ferraritis Joh. 2r_ 
2v. 3 V * t - Fcrronus Arnoldus 3^r. — Festus, Sextus Pontpcus i6r. — Firniicu**, 
Maternus Julius I7r. — Klaccus \ f alerius 34i\ — Floridus Fr. 30r. 4fr. — 
Floras L- (Gesch.) 17V. — Fortunatus Vcnantius 9r' ! ). — Fortunatianus (Rhe- 
tor) 20r. — Franciscus Epltoop« Sijuillacensis 4Jr. — Francus Philippus 46r. 

— Fronlinus* Scxt. Jul. 23r. 40r. - Fuchs Leonh. 23V. 2/r. — FulgOMis 
tFregosof BapL 1 ir, I3r. 151- — Fuinaeus Anton. 30r. — Fungk Matthias 22v. 



'j Über Celtes 1 Einfluß auf Spiegel vgl. Kiiod, J. Sp. i. Teil S. 23, — 
:> J B!. qv: Cinibriaci ]>oetae Eucoiniastica ad divos Caess. Fredericuni tmpem- 
t orem St MaxinitHanum Regem Rom. Derselbe Titel auf Bl. 32V. — :t j Spiegel 
hörte bei Cuspiniau und Camers tu Wien mathematische, astronomische u, geo- 
graphische Vorlesungen (Knod. J- Sp. 1. Teil S. 23. — J ) 26 v: Syntaxis Des- 
pflUterff. Eiusdcm Ars versificatoria. — Ä ) Freund Spi^els (Knod, J. Sp. 
2. Teil S. 22.) — * : ) Bl. gr. : Venanlii Honorii Clementiani Forlunati Poetee 
Xavigium, aive Moseila. 



Dglc 



■;.l vü.ivfr.b 



Q2 Scrnlcr. 

©aguinus Joh. im — Gallus Cornelius 32V. — Garem Job- 48r. — 
Garzoni Joh, 2iv. — Gaudinus Albertus 43r. — Gebwiler Hieron» 2v. 5V, 27r. 

— Gelasius, Epüs Rom. 14V. — Gcldenhauer (Noviomagus) Gerhard 4V. 22Y. 

— Gennadius, Patriarch v. Konstanlmop. 2ir< — Girardus Carolus (Jurist) 20r. 

— Glareanus Heinr, 6v. qr. gv. 15^ l?u 30Y. — Gnapheus Wilhelm ?r- — 
Goclenius (Cochlenius) Konrad 2Ör. — Goden Henning 2v. — Gorchius Joh, 
29r_ — Grassi» Joh. de» Tauriensis 491*. — Gratius 3v*). — Gregor w Nazianz 
5r. 2iv. 36t. — Gregor v. Kysssi 37 v - — Gregorius, Neocaesariensis Epüs 2ir. 
z$\\ — Grillandus Paulus 4?r. — Grynaeus Simon 6v. 7r. lov, — Guil- 
hclmus Lovaniensis 44V, — Gyraldus, Lilius Greg, Fenariensis 4r. 

Hasfurtus Joh. 23r*). — Haloander Gregor 2r. ior. 40W — Hecaton- 
tades Thelassius 23V, — Hegendorf Christoph Jr. 3\\ 4V. 5v- 6r. 6v, ?\\ 8v, 
lir. 20V. — Hcldclinus Kasp. qr, — Hcresbach Konrad i8v. — Hermetes 
(Astrolog) I7r. — Herodianus i3r. — Herodot i8v. — Hesiod 21 V. — 
Hesychius 15V (Dictiunar.). — Hierokles (Stoiker) 2$r. — Hicronymus de Luca 
46V. — Hippocrates 23V. — Hochslraten, Jakob F. 27 \\ 31t. — Homer 3r. 
6r. 32v, 3I1V. — Honoratus Maurus Servius 34r. — Hontcr Joh. 23T- — 
Horatianus Octavius i6v- — Horaz 6v. 341-* — Hostiensis 45 Y a ). — Hugo 
Joh. SelestadiensU. 49r. — Hunimeltarg Gabriel 25V. 2"r. — Hummelberg 
Michael ior, — Hunger Wolfgang 2r. — Hütten Ulrich ;r. 20V. 22r- 2Ör* 3». 

— Hyginus Augustus Libcrt^us i6v. 

Jacobus* Petrus k Montepessulano 47r. — Jamblicus (Philosoph) I9r. — 
JWOO (Jurist) 43r. — Ignatius t, Anuochicn 23V. — Innocenüus 46V 4 ). — 
Insulanus Wilh. 4V, 1 ir. 24V. — J<»h. Chrysostomus 25V. 26v. 32r. 36r. — 
Johannes, Cistcrcien. Monachus 48r. — Johannes Damascenus 23V, 36V. 38^ 

— Johannes de Indagina ijr, — Johannes, Papst I4V ; '}. — Joliannes t Roffen- 
sis Episcopus 29V. — - Johannes de Sacro Busio 4V, — Jornandcs i;v. — 
Josephus Ilavius 13V. — Jovius Bencdictus 23r- — Jovius Paul, Epüs Nuce- 
rinus n\\ 23r. 23V. — Irenäus 7r. 36r. — Ireniais Franz 1 5r. — Isidorus, 
Bisch. 24V, — Isocrates ftv. 7r. i8v* 23r. — Isodorus, Episcopus Hispalensis 
49r. — Tsychius w Jerusalem 36r* 37V. — Justinian (Kaiser) 2r, 2v. 4V. ior. 
20r, 40V. — Justimis Amadeus ä Castello 44V- — Justinus d. Märtyrer 14t. 

— Iuvenaliä 9V. 34V. 

Karlstadt Andreas 2?V. 29r, — Keistrsbcrg, Geiler v, 2lv. — Kobel. 
Jakob 27r. - Krantz (Crantzius) Alben 14V, 

Lactanlius 8r. 25r. 37V, — Loerthu Diogenes 25V. — l*ambert Franz 
2v_ 6r. — Lambert Schafnaburgcnsis 3^). — Lampridius 13V* — I-anfranais 
Jafred 2v. gr. — Lanfraucus de Oriano, Brixiensis 4&r. — Langos Job., Sile- 
sius 4r. — I-andinus Christoph 14^. 26r. — Lapus ;V Castellione 4OV. — 



l ) Bl. 3v: Gralii poeuc. qui Augusto principe fluruit de Venattone über I* 
-) Bl 23r: Nova medicina^ Methodus curandi murbos ex inathematica sctentia 
Joanne Hasfurto Virdungo autore- — °) Bl. 45V,: Hostiensis de or^scriptionibus 
\ usucapionibus cum additionibus Jo. Francisci Baldi. — 4 ) Bl. 4GV. ; Inno- 
i-entius. De exceptionibus. — 5 ) Joan. Epüs Romanus, De duabus nacuris in 
Christo. — tt l Gennanorum historix* Lamberlt» Scliafnaburgensi autore. 



FflmafftJtmtiiR&rr 



Die Bibliothek Jakob Spiegels- 93 

Latonms Bart. 41*, JV, 9V. — Latomus Jakob jr. 27V 1 .)* — Laurents Bernar- 
dos 45t» — I^aunis ä Polatiis rubeis 47V, — Lazarcllus Ludwig 23r< — Lern- 
niu5 Philostrat \i. — Lemnius Simon 4V. — Leonicenus Nikolaus igr. — 
Leus (Lee) Eduard 2fr 1 ). — Lignano, Job, de 48V. — Lignianus, Job* de I2r. 

— Ligurinus 341% — Linacrus iLinacre) Thomas 26r- — Lingincnsis Job. 47V. 
Lippius Laurent* 251. — Lislrius Georg <)r. — Listrius Gerhard I2r. — Lou- 
golius Christoph 25r. — Lomccrus Joh. i8v. — Lopis Joh» de 30r. — Luca- 
nus 3r< — Lucanus Francisc Parniensis 451. — Lucianus 6r. i6r. 23V. 27V. 
3ir, — Lucrctius 34r. — Lulius Raymundus 20*, — Lunera Wilh. 45V, — 
Lupoldus (Jurist) gfv, — Lupus Joh. Segobicnsis 4gr. — Lupus, P. Ru- 
tilius 8v. — Luscinius Otmar 5r. IOV- 27r. 28r. — Luther 4V. ;jr. 5V. 9r. 
I0r. iov. iiv. 22r. 22v. 24V. 29V *>. 30Y- 31*, 31V. 32r. 37V. 38r, 

flfacer Aeniiltus 3 V * " Macrobius i8r. 34 r * — Maluetis Tioilus ;^.. 

— Malleolus Paul 3r. — Manardus Joh. (Medizin) 5V, — Mancinellus Ant. gr. 
2$r. 26r. — Manfredus Hieran* 9v. — Mantuanus Bap. ?r. — Marcopeclius 
Georg 4r. — Marlianus Aloysius v. Mailand 24r. — Marlianus Joh. Bart, 
v. Mailand 8v. — Marsilius Ficinus I3r. 191. 20v. 22v, — Marsilius Pala* 
vinus i6r. — Marsus Paulus 34V. — Marsus Peter 3r, i8r. 341". — Martialis 
3r. 34r, — Marlinus de Arles 47V. — Marlinus de Fano 46V, — Martinus 
Laudensis 47r. — Martinus Scnonrnsis 47 V- — Mamllus f, Konstantinopel 25V 

— Maserius Aegidius 34 r - — Massarius Krancisc* 3 or - — Maihesyllanus Matthacus 
48V- — Matthias ft Machovia (Gesch.) l8r, — Maximus B, (Theolog) 5r. — 
Maximus Tyrius 18%'. — Maximus Valerius 1 3r, i8r, 20r. — Meglin Martin 28r. 

— Melan(ch)thon 2v. 3r. 3V. 4V. 5r. 5V. 6r. 6v. jr* f\\ 8r. 8v. 9r. gv. rtv. 
2tr. Zlv. 22v. 2Ör. 2?v- 3lv. — Merula Bart. 191*. 34V. — Mcrula Georg 
i8\\ 34r- — Mcss&lah (Astrolog,) 1 ?r, — Metzler Joh. 6r. — Meyer Jakob 24r. 

— Micylius Jakob iiv. 2iv. — Middelburg, Jakob v. 27V. — Milichius Jakob 
30v, — Mirandula üetavius 5V. — Mocenicus Andreas 4V 4 ) — Montagnus 
Joh- 4gr. — Montalius Ludovicus 48r. — Monlanus Peter Jv. — Monteferrato, 
Guilhelmus de, Catalanus 45V. — Monis Thomas 3ir, — Moseltanus Peter 
22r. Jlr. — Mugellamis Dinus 44r. — Mugcllanus Joh, Andreas 46V, — 
Münster Scheit 29V. — Murincllius Joh, jr. 9r< 23r. 27V- — Murner jir. 

— Musa Anton 2jr. — Mutius H. 15V. — Mutius Macarius 20r. 

Nausea Friedr. 32V. j6y. — Nellus ä Sancto Gcminiano, Teutonicus 46V. 

— Nemessianus, Marc. Aurcl. Olymp. 3V. 28r. 34^ — Ncposa Montealbano 4ÖV. 

— Nicasius 4ir. — Nider Joh., Teutonicus 46V. — Nigms (Niger) Stephanus 24r, 

— Niliacus, Oius Apollo 2iv*). — Ni/olius Marius, Rrixcllcnsis i6r, — Nuenar 
Hermann 25r. 25V. 

Oclavius Francisc. 32V* — Odofredus Benevenlanus 46V. — Oecolampadius 
$r, 8r. iiv. 23V. 24V, 2"\\ -- Oldcndoij> Joh. 2v. 4OV, — Olympius, Marc. 
AureK 3V. — Omphalius Jakob $\\ — Onosander 3t. — Oppianus 23r. — 



>) VgL Knod, J- Spiegel 2. Teil S. 6. — a ) Ober Lew Streit mit Er»- 
UHU vgl. Knod, J. Spiegel 2. Teil S, 14. — *) Bl. 29V.: Evangelion Mar- 
tini Lutheri» welch* da lange Zeit underm Kanck gelegen, — 4 ) BL 4V. : 
Andrew Mocentci Bellum cameracense, ho>c est, quod Gesar Maximilianus cum 
soeiis gessit ftdveiWtt Venetos. — f ') Orot AjWÜo Xilianis de Hieroglyphicis neiis. 



h °°^' c rßiHaic^uHiv[H5nv 



qj Semler. 

Opsopaeus (Obsopeus) Vincent. 6r. — Origincs jdr. — Orosius Paulus t7r. 

— Orpheus 23V. — Orpheos, Joh, Franc. Quintianus 32V. — Ostrofrancus 
Christoph 20v. — Olto v. Freising 159* — Ovid 3v. 8r. igr. 23V. 261*. 34V. 35r. 

Palearin Anio 2r. — Palingentus Marccllus $v. — Palladius 26r. — Pan* 
nonius Janus, Bisch* v. Fünfkirchen 2ir. — Panormita Anton. 28r. — Papa 
Quido 44V. — Paptnianus 40V. — Paris ä Pütco 46V. — Parlandus Hadrian 4V. 

— Pairhasius Joh. 34V. — Parthenius Nicensis nr. — Pasius (Pasio) Curius 
T-ancilotus 20r. — Patricius, Marcus Aretius Syracus. 3v. — Paul III, Papst 
2v. 7-r< — Paulus Julius 40V- — Pavinus Joh. Francisc. 48r. — Pediamts, 
Q. Asconius Qr. i8v. — Pcllicanus Konrad 3br. — Pennia Henricus 2iv. — 
Periglis, Angelus de 45V. — Perotto Nicoiao 15V* — Persius 6r. y,r, i)v> 34V, 
Peirucius Fridericus, Sencnsis 45V. — Petras de Blarrorino 34V. — Pctru> 
Caderniensis 47V. — Petrus Fenariensis 20r. — Petrus d. Mftrtyrer, v- Mai- 
land ibr. — Petnis de Monte Vcnetus 48r- — Peutinger Konrad 1 ) 17V. 2/jf % 

— Philander Wilh. ur. — Philastrius, Bisch, v. Brescia gr. — Philelpho Fr. 
4r. 3ir. 32r. 32V. 34V. — Philo, d. Jude 6v. 37V. — Philostrauis Fl. 2jr- 

— Phoc) r lides j\\ — Piccolomini Jakob» Kard. i?r. — Piciorius, Epigram- 
marik. 131; — Picus (Pico) Jos. Franc- 8r. 1 gr* 23V. 27r. 34V. jjr. 36V, j8v. 
Pighius (Pigghe) Albert 24V. 26v. 377- 38r. — Pindar v. Theben 6r. 32r. — 
Pirekheymer Bilibald *) 3V. 4V. 25r. 26t. — Piscator Ludann 25t. — Pitts» 
Joh. Bap. t;v. t8r. 341-. 34V, — Placcnttnus, Italtis ä Montcpessulano 49r. 
Placiade* Fulgentius ibv. ifv. — Plüiius d. Altere 23r. — Plinius d. Jüngere 
I4r, i8r. 24^ — Platoo, Joh, de 43r- — Piatina Bap. 41*. l8\\ — Plato I3r. 

— Plutarch löv. iir. ty. i8r. 2ir. — Pogius iQr. — Polttianus (PolimnoJ 
Angelus 8r. i6v. 2ir. !7r< 24V. — Polittts Lancilotus Sencnsis 43r. 45V. — 
Pollio Symphorian 28v_ — Pollio Trcbellus 13V. — Pomeranus (Bugenhagen) 
Joh. IT. 2ir. — Pomeranus Julian, Bisch, v. Toledo 7V. — Pomponio Leto 13V« 

— Pomponio Mela !4r. — Pontanus Joh. a | 7V. iov. 20t. 29V. 31V. 32V. — 
Pomhuhus, Joh. Francisc. 48V- — Porcellinus Franctsc. 45V. — Porcellu*. 
M. Grunnius Cnrocotta iov. — Potho D. Presbyter Prumiensis 7V. — Probus 
Aemilius 25V, — Proclus t Bisch, v. Armenien I4r. i6v. 191". — Procopius 
Caesariensis 17V. — Propcrz 3r. 4r. — Pnidcnlius Aurel. 6r. 8t. 2$r, — 
Purliliaruin Ja. Comes (Jakob v. Parctal 7v. — Ptolemaeus Claudius i6v. 
i?r. — Pyrrhus Joh, Angletereneus 48r. — Pythagoras *v*). 

Quiniilian nr. Igr« 

Rabanus Maunis") JT. 34V. — Kadenicus v. Freising (Theolog) 15V. — 
Randcus Joh. 46V. — Ravcmatis Peter 251« — Ravisitis (Tixier) Joh. ur. 
I7r. — Regius (Rhegius) Raphacl 3Jr. — Rhegius l'tbanus") 31V. — Reg- 

') Über Spiegels Verhältnis zu Peutinger vgl. Knod. J. Sp. i- Teil S. 28. 

— T ) In Briefwechsel mit Spiegel, vgl. Knod, J. Sp. I. Teil S. 24; 2- Teil 
S. 2t. — :t ) über das Verhältnis des Schleitstadter Humanislenkrcises zu Pon- 
tanus vgl. Knod. J. Spiegel !. Teil S. 24 f. — 4 ) Bl. ?\\: Poemata Pythagont' 
6: Phocylidis Gi^ca cum duplici interpretaiione Viti Amerbachii. — Ä ) Spi^el 
empfiehlt die Lektüre Rabans in seinem Kommentar zu Reuchlins Scmica 
progymnasmata (vgl. Knod. a. a. O- 2» Teil S. 11). — w ) Spiegel erwirkte 
Rhegius die DichterkrOnung bei Maximilian (Knod a, a. O. 1. Teil S. 30). 



'OOglc rßiHaio^JHivtn^iv 



Die Bibliothek Jakob Spiegels* q^ 

nandus Job. 48r. — Remnius, Palarino]i <j. 2v. nv. — Kcuchlin Job. 3V, 
7r. i8v, 26r. 28r, 29 v. — Reves, Michael v. Arragon. 7v. — Rhenanu* 
Beatus I2r. 15V. i?r. — Riccius BarthoL Lugicnsis 3or. — Rilius Michael 1 Ir. 33r. 

— Ritius Paul 1 ) 5*v. jr* 20v. — Rivallius, Aymarus Jurist) 6r. — Rivius Job. 
qr. 27r, — Rodulphis (Ridolfi), Laurcntius de 4?r, — Rogerius 46r*)« — 
Rolancünus Bononicnsis 4&r. — Kosatus Albericus 43 v - — Roscllis» AnLon 
ile 45W — Ruellius Job. (Media.) f 31* — Rufianus Julius 8v. — Kupertus 
Tuicensis (Theolog) lor. — Rusticus. Diacon. 14V. — Rvd, Vkl- Anselm 1 5r. 

S;il>cllicus, Marc. Am. 13V. 17V. 191 1 . — Sabinus 6t. 9V. — Sidoleto 
Jakob $\\ fr. 2$v, 3;r, — Salicetus BartoK 451-. — Sallust Q- 5V. — Salo- 
monius Marius 19^ 4m — Salöniiis» Vicnna Galliamm Eps. 24V. 3 fr. — 
Salvianus, Massyliensis Ej>s, 36r. — Samonicus, Q. Serenus 2v. — Sapidus 
(Witz) JoIl 4i\ 4Vp 2yv. — Sardianus, t). Oribasius i8r. — Sardus Ludovtc 48V. 
Sauromanus Gcorgius 3«. — Schatzger (Sasgerus) Kaspar 291% — Schenck 
Jakob J8v. — Schwenckfeldt Kaspar 3ir, — Sebasiianus Rubeaquensis 20v. 2.jr* 

— Sednlius Scottus 37V* — Sclva, Job. de 47V. — Scneca I2r. I3r* 34r. — 
Sexlus Rufus 28v. — Sichardt Joh. 8v. — Stculus Diodoms 14^ i8r. — 
Sigebert v. Gcmhloux 301*. — Sillius Italiens 34^ — Sixtus Pythagoraeus 2ir. 

— Sobius Jacob 25*. — Sophokles I2r. 23^ — Soranns v, Ephesus t8r. ■ — 
Spartianus 13V. — Spiegel Jakob 20V. 23^ 25V, 28r. 29V* 3m 31V, 32r. 34r. 
40r. — Statins S T * 34 r — St-Bttlcrjoh* V. Justingen 17V- — Straho (Geograph^ 
15V. — Slrebeius Jakob 26\\ — Stromer Henricus 3 ) 22v. — Sturm Job. 4r. 
6v. 7r. 9v. 23r. 24V. jiv» — Suetonius Tranquillus 13W — Sulpicius 32V, — 
Susaria, Quido de, Mantuanus 45 r - — Sydelius Mauritius 3^ v< — Sylvanus 
LfUdus 4lv. — Sylvius Aeneas (Pius IL) 4V. 20v. 23r. 38r, — Syncerus Actius 2r. 

— Syncsius Eucharius 41* 

Tacitus CorneL ior, 15V. 3 1 r- — Tacuinus. Mcdicus de Baldath i6\\ 
Terentius P- 3r. lor. 34r- 34V. — Terlullian 36r. — Teutonicus Hcrmannus 
46r. — Thcmistius Pcri|>atcticu5 28r. — Theocralus 6r- — Theodoricus ä 
Xiem 38r *). — Theodoritus, Eps. Cyrensis 37V. — Theodosianus 40T* (Codex) 

— Thcophtlaci, Erzbisch, w Bulganen 3.81. — Thcophilus, Biscb. », Alexandr 
I4r. — Thimoieus. Bischof i4r. — Thomas Hubert 31, — Thom^us, Nikolaus 
Leonicus 20r- — Thucydides i8v. — Thylesius Anton, 30r. — Tibullus 3r- 
34r- — Tiphcrnas, P. Grcgorius 32V. — Torite Michael 4r : '). — Trapezuntius 
Georg 8v. gr. — Tritemius, Abt v. Spanheini (!) 241*1 27V. 28r< — Tyn- 
darus 45 r. 

Ul>aldi, Nikolaus de 47V. — Ubaldi, Petrus de f8n — Urbiais 
Aggcnus 4OV. 



l ) Ritius. der Leibatzt Maximilians* war mit Spiegel befreundet; s* Knod 
a, a. O, 2 T S. 18. — 2 ) BL 46r.: Rogerii Summa de diversis prafscripttoni- 
bus, — 3 ) Stromer gehörte zu Spiegels Freunden; vgl. Knod, J. Spiegel I.Teil 
S« 32, — 4 ) BL 38r. Theodoricus Ä Niem de Schismate, quod in ecclesia 
Romana inier Urbanum papam & dementem Antipapam eorumque successorcs 
duravit. Libri trea. — '*) Qucrcla anscris vcl de ingratitudine bominuin* Klcgia 
autore Michacio Torilc RhoMtCO* 



rW 'S"* rfiiHaicwuHivficnv 



9 6 



Sem ler* 



Vadian Joach* 1 ) I4r. iqr. 381-* — Valeriana Jo. Picrio 4V. 34t, — Valla 
Georg 6v. 26v. — Valla Laurentius ßr. 4t. 5V. ior. i$r. i8r. 28r. — Valla 
Nikolaus 2iv. — Valturiu* Robert 13V. — Vano, M. Tercntius i6r< l6n — 
Vcgctius Flavius 25V* — Vegius Mapheus (Vegio Maffco) 28r. — Ver^ilius 
R Maro 6v- ?v- 2Ör. 32r. 341*- — Vergilius Polydona 13V- i6r. — Victor» 
Bischof I4r* — Victor, Sex. Atirelhis Ijv. — Victorimis Marius I4r- — Vida, 
Hieron. von 2r. 6v. — Vigilius, Bisch, v. Trient 7r. — Vignattus Ambrosius 
44V, — Vincemius Liriensis 1 4r* — Vio, Thomas de, Papicnsis (Cajetan) 45V. 
— Vitatinis Ronifacius de 431; — Vilalis Nemanscnsis 45r. — Vives, Joh. 
Ludwig 6v. yr. 8r. (ir. izr. 2ir. 25r. 38V. — Volaterraneo (Maffei) Raphael 
3r. 13V. — Vopiscus Fl. 13V. — Vuleatius Gallicanus I3Y, 

WTeißenburger Wolfgang 14V, — Wimpfcling Jakob 30 v. 3 m — Wilzcl 
Georg 4V. 5V. 24r. 29V. $it. 31V, 32r. Wolff Thomas» d. Jung. 22r, 

Xenophon <)t. 13V. l6v. 

Zacharias, Bisch. v. Chrysopolitan. 38V. — Zahclis ljf% — Zasius 
Ulrich 29V- 3iv. 4or. 40V. 4 ir. 41V, 47V. — Ziegler, Jakob von Landau 8v. 
J4V. — Ziraldo (Giraldo) Gregorius 25r, — Zmaragdus (Smaragdus) 3?r. — 
Zovitius Jakob 4r. — Zwtchenms Viglius, Phrisius 40V. — - Zwingli 8v. 28v. 371-. 

Ich Jacobus Spiegel! der rechten doctor, romischer keyserlichcr 
unnd königlicher meyestaten, auch der chur fürstlichen pfaltz und des 
hochwürdigen fürslcn unnd Herren, Herrn Eraßmen bestetigten der 

stifft Strasburg unnd lanndtgraven zu Elsas rathe, bekenne offennt- 

lich unnd thun kund menigklich mit disem brieff. Nachdem gemelter 
mein gnediger Herr von Strasburg verschincr Zeit mir gegen der 
freyhen übergäbe aller meiner büecher, die ich zu besserung seiner 
fürstlichen gnaden liberey bey deren hofwesen zu Zabern seinen 
fürstlichen gnaden, deren nachkomen unnd stifft Strasburg zu rechtem 
eigenthumb gethon, ein Fuder wysses weins jertich zu leibgeding 
mein leben lang zuhaben und zumessen von seiner fürstlichen 
gnaden weinen volgen zulassen verschriben, mir auch dasselbig 
ye seithere jerlich reichen lassen hatt, das nun mer sein fürstlich 
gnad, uff mein underthenig fleissig bith, mir zu sonndern gnaden 
unnd der jetzigen meiner eelichen lieben hußfrauwen zu nutz unnd 
guten, damit sie kunfftiglich ob sie meinen tod überleben wurde» 
meinthalben auch etwas zumessen habe, das obberuert fuder weins 
verschribenes leibgedings geanndert unnd mich mit derselben mener 
eelichen hußfrauwen für sein fürstlich gnad unnd deren nachkomen, 
berurter ubergebner buecher Halben dermassen begnadet hatt. das 
sein fürstlich gnad unnd deren nachkomen fürterhin an statt 
desselben fuder weins, so lang ich im leben bleib, unns beden 
jerlich zu Herpstszeit ein halb fuder weins unnd sechs firtel kornns, 
halb rocken halb weyssen, von irer fürstlichen gnaden weinen und 



1 Vadian war mit Spiegel befreundet; s* Knod, J. Spiegel 1. Teil S, 23. 
— *) BL Ijfi Zahelis Arabis De electionibus; über unus. 



FNH(tTtfJII!llir(IHirr 



Viv HiMioihck Jakob Spiegels, gy 

fruchten des ampts Epffich geben lassen soll unnd welle, das zu 
nechstvolgcnndcm herpst anfallen titnul geschehen soll. Damit auch 
ich und mein hußfrauw obberurts einen fuder weins vermugt sein 
sollen, mit der weitem begnadigung, wann ich Jambus Spiegel! 
doctor obgenaut nach dem willen gottes alhnechtigen von tods 
wegen abganngen bin, das sein fürstlich gnad unnd deren nach* 
kamen alßdann derselben meiner michgclaßncn wittibeu ir lebenn- 
lang einen vicrling weins unnd sechs ficrU-l obherurls kornns, auch 
ir Icbennlang zu rechten leibgeding von gedachten iren fürstlichen 
gnaden ampt Kpffich geben unnd volgen lassen sollen unnd wellen. 
Wann aber dieseib mein nachgelaßue wilüb nach dem willen gottes 
allmechtigcn auch tods verscheiden ist. alßilann Soll dasselbig ir 
leipgeding auch tod t ab unnd berurt ampt Kpffich desselben weilter 
niemant pflichtig sein one alle widderred ußzüg unnd geverde, wie 
ich dan sollichs für mich unnd mergidachte mein eelichc hußfrauw 
zu underlhenigirm Dannck angmomen unnd seinen fürstlichen 
gnaden darüber disen meinen rcvcrßbrief, mich unnd mein huß- 
frauw obgeschribner ding damit vestigklich zubesagen mit meinein 
anhanngenden innsigel bcsigelt geben habe. Am montag nach dein 
sonntag Invocavjt als man zeit nach der gepurt Christi unnsers 
lieben herren fünfzehnhundert vierzig unnd sechs jare. 

Sftasstmrf*. He:, Anh. G 952, (i6) /fc/y. t$^6 Afirrs 15. 



Wudu. f. «Sncli. <1. Obcirh. N.F- XXXII. r. 



«te mSSSm\ 



Die zeitgeschichtlichen Aufzeichnungen 
des Propstes Norbert Hodapp von Allerheiligen 

(1640— 1653). 

Von 

Hermann Baier, 



Die Handschrift 1193 des Karlsruher General- Landes- 
archivs enthält u. a. aus dum Xachlass Kridegar Moncs für 
die Veröffentlichung in der Quellcnsammlung der badischen 
Landesgeschichte bestimmte Aufzeichnungen des Propstes 
Norbert Hodapp von Allerheiligen im Schwarzwald aus den 
Jahren 1640— 1653. Das Original ist verloren. Zumindest 
liegt es nicht mehr in Xussbach bei Oberkirch, wo es sich 
früher befand und im Archiv des Erzbischöflichen Ordi- 
nariats in Kreiburg, wohin es mit dem Xachlass des Pfarrers 
Haid, der es kannte, gekommen sein könnte. Für die 
Quellenkritik ist das zu bedauern. Denn wenn man das 
Original nicht gesehen hat, ist es nicht ganz einfach zu 
sagen, wie Hodapps Aufzeichnungen entstanden sind. Man 
wird wohl der Wahrheit am nächsten kommen, wenn man 
annimmt, er habe das Tagebuch, das er wie so mancher 
andere Klostervorsieher führte, nachträglich überarbeitet, 
aber nicht alle in Aussicht genommenen Ergänzungen nach- 
getragen '). Auch Widersprüche, wie den bezüglich der 
Ankunft von 200 schwedischen Reitern in Oppenau am ia. 
bezw. 20. März 164,5, nat ( ' r nicht beseitigt. 



'j Z. B. zum Jabre 1641 : NB quo die per mc templum Oberkuchense 
reconcitiatum et |M>icstas a vicario generali data ailscrilxilur. Manchmal konnte 
ci sclb>l die I - est Stellung" n nicht mehr machen; vgl. Rückkehr am 4. oder 
.5 Juli 164J. 



pgk 



rwnaKH«u¥B)an 



Aufzeichnungen des Propstes Hodapp von Allerheiligen* qq 

Der Wert der Aufzeichnungen wird übrigens durch 
den Verlust der Urschrift in keiner Weise beeinträchtigt. 
Unsere Kenntnisse über die Kriegsereignisse in der Ortenau 
erfahren eine recht dankenswerte Ergänzung, und es ist 
sehr zu bedauern, dass die Mitteilungen für die Jahre 1646 
— 1650 nicht erhalten sind. Soweit eine Nachprüfung mög* 
lieh ist, darf unsere Quelle fast überall Glaubwürdigkeit 
beanspruchen, auch bei Nachrichten, die Hodapp nur vom 
Hörensagen kannte. Die falsche Nachricht bezüglich der 
Einnahme von Überlingen im Jahre 1643 bildet eine Aus- 
nahme. Die unrichtige Meldung bezüglich der Schlacht bei 
Allerheim findet ihre Entschuldigung in den eigentümlichen 
Umständen, unter denen dieser Kampf entschieden wurde 
und über die man sich natürlich allerlei herumerzählte« Im 
übrigen fügte er ja selbst bei: Qui vult eredere, credat. 
Dass bei dem bösen Ilagel wetter in Ochsenhausen im August 
1642 keine zentnerschweren Eisstücke fielen, hätte er nicht 
als unwahrscheinlich hinzustellen brauchen. 

Der Verfasser, F. Norbert Hodapp aus dem Kappcl- 
rodecker Tal, wurde am 21. Januar 1640 cum aliquali con- 
troversia conventus zum Propst von Allerheiligen gewählt. 
In dieser Eigenschaft hat er sich um sein Kloster nicht 
unbedeutende Verdienste erworben. Wie genau er es mit 
seinen Amtspflichten nahm, dafür liefern seine eigenen Auf- 
zeichnungen mancherlei Belege. Gleich nach seiner Wahl 
begann er t die wichtigeren Urkunden abschreiben und die 
Abschriften notariell beglaubigen zu lassen, damit die Rechts- 
titel in den Wirren des Krieges nicht verloren gehen sollten '). 
Voll des Lobes über ihn ist der nachmalige Prior Gottfried 
Kistner, der Verfasser ähnlich gearteter Aufzeichnungen. 
Die wichtigsten Bemerkungen über Hodapp seien auch hier 
mitgeteilt: »Monastcriuin tarnen per tot um id lempus-) vix 
uno vel altero die religiosis et eultu divino, mililibus licet 
actualiter depraedantibus, destitutum fuit. Ipse vero domnus 
praepositus mala liaec pleraque mira patientia deglutiens 
militarem furorem in sc suosque plus quam solita humanitate 



') Die Kopialhiicher 6 und 7 des tioncriil-l*andcsarcliiv$, beglaubigt 1641 
und 1042. - - *) des Krieges. 



'Ooglc rciHatcfluHivw 



100 Baier- 

et amicabili VllltUS scrcnitatc, quibus so omnibus gratum et 
amabilom reddebat. dcmulcens, tcrriculamenta et insultus 
hostilcs et non ran> gravcs officialium militarium invasiones 
a domo avcrtit eamquc saepius haucl dubie certo perituram 
et demolicndam conscrvavit, 

Conventum et hie in Lautonbach iransfcrrc cogitabat 1 ), 
haljitacula varia ibi iam disponeas, sed etiam hie conatus 
Ut prior-)» Deo sie disponentc, in cassnm rediit ■. 

Ober sein Knde berichtet Kistner wie folgt: * Kodein 
anno circa fest um Tri um regum dorn, Xorl>ertus praepo- 
situs vuliuis seu defhixionem venenosam aeeepit in pollicG 
sinistrae manus, quac paulatim per brachium ad humerum, 
demum ad interiora corporis, variis remediis nil iuvantibus, 
sc retrahens, (andern consummatum in brevi. explentem autem 
tempora mulia morbus sensim mgravesecns calorc interno 
extostum 14. Augusti. pridie Assumptionis bcatissimae Vir- 
ginis circa modiam noetem plane extinxit. Cultor fuit insignis 
divae Yirginis, unde et profesto eiusdem Iriumphali hinc 
evocari moruit. Castitatis et justitiac propugnator fuit acer- 
rinuis, invietae patientiae et passionum suarum singularis 
dominus. Obiit valde pie sacramentis ecelesiae omnibus cum 
sensibus integris bene munitus in monastorio. cubiculo et 
lectica iisdem, quibus domnus suus praedecessor sepultusque 
in choro ad gradus presbyterii magno cum planet u tarn 
internorum quam externorum ad exequias convolantium. 

Man sieht daraus, dass Hodapps Aufzeichnungen 
gerade mit dem Beginn seiner Erkrankung ein Ende 

nehmen. 



') Vgl, dazu Hodipps Nachricht mm 3. Juni 1642. — *| Unter üiliren- 
tili« Schefficr, der chic Wrleguny mich Oberkirch betrieb. 



filÄ 



Aufzeichnungen d« Projwtes IbKlapp von Allerheiligen. iqi 



Annus domini 1640. 

A. d. 1639 die 2. mensis Octobris hora - - -V Laurentius 
Seheffier, ecclesiae Omnium Sanctoruni praepositus, morilur. 1640 
rligitur die 21. Januarii in praeposilum F. Norbertus Hodapp ex 
Valle Caplcnsi. Hoc anno multum est divexatum monasterium 
Omnium Sanctoruni a militibus latione conlribulionis. Invidia 
nempe ofßcialium civitatis -j est factum, ut in notidain commissa- 
rinftim venerimus, quibus :s j prius ineognili fucramus. 

1641. 

1. Januarii haben ihr Winterquartier in Übcrkircbcr ampt be- 
kommen die EdelstetlisdieiHj, aber >ie hnbens nit lang behalten, 
sonder ist gleich darauf Ii. Obiisl von Srhawenburg*) zuegeaignet 
woulen, weither sein companey zu pferdt darin gelegt und dem 
rittmaister , . , H ) 

Hoc inense empta est matcria xue einem rotten ornat pro 
circa 400 fl. et amplius. Im December ist er ausgemacht worden. 

1 7, Fcbruarii obsessa est civilas Oberkirehensis 7 ) von h, 
< »bristen Leilenandt von Kosen et ha cinela, ut nulli amplius 
patucrit exitus. Et cum lunc icittporis archipraefectuS von Wangen 
abfuerit, qui s j egerat viecs eines Gommendanlen, factum est, daz 

keiner nichts lüit wollen ihon vnd anordnen, in niinam oppidi. 

18- Fcbruarii advenit baro d'Oysonville'j mit seinem fucs- 
voickli vnd hat die slat von seinen Musquetieren salutieren lassen. 

1 9. Fcbruarii OCCUpata est vi civitas ' *berkirchensis t als der 
feindt zuvor suimno mane circa medium primae angefangen fewr- 
kuglen von circa 30 fl* in die statt zu werften, die statt zu vnder- 
schidlichen mahlen auffgefurdert; diu weil ihm aber schlechte ant- 
wort worden in abwesen des eotmnendanten, hat er circa medium 
septimae anfangen hissen lermen blasen vnd schlagen, ein um circa 
beschießen vnd in vnderschid liehen orten nnhiuffcn vnd stürmen, 
die vormaur, wiewolil mit /.unliebem vertust (nam 50 circa ohiissc 
dieuntur von dein feindt) be>tigen vnd dieweil bev der obern 
porten daz kleine ihütlin nit zugemacht vnd die fallbruckh in der 
confusion nit aufifczosfen worden, ist freindt vnd feindt, bürget 
vnd Soldaten mit einander herein geluffen , . . w ) eives sunt occisi, 

'( Die Angabe der Todesstunde fehlt. — *) Oherkirch. — *| Hs. qoi. 
— *) Oberst Hans Jakob von ffdlinstctten* Führer eines bayrischen Regiments 
zn Ftiss, — *) Etwa der in Hand II S. 97 der Inventarc des Grossh. Bad. 
GcncrnM-andcsarchivs genannte Oberst von Schsiucnhiirg? — ,; ) Lücke. — 
*| Vgl. Thcatruni Kurn[>aeiim 4, 3>4* ^* handelt sich um Volmar von Rose», 
nicht um den Obetsten Reinhold von Rosen. — *j Hs. quod, — u t Baron 
d'Oisonville* Stellvertreter des Generals Kilach. — "*) Die Zahlenangaben 
fehler». 



'OOgle rßiHaio^JHivtn^iv 



* 



102 Baier. 

item servi . . ., ruslici . . ., milites . . ,, multi vulneraii. Der ritt- 
maister, laittenant, conict etc. seindt gefangen worden. Der stürm 
hat ohngefehr ein stund gewehrt. Darauff ist daz blindem angangen. 
In templo ipso duo sunt occisi t in caemitcrio unus. Ablatum est 
vencrabile, calices, casulae et caetera omamenta. Wie der stürm 
angangen, bin ich mit 3 fratribus vnd vilem volckh der statt in 
die kirch gangen. Als aber die Soldaten angefangen an die ihüren 
zu schlagen» exiens cum fratribus ineidi in manus des rittmaisters 
Plassen, qui spopondit sc nos omnes cum monasterio defensurum 
pro 100 ducatis. Accepit ipse quidem, sed partim effecit. Eo 
ipso die hat daz kloster viel burger aus der Soldaten banden er- 
löset mit gelt, qui vcl fuissent gravitcr ab iisdem laesi vel occisi etc. 
Omnia pecora et equi civitatis seindt genommen worden, aus dem 
kloster 3 pferdt vnd circa 30 stuckh kühe. 

20. Februarii hat man alle fruchten vnd wein aufgeschriben 
vnd zwar den haber gar, von andern fruchten aber vnd dem wein 
alzeit 2 theil genommen, den dritten theil gelassen. 

21. Februarii hab ich aus mitleiden den burgein an der 
brandschatzung 60 fl. hergebe« cum protestatione, rät in praeju- 
dicium zu zihen. 

24, Februarii abicre fratres Theohaldus, , Chrystophorus et 
Norburtus. 

Iisdem diebus als die Schwedische Commissarii dem ampt 
die contribution angelegt vnd begert zu wissen, was das klostur 
würdtc geben, respondi, wir seyen exempt vnd haben niemahl 
contribuiert; eoque responso fuere contenti vnd haben nichts mehr 
von vns begert. 

Iiis etiam diebus ist ein Schwedischer ritlmaister N. Scharpff 
in das kloster einquartiert worden mit seinen pferden vnd dienern. 
Das gottshaus ist aber weder ihm noch den seinigen etwas schuldig 
gewesen zu geben als auf guetwillikeit. Fuit homo bonus. affa- 
bilis vnd hat dem gottshaus vil mehr genutzt als geschadt. 

26. Februarii abiit F. Mathias in Ottersdorf 1 ) in den Riet- 
dnrfern, parochus ibidem ordinatus. His diebus haben die hacre- 
tici ihre falschen hertzen vns genurgsam erzeigt, denn als wir ver- 
meinten, ein luterischer edelmann zu Strasburg were vnscr bester 
freindt, würdtc auch, si opus, ellich lausend gülden für vns bürg 
werden vnd bezahlen, hat er tut allein, als wir ihn angesprochen, 
solches nit gethon, sonder auch bey h. Christen leitenandt Rosa 
durch ein verbitterts vnd etc. schreiben das gottshaus gar noch in 
die grOste gefahr gebracht, wan nit andere itas beste darzue geredt. 

In festo Pascae abiit obrister I. Rosa cum suis equilibus, ab- 
dueto secum domino de Wangen et schultcto. 

Feria quaita Paschae Sueci mercedem temeritatis suae con- 
dignam aeeeperunt, natu deo volente factum, ui isti violatorcs 



l ) Ottcrsdoif Ba. Rastatt. 



►gl* iwSwww: 



Aufzeichnungen des Propstes Hodapp von Allerheiligen. jq* 

templi nostri bey Steinbach, Bühel vnd Otterschweyer a genera- 
lissimo supremo vigiliarum duce Gildehas partim caesi, fugati, 
partim capti (inter quos O. L Rosa) tanto terrorc smt perculsi, ut 
audtto nomine Gildehas de fuga eogitare coeperint l ) r 

Mail. Hoc mensc ac Julio ist dem Maurer das gewelb im 
CreitzgaDge zu ernewren, den dohten im Creitzgärtlin auffzuthon, 
das gewelb in den kirchen sm machen, wo es eingefallen, die kirch 
gantz zu weissen, den thurm /u bestechen vnd weissen etc. pro 
151 fl. 5 ß, 20 Sester körn, 5 Ohmen wein verdingt worden. 
Die stein vnd kalch haben die bauren von Cappel gralis darzuc 
von Lauff herauff gefQhert. 

Hoc endem anno seindt den zimmerleiten vnd deckhern 
vnderschidliche Sachen verdingt vnd gemacht worden, ut videre 
est im verding regisler. 

Hoc tempore pluribus etiam rusticis indicla est lis ralione 
deeimarum. Item antiquam cum incolis Turbacheusibus resusc i- 
tavimus hoc anno pmpter nimiam msticorum fraudulenttam» 

NB quo die per me templum Oberktrchensc rccnncilialum et 
potestas a vicario generali dala adscribatur-}* 

Augustus. Hoc mense milites adversarii Oppido nostro et 
incolis interitum minitabantur, sed adventu generalis magistri vigi- 
liarum Aegydii de Has :t ), qui tunc in aeidulis l ) morabatur, fugali 
ad munitioncs suas redierunt. Equilcs Gildehasii quartcria in valle, 
civitate Oppenaw, Lautenbach" 1 ), Saspachwalden et Cappel obti- 
nuerunt. 

30. Augusti. Capitaneus Amhstaadt cum suis peditihus abüt 
ex Oberkirch ante meridiem. Vir fuit placidus, procerus etc. t civibus 
gratus. In eius locum successit der obristwachtmaister Moneta, 
ein welsch, mit seinen Tragonem, homo fcetricus, hat mit den 
scinigen dem stellin den garaus gemacht. 

I, Septembris partim abfuit, quin conflagraret monasterium 
Omnium Sanctorum propter longain commissarii absentiam flamma 
iam tectum ex asseribus devorantc. 

13, Octobris. Generalis Ilildehas cum suis militibus ex man- 
dato caesarco abüt Rotwilam versus ad cxpugnandam arcem 
Höhenwiel relicto Oberstenwachtmeister N. Moneta mit seinen 
Iragoriern vnd leiten zu fucs t circa 200 mann. 

17, h uius ist herrn obristen von Schawenburg d;is Quartier 
in Oberkirch genommen worden vnd seine Soldaten hinweg ver- 
reiset. 

') Vgl. Theairum ICuropaeum 4, 574. Ober Gil de Hui oder de Hacs 

vgl. Geschichte des Bayerischen Heeres, ht-ratisgug. vom K. I*. Kriegsarchiv 

BtL 1. — *) Im Ms, folgt die JahresUberschiifi 1641. — *) (iil de Haes. — 
*) In einem der, Rcnchtalbilder? — *) Ils. Lauterbach, 



mwÄÄ 



104 



Baier. 



ig. Octobris hat der h. Prälat von Alpirspaeh ! ) den zelten- 
den von seinem reehguet, die Lugdtc-) genant, gar nit mer wollen 
gehen, sed pm tu:.: nihil effecit, deriinam nempe partum abstu- 
limus religioso ipsius p. Vinccnüo netjuiequam *'j redamantc. Eo 
ipso die hat herr capitän Horde gcmeltem h. prfllaten 4 pferdt 
sampt wagen vnd wein in arrest genommen wegen einer geltschuld 
vnd nach Offenburg röhren lassen. 

Hoc anno et mense Octobris als man ein reichlichen herbst 
erwartet, seindt cüich reiffen gefallen, welche sehr grossen schaden 
in den reeben gethon vnd hefte man 4 oder 5 tag bälder ange- 
fangen zu herbsten, so war man dem reiffen mit dem wein ent- 
rannen, 

Hoc mense haben etliche aus der burgersdiaft, welche bisher 
nur den 12. oder 13. ohmen Zehend wein geben, angefangen» in 
WoUfhag *| vnd anderswo den 10. tlieil zu geben. Item seind 
bishero vnscre zehendtknecht so liederlich gewesen, daz sie von 
5 ohmen nühis für den zehenden begert; aber dieses jähr hatts 
man begert vnd ist, wiewohl von etlichen schwerlich, der halb 
ohmen geliefert worden. 

1642. 

1 Jan. Hoc mense ist general Lambov von den Wein manschen 
totalitär ruiniert worden'). Ob quam causam seindt wir in «rosser 
gefahr des feindts gewesen» sed ex Ins omnibns lihcravit nos 
dominus, 

Febr. Hoc mense acccpimus a serenissimo nostro Leopoldo 
Wilhelme*) ein getruckhte salvaquardi. 

Item hoc mense ab eodem acccpimus mandatum ratione 
deeimarum dandarum in Fiistenberkg 7 ). 

Eligitnr p. Michael Rümmelin in archipresbvterum. 

Marl. Hoc mense Facta est conunutatio unius iugeri auff 
der Altstatt et parvi horti vor der obern porten. 

Hoc mense <limisi ludimodcratorem, hominem saecularetri, 
quem scholae monasterii 5 septimanis praefeecram, id eo, dieweil 
solcher nit lauglich pro iuventute monasterii dorenda et educanda. 
Caveat quilibet a sunilibus, dan sie vfl vnd grosse vngelegenheitcn 
verursachen, nisi mature prospiciatur. 

') Bencdiktinerkloster im Oa< Oberndorf. — *) Luiden im Zinken Wolf- 
hag Gemeinde Oborkiich. — :i i Hs. nec[iiicquam. — *) Wolfliag, Zinken iu 
< iemeinde Oherkirch. — "i Niederlage der Kaiserlichen unter I -uml>oy hei 
Kempen um 17. Januar 1O42. — "/ Bischof von Suassburg. — 7 ) Fflrsiencck 
Gemeinde BuUCbbach? Am 26- M3r/ 1642 überlassen Vizekanzler und Kate 
des Bistums Strasburg der Abtei Allerheiligen den völligen Zehnten auf dem zum 
Schloss Fürstcueck gehörigen Kcl>guie anstatt des bisher bezogenen Dreißigsten* 
Orig. Karlsruhe. U. A. Allerheiligen, 



C iooglc mSStSS» 1 . 



Ausdehnungen des Propstes Hodapp von Allcrheili^ 



cik 



IQ 



Hoc mense aeeepimus eine schriftliche salvaquardi von Ihre 
kOnigb Majest aus Franckreich, id eo, dicu-eil h, cardinal Richelieu 
abbas Praemonstratensis matiirfs ccclcsiac ist, hat er eine in truckh 
lassen aus^ehn für alle klösler des Ordens, sie ligen, wo sie wollen, 
damit sie mit von Frantzosen, Schweden elc. sollen vexiert werden. 
Diese ist vns schriftlich durch den kfinigl. residenten zu Stras- 
burg inilgetheilt worden, dergestalt daz doch da» gottshaus ihnen 
keinen haller nit hat derfen eoniribuicren, wie andere ohrt vm\ 
stund, welche sich gegen Franckreich vnd den Schweden aecom- 
modiert, haben thon müssen. 

Hoc mense misi p. priorem ad slatthallcrum Badensein rattone 
parochiae Rbcrsw[evcr] et Turbach, damit er etwas hergehe, einen 
pfarrherren dorten zue erhalten. Annuit ipsc valcle libenier vnd 
hat versprachen zu geben, was er vor disem abgeredl, neinlich 
12 Dalcr, i Fuder wein etc. 

Marl. Hoc mense in ordinem SUSCipi petierunt ChristOphotUS 
Kistner et Joannes Lang, 

April. Hoc mense p. T Christophorus Herum praefteitur 

parochiae Eberswever. 

Hoc mense et piacccdenti didici nun nimium omnibus et 
omnium rcruin monasterii diligentem curam habeudam nee non 
in alumnorum monasterii innres et vitam sedulo atlendendam, ne, 
dum minima SUSpicio est, per cos pauperlas nostra pauperior 
reddatur» 

5, huius haben die bischöff liehe rat aus anstiftung etlicher 
aus dem gcricht Oppenaw von etlichen zue dem gottshaus er- 
kauften güelcru, so dozumahl noch keine maver gehabt, die bebt 
begert. Vis aeeipient oboluni, 

1. Mail Oberkirchenses processionaliter iverunt ad monastorium 
Omnium Sanctnrum magna frefjueniia populi. 

18. Maii sacrum habitum nostram aeeeperunt ff. Christophorus 
Kistner et Joannes Lang. 

Item Ins diebus dem Vogts Martin ein haus abkauft pro 
35 fl M 1 ohm wein pro villico in Lautenbach, 

25. Maü misi r. [d.l visitatoii acta translalionis monasterii. 

2.4* Iiuius fuit circa horam noctis decimam grandis tempestas, 
welches gar vil grund aus den reben gefletzet, 

5. Junii aeeepi a r, d. visitalore facultatem transferendi muna- 
steriuin e sylvis in Lautenbach seeundo ciusdem (?) datam» 

1 7. huius ad monasterium venit studiorum causa h. capitens 
Fieggenbachs solin von Offenburg. Soll geben jarlich 30 fl., 6 frtl. 
körn oder waitzen, liechter vnd holtzmacherlohn absonderlich be- 
zahlen, leilachen vnd zieehen aigen haben, pro lectO jarlich 2 kelch- 
düechlin oder sonst etwas in die kirch machen lassen, 

10. Julii capitularibus ab omnibus conclusum est, daz ietzund 
jarlich festum s. p. Norberti im kl oster vnd auch post translationein 



■ nogk fm.Vi u\mm' 



106 Baier. 

zu Lautenbach a fratribus et servis fevrlich gehalten werde, non 
anicm in Oberkirch et villts. 

12. JuK F. Augustinus ludimoderator constituitur. 

18- Aug. His dicbus cum parochus 1 ) infidelitatem 2 ) cuius- 
dam ruslici in decimis dandis arguisset, hat der baur nientiendo 
sich vnderstanden, die ganlz gemein zu klagen aufzuwiegen ; seindt 
auch ctlich fyr ampt kommen vnd ein supplication an die herren 
rliht lassen deswegen machen; sed haec illorum iniquitas aperuit 
viam aequitati; dan darauf ein baur des andern betrug in zehendt 
geben angefangen zu offenbaren, sonderlich in Ötspach 8 ), in welchem 
ort erfahren worden, daß der zehendtknecht nit getrew gewesen 
vnd loco deeimae vix vigesimam partem genommen vnd bekommen 
vnd doch darzue still geschwigen, ne offenderet rusticos. Imn alii 
dixerunt, der zehendtknecht selbsten hab sehr betrogen vnd nit 
gelifert, was er von andern empfangen. NB. die zehendtknecht 
sollen beeidiget werden singulis annis. 

27. Aug. venerum Sueci in die Marggrafschaft vnd 28. huius 
haben sie Baden vnd Gemsbach*} ausgehlindert, lisdem diebus 
ipsc prineeps Badensis bey dem B , . , 3 ) 

2 1. Aug, fuit horrenda tempestas in monasterio Omuium 
Sandorum ex Oppenaw circa horam septitnam vespertinam. Hat 
stein geben wie hennen ayer, auch grösser bis auf zwey pfundt. 
Hat im kloster, Oppenaw vnd andern oiten grossen schaden an 
sommer fruchten gethon. In Suevia zu Ochsenhausen sollen die 
geringsten stein 4 fl* vnd etlich 1 Centner schwer gewesen sein, 
Non videtur verum, 

11. Sept. seindt circa too reiter von general Mercy durch 
Oberkirch über den wald hinaus gezogen vnd sich wohl gegen den 
leilhen gehalten. 

Octob. In feslo s, Fraacisci lladenae fui apud patres Capu- 
cinos, quibus et aliis divinis peractis d. marchio prandium exhibuit. 
Post prandium vocatus fui in Licchtenthal ab abbatissa monasterii, 
in quo cum f. Christiann pernoctavL Altcro die vocatus ad arcem 
prandium cum principe sumpsi» quo finito totam arcem pcrlustravi ; 
deindc cum patribus Societalis coenavi. 

6. Octob. emi libros doctoris Ilaffners omnes pro 130 fl. 

15. Oct. venit ad nos in Oberkirch d. abbas Alberspachensis. 
Hat wollen mit einem liigerbucch, so von den wirtenibergischcn 
beampten circa annum 1560 gemacht worden vnd ctlich exemplaria 
dar von gemacht seindt, probieren, sein reebhof, die I-ucgdte ge- 
nant, sei zehcndlfrey. Scd nihil effeat, quin potius fassus est sc 
non invenirc aliud documentnm nec probare posse exemptionem 

*) in Ohcrkirch. — ") H«. infideliter, — 3 ( Odsbach Ri. Oberkirch. — 
*) Hs. liersibach. Das Tagbucli des Abtes Nikolaus von Herrenalb {Druck 
bei Monc, Quellens in ml ung der badischen Ijindc^gcsclitchte I S. 244 — 2>ö) 
verlegt die Plünderung auf den 2*). August, — ^) Lfickc. 



C \oogk mSStSS» 1 . 



Aufzeichnungen des Propstes Hodapp von Allerheiligen- iqt 

a deeimis. Dedit itaque non solum deeimam ohmam, sed insuper 
iussit, ut daretur deeima mensura. Acccpi ab eo 6 Olimen, habs 
ihm aber widerum zu kaufen geben gegen fruchten. 

Hoc autumni tempore bat man vil streit gehabt wegen des 
zchendes. MuUi noluerunt dare deeimam partem, sed tantum 
deeimam ohmam. Item haben etlich vmb 2 bis in 3*^ ohmen 
betrogen, schult aber alle zu ihrer Schuldigkeit getriben worden. 
Sonderlich aber haben die zehendtknecht betrogen. Item dubito, 
ob nit die nrundbotten mehr wein auf ihre hftltzer geschnitten, als 
ich empfangen. Sollen forthin alle jähr die zehendtknecht vnd 
mundtbolten järlich beaidigt werden, auch alzeit ein religiosus oder 
ein andere getrewe person bey den fuhrwägen sein. Hoc autumno 
ist der zehendte theil von Firsteneckischen, circa 7 ohmen wein, 
gehen worden. 

Novemb. Primo susceptu& est ad scholam Jacobus Beckh 
von Wolfach; soll geben 6 lirtel körn vnd wöchentlich 5 fi vnd 
seeundo oonstitui, ut omnes patochi singulis annis veniant ad 
monaslerium factum exercitia non vocati nec moniti sub poena 
avocationis et privationis beneficii vel parochiar. Ködern die hat 
des herren rnargrafen stallmaister h. Schleicher von Steinbach fyr 
seinen Stiefsohn in vnser schuel angehalten. Annui et suseepi. 
Soll wöchentlich geben 2 fl., seine aigne leilachen vnd ziechen, 
wie auch andere leingewandt haben, wie andere knaben aigne 
liechter vnd sein theil hollzmacherlohn gehen. Soll alle imbis 
i schoppen wein vnd seine speisen wie die conventualen haben. 

4. huius venit ad monastcritun Leopoldus Heer Offenbur- 
gensis, pro quo dat d. amptmann auf Slauffenberg 4 quartalia 
siligiuis et duas omas villi. Soll all sein leingewandt aigen haben 
ut reliqui scholares. 

10. huius vencrunt ad monastcrii scholas frequentandas Jo. 
Udalricus Hug et Carolus et Udalricus, omnes von Steinbach. 
Primus dat singulis septimanis 2 IL, ut supra notavi, reli<[ui duo 
10 quartalia siliginis et 50 fl. Lintea propria habere debent, item 
candelas sicut reliqui scholares. 

Mense Novemb. haben mein gescheidte Oberkircher vermeint 
mich zu überreden, auch mit ihnen den Frantzosen zu conlri- 
buiercn. 

Item haben hoc mense die Oberkircher etlich nacher Gris- 
bach mit i\en Frantzosen zu tradieren ratione eontributionis ge- 
schickt. Sollen monatlich coutribuieren 200 Fl. 

27. Nov. profectus suin cum p. priore Argcntinam ad resi- 
dentern Gallicum ratione quorundam monasteriorum, Herrn- vnd 

Frowen-Alb, Hirachauw vnd Gotsaw, ut in protectionem regis 
Galliae suseiperentur, quod factum. 

2g. Nor. Hisce diebus ad monasterii scholam venit des 
Rauschers söhn ex Caplerihal. Soll geben 5 frll, körn, 26 fL 
gelt etc. 



'OOgle rftiHctTC^uHivEit^iY 



108 Baien 

DcL'cmb. 8* Hicras accepi n domino Bcrnardino, abbate Maul- 
bronnensi, quibus rogavit, d;iz ich fyr ihn solle handlcn, sicut pro 
aliis, damit er in die k. fr. protection aufgenommen werde. 

13. Dec. accepi literas von des Orlenaw. ritterstands syndico, 
in welchem er begert» ich soll 2Q. huhis nach Strasburg zu der 
rittersglider Zusammenkunft kommen ob negotia seria. Respondi. 
ich wisse nit, was ich darbev zu schaffen habe, Doceant prius 
et parebo. 

Hisce diebus cum essom Argcntinac, haben vnscre advci>arii 
die statt Offenburg in speculatione eingenommen mit Spott; aber 
in effectu ist nichts erfolgt, 

1643- 

Januarius. I. liuius iteruni intermissum est convivhim somit ui 
Oberin rchensi quotannia praeberi solitum. 

7. huius profeclus sum Argentinam ratione quonindam mona- 
stcriurtim. de cjuibus praclento anno, 11 1 oblinerem eis secuiitatetu 
a Bcnfeldensibus 1 ] et aliis Succis; sed Frust ra; nam aliqui multam 
operam in hoc obtinendo promiserunt, sed propter commodum 
proprium, mcijuc diulius ibidem frustra detinucrunt. Tandem Ben* 
feldenses omsensere, sed nonnisi data singulis mensibus conlribu- 
tione. Nemo vero aivepil salvaguardiam nee quisquam a liquid 
contribuit Hoc itinere didiri, nc amplius aliorum negotiis me 
onerem; nam multum laiwavi, mulüi tentavi, mulla expendi, 

recompensatio oinniuin sumptiunn fuit promissa, sed vis praestita. 
Nam cum interea temporis Wimarienscs copiae irrucrent et ----). 
die januarii r. d. Nicolaum abbaten» Albanum caperent, r\ d. abbas 
Hirsaugiensis Wunibaldus aulcin vix [subprior ipsius nun ctiam 
captus fuit) evaderet ac monastcria magnum detrimentum pate- 
renlur, nee a Bcnfeldensibus, ut prius a Gallis. salvaguardia sine 
conlributione obtincre posset, liat man säur zu der sacll gesellen 
vnd schwerlich widerum etwas herauscr geben. Pm meo mona- 
sterio per alios, quod petü, obtinuL 

30. huius ist die Stadt Überlingen von h. baron d'Oysonville 
eingenommen worden :, J, 

Februar. Hoc mense copiae Wimarienscs Rottenburgi, Hör- 
bae etc. ctvibus magna damna intulcnmt, maxime ubi senserunt, daz 
Joan von Wart ihnen obgelegen vnd getagt. Fuimus saepe, maxime 
circa fincin mensis» als sie nocher . . . Kreidenstatt, Kintzigerthal, 
Wolfaih etc. kommen vnd die leit übel Iractü-rt, in magnis angustiis, 
sed man US domini valida fuit nobiscum et eripuit nos e manu 

') Beiifeld war seil 1632 ein wichtiger Siul/punkt der Schweden* — 
v ) Tagesangabe fehlt. — *) Vgl. F. v, Wccch, Sebastian Bürsters Beschreibung 
des Schwedischen Krieges S. 14b If- und Heihnunn, l)k* Kldzflge der Bayern 
in den Jahren r 1 ■ | ^ . K>.|.] und t * > ^ 3 - lleilmann ist :nu:li für die Mitteilungen 

heranzugehen. 



mimmmn 



Aufzeichnungen des Propstes tiodopp von Allerheiligen, iog 

bmnium, qui oderunt nos. H. Obristcn von Schauwenburg hat 
alle pass hissen wegfallen. 

Man. 2. Wimariensos Oberkirchium venhmt, plindcrn alle 
thälcr aus, sbigunt plurima pecora» etiam in vasiissiiuis solitildi- 
nibus, jagen die menschen in den waldein im schriee instar bestiarum, 
reiten auf die Crimen 1 ), omnia absonulita inveniunt in Oberkirch 
et aliis locis. F rat res mei manent in Oberkireh et monasterio. 
Kodein misi mea et villieorum pecora in Itavcrsbrnmicrthal et 
Reichenbach -K item patres Chrisiianum, Joannem, Ludovicum, 
Augustinern et Hugonem in Rdchenbach; 

3. huius mittuntur 5 müites a patie prior« pro salvaguardia 
a<l monastenum vom Fleckhensloinischen Regiment 3 ), welches die 

Frantzosrn verdrossen vml riessetwegen daz klosler überfallen vnd 
ausgeblindert eadem septiniana. 

4, huius cgn etiam abii in Reichenbach rcliclis in monasterio 
p. subpriore; f. Thcobuldo, ff. novitiis Christophoro et Joanne. 

Sequenli die misi den halben tlieil des vtchs una cum fratii- 
htis in Horb. 

8. huius miles Wimarius migral ex Oberkirch et redit in 
Kinlzigerthal. Des klosters Salvagtiardi wirdt avociit, pro qua 
petiit der Fleckhensteiniäche h, obristcleütenanl ein pferdt, quem 
habere dicebar, sed iam vendidcrani, Xil aeeepit. Sequenli die 
revoco fratres cum pecoiilnis ex Horb. 

10* huius redii ad monasterium, sed tertio dir post profeclus 
fui per Caplcrthal Argentuiam, Post octiduum circa secutus nie 
fuit p, prior. Interea tempuria in Liebach ') f. Jusephua secure 
transiens a milhibus capilur et in Haslach abditcittir a magistro 
equilum AugUSti no Mayer, sed post 1 4 dies plauslro vini et aliis 
munusculis accedenlc mandato (lucis de Gucbrian") a nie rcdimilur. 
Hisce qttoquc diebus ad coinmendantem Suecicuin in Willsieu' 1 ) 
misi Joannein Coli petilum pro vino in Oberkireh residuo Argen- 
tinam vchendo transitum liberum, quem ipse faeile bbtinuit ac 
lertia vice currihus Obcikirchium proficiscendo circa 13 plaustra 
vini inde avexil, Sed Lertia vice in magno fui periculo ainissionis 
non tanlum villi, sed etiam circa 24 boum, nam tocumtciicns in 
Wilsiett detinuisset, nisi Gollius vi praecando cum cxpugnasseL 
Dum haec fiunt, balres mei in monasterio lelieti inulta frumenla, 
etiam vinum mutuo dedere cirennii;i<;eutibus rustius ae etiam ego 
Argcntinae solvi pro civibus raplivis ioo fi ( j sed mox ingralitu- 
dinem hominum sensl; nam licet promiserint celerrmiain resii- 
tulionem* tatnen posl annum cum dimittio vis aliquid ohtinui, 
insuper aversiones animorum erga nie et monasterium. Ergo; dein 



') Ijtngc Grint bei Allerheiligen. — *| llaierabrmin und Kloster Reichen- 
bach 0n< Freudenstadt* — ;l i Lothringisches Regiment '1 Liefbach Ri. 

Olierk reh. — B l de fluObriant. — ") Ra. Kehl. 



■ ugfc 



I 10 



B JL 1 e i\ 



gelt in deinem Seckhel hiß, **o bislu sicher vor menschen haß. 
Vberlinga t dum sum Argenlinae, capilur '). 

Jul. 4. vel. 5. die huius mensis Argentina Oberkirchium redii. 

{Jul. ig). Hisce diebus propter ora obloquentia resignavi 
parochiain in Oherachein. 

24. huius Wcinmarius rediit in Sultz et causa t terrorein magnum. 
Inde venit in Kintzigerthal, postquam Rotwüam vi capere tentando 
circa 500 milites amisit 

2g. profectus sum propter Gallo* Argentinam. 

30- huius venit obrister Wolmar von Rosen -j Oberkirchium 
mit etlich hundert pferden. Haben übel gehauset, alle verborgen 
Sachen gefunden, sonderlich in der probstey grossen schaden an 
wein vnd fruchten gelhon- Manserunt Oberkirchii toto mense, 
sed jK>st 4 circa Septimanas, ubi castra (jallorum fuere circa Wil- 
stett t'Augu&ti) adveniens Bavatua milcs Oberkirchium cinxit, hals 
beschossen gegen der probslev von der Altstatt vnd praeposituram 
/imlich verderbt; landein se Galli dedere et oaptivi abdueti fuere. 
P, Josephus iuterca solus fucrat ex fralribus in praepositura, 

Septemb, Primis diebus liuius mensis domutn redii. ßunc- 
dixit nobis deus abundantia vini, sed quia miles Gallus itenun 
appropinquavit, statin» a torcularibus mense Ociobri vehitur maxi- 
inis sumptibus partim Argentinam partim Offenburgum. Auf Jeg- 
lichen ohmen ist ad minimum 1 fL 5 ft vn kosten aufgangen. 

Octob. Circa finem huius mensis profectus sum Oflenburgum 
propter militem Gallum prope nos in Sneviam abeuntem. 

Nov. Die . . ■ 8 ) venit Hagenoa f. Christophorus referens Stalum 
inonasterii nostri ') ibidem ac ut occasio bona reeipiendi ilhtd non 
ncgligatur, monet. Die ig. ciusdciu mensis mitlo cum ipso p. 
priorem Argentinam, inde Hagenoam ad examinandum omuia et 
diligentius inquirendum. Venit, omnia parala invenit, ad ine 
die . . . Novembris rediit, promplitudinem d< gubeinatoris, consuluni, 
senatus et avium ad restituendum narravit (pro omnibus r. patres 
Capucini, d. decanus, d. parochus rem iuvabant et urgcbanl). Interea 
Gallus ceditur. Zue Dutliogen*) werden alle stuckh, munition, 
paggagc etc. von den Bayerischen erobert, wie auch alle Generals- 
persühnen vnd infanterei (außgenommen den general Rosen etc. 
samt seiner revtterey, welcher sich mit der flucht snlvirl) gefangen 
vnd general Gucbrian, so vor Rothweil geblieben 1 '!, lodt nach 
Preysach gefüerl, auch baldt darauf Rothweil'; recuperiert. 

Die 26. Novembris proficiscor cum p. priore Argentinam, 
inde 28, Hagenoam itinere prospeio Deo deducente el apitd r. 



! > Offenbar irrtümliche Nachricht, da Überlingen seil dein 30. Januar in 
den Händen der Franzosen und Schweden war. — *| War unterdessen wieder 
ausgelost worden- — 3 ) Tag nicht angegeben« — ') Vgl. Wrigd in Jalitcs- 
heiichte des Ungenauer AUerlums-Verems I, 1?. — Ä t Am 24. November. 
— **( Tödliche Verwundung tinibiianis am 1*. Nov. — T | Am y De/. 



toogle rßiHaic^uHivdcnv 



Aufzeichnungen des Propstes Hodapp von Allerheiligen. | | [ 

patres s. Francisci convcntuales diverto. Ex senatu aliquot pleni- 
potentiarios peto, cum quibus agcrem apud patres s. Francisco 
Conceduntur et deputantur numero octo. 

Decemb. Conveiiiiuus 3. huius. Archigrammataeus rem pro- 
ponit, respondeo. Post varia colloquia tandem 930 fl. 1 ) restituier. 
Circa liorani undeeimam antemeridianam deputati sumpto mecum 
prandio domum redierc, Scqucnti dominica*) 6. Decemb. & Xicolao 
patrono sacro summum ego sacrificium ibidem persolvo, P. prior 
concionem fach. 

7. raigramus ex monastcrio s. Francisci ad nostrum s, Nico- 
laum et Deo laus hueusque permanemus. 

10. Decembris redeo domum relictis Hagenoac r. p, priore 
et fr. Christophoro. Mox domum rediens mitto ctiam illuc p. 
subpriorem et revOGO f. Christophorum. 

1644. 

Januar. 23. ex Sucvia redicrunt ff. Ludovicus et Chrvsostomus 
cum duobus equis et literis 8 ) a. r. <d. visitatore, quibus ad capi- 
tulum provinciale vocatus sum. 

24. iter arripui post prandium usque in Oppenaw. 

25. veni in Horb, 26, veni Tubingam, ubi honorifice suseeptus 
fui von den alten Iterrcn von Ncwenstein, inde 28. nacher Kircheiin 
an der Tedch, inde 29. Goeppingam ad i\ d. abbatem Adcl- 
bergensem. 

30. visitavi monastcrium Adelbergense "), 

3 1. profecti SUmUS Geislingen Ulmam et ibidem apud cano- 
nicos reguläres s. Augustini pernoetavimus. 

Februar. 1. huius veni in Roggenburg^); 3. hat capilulum 
provinciale dasclbstcn angefangen, 5. Fcb. von Roggenburg widerum 
hinweggereist, 13. veni domum. 

iS- Argentinam profectus sum, inde Hagenoam, ubi r. p. 
Georgium Hempfer administratorein et p, Anastasium priorein 
constitui. 

Marl. Hoc mense p. Chrysostomus constituiiur parochus in 
Oppenaw. Item r. p. Christianus constituiiur prior. 

April. 2. p. Joscphum constitui subpriorem. 

10. emit f. Chrysostomus domum in Oppenaw extra portam 
bey dem graben pro domo parochiali. 

Mains, 1, Oberkirch, Oppenaw et Cappel solennem proces- 
sionem instituerunt ad monastcrium Omniurn Sanctorum. Adfuerunt 
circa 2000 menschen. 

8, et sequenti hat der reiffen an den reben vnd obs gar 
grossen schaden grlhon, Hisce diebus ein brief von den herren 

') d. h. gegen Zahlung VCrtl *>SO II. diuch Allctheiligen. — -) lls. donii- 
nico. — a ) Hs. liberis. — \i Oa. Schorndorf. - a ) Ba. Ncu-Ulm. 



C iooglc mSStSS» 1 . 



I 12 



Bolen 



räthen empfangen, darinn sie aus angeben der Oberkircher die 
beth begett, sed Frustra. 

Jim. Hör raense iVt ein gar dürre zeit gewesen vnd gewert 
bis den 16. Jul. Hat den fruchten großen schaden gethon, 

Jul, 13. f. Chrvsostomus ex Austritt recliit cum equis sex, 
qnos einem nt frntres nostri exnies cum eantharo urgenten. Parum 
abfuit, quin nanfragium fuisset cum multis aliis passus. 

17. huius misi p. gubpriorem Argentinam. ubi haec perfecit: 
Vendidit 372 olitnen wein, solVit h. KOnig, den apoderkger etc. 
Adduxit i\ d, priuretn Gilmarienscm ad instituendam archifraterui- 
tatem msarii sacri henignac Mariae virginis in Laulenbaeh, 

21. huius cum codem vexit Obcikirclmiin. 

24. instituta est haternitas. Oberkirr henses et Oppenawcnses 
processionalilcr tn> venerum uiagnn numero valdc. Sutniimm 

saerttm edebrnvit et mneionrm habuit sub eaque insiituit frater- 
nifatem, me et quemvis praepositum praes klein ehisdom constitnft 

praedirtus r. iL prior. Eitlem die pluritni sunt confessi et saera 
coiumunicalione refecti, 111 frnlcrnitalem cliam circa 250 animae 
susreptac. 

Hisce diebus Ravaii et (ialli circa Friburguin strenuc et 
plinimo sanguine dccerlarunl. Friburguin a Bavaris nhtinetur mit 
einem guelni acoird'f, 

AtlgUStUS, 7. huius habita fuit processio fralernilalis in Lauten* 
bacK herum imilti fucre inscripti. Hiscc diebus fuimus in lerrorc 
et tremurc mi litis dalli Friburgo descendentfs-), qtli 16. die liuius 
venit in Oberkin h, circa 60 pferdt. Triduo post diclis abeuntibus 
voncre circa l30*Tragoner. Frtimenta in ItorTCO iteruni auferunlur, 
item vinum in cella« 

20. huius abii in Reichenba« h, 22. redii ad ruonasterium. 

Hiscc diebus ist Cappel ausgebliiwleri worden, aedituus ibidem 
oertsus. Miles Gallus abiit in marchioiKttUfn. 

Hisce diebus ist ein grosser Überlauf von frcmhtlen leiten, 
pmpter rnilites, im klosler gewesen. Henigmis Dens interiin nos 
et inonuslerium oiunc miserieordiler mnservaviL Saepe fuimus 

omnes in ungtotits, sed semper sueeesstt coiuotatJo, 

25. misi qualu*»r ff. Ifugoiirm, ( jodefridum, Leopnldum, 
Simonetn propter bellicos luinultus Hagenoatn, ul literis ibidem 
ineumbant et areta disetplina c*mlineantur. 

2(k ist der Kranlzusische Mnjiir inil seinen Trngonem htn- 
wegge/<>gen aus Oberkirch, nachdem er vna circa 2 furder wein 
neben andern Stehen genommen, auch von den vmligenden orten 
gell, flüchten, rind, bfllic hemuser gesi hrßckht. Faxit deus, ut 
nunquani redeat. 

'i Cbcr (Hc Kainpff um Frcihurg schrieb xulcixt Ciacclc, Der Feld/iig 
um Kiciliutji 16444 Freibmg. Bielefeld 1910. — *) Marsch dt* Herwigs von 
Knghicn gegen Philippsbuii;. 



..-ÄÄSr. 1 



Aufzeichnungen des Propste* llodapp von Allerheiligen. \\\ 

Hiscc diebua ist die Fiantzäsäsche armee vor Philipsburg 



gezogen ! ] 



Sept 10. huiiis hat der liederliche Hoclicn na wische Baut* 
brrger Philipsburg ausgeblindert vml vil arme leit dardurch ge- 

macht 

22. hat man an^efan^en zu herbsten, ist auch alles 2S. huius 
brysamen gewesen, 

Octob. 2. huius prima vice fest um s. rosarii in Lautenbach 
celebravimus. Praesens fuit magna confitentium multttudo, 

13. profectus sum Argentinam, inde 15. Hauenoam, tibi per- 
mansi usque in diem ariiiiKirum, quo Argrntinam *) nxlü. 17. a 
senatu Hagenoensfr pciü aliquot depulari» cum quibus de restitu- 
tio!« domus monialium et monasterii praediorum ab ipsis vendi- 
forum agere possem. Concessi sunt. 19, ad monasterium quinque 
ab ipsis deputati venerum, cpithus iniquitatem in rebus monasterii 
distractis contra consensum miperatoiis et legati propnsui; restitu* 

tionem petir, Respondcrunt so senatui relaturos, 23. guhernatorem 
civitatis cum quibusdam capitanefa ad prandium invitavj, qui hora 
undodma adfuit et circa medium primae itetum abiit 24. idem 
gubernator senatui mandavit. ut monasterio quoad petita satis- 
faeerent. Ultimo huius conveni cum [x>ssessore horti dicti Mist- 
garten et cum ennditioues contractus scabinn civitatis Cario noti 
placcrent, d. gubernator m? in possrssionem Novemb. 2. immittit, 
ac 11t senatus praedicto horti*) possessori salisfaceret ■), mandavit, 
Itaque 2. Nnvembi. cum ipse d. gubernator cum uxore in templo 
nostro usejue ad finem interfuisset, non solum ttt pracdicius hortus, 
sane opiimus, monasteiio proximus, utilissimus cum domo proxima 
monialium (ipsis munialibus aha domo a civitate assignata) nobis 
restitueretur, mandavit ac de facio restiluit, sed insuper mandavit« 
ut instanter et audacter omnia bona et prardia, agTOS prata etc. a 
eivitate inique distraeta reptieremus, nain sc omnia restituturum. 
His sie peractis hora undeeima Hagenoa Argentinien redii laelo 
itinere. Dum haec Hunt Hagentiae 5 ), eliam Argen tinac res feli- 
citer successit coram < onsiliariis episcopi diu a< titata ratione molen- 
dini in Lautenbach ac non solum emptio eius approbatur 11 ), sed 
etiam ins ampliandi illu<l altera vel pluribus rotis monasterio recht 
et confirmatur. Henedictus Deus. 

5. huius Argentina Oberkirch ium retlii, inde 8. ad mona* 
sterium, 11 bi f. Thcobaldum scholia innnastcrii praefeci ac ut colln- 

') Vgl. zum folgenden Nopp, Oeschiclue der Stadt und ehemaligen 
Kciehsfesnmg Phitippftburg« sowie Baur. Das Fürstentum Speicr in dun Jahren 
163^ his 1652 in den Mitteilungen des histor. Vereins der Pfalz 24 (mjoOi. 

— "*( Hfl. Argentina. — *) Hs. forii. — ') IIa. satisfnecrent. — : ') Hagenoa. 

— ,; i Der Kauf war am 4. April 1644 erfolgt. Original im General» f-nndes- 
Archiv U.A. 34. Conv. 33. 

Ztfoeta f. Gt*eh< d. obctrii. N,F> xxxn. u n 



lOOgle inaioNUHivttjiiv 



114 



Baier, 



quium spiriluale post mensam haberctur, sanctj singulis mensibua 
more antiquo distribuerentur an exhortationes piac a singulis, 
inaximc p. priore ficrcnt constitui, 

1645- 

Jan. 10« emi partum Organum pro Lautcnbarh pro 130 fl. 

25- morlQUS est d, Jacobus Thieftenthal, parochus in Wald- 
ulm. Legavit monasteriö suoa libros et equum. 

28. vncl 29. hat der wind grossen schaden gelhon, praesenim 
in Lautcnbach, wo er über 2000 ziegel ab darh geworfen, das 
trodtbaus auf dem MaisenbQhl nidergerissen. 

Febr. 21- inisi f. Chrysostomum in Austriam a<l inquirendum- 
et disponendum de rebus a f. Georgio relirlis et revocandum p, 
Jambuin ] ). 

Martius 3. Ein Schwaben von Horb wegen einer alten wein- 
schuld vnd bösen Worten, weiche er vor einem jähr gegeben, als 
p. Scbastiunus ihn wegen der bezahl ung angemahnt, lassen zu 
Oberkirch durch einen Schwartzcnbergisrhen rapitftnleutenant. dOZtl- 
mahl commendanten, in arresl nemmen vnd darauf alsbald bezalt 
worden. 

3, hat hör oberamtmann Rudolphus von Neuwenslein mir von 
i Iffenburg geschriben vnd begert, ich solle zu ihm kommen, Veni 
ad ipsuni et aeeepi ab ipso einen brief von 1000 fl.» welchen er 
vnscr Lieben Frawen zu Lautenbach geschenckht gehabt 

1 3. aeeepi Hagcnoa salvaguardiam a generali de Turraine 
ilalam n, huius ad petitionem p. administraloris ibidem. 

ig. venerunt 200 Schwedische reiter-) in Gengen bach, inde 
hont 6. pomeridiana in Oppcnaw nemine suspicantc, Eodem die 
liai Uarbara Sinodtin ihr haus zu Lautenbach verkauft pro 255 IL 
3 Daler trinckgelt. 

20. huius praedicti 200 equites Suecici venerunt von Gengen- 
bach vber die Moos nemine suspicante ex improviso in Oppenaw, 
ibi pernoetarunt. Haben sich wohl gehalten- Inde 21. migrarunt 
gegen der Freydenstatt. Dieweil sie aber verraten gewesen» schult 
sie nacher Alpirspach, haben das kloster vnd tbal ausgeblinderl. 

April. 7. huius ist general Erlach mit etlich 1000 Soldaten 
über den Rhein beriber kommen. Liechtcnaw beschossen, einge- 
nommen. Stollhofen ist ihm 1 1. huius übergeben worden. Eodeni 
die ist er gegen Kuppenheim gezogen. Interim fuimus in magnis 
angusliis, praescilim dteweil vnderdessen Generalmajor Rosa zu 
Xagolt, Kalb vnd der orten ankommen, auch etlich Soldaten gelin 
](*>rb vnd Darmstatt 3 ] geschickht vnd doselbst ligen lassen. 

*) Cber F. Clirysosiumus sind niihcre Angaben in der Kistnerselicn 
rhronik erhallen. — *) IIs. slrt-ilcr. — ;( ) So fttatt DnnistcUcn. Vgl. Ileil- 
mann« Kcld/ii^e der Küfern S. 19". 



C iooglc mSStSS» 1 . 



Aufzeichnungen des Proxies Hod.ipp von Allel heiligen. 



] I 



16. ist Herr Melchior von Schauwcnburg aus . , . nachcr 
Oberkirch kommen mit 4 pferden, scci 18* aufugit propter adventum 
militum in das Petersthal, inde Offenburgum, hIji 2. die Maii 
mortuus rst. TactUS fuit apoplexia. 

18. ist herr obrister Muser von lienfelden vnd herr obrister 
teQtenant von Rosen mit etlich 100 rcitern vnd fueßvotekh nachcr 
< >berkirrli kommen, Herr obrister Moser hat das ställlin mit 
lueßvuk'kh vnd rciicrn besetzt vnder dem commanrio hr. capitains 
Metzgers. 

Maius. 9. huius sein<lt alhic etlich v* »mpagmen (alii aiunl 
rechnen tcr) von der Weinmarisi hon aiinc«: von der Kreidenstatt 
herein mit grossem schaden durch vnser ampt gei eiset vnd aus- 
geben, ihre armee seye totaliter ruiniert. Hiscc diebus caeditur 
prupe Mergcnthal 4 ) milea Callus a Bavaro totaliter, 

11. i*t herr capitain Metzger mit seinen reitern vnd circa 
1 20 musquetiren hinweg gereiset \\m\ ahn sein statt oin fendrirh 
mit circa 50 musquetiren alhio gelassen worden. Hoc tempore 
ist Liechtenaw geschleift worden a Galiis. 

15. profcilus sunt Atgeminnm, ubi aeeepi citationem Turba- 
censibus insinuandam rationc deeimarum. 

24, di uniini redii, Pentiltima -Mali Turbaccnsibus citatio insi- 
nuata est. 

Hoc mense schult zu Hagenow die kiosterfrawen s. Benedict! 
ordens aus dem vühehof auszogen in ein haus, welches ihnen die 
statt assigniert 

Juni. i. huius profectUS sum Offenburgum ad triceshmun 
Melchioris a Schafrenburg celcbranduin, ubi varia novo de caesis 
Dorstensohn ab archiducc**), Hassis a Johan von Wert**), Gallis in 
Klandna von Piccolomini ') etc. audtvi. Qui vult credere, credat. 

2. huius rediit cum i-quilibus suis Oberkirchium d. capitaneus 

Metzger, 

8. profeetus sum Argcntinam, inde io. Hagenoam, ubi per- 
mansi decem diebus. 

19. ledii Argenlinam et ibi permansi usque ad 30. huius 
rationc censuum von 3000 f. Capital obtinrndorum ac staliiu alten» 
die nempe 20. literas senattti praesentandas confici curavL Traditae 
2 1. PoStea alternis diebus snllicitavj per procura torem, Tandem 
29. senatus consensit, das capital von 3000 fl. dem kloster Gengen- 
bach ab vnd monasterin l >innitim Sanctoium zuzuschreiben ac 
loco 1600 reichsdaler jarlich verfallener Zinsen solvere promiserunt 
200 reichsdaler mit Versprechung, forthin dem klostcr Allerheiligen 

4| So statt Meiyeniheim. Die Schlacht fand ;un 5. Mai »lall- — 
J ) Kück/uR Torstensons vor Krzhcr/oj; Leopold Wilhelm, — u \ Im Gegenteil 
waren die Hessen bei AlWhcim siegreich. — * 7 j Es handelt sieb hier offenbar 
um den Em&nt/ von S, Omer Ende 1644, Vgl. TluMiruin Europfteum 5. 571- 

8* 



nSfi$*Sm 



/ 



I 1 6 Baicr. 

dise 3000 fl. capital jflrlichen mit 100 reichsdaler fleissig zu ver- 
zinsen, Consensi tandem ego nun fratrihus meis sicquc monaste* 
rium Gengenbacense satisfecit monasterio nostro pro 3000 fL 
capital vnd verfallene Zins von anno 162g bis 1645 vnd soll die 
statt Straßburg anno 1646 auf Joannis Baptislac solchen zins für 
sich vnserm kloster zum ersten mahl geben. Interea dum fui 
Argentinae, ist duc von Angien mit circa 8000 Mann 1 ) bey 
Hagenaw voriber inarseturt contra Havaros pugnalurus. 

Jan. 29. ist hr, obrister Moser mit seinem volrkh fvr Wild- 
sten geruckht. 

30. redii ( »beikirchium. 

Juli. 1 . huius ist Wildsten beschossen \m\ eingenommen 
worden von hr. Obrist Moser -^ Sequentibus diebus hat idein dux 
lassen vor Offenburg die Ernd verderben vnd auch durch seine 
soldaien vnd bauren einsamblen. 

Hoc mense ex falsa relaltonc rusticorum asserentium, das 
kloster bawe gar vil fruchten, petiit a monasterio herr obrist Moser 
den Schwedischen zehenden. Cum vero ex nie cognovisset rem 
alitcr sc habere vnd das wir nit über 12 oder 13 jefleh ange- 
bogen, nil amplius petiit p sed promisit nil se contra privilegia 
inonastcrii amplius tentatiuum. 

August.* 8. huius venit p. Jacobus ex Austria in \Vilibcrg ; % 
civitalem Wirtaburgieat», ibi 10. wirdt im sein zeit genommen 
ibidem im wirtzhaus a mililibus ducis Kanofftzki '}, 15. domuni 
venit cum duobus equis. 

Septem b. A prineipio Scptembris hat hr. capitSin Metzger 
magno lalx>ie den äußern graben der statt Oberkirch lassen aus- 
butten. 

H<«c et praeteritO mense schier alle fass in allen kellern von 
nfiwen lassen binden. Itcin benedixit nöbis hoc anno dominus. 
tanta copia pomorum et pimrum, das man nit weis, was darmit 
anzufangen. 

Oetob. Hoc mense hat mann einen reichen herbst gehabt. 
Dolia propria hab ich frembden leiten gelihen vnd darnach alle 
alte fässer müessen zusammen succhen pro monaslcrii vino. 

6. huius raptus est d. capitaneus Metzger a mililibus Offen» 
burgensibus mit etlich von seinen reitern, etlich scindt erschossen 
wurden, Itwe morimis est Äigentinae. 



'( Andere 4Juellen geben Kn»hiens Streitkrlfte um die Hftlfie hoher an. 
— ") Vgl. Beinert» Geschichte des Iwdfechen Haoaueriandct S. 218- Natürlich 
waren es keine bayrischen Truppen, wie Behielt meint. — :l ) Wildberg oder 
Sulzfeld im Gmbfcldgnu. — ') Friedrich Ludwig von Kanoffski von Landen- 
d<*rf. weimari schür < )beriL 



C ioogk mSStSS» 1 . 



Aufzeichnungen des Propstes Hori.ipp von Allerheiligen. 117 

Hisre diebus dux belli Moser petitt et expressit a nobis pro 
contributione (ipse nommavit discretionem) 100 Ducaten. Contra- 
riiim promiseratj sed non sictit. Fluia vide sequenti anno. 

Novemb. Hoc mense propter negntia monasterii profectus 
SUm nacher Rcufelden. Hör mense ist d. Wolmar von Rosen zu 
Basel erstochen worden. 

Deccmb. Hoc mense moritur «lux belli Kanoffcki et scpelitur 
Argentinae ad s. Thoinam, 

1651, 

April. 24. et seqq. celcbraUim fuit capitulum pruvindale in 
monaslerio Rothensi, ad quod vent cum p. Anastasio Schlecht 5 ), 
praedicatore urbis imperialis Offenburgensik. i 

August 28. Ad con fraternita lein nostram suseeptus est r. d. 
ouiics Leopoldus Frideiicus archidapifer tmpcrii Romano coiliea 
in Fridtbcrg etc. 

Octob. 8. huiüs ad monaslerium venit adinodum r. d. 
Mathaeus abbas Urspergensis ,; ) visitatum ex commissionc ccllam 
nostram, Altero die in capitulo diploma r. d. visitatoris conventui 
exhibuit. 12. iterum in Oberkirch abiit Pracfatum admoduiu 
r. d. abbatern prius rogavi, ut digivaretur visitare meos religiös*» 
fratres in Hagenawensi ecelesia s. Nicolai commomntes. ne forsan 

vicarius generalis episropatus Argcntincnsis online negligenic cum 

visitare tentaret. Asscnsit et visitavit, 



1652. 

junius« Hoc mense p. Fridcricum in den Griesbacher saur- 
bronnen geschickht; war ahn banden ganlz lamm. Ist zimliclier 
jnasscu restituiert worden. 

Jun, 12. huius adinodum r, d. Milo Kaiser, ceclesic Oumium 
Sanctorum canonicus, Hagenoae in praepositum ecclesiae s. Nicolai 
ordinis Praemonslratrnsis a nie est ctectus et confirmatus iure 
paterno, quo haec ecelesia submissa est ecclesiae Omnium Sancto- 
rum anno 1644 in capitulo provinciali Roggenburgensi praesen- 
libus r. d. Contado ab bäte Marchtallensi aliisque pluribus. 

26. misi Marchtallum ff. Adclbcrtum, Ludovicum et Albertura 
ad Studium philosophiae et theologiae. 

Julius, 15. et seqq. celebratum est capitulum proviuriale in 
monasterio Marchiallensi« Ego cum admodum r. d. Milonc, prae- 
posito Hagenoensi, et r. d. p. Josepho priore in festo s. p. Norberti 
post prawlium viae me commisi, 14. Marchtallum pervenimus. 
In hoc capitulo p. Chrysostoinus prior Ursbcrgensis confirmatus et 



5 ( "Wurde* Hoilapns Nachfulgcr. — **J TTrsbcrg Ita. KrumKich in Schwaben 
und Neuburg. 



t roogle rßiHaio^JHivt^iv 



iiS Baier. 

p. Anastasius seeretarius eapituli provineialis est dcclaralus. 21. itC- 
rum domum pervenimus. 

Hisce diebus hat das wasser in allen orten gar grossen 
schaden gethon, welches jählingen dermassen angeloffen, das hei 
maus gedenekhen niemahl geschehen. 

28. huius a r. p, Forlunato a Cadoro, generali minislro Capu- 
cinorum, suseepti sumus ego et conventus monasteiii Omniuin 
Sanctorum. 

Augustus. 28. ad confraternitatem ecclesiae nostrae suseeptus 
est admodum r, d, Joannes Rcnieri, praepositus Tabernensis, 

Septemb. 

XJi. hör anno haben wir einen grossen herbst gehofft, seindt 
alle reebstuck voll gchenekhl, ist aber vor dem herbst schier alles 
ausgedorret vna wenig wein geben. 

Oeiobcr. 1 5. dedimus cS. docloii Küeffcr literas sub sigillo 
p/aepositi et omventus vnd ihn pro medico monasterii confirmiert. 
Soll im ftiieling vnd herbst vor vnd in der adcrlassc aufwarten, 
dafür haben 12 ohmen wcin v 12 fiertel körn vnd 12 daler, item 
darbcy oblisieit sein, zu allen religiosis infirmis, auch den pfar- 
herrn zu kommen, solle aber seine aigne pferdt haben vnd ihm 
das kloster niemahl ein pferdt zu schickhen schuldig sein. Doch 
soll ihm das kloster wegen der pferdt jiitlich 10 frtl. haber geben 
vnd wan er ausserhalb obbemelten Zeiten 211 einem kranckhen 
erfordert wirdt, ihme täglich ein tlalcr gegeben werden. 

18. p. Jacobus constitutus est vicesuperior in Oberkirch et \\ 
Theobaldus parochus in Kbersweyer. 

:o P AU p, Philippus pro p, Theobaldo zu Eberswcyer wollen 
mess lesen vnd predigen, hatten die Ortenawische ambtleit he* 
fühlen, ihn nit in die kirch zu lassen, auch sonst keinen von dein 
gottshaus, bis einer doselbst residiere. Habs Herr vicario generali 
zu wissen thon. 

Octob. Hoc mense bin ich widerum vom Consistorio Mols* 
heinensi vnd dem ritlerstand wegen der fiidengeltcr vexiert worden, 
sed nil dedi ne<|iic nsspondi. 

Noveinb. 6. huius per r. <L Adamum Haffner, rectorem in 
Offenburg, r. p, Theobaldus coramunitati in Ebersweyer parochus 
est praesentatus et prudamalus. Seindt die Ortenawische. amptleit 
gar nit darum begrüesst worden, wie sie wollen erzwingen, das 
kein pfurrherr soll gesetzt werden ohne ihr vorwissen vnd be- 
willigung; werden solches niemahl zu wegen bringen; ist auch 
zuvor niemahl geschehen, wie sie ihnen Selbsten imaginiert gehabt. 

Hoc et sequenii mense — laus Deo — haben die bauren 
Wldcrum angefangen, ziemlicher massen gillcn lifein, welches in 
vilen Jahren nit mehr geschehen war vnd hat zwar das kloster in 
herbst nit vil wein, aber doch cimlich fruchten bekommen. Ist 
auch widerum zum ersten mahl etwas am zehenden zu Legels- 
Imrst geliffert worden, j Sr. 3 friL Korn vnd 3 frtl. haben). 



^ mßwSSi*. 



Aufzeichnungen de* Prnp&tcs iloilapp von Allerheiligen- ||q 

I)e»:emb. Hisce diebus ist zu Regenspurg (auch bey dem 
klosier Allerheiligen) ein mmetbicrn gesehen worden gleichsam mit 
kleinen sonnen strahlen wie ein sonnenbluem, hat einen hingen 
schweif oder strahl versus septentrionem. 



1653- 

Januar. 10, pc>st meritlicni circ* horam 4, Obcrkirchiiim venit 
r. d. visitator. 12. post rm-ridieni prnFcrli sumus in monnsterium 
* humum Sanctorum, ubi umnes parochi convencro. 1 3. Visita- 
tionen! monasterii inchoavit et feliciter 14. absolvii; 15, iterum in 
Oberkirch abiit et aliquot diebus inullurn rog&tttS et quasi CO&CtUS 
permansit; iq, iterum reversus est. 



■ 



Fünf wiedergefundene Wappenbücher 
aus dem Faeschischen Kunstkabinett zu Basel. 



Von 
W. R. Staehelin. 



Im folgenden sei hier auf fünf Wappenbücher aufmerk- 
sam gemacht, die 1 lerr Dr. phil. Carl Roth auf der Rasier 
Universitätsbibliothek im Mai 1915 wiederentdeckt hat und 
die auf heraldischem Gebiet wohl den wichtigsten Fund dar- 
stellen, der seit Jahren in Basel und auch in der Schweiz 
gemacht worden ist. 

Die fünf Wappenbücher stammen aus dem, im 17. und 
iS. Jahrhundert neben dem Kunstkabinett der Amerbach 
weitberühmten Museum des Professors Remigius Paesch 
O505 — 1670) das 1823 in den Besitz der Universität über- 
ging. Sie wurden zum letzten Male durch Johann Rudolf 
Paesch in einem Inventar des Jahres 1Ö10 erwähnt und 
galten seither als verschollen. 

Die Bücher seien hier einzeln beschrieben: 
1. Wappenbuch aus der zweiten Hälfte des 
ij. Jahrhunderts, oder besser: Reste eines solchen. Hohe 
20 cm, Breite 14'/* cm. Erhalten sind nur sieben Blätter: 3, 
10, 11, 12, 13, 14, 15 (nach Numerierung" aus dem 17. Jahr- 
hundert). Jede Seite zeigt vier Vollwappen, deren Schild, 
Spangenhelm und Helmdecke mittels eines Hölzstockes vor- 
gedruckt wurden. Von letztern sind zwei Sorten verwendet 
worden, die eine mit, die andere ohne Schildhalterin in der 
Art der Schongauerschule. Schildbild und Helmzier wurden 
nachher eingezeichnet, das ganze Wappen koloriert oder 
die Parben nur durch Buchstaben angegeben. Der Stil der 



'8 k imÄÄ 



Fünf wiedergefundene Basier Wap|ienhUchcr. 121 

Zeichnungen ist durchaus mustergültig und gehört zum 
Besten, was wir an Heraldik aus dieser Zeit in der doch 
gewiss nicht wappenarmeu Stadt Basel besitzen. Es ent- 
hält folgende Wappen: 

Graf von Alben 10*, Von Ast 15*. Von Ilerg 10*- Von 

Bergen 15*. (St. Bernhard 3*.) Marggraf von Burgau 3- Von 
Burgberg ii*. Von Calg 14*. Von Dachenhausen 11*. Deutsch- 
nrden, Master 3. Von Eilerbach 14*. Ehstelten 12*. Von Gach- 

nang 15. (St. Georg 3*.) Von Gilltlinjjeu 13*. Von Güssen 14. 

Von Haltungen 15- Von Hallwil 13. Hausner 13. Hegi 15* Von 
Hertenstein 13*- Von Hirzberg 13. Von Hochschlitz 12*, Von 
Honburg 15. Von Hornhcr«; 10. Johanniter, Meister 3. Von Kalten« 
tal 12. Von KönigSegg 11*. Kuchler von Mattighofen 15*. Gral 
von Kyburg 3. Von Magenbuch? 1 1*. (St. Moritz 3*). Von Mos- 
mfloster? 13*. Von Mülinen [4* Von Reilingen 11. Von Rechen- 
berg 12. Von Reischach 12. Von Sachsenheim 10. Von Schal z- 
burg io. Schenk von Schenkenstein 1 1, Schenk von Winterstcttcu 
it. Schwaninger 12. Spül 14*. Von Stadion 13*. Von Stein 14*. 
Von Stellen 12*. Von Stellen 13. Sturmfeder 10*. Thumb von 
Neuburg 10*. Truchsess von Waldburg 14*. Von Wellwart 12*. 
(St. Wilhelm 3*.) Von Witer 15, Von Winterberg 14. Von Zipp- 
lingen II. Von Xulnhart 10. 

2. Kochisches Wappen buch von um 1490. Hohe 
28 cm, ISreite 20 cm. 320 Blatter in Folio. Die Seiten 
wurden aus zwei, vermittelst Holzstöcken hergestellten 
Schablonen verfertigt. Die eine Art besteht aus vier Voll» 
wappen, in deren Mitte ein jugendlicher Herold, in der Art 
der Nachahmer des Meistors des Hausbuches steht. 1 >ie 
zweite Art zeigt sechs Schilde, welche einen bärtigen Herold 
umgeben. Die Kinzeichnungen der Schildbilder und Helm- 
zierden rühren von verschiedenen Händen her. Der weit- 
aus grösste Teil derselben entstammt dem 13. Jahrhundert, 
doch wurden Eintragungen bis zum 17. Jahrhundert weiter- 
geführt 1 !. Entstanden ist das Wappenbuch am Oberrhein 
wohl am ehesten in der (regend von Freiburg. Dafür 
spricht das Vorkommen des Wappens der Schneeli mit 
neun Helmziervarianten und die ganze Auswahl der Adels- 

■) Beispiele spSierer Notizen: SchÖn'burg S. 278- »Roicbardus llaro a 
Siahrhcnthcrg Dns in Willpeig mit 3 Helmen 111 Badovil Anno 1 385 . Uoler 
S- 214. »Wulff üuler von Raffcnspurg Anno 1585 in Padova. St:ul> im 
heim Kcvsen«. 



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rßiHaTWiwiv[R<irf 



I 22 K. \V. Siuehcliii. 

geschlechter, die aufgeführt werden l ). Eine Notiz im Buch- 
deckel besagt, dass Baslc-r Maler Caspar Koch seinem 
Schwager Niclaus Ries das Werk 1595 abkaufte. Damals 
war das Wappenbuch also bereits in Basel. Vielleicht ist 
es schon früher hier gewesen, denn es ist auffallend, dass 
das im Basler Staatsarchiv aufbewahrte Wappenbuch des 
Conrad Schnitt (f 1541) in der Reihenfolge der Wappen 
zum grossen Teil genau mit derjenigen dieses Werkes über- 
einstimmt, liier sei ein Verzeichnis der in diesem Buch 
enthaltenen Wappen gegeben. Nicht berücksichtigt wurden 
einige Blätter, die am Schluss des Werkes eingeheftet sind 
und fremde und sagenhafte Wappen von einer rohen Hand 
des 16. Jahrhunderts zeigen. 

3. Wan neu wetschi sches Wappenbuch. Zweite 
Hälfte des 16. Jahrhunderts. Höhe 31 cm, Breite 19'/* cni - 
166 Blätter mit 4000 Wappen«. Schild*', Helme und Helm- 
decken sind mit llolzstucken in verschiedenem Format vor- 
gedruckt, während Schildbild und Helmzierden mit der 
Feder eingezeichnet und die Farben durch Initialen notiert 
wurden. Die wahrscheinlich vorgesehene Bemalung ist nir- 
gends zur Ausführung gelangt mit Ausnahme einiger weniger 
Seiten, auf denen der Verfasser das Gelb angegeben hat. 
Das Wappenbuch ist in Basel entstanden und gehörte dem 
(ilaser und Glasmaler Matthias Wannenwetsch, von welchem 
es Remigius Faesch 1652 kaufte. Neben den Wappen ober- 
rheinischer Geschlechtci enthält das Buch auch solche von 
Augsburger, Berner, Kölner, Nürnberger und Zürcher Patri- 
ziern, von polnischen Adeligen und franzosischen und ita- 
lienischen Familien. Bemerkenswert sind die Ahnenproben, 
die das Buch enthält und die vielen genealogischen Notizen, 
die einzelnen Wappen beigefügt sind. 

4. Bletz von Roten steinisches Wappen buch. 
Zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts, mit Einträgen des 17. 
und 18. Jahrhunderts. Höhe i$ l / t cm, Breite ig cm, 
137 Blätter. Jede Seite enthält zwei Wappen, die voll- 
ständig mit der Feder ausgeführt und dann bemalt worden 

') Per Basler Adel ist spärlich vertreten. Es fehlen di<- Schaler, Mar- 
schalk. liii den Hertenherg S. 210" fehlt die liezeiclinung. 



pglc 



reiHaTOWUHivwüre 



Fflnl wiedergefundene Itaslcr Wappenbuclier. 123 

sind. Vorn im Buchdeckel finden sich folgende Hintrage: 
01566. L. T. S. V. W. G. \V. Hans Diotterich bletz von 
Rottensteinc, und darunter von Remipius Faeschens Hand 
die kaum noch lesbare Bemerkung: »Haben es kaifön An. 
1663. Jar pro quo .,. Tri ... Francken »Cronia« in Albo«. 
Die Wappen sind durchweg unschön, meist flüchtig ge- 
zeichnet. Einzig wertvoll sind die Namen der Träger mit 
Daten, die* vielen Wappen beigefügt sind. 

5. Handschriftliche Kopie des Jörg Brendel-* 
sehen Wappen buchs von 1 584, Höhe 33 cm, Breite 
19 cm. 230 Seiten. Das Werk einhält die Fürsten und 
Herren mit ihren Wappen, die dem Reichstag zu Augsburg 
im Jahre 1382 beigewohnt haben. Der zahlenmässige Haupt- 
teil des Werkes ist ein Wappenbuch mit der üblichen Ein- 
teilung: Quaternionen. Schwaben, Franken. Bayern und 
Rheinlander. Die Schilde, Helme und Helmdecken sind 
mit Hol/stücken vorgedruckt, in grossem, mittlerem und 
kleinem Format, hierauf wurden mit der Feder die Schild- 
bilder und Heimzierden eingezeichnet und dann, wenn auch 
oft unrichtig, bemalt Der Stil ist gut für die späte Zeit 
und die Ausführung sorgfaltig, wenn auch etwas trocken. 



Anlage. 

Verzeichnis der Wappen aus dem Kochschen 

Wappenbuche. 

1 Ahasuy 1 74). Abensberg 25. Achalm 272. Acham 91 
Adelsheini 228. Affolter 280. Ahoi fingen 4-, Aicli 35*. Aich 
statt 42* Albich 261. Alexander der Grosse 159» Alheim 220 
AUenwald 151*- Alinshofen 99. Altdorf 283. Altenach 16 
Altenburg 2 16. Altendorf 284. Altern 260. Ampringen 76 
Andenberg a* d. Elsch 97*. Andlau 151*, 188, 263. Angloch 50 
Anhalt 224. Ankeiawiler 5J. Ansolzheim 182. Apfental 93 
Arberg 310. Arburg 206. (König Artus 175). Asch 122. 186 
Aspach 28 1*. Asper 38. Asperg 272. Aspermont 252. (As* 
werus 174). Aw 74. 



K)gle 






124 



R. W. Stäche 



in* 



Babcnstein 23 1 . von Bach 244. Baehenstcin 1 29. Mgr. 
von Baden 141, 144*. BiirenfeU 201*. Bflrcnslein 205. Ball* 
172, Baldegg 83, 83*, ig;. Baldingen 209. Baidsdorf 109. 
(König Baltasar 161*). (Banayas 174X Banner 121*, Barsberg 90, 
Barttenstein 133. Bayern 25, 139, 150, 150*, Stephan von Bayern 
291. Bebeisheim 187. Beehburg 206. Beger von G, 188. Bcg- 
genhofon 166*- Benzenau 26, Belser 288*- Berg 51, 128*. Berg, 
gen- Meisen 63* Berg f Herzog von 298. Bergach 302. Bergfelli 
285. Bergheim 291. Berlichingen 22 1. Bermus 288*. Bernau 233*. 
Bernhausen 135* Biber 167*. Biberach 17. Biberstein 277. Bich- 
lingen 249*. BIankenfels64- Blankenstein 268. Blashom 13*. Blas- 
senUrg4o, Blauen 215, Blenkly 192*. Bloehingen 135*, 135**255. 
Blumegg 1 17* Blumenstein 51,51*» 232*. Blümli von Rosheim 240, 
Bock 292- Bodman (AU) 88*. B od man (Neu) 88*. Böcklin 292. 
Böhmen 138. Bolbartcn 222. Bolheim 269. Bolsenhcim 1 1 1. Bon- 
sielten 252. Bopfingcn $$** Boppemtein 289*. Bossenstein 1 19. 
Brabant 298*, 304*. Gottfried von Brabant 175. Brächler73*. Bran- 
denburg 140* 141, Brandenstein 44* Brandts 169. Brankatz 247*. 
Braunschweig 150*, 299*. Breisgau 81*. Breitenbach 214. Brendel 
von H'burg 211. Brenner 74. Herzog von Brygg 305, Bruchtal 
260. BrÜmscr 287. 287*. Brünighofen 297*- Brun 167*. Brunn- 
kilch 2q6*. Buben 203- Bubenberg; 3r b Bubendorf 173. Buchberg 
27*, 29, Buchegg 262. Buclienau 97«. Bucheitstcin 312. Buch- 
heim 269. Buchs 14*. Büchser 91. Bflltctihcim 293 Büttikon 9. 

Herzog von Bull 2y8, Bunzingcn 276. Burgau 108. Burgberg 104*. 
Burgenstein 314. Bürgten 94. Burst 312. Bussnach i8i< Buss- 
nang 145*. Buttendoif 32. By tisch 282. 

Dachenhausen 134*. Dänemark 150*, Danberg 137*. (König 
David 175), Deutsch-Orden 143*- Diesscn 195. Durheim 209. 

Eberan von Wild ruber« 27 1 *. Ebcrharlsweiler 196. Eberstein 
144*, 299*, 32, Egg 33. Eggental 55. Eggrich 193*. Egloffstein 

34*. Hhcnheim 22*. Ehingen 82. Ehrenberg 295* Ehrenlal 18. 

Ehrshausen 126, Ehstetfen 128. Eich 258, Eichberg 29* Eichel- 
berg2o8*, 31 1*. Eicher72* Einsiedcl 227. Elchingen 268. Eller* 
buch 61. Ellnhoten 55. Flsass 107, 146. Emerchingen 126. Ems 
3*. End 53- Endingen 75. Enggassen 230. Land a, d. Entsch 
108. Enslingen 45. Entringe» 311*. Euzbcrg 104*. Eppcnberg 
257*. Eppcnstein 8*, igo. Epply 58, Eptingen 201. Erby 66. 
Erdungen 223. Eriswil 8*. Erlach 3*. Erlikain 213. Erlikon 299. 
Erpfcnstein 246. Eschbach 1 1 1. Eschenbach 206. Eschenz 176*. 
Esel 58. Etzlingen 284. (Euslachius 174). (Eussulmar? 174*). 

Falkenstein 1 17. 123» 172, Falz 169*. Fegcsheim 192. 
Ferzsch 43. Fcrzschßn? 43. Fctzcr 1 68, 2 1 1 , 22 1. Finsterloch 45. 
Firmon 97*. Firnenberg 249V First 246. Fischerbacll 81*. Flach 
von Sehwarzenberg 289*. Flachslanden 201. Flamburg 314. Flars- 
heim 228. Fleckenstein 245. Franken 138. Frankenstein 219. 



Google K ,£w 



Fünf wiedergefundene Basier W.ippenbiichcr. (2^ 

Frankreich 1 6 i *. Freiberg 6 1 . Freienstadt 2 1 8, Frencr 1 65- Freu- 
denberg 42. Fridiaheim 314. Krklingen (AliJ 88. Fridingen (Neu) 
88. Frischaeh 234- Froberg 30g. Froburg 254. Frodenach 266. 
Fronauer 275, 275- Fronberg 26, 152*. Fronhausen 217. Fron- 
hoffen 27, Fronn 45. Fuchs von Fuchüberg 17. Fürsberg 279*. 
Fürstenberg 114. Fürstenbcrger 100. Fullweiss 180- 

Gachnang 198. Herzog von Galler 302. Gangeier 40. Gang- 
ler 40. Gcb&attel 41. Geissboss 308. Gemmingen 219. Gendern« 
dorf 276. iSt Georg 142). Gerhardt 180. Geroldscgg 145*, 179. 
Gersten 214. Gessler 107. Gich 45. Giltingen 70*. Girsberg iSg. 
Glabach 272. Glaris 166. Gleichen 250. Göler von Ravensburg 
214* Goldast 233*- Goldenberg 10. Gflrtz 148, Gösken 254, 
Göbkcn-Bcchburg 3. Gottschen 3, Gouffenstein 192. Graben 313*. 
Grabner 267. Graden 281* Gradenegg 270*. Gräder 274. Gram- 
wil 46. Gransheim 233. Grasbach 313*- Grat 194. Greifenstein 
255*. Grienberg 285. Griffensce iq6. Griesheim 198. Griesingen 
46- Grill 303*. Gross (Franken) 46* Grossschlag 227. Grum- 
bacli 31. Grutnach 312. Güssen vor* Güssenberg 98. Herzog von 
Gulch 302*. Gumpenberg 20". Gundelfingen 37. Gundelsheim 
133. Guntheim 286. Guttenberg 36, 311. 

Habersim 30 1- Habsberg 47. Habsburg 107. Häcliingcn 
203. Häggen 103 Häftlingen 313, 177*- Hagenbach 203. Hag- 

senacker 92. Halbermund 29g*, Von Halle 47. lialwil 204. 
Hamberg 305. Hanau 294*, Harnsdorf 296*. Ilarschkirch 137". 
Hartlaust 229. Hartheim 214. Hasen 228. Hascnburg3io. HaU- 
statt 188. Heck 183. Heffe1cr7i. II cgi 56. Heidegg 11^271"*- 
Heidelberg 25'». Heilfingen 70*. Heiligenberg 52, Heimbach 229. 
Heimhufen 66. Heideried 45. Helfenstein 59. Hellen 62* Helm- 
stadt 293*- Heinansdorf 129. Hcmmerly 97a, Henneberg 30*. 
Hentscliigheim 2 13. Hcppc 224*. Heppenheim 289. Hcrbolzhchn 
36. Hcrtenberg 210* Hertenfeld 303- Hcrtenstrin 10. iHeelor 
von Troya 160K Hessberg 16. Hesscl 2 1 7. Hessen 141, Heu- 
dorf 88, He wen 37. Hieschen? iqi. Himmelberg 302. Him- 
hofen 83. Hirzberg 23, 127. Hirzhom 230. Hochberg 114, 
Hochschlitz 135. Hömlingcn 64. Hofwart von Kirchheim 244. 
Hohenberg 60. Holienburg 190» 244. Hohenrgg 94. I lohen - 
Ms 208*. Hohenfurl 74. Hohenkirrh 92. Hohenlnhe 30*. Huhen- 
ried 105. Hohcnsiauffeil 272. Höllenstein 18S. Holnegg 300. 
Holzapfel 286. Holzfeldcn 22 i- Holzbusen 110. Holzingen 270*. 
Hombcrg 170. Homburg 299'. Hombcrg 88- Honstatt 24S*, 
Honstein 250*. 227- Huppingen 83. Horbiug 53. Hornburg 
I16. Hornheim 152*. Harnstein 82- Hattingen 167. Huby- 
siein 173- Hübsehmann 73, I lOntznberg 10. nun 18. Hund 
von Salem 232"". Hundwll 10. Hungerslein 182. Ilunwiler 238' 
Vom Hus 28*, 238. Husen 47. Husncr von Stoltenberg 47. Russ- 

wil 195. Huttunberg 288. 



C ioogle mSStSS» 1 . 



126 R- W", Stftebelin. 

Ih 32. Iberg 12*. Iffenial 176*. Illzach 199*. (Job von Hur 
174). Von Joch 252. (Josua 1591. Ingelheim 220. Isenburg 242, 
294, (Judas Maccabäus 159). Judman 90. (Julus Caesar 59). 
Jungholz 199. Jungingen 207*, 207*. Jusik 261. 

Kalsattel 41. Kämmerer 245, Kümmerer von Talbcrg 2S3. 
Kärnten 113. Kagencck 183*. Kagern 278. Kaisersberg 296*. 
Kaiserstuhl 31 K Schenk von Kaisersluhl 178** Kalberg 305*. 
Calg? 194*. Kallenberg 209*. Kaliingen 90. Kallwen 272, Kalten« 
bach 1 15. Kalicntal 127, Kauiberg 220. Kamer 91. Kammer- 
berg 21*. Kappe! 178** Kappcler 186. (Karl der Grosse 175}, 
(König Caspar 121% Kastei 31. Kastner 279. Katzenellenbogen 
294. Katzenstein 302. Kaut zacker 45*. Kcppenbach 75, 186. 
Von der Ker 43. Kesswil 165. Kyhurg 107. Kienberg 254. 
Kilchhctm 12, 119. Kippenheini 119. Kinbeig 20. Kirchberg 60. 
Cleve 147, 298*, Klenau 28 1** Klingen 311. Klingenberg 86*. 
Klingenstcin 57. Klinghardt 44. Klossner 2S*. Knobloch von 

Engclbrecht 293, Kuörringcn 104*. 263*. Kobern 25, Köln (Erz* 
bist.) 140. Königsberg 16*. Kötl 93, Kolbsen 290, Kolenbrand 
261. Koluilz 280. ( onstantinopel 142. Kotzow 23, 137*- Kräls- 
heim 41. Krain 113. Krais 211. Kianich 284. Krebser 112*. 
Krenkingcn 37» Kriech 1^6. Krieg 242, 278. Croy 218. Kron- 
berg 253. Kronenberg 219. Krottendorf 302. Kmtzingen 75, 
Kucbler 19*. Kuchii j 17, Küngscgg 65. Kttngstcin 11, Köss- 
nacht 312- Kunach 275. Kurberg 309. K um egg 88. Kuss- 
pfennig 185. 

Laber 23. Lampertheim 240*. Landau 249* Landenberg 
207*, 207*. Landsberg 291. Landschad 212. Laubgassen 194. 
Leyden, Burggrafen 223*. Leim 260. Leiningen 19, 282, von 
der Leiter 102*. Lenbach 62. Lcnlcrshcim 41. Truchs. von Lenz- 
burg 9- Lermündlin 100. Leser 73, Lichtenberg 146,282. Lieh- 
tcnfels 1 17. Lichtenstein 96. Lichtenstein a. d. Lisch 96*, 303, 17. 
Liden jO. Liebcuberg 196. Liebenfels 258*. Liebcrmann 71*. 
Lielberg 33, Licrheim 312. Limbcrg 100. Lindenfels 40. Schenk 
von Lintberg 38. Linstetten 51, Lysscr 276. Littow 12. Lilzel- 
mann 44- Lobensdorf 168. Locken 165. Loerrach 199*. Loeseli 
292. Löwenberg 272- Löwenstein 262. Logeneck 55. Lomers- 
heim 272. Lonsheim 56. Losenholz 45. Lothringen 298. Lüne- 
buig 299. l.Ützciburg 299. Lungshof cn 1 16. Lupfen 48- Luppen 
121. Luslenau 126. Luternau 197. Hund von Luterbach 16. Luter- 
berg j 1. 

Mähren 139. Matsch 95*, 153*. Magdeburg 147, Magen- 
buch 105, (Magnus von Schweden 160). Mailand 298. Mainz 140. 
Malterer 115, MalteserOrden 143. Mandach 197. Mandelscheid 
308- Mannsberg 98. Mannsfclden 215. Manz 183*. Marek 298. 
Marschalk 210*. Marschalk von Ostbeiin 240*. Marschall; von 
Oberndiirf 271*. Marx 192. Masmünsler 202*- Mauburg 52. 



pgle 



rciMaiCNUMh«ferr 



Fünf wKzdtrgefuudcne Basier Wapponbüchcr. 127 

Matxingen 251, 232. Mecklenburg 305. Meggenheim 13*. 205. 
Meyer von Alts teilen 1 7 1. Meyer von Hüningen 236. Meyer 
Messen von Wiler 120". Meyer von Morsberg 177, Meyer von 
Windegg 257*- Mcigcn 223*, M eigen föls 50*. Meinwart 76, 
Mcisscu 141, (König Melchior ibi A ). Melsch? 181. Mensheim 
278*. Menzenbcrg 230. Men ringen 304. Mennos 173"- Mergent- 
heim 32. Messelrein 91, Messenbach 22*. Mensen husen 122. 
Mild 49*, Mildingen 152*. Milien bürg 224. Miwenegg 82. Mftr- 
gingen Hb*. Mors 144*. Mörsberg 296** Morsberg- Beifort 281, 
Mörser 58, Moll«/ 234. Monlenarh 254* Montfort 48. M*>r- 
daxen 280*. (St. Moritz 143*). Mondringen 91, Morsbach 93, 
Morschwil 222- Mosbach 241*. Mos>ax 102. Mos&heim 270*. 
Mülheim 38. Mülhofen 283. MQlinen 11. Maller 195. Mülnheim 
183*, MÖnch von München&tein jgo*. Mrtnch vnn Rosenberg 49. 
MQnchwil 127*. Münsterberg 218. MQnsterol 202*, Munzinger 
1 20. Murbach 236. 

(Jfebiikudnezar 17 4). Wellenberg 60. Neuenbürg 60* Ken- 
dingen 168. (Neio 174*)- Nettendorf 195* Ncuenegg 62. Neuen- 
felis 111. Neuenhausen 123. Nruruslein 43, 66, 297. Neuhau- 
sen 70*, Nidau 114. Niedbcrg 213. Nidcgg 268- Nidlingen 98. 
Nippenburg 86. Nix von Hohcncgg 222. Noppen 203. Nothafft 
26, 63, 65. KOrenbeig 146. Nürnberg Bggr. von 259. Nussberg 
19*. Nussdorf 21*. 

Oberheim 101. Öberkirch 243. Oclisenstein 282. Uderaheim 
292« Alt-Oestcrreich 143** Ncu-Oeslerrcich 145*, Herzog Leopold 
von Oeslerreicli 160. Octtingen 46, 271. Oftringen 198. Oggen- 
heim 222. Oggspurg 312* Ollingen 13, Opfingcn 47. Orlienz 304. 
Orschanz 16. von Ort 50. Ortenberg 25. Ostein 187. Oster 176*. 
Oltschcr 73. 

pfadersheim 23*,. Pfaffberg 180. Pfaffenach 256* Pfaffenlap 
239. Pfahlheim 83. Pfannenberg 277. Pfirt, Grafen 107. Pfirt, 
Herren 236. Pfor 1 12. Porienau 108. Portugal 142. Preising 28. 

Rabenstein 92, 266, 280. Ray» (Rieux) 35. Rarachingen 
2oo, 212. Rammgen 122. Ramschwag 94. Ranisid 109. Ratn- 

Stein 53, 200; 237, Randegg 86. 190- Randrnburg 99, Rappoll- 
stein 1 79, 181» 182. Rar 148. Rallicb 119* Ratsamhausen 291. 
RazQne 169*. Rechberg 6l p 279*. Rerhbergcr 122, Rechenberg 
50. Recht von Talheim 247. Redwitz 36. Regenslei» 2 1 3*. Rege*;* 
heim 1 89. Reich von Reichenstein 20o v . Reid 239*» Reifcnberg 
257*. Reineck 30*. Reineck Ketzow 23- Reinhactsweiler 64. Rci- 
nach 203 Reinslettcn 37*. Rcischnch 86. Reitheim 84. Rhein, 
Pfalzgraf bei 294*, zu Rhein 201*- Rheinegg 147. Rheiufelden 
210*. Rheingraf 230. Rheinsberg 215*. Reichenbach 178*. Rieh« 
stein 154. Riehen 73*. Rielbcrg 85. Rietenhofen 246. Rinau 299. 
Ringeldingen 9. Ringelsheim 71, Rinckenberg 311* Rodcnbach 
2fto. Rodenstein 304*. Hochmeister von Rodus 143*. Röder 243. 



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I 28 K* W. Staelielin. 

Römischer Kaiser 138. Römischer König 13g. Röteln 144*. Rur- 
bacli 267, 21*. Rornios 3 1 2* Rorsehach 99, Rosenberg 31, 51. 
Rosenegg 16g*. Rossheini 243, Rot 202, Rotberg 202*, Roten- 
burg g5, 251, Rotenhahn 17. Rolenstcin 98, Rottow 21*» Ruch- 
e SS 3 ! '*» 3 !2i ^ uc * , 73- Rudesheim 220. Rüden 221. Rflsseck 
206. Rulingen 290, Rumlang 68. 198, Ruschendorf 101. Rus- 
singer 65. Rtist 313*, RuUc 117. 

(Qabalay 174)- Sachsen 139,303. Sachsenheim 78* Sagen, 
Herzog von 305. Salm 25g. Sansenhausen 247*. Sansheim 63. 
Sattelbogen 20*. Satzendorf 278. Saulheim 8*. Savoycn 148, Sax 
102. Schadegg 274. Schader 43*. Schafteisheim 179» 301. Schar- 
nachtal 3a. Scharpfenstein 227, 2S6. Schaucnburg 246. Schenk 
von Antbcrg 38. Schenk von Ehenhcim 193*. Schenk von Er- 
bach 230*. Schenk von Flailenheim 248. Schenk von Gir 16*. 
Schenk von Kaiserstuhl 178*. Schenk von Landegg 128, Schenk 
von Limburg 151* Schenk von Üsterwitz 129*- Schenk von 
Schenkenstein 47, Schenk von Stauffenberg 54. Schenk von Stein- 
egg 241*. Schenk von Winterstetten 46- Schellenberg 83. Schcller 
300, Scheit 42*. Schilenwitz 83. Schilling 64. Schihcn 99. Schlan- 
denberg 95*, Schlau 171. Schlicken 213,216. Schlösselberg 213. 
Schnecli 131, 120,67. Schneit 163. Schnellingen 100. Schnitt- 
loch von Kestenbcrg 232. Schob 293, Schönau 204, Schönberg 

381 39t 5h 235, 235* *7& Schönegg 173. Schünenbeig 134*. 
Schonburg 133*. Schonstetten 22*. Schorzburg 46. Schottland 
142, Schfipfhcim 1 3. Schultheis* 187. Schwaben 138, Schwabs- 
berg 133- Schwalbach 212. Schwandegg 256. Schwangau 95. 
Schwarzburg 148, S< hwarzenberg 113, 34. Sehwarzenstein 305** 
Schweighausen 238. Sebacli 1 10. Sedorf 104*. Sehen 237*. Seyn 
239, Scckendorf 38. Sendenbach 258*. Sengen 94*. Senn von 
Münsingen 253. Sibcndorf 92, Sidlilz 303*. Sigehnann 74. Sig- 
maringen 272. Signau 311, Sickingen 212. Simetingcn 56. Sittenlo 
8*. Sitzenberg 270*. Soler 80*. Sohns 225*. Spill 84. Specht 
von Bubenheim 293. Sparnegg 33. Speyer 247*, Sperlin 103. 
Spiegelberg 9. Spielberg 110. Spins 14. Spur 90* Stadion 103*. 
Slallberg 216, Stammheini 78*. Starkenberg 97a, StaU 1 12*. Stau- 
ten 116, 116. Staufenbcrg 76. Stauffer 37, Steiermark 113. Stein 
281*. vom Stein 3*. Steinach 172. Steinheim 37. Steinine ver 79*. 
Stcimtlck 18. Sternegg 190, 236*. Sternenberg 26 1. Sternenfels 
50. Stellen 47. 49", 128*. Stellin 218. St^er 189. Stoer von 
RicMenberg 272*« Stoffel 37. Siolzenegg 30. Storchen 301. Stork* 
heim 220. StrJitlingen 310. Stralcnbcrg 13. Slralenfcts 34. Strasser 
14*. Slivilberg 34. Strirnl 224* Stmmbeig 147. Strundegg 132*. 
Stuben 266. Stubenberg 277. Stubenweg von Brandegg 243. StOll- 
lingcn 8o* f 203, Siusslingen 38. Sturm von Sturmegg 240. Sturm- 
Feder 46. Sucher 288*. Sulz 180. 39, 287*. Süsscncgg 234. Sulz- 
herg 235*. Sunthusen 123. Susenheini 267. Swarher 243. 



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Fünf wiedergefundene Basier Wappenbücher. 120 

Tagstein 50*- Taiberg 235, Talheini von Kberbaeh 248. 
Talhofen 233. Talmessingni 312. Tann 50, 244. von der Tann 
241*. Tannegg 204, Teck 27g*. Tegeli 121*. Tegrrnau 205. 
Tengen 60. Tettingen 208*- Thumb von Neuburg 83, Thungen 
39. Tierberg 195**311. Tierstein 182- Tigesheim 68, Tvrol 113. 
Törringen 26. Toggenburg 170*. Tor 28*. Torterg 170*. Torner 
275. Totnau 12 1- Traehselhcim 49*. Trappen 266. Trier 140. 
Troescher 7 1*. (Hektor vonTrova 160). Tronbach 20*, 109. Trossel 
217. Tn>stberg 314. Truchsess von ßaldershcim 33*. Truchsess 
von Bichisbuscn 272, Truchsess von Bomersfeld 16*. Trucbsess 
von Dicssenbofen 204. Trucbsess von Landsburg 9. Trucbsess 
von Linden 56. Trucbsess von Rapprechtswil 166. Truchsess von 
Rheinfeldcn 237. Trucbsess von Ringingen 63, 272*. Trucbsess 
von Stetten 56. Trucbsess von Waldburg 61. Trucbsess von Wald- 
egg 82. Truchsess von Wetzhausen 33*. Trucbsess von Wildegg 
171, Trucbsess von Wolhusou 315*. Truchtlingcn 97*. Truwen- 
dingen 249*- Tübingen 1 16- Tum 96*. Türingen 146. Hernian 
von Türingen töo. Türler 177*. Türnacb 14*. Türslein 274. 
Tüsslingen 120. Tuffenbach 276. Tugringen 299. Tum von Salm. 
287*. Tumbeig 42*. Turnen 205*. Tumfclden 15. Tumritz 268. 
Tuner von Fridberg 168, Im Turm 88. Zum Turm 167*. Turnach 
171. Turner 72*. 

XJdenheim 229- Ueberacker 130-. Uff süss 35*. Ungarn 150*, 
! 53*- Ungnacl 300. Urach 153*, 72*. Urbacii 54. Usemberg 
115, Ultelstein 231*, Ultenbeim 237, Utzingen 311. 

Vandrv 217. Vatz 169*. Venningen 295. Veringen 51*, 
Verr 225- Veschly i!2*. Vesencgg 130, Vcstenberg 38. Vvttow 
102*, Villenbach 272*. Vinstingen 259- Virnkorn 15. Vitztum 
von Waldegg 210*. Vogtberg 238, 

Wäll2o8*. Warr8o* Waffler 283, Wagenberg 258. Wagcn- 

beim 242*. Waldegg 29*. Waiden ioj . Waidenburg 203. Waiden- 
fels 34. Waidenstein 96*. Walders 101. Waldkirch 54, Waldner 
von Freundstein 23Ö- Waldsee 262. Walcr 195. Wallersdorf 22S. 
Walnrod 43*, Waltenbeim 310. Wandelberg 170*. Wart 251, 278, 
Warlenberg 52. Wartensee 313*. Wasselheim 287, 30 1. Wasser- 
burg 57*. Wasscrstclz 311. Wattenheim 285. Wattweiler 189. 
Wcgsott 235. Weid 225, Weingarten 2 1 2. Weinbeim 247* Weins- 
l>erg3i P Weissenegg 234*- Weisskiich 178*. WeUslin 231*. Weiss- 
lin-Frischheim 285. Weitenmöhl 186« Wollener 21 !. Wells ioq. 
Wellsnach 305. Wellwart 62*» 127*. Wenkheim 33. Werdenau 84. 
Werdenberg 47*. Werdenstein 94*, Wertheim 30, Wessenberg 297, 
Westhausen 185*, 241. Westerberg 151*. Westernacb 84. Wetteis- 
heim 186. Wetzel 179. Wetzel von Marsilien 299, Wichingen 16. 
Wichs 22*- Wichsei 172. Willstau 40. Wigersheim 239*. Wicke 
223*. Wildberg 242*- Eberan von' Wildenberg 27. Wildenstein 
36, 26Q. Wiler 46. 63*. 78. (St Wilhelm 143*). Wlltz 224*. 
Zofrcfar. L ürtch. <h Qberrk N.F, XXXIL 1. 



9 



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I^o R- w - Staehelin. 



Windegg 97a, 245* 

* .^v UTUlU HM T 



* Windische Mark 108. Winegg 3. Winheim 

Bolanden 230. Winterbach 230. Winterberg 12. 
r inzlon 123. Wippingen 134*. Wissbach ig*, 300. 



Wittgenstein 225. 
Wolf- 



2 ig. Winter von uoianaen 230- winteroacn 230. Wi 

j. Wippingen 134*, Wissba 
)W 35*- Wisswil 75. ■ 

nimiifiVHUA - T-vt-ittifr^wy*. Wolfsatlcl 274. W 

stein 15. Wolhusen 253. Wolkenstein 3* Wolpe 299*- Wulschlahcr 
284. Württemberg 59. Wunnenberg 1 1 1, 285*. 

Zahringen 1 14. Zässingen 237. Zebingen 26g. Zengcr 29*. 
Zybel 38*. Ziegenberg 31 1*. Ziegenheini 25 1. Zyly 277. Zimmern 
48*- Zipplingcn 133. Zobel 39. Zoller von Haiburg 38*. Zollern 
59. Zorn 183- Zulnhart 65. Zwingenstein 8o* t 255*, Zwungen 79*. 



Winthcim 286. Winzlon 123. Wippingen 134*. Wissbach ic 
Wissenbach 134*. Wissentow 35*, Wisswil 75. Wittgenste 
Wittingen 62* Wolffurt2og*. Wolfsattcl274. Wolfskehl 4 i, 
stein 15. Wolhusen 253. Wolkenstein 3. Wolpe 299*. Wuls 



i«i«SiiÄ 



Miszellen. 



Der Überlanger Maler Marx Weiß (t 1580) und seine 
Familie. — Paul Ganz hat in seiner jüngsten ergebnisreichen Schrift 
über den Meister von Messkirch (vgl. die Anzeige S. 167) zum ersten- 
mal auf diesen bisher fast unbekannten Uberlinger Maler aufmerk- 
sam gemacht und die Vermutung ausgesprochen, dass er mit dem 
Meister des Messkircher Hochaltars identisch sein könne. Die 
Vermutung gründet sich darauf, dass der in Zürich befindliche 
Entwurf einer mit der Jahrzahl 1543 bezeichneten Wappenscheibe 
eines Konstanzer Domherrn, der in Stil und Komposition auf den 
Messkircher Meister hinweist, das Monogramm MW aufzeigt, dieses 
Monogramm aber, wie V. Metzger und Dr. Feurstein feststellten, 
in ähnlicher Verschlingung auf einem Zettel vorhanden ist, der im 
Uberlinger Münster unter einem Schlussstein des Hochgewölbes 
gefunden wurde und besagt, dass M. Marx Weiss, der Maler, von 
Überlingen, mit seinem Sohne Andreas Christoph 1560 das Ge- 
wölbe und das jüngste Gericht am Triumphbogen gemalt habe 1 ), 
wobei auch Ganz die Möglichkeit, dass die Zeichen des Scheiben- 
entwurfs sich nicht auf den geistigen Urheber, sondern den Kopisten 
beziehen mögen, nicht ausschlieft. 

Die hier aufgeworfene Frage ist wichtig genug, um ihr nach- 
zugehen. Ganz selbst stellt eine weitere Untersuchung in Aus- 
sicht und spricht den Wunsch aus, dass die lokalgeschichtliche 
Forschung die Spuren des Uberlinger Meisters weiter verfolge, vor 
allem etwaige Beziehungen zu Messkirch feststelle. Was er auf 
Grund von Mitteilungen der Herren Stadtpfarrer Dr, Feurstein 
und Kunstmaler V, Metzger über ihn vorläufig zu sagen vermag, 
ist wenig. Danach wäre Meister Marx als Enkel eines um 1518 
verstorbenen Malers desselben Namens von Balingen über Rott- 
weil nach Überlingen eingewandert, wo ihm 1550 der Auftrag zur 
Ausführung der Fresken im Münster erteilt worden sei. J 573i wc> 
er die feierliche Primiz eines Sohnes Marx in Überlingen nach- 
suchte, war er noch am Leben, 



') Ich werde den Wortlaut in den von mir in Verbindung mit H. Metzger 
geplanten »Regesten und Urkunden zur Raugcschtchtc des Uberlinger Münsters* 
mitteilen. 

9* 



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- - i'i, r i NUUVIBS1 



'32 



Miszetle. 



Ich kann auf Grund der Vorarbeiten für die oben angeführte 
Publikation diese spärlichen Nachrichten Ober seine äussern Lebens- 
verhältnisse etwas ergänzen. Daraus ergibt sich folgendes. 

M. Marx Weiss kam spätestens anfangs der 1550 er Jahre mit 
seiner zweiten Ehefrau Magdalena Enderlin oder, wie sie auch 
heisst, Dornvöglin, von Rottweil nach Überlingen, wo er ins Böiger* 
recht aufgenommen wurde. Der Name der ersten Frau, von der 
er eine Tochter» Anna, hatte, ist nicht überliefert. Aus der zweiten, 
mit Kindern reich gesegneten Ehe stammten 8 Söhne: Josef Christoph, 
Andreas Christoph (Christian), Michael, Esaias, Marx, Karl, Jonas 
und Tobias Jeremias und 3 Töchter: Elsbcth Bersaba, Katharina 
Rachel und Esther. Ihre Geburten verzeichnete der Vater in 
einem Hausbuche: danach wurde Jonas am 29. April 1559 zu 
Überlingen geboren und von dem Konstanzer Suffragan, früheren 
Überlinger Stadtpfarrer D. Balthasar Wuorer aus der Taufe ge- 
hoben. Im Januar 1560 1 ) beauftragte der Rat ihn, das Gewölbe 
im Münster mit Fresken zu schmücken und am Chorbogen das 
jüngste Gericht zu malen. Von seinem Sohne Andreas Christoph, 
der ebenso wie Esaias sich dem künstlerischen Berufe des Vateis 
widmete, hierbei unterstützt, führte er die Arbeit, für die ihm 
100 fl- als Lohn zugesichert wurden, im gleichen Jahre aus, das 
erste Gemäldefeld Gott zu Ehren in frommem Sinne ohne Ent- 
gelt. 1562 hören wir dann noch einmal von einem Auftrage, im 
Zusammenhange mit dem neuen Schlossbau zu Heiligenberg: er 
erhielt für 1 4 Fähnlein -auf die neue brück zu machen« 1 fl., 
sein Sohn Stoffel Weiss »fflr allerlei Arbeit* 6 fl, 4 Batzen *j. 
1573 bemühte er sich, wie schon oben erwähnt, um die Primiz 
seines Sohnes Marx. 157,5/0 waren seine Söhne Andreas Christoph 
und Esaias mit der Ausführung von Malereien am neuen Münster- 
glockcnlurm zu Überlingen beschäftigt. 1580 Februar 25 starb 
er und wurde zu Überlingen auf dem Gottesacker beigesetzt. 
Sein mit einem kleinen Gemälde, wohl von Solmeshand ge- 
schmücktes Epitaph, aus dem wir seine Familienverhältnisse kennen 
lernen, hat uns Reutlinger in der unerschöpflichen Fundgrube 
seines fleissigen Sammelwerks überliefert 11 ). Die Witwe, die noch 
1384 in einem vom Rate ausgestellten Geburlszeugnisse für Jonas 
W. (Beilage 1) genannt wird, folgte ihm am 3. Juni 1593 im Tode; 
am 1, November 1594 ihre Tochter Katharina, die sich 1582 mit 
Michael Mößner und 1592 in zweiter Ehe mit Thomas Gütz verheiratet 
hatte. Von den Söhnen slutlietten drei an der Frciburgcr Hoch- 
schule 1 ): Markus, der 1568 immatrikuliert, i56gBaccalaureusund 1571 
Magister wurde und 1606 Xo\\ 10 Starb 5 ); Jeremias, der 1584 mit 



') Nicht 1550, wie Ganz angibt. Belege für das Folgende künftig in 
den »Regy. und Urkunden zur Baugcschichlc des Cberlinycr Münsters«. — 
*) SVÜBaar X, 13. — a ) Beilage 2. — *) Herrn. Mayer, Die Mfttft der 
Univ. Freiburg i. Br. I, 305, 611, 561. — ß j Scelbuch. Pfarrureh. Üb. A. 2. 



t !oogk mSStSS»\ 



Miszcllcn. 



133 



20 Jahren nach Preibuig kam 1 ) und 1587 Baccalaureus wurde, und 
Jonas, der 1577 in die Matrikel ei ngetragen wurde, 1 580 die 
Magister-, 1586 die theologische Doktorwürde erhielt, als Lehrer 
der griechischen Sprache am Pädagogium in Freiburg wirkte, 1587 
in den Priesterstand übertrat und 1592 vom Grafen von Hohen- 
zollern als Pfarrer nach Sigmaringen berufen wurde 2 ). Esaias ver- 
heiratete sich 1572 (Hochzeitsordnungsbuch im Pfarrarchiv); Andreas 
Christoph, der Maler, 1580. Er hatte zu Überlingen des Klosters 
Salem Behausung besiandweise inne und starb 1595 mit Hinter- 
lassung von 70 fl. Mietschulden" 11 ). Als Sohn oder Enkel anzusehen 
ist wohl auch der Maler Josef Weiss, der 1607 August 24 ge- 
mahnt wird, die Kirche zu Stockach versproehenermussen auszu- 
malen J ). Dagegen gehört der Steinmetz Hans W., der in der 
zweiten Hälfte des 16. Jahrh, urkundlich öfter begegnet, nicht zur 
Familie des Malers, zum mindesten nicht im engeren Sinne. 

Das ist alles, was ich bis jetzt archivalisch ermitteln konnte. 
Von Beziehungen zu Messkirch ist darin nirgends die Rede, von 
künstlerischen Aufgaben, die er zu lösen hatte, nur, soweit es sich 
um das Münster handelt. Aber vielleicht hat er für die benach- 
barten geistlichen und weltlichen Herren um so mehr gearbeitet. 
In Betracht käme zunächst das Kloster Salem, wo in dieser Zeit 
eine rege künstlerische Tätigkeil entfaltet wurde. Leider fehlen 
hier die Abtsrechnungen, die darüber Rechenschaft geben sollten, 
gerade für die wichtigste Zeit, die Jahre 1543 bis 1575- Wenn 
sein Name also in den spateren Jahren bis 1 580 nicht erscheint**), 
ist daraus kein sicherer Schluss zu ziehen- Ähnlich steht es mit 
Heiligenberg, wo damals grosse Bauten erstanden und reichen 
künstlerischen Schmuck erhielten. Auch hier liegen die Rech- 
nungsbücher, denen Martin seine kunstgeschichtlich wichtigen Aus- 
züge entnommen hat, nur für die Jahre 1562/3, 1 567/8 und 
157 1/6 vor**). Wenn in ihnen, von einer rein handwerksmäßigen 
Arbeit abgesehen, M. Marx nirgends genannt wird, beweist also 
auch dies nicht, dass er zu grösseren Leistungen überhaupt nicht 
herangezogen wurde. Ob die ortsgeschichtliche Forschung im Über- 
linger Stadtarchive — die Urkunden und Akten des General- 
landesarchivs habe ich selbst durchgearbeitet — noch weitere Auf- 
schlüsse gewähren wird, bleibt abzuwarten. Ältere Rechnungen, 
vor allem die der Münsterfabrik fehlen; die Kirchenbücher setzen 
zu spät ein. In Betracht kämen vorwiegend die Kontraktenproto- 
kolle sowie die Bürgerbücher, aus welch letzteren doch wohl er- 
mittelt werden könnte, wann Marx W. eingewandert ist und das 
Bürgerrecht erhielt Mit ihrer Durchsicht sind die H. Metzger 



*) »Adriani Manu praepositi in Waldkirch cognaius vt nepos.« Mayer, 
I, 6ll. — *) Mayer, a. a. O. 1, 561, — ■) Über). Ratsprotokoll (Mct/ger). 
— "*) Ebenda. — 6 ) Vgl. Obser, Zur Salemer Bau* und Münstergeschiclitc 
im 13. und 16. Jahrh. ZGORh. NF. 30. 593 ff. — '') SVGBaar X, 1 ff. 



'8 C FfllHaiCMUHlY[($lTV 



»34 



Miszcllrn. 



und Dr. Semler z. Zt beschäftigt. Sodann wird es aber auch 
selbstverständlich nötig sein, die Spuren des Meisters von Über- 
lingen aus rückwärts zu verfolgen nacli Roltweil und Messkirch 
durch Nachforschungen im Rottweiler Stadtarchiv und im f. fürsten- 
bergischen Archive in Donaueschingen, Dieser Aufgabe widmet 
sich Herr Dr. Feurstein, der seine Ergebnisse demnächst veröffent- 
lichen wird. Das Wichtigste bleibt freilich letzten Endes eine ge- 
naue Untersuchung der erhaltenen Überreste der Schöpfungen des 
Malers im Überlinger Münster — das jüngste Gericht ist ja leider 
1722 durch den Konstanzer Karl Stauder völlig übermalt worden 
— und ihre Vergleichung mit den Werken des Messkircher Meisters, 
vor allem den Fresken in Heiligkreüztal. Der Kunsthistoriker wird, 
wenn die urkundlichen Quellen versagen, auch hier das entscheidende 
Wort zu sprechen haben. Aber wenn auch eine Identifizierung 
des Überlingen; mit dein Messkircher Meister, gegen die ich vor- 
läufig gewisse Bedenken nicht unterdrücken kann, nicht gelingen 
sollte, so viel dünkt mich nach den Darlegungen und ergänzenden 
brieflichen Mitteilungen von Paul Ganz doch wahrscheinlich, dass 
Marx Weiss dem Messkircher Maler nahe gestanden hat und in 
ihm ein Bindeglied gefunden ist, das vielleicht zum richtigen Ziele 
überleitet. 

Ich lasse nun den Text der beiden familiengeschichtljch wich- 
tigen Urkunden folgen, zumal sie sich zur Wiedergabe in der ge- 
planten Quellenschrift nicht eignen. 

Geburtsbrief für MagisUt Jonas Weiss. 

Überlingen, 1584 März 27. 

»Der ersam vnd wolgelert Jonas Weiß, der siben freyen künsten 
magister, weilundt maister Marx Weißen dcß maiers jetzo ver- 
hoffentlich seligen vnd Magdalena Enderlinin seiner nachgelassenen 
ehelichen wittiben, so noch am leben, eheleiblkher söhnet, er- 
scheint vor dem Rate zu Überlingen, da er willens ist »sich welt- 
lichen Stands zu enteußern vnd in priesterliche würdigheit zu be- 
geben*, dazu aber eines Zeugnisses, daß er von frommen Eltern 
ehelich geboren und 24 Jahre alt sei, bedarf. Bürgermeister und 
Rat bestätigen auf Ersuchen, »nachdem vergangner jaren -obge- 
melter maister Marx Weiß vnd sein eheliche haußfraw von Rot- 
weil, alda sey (= sie) inhalt habender vnd fürgelegter ircr vrkunden 
zue kürchen vnd siraßen gegangen, alliier in vnser burgerrecht 
kommen, daß vns vnd meniglich wol kundt vnd bewißt ist, daß 
sey beede chcgcmächt in zeit ires chestands bey vns den obge- 
melten M. Jonas Weyßen neben andern kindern mit ainander 
ehelich geboren vnd vberkhommen haben«. »Es ist auch mer- 
gemelter M. Jonas Weyß vber die vier vnd zwainzig jar alt nach 
atißweisung ains buchs, so obgenante sein imitter . . . vns für- 



° u ^ lc rfiiHaio^JHivtn^iv 



Mi&zcllcn. 



■35 



gelegt, darinnen allen iren eheleiblichen khindern . . . gcburtstäg 
verzaichnet sein . , . also lautende: >/m 59, ?>fl den 29 Äprilh halt 
sev mier ain söhn geboren, sein natne haißt Jonas ^^ was Bisehuf 
Balthasar zu Askalon, Suffragan zu Konstanz, der Jonas aus der 
Taufe gehoben, bestätigen kann. 

Pap. ConcepL G. L. A- Urk. Überlingen Conv. 75. 



2. 
Grabschrijlen des Meister Marx Weiß und seiner Familie, 

Ain schöne schwarze tafel oben vf dem gotzackher, an der 
maur gegen Spitals rebgarten, so I-orenz Moscher bawt. Daran 
steht: Hie ligt begraben der erbar vnd fürnem M. Marx Weyß, 
inaler, seines absterbens am 25 tag Februarii anno 80 vnd die crbar 
vnd tugenlsam frow Magalcna Dornföglin, sein ehlichc hausfrow 
gewesen, ieres ableibens den 3, Juny anno 93. Denen vnd allen 
glöbigen Seelen, besonder so auß ierem geschlecht verschaiden seindt 
vnd zum thail auch alhie begraben ügen. wolle gott gnedig vnd 
barmherzig sein. Amen. 

In der taffei ist die aufferweckhung Lazaij vnd das weib mit 
dem zwelffjärigen bluotgang gemalet, 

Nebenzu an der rechten handt steht lateinisch also: 2. Machabe: 
12. Sanctae et salubris est cngitaiio pro defunetis exorare ut a 

peccatis solvanlur. — August: Orate pro defunclis, ut, cum fuerint 
in vita aeterna, pro vobis orent. Quare cupis, o homo ut tui 
nnsereatur Deus? fac ut proximo miseraris. * — Jenmyin: Tanlo 
viciniores erimus aeterno gaudio, quantO misericordiorcs Fuerimus 
super defunetorum supplicio. — Beda: Indigntis est omni suffragio, 
qui defunetorum fuerit immemor in hoc seculo. — 

An der andern linckhen selten deß gemals, steht teütsch also: 

O mensch, bedenckh bey dir allain, 

das threwe werekh vnd dienst ich main, 

wie Judas Machabeus zwar, 

zwelff tansent trachmas, das ist war, 

für die verstorbne, merekh mich eben. 

hat lassen gen Jerusalem geben, 

in tempel, für ier seclen havl, 

damit sie haben auch ain thail 

mit den gerechten im himelrcich. 

Also, o mensch, thu auch dergleich ! 

Das ist, lass dir befohlen sein 

die verstorbne im gebette dein. 

Laß leßen maß, gib auch üarzu, 

sovil vermagst ahmißcn, thu 

diß Irewlich auch ohn allen zwang. 



S 



Fnmatcr'tmMRfiiY 



136 



Misrellen* 



Domit schaffst dir gewiß ain Zugang 

zum himel ins recht vatterlandt. 

Daß wf>ll vns geben gott zu hand. Amen! 

Jctz steht) darunder in solcher taffei: Marx Weiß vnd sein 
erste hausfrow, bey der er ain Tochter, Anna, vnd dann bey 
seiner andern ehlirhen haußfrowen, Magdalena Dornföglinen, naeh- 
gemellc söhn vnd tochteren: Joseph Christof fei, Andreas Christianus, 
Michael, Esaias, M. Marcus, Carolus, D. Jonas» Tobias Jcremias, 
Eisbetha Bersabea, Catharina Rachel, Hester. 

Hinüber ist ain nider schwarz creitz, dran ain epitavi stflr/in 1 ); 
darin stchi: deß 1580 jar den 25. Februarj starb der filrnem 
♦Marx Weyß Maler vnd burger alhie sampt Magdalena Dornfög- 
linen, seiner ehlichen hausfrowen, denen gott gnrdig vnd barm- 
herzig sein wölL Amen. 

Ain wasserstain: Anno 1594 den ersten lag Novembris, starb 
Ute erbar Cathrina Weissin. welche des erbaren Thoma Gözcn 
ehliche hausfrow ist gewesen, der scel gott gnedig welle sein, Amen, 

Keuttlinyers Collcctanca IV, 231 (f. Stadtarchiv Überlingen, 

Karlsruhe* Karl Obser, 



Meersburger Deckengemälde von G* B. Götz. — Bir- 
nauer Baupläne- — In meinen Mitteilungen »Zur Baugeschichtc 

des neuen Schlosses in Meersburg*-) habe ich gelegentlich darauf 
hingewiesen, dass - das Deckengemälde der Hofkapelle eine 
Schöpfung des bekannten Augsburger Hofmalers Gottfried Uern- 
kard Götz ist t von dem auch die Deckengemälde im nahen Neu- 
Birnau stammen. Näheres darüber findet sich in dem Tagebuch 
des Salemcr Kammersekretärs und Rechmmgsrats Johann Martin 
Vogler. Zinn Jahre 1741 wird nSmlich bemerkt: Den 4. Juli/ 
hat ff. Afahler Götz von Augsburg an da nmb 1600 ß, vctdinglcn 
flofkapel in Morspurg mit 4 Gesellen zu mahlen angefangen ; bezahlt 
für sich und seine 4 Gesellen Wöchentlich Iruckhneu Tisch 7 fl m $6 fo t 
Und weiter: xfJcn j$ m Aug. ist *fer ff. Afahler Götz von Augsburg auf/ 
MStSpurg hiet ankhommen ; derselbe hat tu Zeit 7 Wochen die Morspurg* 
Ifa/CapeUcn attßgetnahlt und damit verdienth 1600 ß. ff. Asatn*) aber 
hat QU firuchsaf inner 8 Wochen verdient vnd erhalten 6000 fh 

Die Aufzeichnungen Voglers sind auch im übrigen bau* 
geschichtlich nicht ohne Werl. Am 12. November 1740 abends 
5 Uhr hielt, wie berichtet wird, der neugewählte Bischof von 



') = Steinplatte. - — '•) Schrillen des Vereins f. Geschichte des Bodensees- 
Heft 42 S. 44 — 55. — B ) Cosinas Damiaii Aiun, der 1728 29 den Kirchen- 
flügel im Bruchsaler Schloss ausmalte. Vcrgl« Wille, Bruchsal. Bilder aus 
einem ^eislL Stnale. 2. Aufl. S. 57. Schi Honorar betrug danach 5000 11.; 
Hirsch. D;i* Biuchsalcr SditoSSt 



rciHaiCMuwvEföJiY 



Miszcllc 



n. 



>37 



Konstanz, Kardinal Damian Hugo Graf von Schönborn, mit 
1 20 Pferden und Maultieren seinen Einzug in der Residenz 
Meersburg. Zu dieser Zeit schwebte schon die Frage eines 
Kirchenneubaus in Birnau. Da ist es nun bezeichnend für das 
leidenschaftliche Interesse» das der fürstliche Bauherr der Schlösser 
zu Bruchsal und Meersburg allen baulichen Angelegenheiten ent- 
gegenbrachte» dass er bei dem ersten Besuche, den er am 26- MilR 
1741 dem Wallfahrtsorte abstattete, in seinem stattlichen Gefolge 
gleich seinen Baumeister mit sich führte und mit ihm das ^eilende 
Gebäw* eingehend besichtigte, von Salem aber zur Begrüssung eine 
Abordnung, mit dem Grosskeller an der Spitze, erschien, um ihm, 
dem Bauverständigen, Pläne für einen Neubau vorzulegen 1 ). Unter 
dem Baumeister kann nur Schönborns bewährter Werkmeister 
Johann Georg Stahl vei standen werden, der von seinem Herrn 
nach Meersburg berufen war 2 ). Kr hat sich dann auch weiter 
mit der Sache beschäftigt. Wenigstens erzählt uns Vogler, dass 
der Meersburger Baumeister am 15. August d. J. nach Salem kam 
und einen %Riß zum /iiinmztffix) Gebaut* brachte, Stahls Name ist 
danach mit dem Birnauer Neubau in seinem Vorstadium verknüpft. 
Zur Ausführung gelangte sein Plan, über den wir nicht näher 
unterrichtet sind, nicht; es gingen noch einige Jahre darüber hin, 
bis das Kloster Salem ernstlich das Werk in Angriff nahm, 

Karlsruhe. K t Obser. 



Die Reise des Frankfurters Joh. Friedr, von Uffenbach 
über Durlach nach Rastatt und die Besichtigung des dor- 
tigen Schlosses (1712). — Auf der Gottinger Universitats-Bib- 
liothek wird unter dem sog, Uffcnbachschen Nachlass ein vier- 
blindigcs handschriftliches Diarium aufbewahrt, das der Frankfurter 
Ratsherr Joh. Friedr, von Uffenbach (1687 — 1769) über seine 
1 7 1 2 — 16 durchs Elsass, die Schweiz, Italien, Frankreich und 
Niederfand ausgeführten Reisen auf Grund eines Tagebuchs eigenhän- 
dig niederschrieb 8 ). Von dem Frankfurter Palriziergeschlecht, aus dem 
im XVII, und XVIII, Jhd, eine ansehnliche Zahl von Gelehrten, 
Sammlern und Staatsmännern hervorging, sind vor allem die beiden 
Sohne des Ratsherrn Joh, Balthasars vcm Uffenbach, Zacharias Kon- 
rad (1683 — 1734) und dessen jüngerer Bruder, der Verfasser des Reise- 
dia riumSp bekannt geworden 1 ). Beide bekleideten später das Bürger- 
meisteramt in der Vaterstadt, Joh, Friedrich braelite es zum Kaiser!, 
Rat und starb daselbst 1769 als hochangesehene Persönlichkeit, 



'( »Mit dem BUrnawischen Rift zum vurzaigen*. — a ) Schriften des Ver- 
eins f- Gesch. des Bodensees, Heft 42 S. 48- — J J Göttingcn. Univ.liitiL Cod. 
Ms. Uffenb. 29. — 4 ) Pütter, Gesch. d. Univ. Güttingen I- 224. II. 226; 
A.D.B. XXXIX. 132 ff.; Verzeichn, der Ildschr. im pr. Staat. I Hannover. 3 
Ontlinßon Abt. 3 (1891) p. 2*9 f - 



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1*8 Miszellen. 

Nach einem sorgfahigen frühen Studiengang hatten die Brüder 
Uffenbach 1709 — 1 1 die Niederlande, Holland und England bereist. 
Als Frucht dieser auf vielseitigen Interessen beruhenden Wan- 
derungen erschienen später die »Merkwürdigen Reisen« des Zacharias 
Konrad, deren dreibändigen Druck der Memminger Gelehrte und 
Pfarrer Joh. Georg Schelhorn besorgte (Ulm 1753/54). 

Joh. Friedrich von Uffenbach verliess nach einjähriger Unter- 
brechung seine Vaterstadt aufs neue, um in Strassburg seine juri- 
stischen Studien aufzunehmen, nach deren Vollendung er seine 
gewissenhaft vorbereiteten Wanderungen durch die Schweiz» Italien 
und Frankreich fortsetzte. Als leidenschaftlicher Kunst- und Natur- 
freund besuchte er allenthalben die Raritäten- und Naturalien- 
kabinetlc, die Kunstsammlcr und Bibliothekare, und durchmusterte 
als kritischer Beobachter an jedem Ort alte und neue Architektur. 
Zugleich erwarb er dabei eine bedeutende Anzahl von bau- und 
kunstgcschichtlichen Werken, vi elc physikalische Instrumente, Gemälde, 
Miniaturhandschriften, Hand Zeichnungen und gegen 30000 Stück 
Kupfer. Durch den ununterbrochenen Verkehr mit Künstlern und 
Architekten eignete er sich allmählich ein fachmännisches Urteil 
und auf dem Gebiet der militärischen und bürgerlichen Baukunst 
eine für seine Zeit nicht ungewöhnliche Kenntnis an, die er später 
im Dienst seiner Heimatstadt praktisch verwertete. 

Der Nachlass dieses vielseitigen Gelehrten und echten Kunst* 
liebhabers gelangte 1 7 69 auf dem Weg der Schenkung an tue 
Universität in Göttingen, auch das umfangreiche, mit vielen Zeich- 
nungen und Kupferstichen ausgestattete Diarium seiner Reisen von 
1 7 1 2 ins 1 7 1 6 L ). Dasselbe sollte nach des Verfassers Absicht 
nicht veröffentlicht werden, obwohl es auf Grund der täglichen 
Aufzeichnungen sorgfältig verfasst war, und Uffenbach ausdrücklich 
vermerkt, dass er »mit allem Fleiß die geringste Kleinigkeiten, die 
Namen derjenigen, mit denen einige Bekanntschaft gehabt, nicht 
zu vergessen, mit cingerücket**). Dabei erzählte er wenig von den 
zweijährigen akademischen Studien in der französischen Musenstadt, 
»diesem lustigen Lebenslauf von Straflburg«, von dem er in heiterer 
Laune später bemerkte, dass dieser allein einen eigenen Band ver- 
dient hätte. Auch hier schildert er in der Hauptsache und sehr 
eingehend, was er neben den juristischen Hörsälen an bemerkens- 
werten Bauten gesehen hat, seine Besuche von Kunstkammern und 
Büchereien und seinen Verkehr mit den Strassburger Künstlern 
und Antiquaren, mit den Sammlern Künast, v. Rathsamhausen» 



') Vier Manuscriptbände der Güttinger Univ.Bibl. Cod, Ms. Uffcnb. 29, aus 
deren L, dem ->Elsaßer* und Schweitzcr-lUis-Diarium von Kranckfurt bis Turin 
exchisivc, das Folgende entnommen. Kerner Uffenb, 8- — *) *Dan ich nicht 
verhoffe, daß ein ander dieses gegenwärtige, in der Eil und blos 211 meiner 
eigenen wenigen Nachricht aufgehetzte Diarium zu Händen bekommen werde ■ 
L. c. 29 B. I fol. IV). 



Fflmaif'fJtmtiiRfcrr 



Mtszellen. 



139 



Brackenhoffer und Klinglin, von denen er vieles erwarb und ihre 
Kataloge abschrieb* 

Als ziemlich reifer Studio, der seinen Blick durch die mehr- 
fachen Reisen mit dem älteren Bruder bereits geschärft, verhess 
Joh. Friedrich v* Uffenbach am 22. Oktober 1712 mit der Extra- 
post seine Vaterstadt, um in Begleitung seines Dieners Friedrich 
Spicss über Darmstadt und Heidelberg seine Musenwanderung 
nach Strassburg anzutreten. Vom Neckar aus aber machte er 
bereits einen grossen Umweg nach Württemberg hinein, stieg in 
Ludwigsburg aus, dessen zu einem Drittel fertiges Schloss er 
aussen und innen eingehend besichtigte, sich von dem durch reich- 
liches Trinkgeld willigen Kastellan die neuen Möbel, die Fresken 
und Stukkaturen samt der Galerie zeigen liess und für das ent- 
stehende Bauwerk des Major Nette anerkennende Worte fand. 
Nach einer gründlichen Betrachtung des Stuttgarter Schlosses, der 
Bibliothek und des Lustgartens, tat er einen kleinen Abstecher 
nach Tübingen, von dem das Tagebuch berichtet: xDie Misthaufen 
waren fast vor jedem Haus, gar zierlich zu beiden Seiten rangirt, 
daß man Alleenweis dadurch hergehen mußte*. Dafür aber traf 
er daselbst lustige Kameraden, die alle Ehre drein setzten, dass 
Uffenbach meinen Tag wie den andern einen dichten Rausch bekäme«. 
In heiterer Wendung heschliesst das Reisediariurn diesen feucht- 
frohen Besuch der Neckarstadt: »Es wirdt also nicht nötig seyn, 
daß ich diesen schönen Lebenslauf Tag vor Tag beschreibe und 
alle Rausche herzehle, sondern ich will diejenigen Tage, woran ich 
was Notabelcres gesehen, nur allein anführen und diejenige, doran 
ich notabel getruncken, Ehren halber auslaße 11*. Nach dein Besuch 
von allerhand Raritätenkammern, des Schlosses und des berühmten 
Stifts, dessen Einrichtungen er genau beschreibt, fuhr er mit der 
Landkutsche über Stuttgart zurück und von hier auf tief morastigem 
Weg durch den Hagenschiess nach Pforzheim und fand d«is 
StJldtlein trotz der Zerstörungen durch die Franzosen infolge der 
modelhnässig durchgeführten Bebauung »gar wohl praesentirt vor 
einen so kleinen Ort*. Von hier ab hatie er bis Durlach die 
lustige Begleitung von zwei Frauenzimmern, von denen sich eine 
als eine Jungfer von Strassburg ausgab, die sich dort aber nach- 
mals als Frau eines Nachrichters entpuppte. 

Als Uffenbach, dem sich von Tübingen her vornehme Studenten 
angeschlossen hatten, am Abend des 24- November zu Durlach ankam, 
hatte die Residenz bereits ihre Tore geschlossen. Nach reichlichein 
Zank mit dein Postmeister, der seinen Nutzen von solchen Kaval- 
liren haben wollte, mussten sie ausserhalb der Stadt im Posthaus 
zur Blume eine schlechte Nacht verbringen und da Postgelegenhcit 
fehlte» noch die beiden folgenden Tage bei übelm Regenwetter hier 
liegen bleiben. Am ersten Nachmittag gingen sie in das nahe Ball- 
haus, weil der Wirt ihnen von der Aufführung einer Komödie er- 
zählt halte, die vor dem Ho! stattfinden sollte. Statt dessen trafen 



mu<(mmwiw*h' 



140 



M iszellen. 



sie daselbst eine hollandische Sciltänzerbande, die von der Frank- 
furier Messe hergekommen war und denen die Hofmusikannten 
aufspielen mussten. 

In köstlicher Schilderung des Kavaliers und jugendlichen 
Markgrafen Karl Wilhelm, der kurz darauf seine neue Residenz 
Karlsruhe begründete, führt hier das Reisediarium Uffenbachs fort: 
^Nachdem wir eine Weile gewartet hatten, so kam auf ein Mal 
ein Husar mit einer langen Tabackspfeife hinein gestürmbt und 
schmiß, als er uns ersähe, die Pfeife auf den Boden in hundert 
Stücke. Doch weil er von vielen schwartz gekleideten Kavalieren 
begleitet wurde, schloßen wir gleich nicht unbillig, daß es der 
Margraf selbst wäre. Er machte uns gar höflich ein Compliment 
und ließe sich gleich noch eine Pfeife geben, so er verkehrt auf 
dem Stuhl sitzend ausrauchetc, ohnerachtet daß verschiedene Dames 
von Hof dabey saßen«. Man hielt nämlich den Frankfurter Pa- 
trizier und seine Begleiter *vor veritabele EngelÜindcr*. 

Bei abscheulichem Novemberregen machten die Reisenden 
am folgenden Samstag ihren Rundgang durch Durlach, dessen 
Eindruck Uffenbach in dem Tagebuch mit den folgenden Worten 
wiedergibt: *Sonabend den 2& ten Novembris gingen wir morgends 
ein wenig in der Stadt hcrumb, fanden aber, daß es gar ein kleiner, 
aber wohl bebaueter Ort ist, weil er ebenfalls mit Pforzheim im 
vongen Krieg abgebrennet worden. Das Schloß siehet am aller 
wüsteten, in dem gar wenig daran gebauet und über ein Seiten- 
gebäude noch nicht wieder aufgericht ist; Der Garten dahinter 
ist ebenfalls nicht viel besonders, doch siehet man wohl, daß er 
mit der Zeit schön werden kan* ! ). Als sie aus I-angweile ein 
Kaffeehaus suchten, wies man die Fremden in die Apotheke, wo 
sie den Kaffee »ziemlich purgierhaflig* fanden. Am selben Nach- 
mittag wollten sie in einem der vornehmsicn Wirtshäuser auf dem 
Marktplatz die Zeit mit einem Spiel kürzen: »Das Billiardt aber 
war so erschrecklich groß und falsch, daß uns der Lust halt verging*. 

Auf der Landkutsche des ^Hcrrn IIospcs*, der die jungen 
Patriziersöhne ^gewaltig straffete^, fuhren sie endlich am dritten 
Tag nach Mühlburg in Begleitung eines markgrüf liehen Kommissars, 
der dem Frankfurter Uffenbach spater in Strassburg manche guten 
Dienste leistete, nachdem dieser am 28. November 1 7 1 2 daselbst 
angelangt und wie nachmals Goethe im »Geist* abgestiegen war. 
Vorher aber hatte Uffenbach eingehend die Kttlinger Linien be- 
sichtet, wobei seine Passeports reichlich visitut wurden, und war 
am 27. November in der jungen Residenz des bereits verstorbenen 
Türkenlouis angetroffen, dessen Schtoss er gründlich betrachtete. 

Seine Wanderung durch die einzelnen Räume des Palastes 
und der Hofkapelle sowie die Bemerkungen des Tagebuchs haben 
für uns den besonderen \Vrrt p dass sie uns ein zeilliches Bild des 



'f L. c. fol. 83 ff. 



igle 



^ßlHa!HJUHIV[R<iTl■ 



i4i 



MiszelUn. 



bereits Vollendenten bieten, aber auch des noch Unfertigen wie 
des ursprünglichen Auslandes vor spätem Umgestaltungen. Wir lassen 
deshalb in den ungekürzten Worten des Diariums selbst die Schil- 
derung des Schlossbesuchers Uffenbach folgen 1 ). 

» Wenn wir den weg von Pforzheim nach Dur/ach r/)it nnserti 
7veibsteufe wohl passtrt, so geschaht es rtzo noch mehr, in dem wir 
einen lustigen gesellen in Dur/ach bekamen, einen tand commißarium 
und seerelarium von dem margtafen von Dm lach, namens S/aedel von 
Straßburg bärtig. Dieser wußte so viele htstoneit und Haler, daß uns 
die zeit gat kurz schiene, bis wir mittags, nachdem wir über eine 
große heide gefahren waren und guten weg gehabt hatten, zu Rastatt 
ankamen, aber wir eine gute mahlzeit bestelteten und indelien gingen, 
das schone schloß, so der margraf und so genante priuz Louis, kcvscr- 
hcher general lieutenant daselbst mit großen kosten erbauet. 

Es ist ein großer 4 eckender platz, so an j Seiten auf gleiche 
iceise bebauet tst, nehm/ich mit einem cotps du togis und 3 flügeln, 
w eines wte das andere, die 4/e seife des großen 4 ccktnlen ho/es ist mit 
niedrigen mauern verschloßen* dann mitten die einfahrt durchgehet. Zu 
beiden seilen derselben stehen j sehr große stallten, in deren unterstem 
fuß oder seulen postement dre schiltwacht als tu einem schillerhäusgen 
wache hatten kan. Sonsfen ist das gehäud alles von stein maßiv groß 
regulair und ton 2 stoeiwerek, auswendig mit toter stein färbe ange- 
strichen. Wir gingen linker hand in den fliigel durch einen nicht gar 
großen haus ehrn auf eine neben treppen, i'crmtttest derselben wir 
hinauf kamen und durch ?*iele kleine gemacher durch bis an das corps 
du togis gingen. Diese waren alte i<on rechter höhe und mit schlechten 
bfen meistenteils versehen*), aber sonsfen gar nicht meubtiret, gleich ?vie 
in dem ganzen haus das geringste der gleichen nicht anzutreffen ?var, 
indem man altes aus /nicht ?>or den Franzosen nach /faden geßnchtti 
hat. In dem corps du togis ivarcri die gemacher hoher und größer, 
auch mit zierlichen tür und camirt geste/ien jvrschen, absonderlich die 
jenige, so von dem erbauer dieses hauses heivohnel wurden* 



x ) L/c fol. 86 ff, Rastatt den 27*** Novembr. 1712. — Da wir von dem 
trefflichen Kenner des R- Schlosses, Herrn Konservator K.I-ohmcycr in Heidelberg 
«ine zusammenfassende Baugeschichte desselben mit »enden erwarten dürfen, füge 
ich dem Uffenb. Bericht keine vi »r greif enden Rrlüutcrungcii bei. — Beachtens- 
wert sind auch die Reisenotizen eines spätem Besuchers des Rastattcr Schlosses, 
des Joh. Georg Keyssler, aus dein Jahre 17*29, als Beweis, wie dasselbe damals 
aesthetisch gewürdigt wurde. J. G, Key*sler, Reisen durch Deutschland. Hannover 
1776. I 107 f. — *) Eist viel später wurden die schönen (Jfcn nach Wiener Art 
von dem Rastatter Joseph Rauch hergestellt. Karisn G. Li Archiv. Bad. Baden. 
Kammerprot. 17. Aug. 1722. Akkord mit Hauch wegen Verfertigung eines 
neuen »erdenen Zwcrcholens* für das Zimmer neben dem Großen Sani »nach 
deme ihme zugestellten Wiener Modell« in grüner Glasur. Der Hafnermeister, 
der vorher schon 2 Kachelöfen verfertigt, starb im August 1723. 



1 OOglC tftlHCHCU iMBISflY 



142 



Miszellcn, 



Mitten in dem corps du logis ist die Stege von einer ungemeinen 
große und realität toppelt angelegt, nemtich daß die ruheptätz dazwischen, 
weti sie gebrochen ist, gar gross und die stufen sehr niedrig sind. 
Hinter dieser siege wat der vornembste saht, so 2 stockwerci hoch mit 
schönen 4 eckenden halben und von allerhand marber gehauenen seiden 
an den wänden herumb geziert 1 ). 

Die fr* wittib hatte selbig mal hierinnen das gewötb renoviren 
und stärker machen laßen, so daß es des bauens halben sehr iviiste 
aussähe. Oben herumb waren verschiedene batcon f darauf man in den 
saal herunter sehen kunte, deren getänder waren alte mit zierlichen 
4 eckenten baluster gezieret, die ich erstlich vor stein angesehen, nach" 
gehends aber gefunden, daß sie von erde in einem tapfer ofen nach 
einem modelt alle gebacken waren, welches eine gar gute und wohl" 
feite invention ist und die auch der schwehre halben kein haus bc- 
seh wehret. 

Von dae gitigen wir in aridere nebengebäude, deren verschiedene 
hintenvärts zu quarre' ivciß angehängei waren, jedes mit seinem kleinen 
4 eckenden hof in der mitten versehen, hierinnen waren die gemäetur % 
der margräßn, so aber gleichfalls nicht meubttret waren* Von dae gingen 
7vir durch einen langen gang nach der capelte, auf welchem gange 
wir an einen creutzweg kamen, darin man das ganze gebaude auf 
4 seilen hienaus, teils durch viefe auf ein ander correspondirende fensfer 
teils tieren sehen konte, welches einen gar schönen perspectivischen effect 
täte. Von dae kamen wir tu die capelU % du ziemlich klein und außer 
guter architeclur ganz simpel wer. Die canzet stunde auf der erden 
und oben ging das deck geivöibet rund zu, in deßen mitten ein oval 
loch gelaßen ?var, gleichsam a/s eine coupe, so inwärts mit eisernen 
getänder versehen war. Umb dieses war ein gang mit stüehlen besetzt, 
welches der ordinaire sitz der herrschaft war, darauf sie immediat aus 
ihren gemachem gehen konte, daß ich das von solcher invention noch 
nirgends gesehen. 

Von hier gingen wir nach der ha übt stiege und gingen hinauf 
auf das dach, die gegendt und tage des hauses zu besehen, davon die 
erstere nicht gar besonders war, die andere aber, 7vie schon gesagt^ gar 
reguiair und gut 1 ). Weil es starck zu regnen anfinge, kontert wir hier 



') Zu den von Lohmcyer bereits angeführten Künstlern füge ich den 
Schlossbildhauer Ferretti*der 1706 mit 750IL Verdienst angestellt war* L- c* Bad. 
Kainmcrprot. 20. November 1706. Es ist wohl Carlo F. aus dem Val d'Intelvi 
(Comcrsec). Thiemc» Künstlerlex. XI 475 kl 476 unter Ant. 0. Giorgio F. 
— *) Damals stand die vergoldete Jnpitcrstitue, deren Original heute in den 
Grossh. Sammlungen zu Karlsruhe aufgestellt ist. noch nicht ülier der Kuppel 
des Kastalter Schlosses, sondern bis 211m Jahr 1722 eine »Urna von Matten 
u. Stein*, die bei einer flöhe von 12 Werkschuh gegen 12 Zentner wog- Erst 
in den Jalue.i 1722 23 wuide die Jupiterfigur von dem Augsburger Goldschmied 
Joh. Jakob Vogelhund angefertigt und reich vergoldet. Karlsr. GX. Archiv 
Rastatt Stadt. Bausachen nr. 3. Die Hofkammer an den Magistrat zu Augsburg. 



'S lc rciÄÄ 



Miszelleu, 



M3 



nicht lang vcnveilen, deßwegen gingen wir wieder ganz hienunter und 
besahen die unterste, gleichfalls /ehre und ohnmeublirte gemacher. In 
einem davon stunden Zange breiter oder beglcitungen zu einem cabinet, 
so gar sauber von alter band färben und maniren laccirt waren. 
Dieses hatte der vorige margraf durch einen Engelländer, so lang in 
Indien geivest ist, mit großen kosten macheu laßen, gleich wie denn 
der castellan sagt, daß «... gehostet. Das hotzwerck hatte 7venig 
leisten und Zieraten, allein das tacciren war gar extra sauber und gut, 
der grund sehwartz und ivrschiedenc oval, 4 eck, cireul und gar viele 
andere erhabene platze mit andern färben darauf, alles mit golt gar 
sauber und wohl gemalt. Jedes stuck paßete eures neben das andere, 
und die riße dazidschen irnrden mit langen leisten bedecket und also 
alles angeschraubet, so daß man es mit leichter manier weg und hin 
setzen kau. 

Der garten dahinter ?car ein großer^ aber wüster platz, ?veiten 
der vorige margraf ihn zum $t*n mal ganz verdorben und wieder 
änderst anlegen laßen, das letzte mal aber kaum angefangen war, als 
er darüber gestorben, so daß gar nichts davon zu sehen war. Deswegen 
gingen wir wieder nach gegebenem trinckgelt in unser quartier und 
fanden etn recht gutes mittag essen parat, welches wir dann einnahmen 
und gleich wieder abfuhren* auf Stothofen, wohin wir schon m der 
nacht ankamen.* — 

Karlsruhe, Ifans Roti, 



Rastatt io. März 1723. »Denen herrn wird annoch erinnerlich soyn, was für 
intercessionale* dieselbe für dero hflrgcr u. goldtsehmid Johann Jacob Vogel- 
hund wegen abnehmung einer sicheren statuae vor einiger Zeit an uns haben 
abgehen lassen. Gleichwie wir nun daraufhin den entschluß gefaßet, ged. 
Vogclhund mit erster abgehender landkutschen zur Vergoldung besagter statuae 
durch banden hr. Wilhelm Michel Kauners eintausend guldcn mit der gewißen 
Versicherung zu übennachen, daß hey vollendtem werek^die übrige tausend vor 
der abholung paar nachfolgen sollen, also haben es denen herren hiemit nach- 
richtlich eröffnen u. dieselbe zugleich freumlL ersuchen wollen, eingangs ermehen 
goldschmid nunmehro auch dahin angehalten, daß er das werde bald in be~ 
hörigen gueten standt bringen u. uns dabey keiner gefährde exponiren möge«» 
Daselbst unterm 2. April 1723 ein >Undterth3nigster u. gehorsambster bericht 
wegen befestigung der statua auf dein höchst fürs iL gebew zu Rastatt«. — Der 
Meister* wahrschein Heb der Sohn des aus Linz eingewanderten Goldschmieds 
Job. Jak. Vogelhund I verheiratete sich zweimal in Augsburg {1699 u. 1706) 
und wird 1718 und noch 1745 als Vorgeher der (ioldschmiedeinnung genannt. 
(A. Werner, Augsb. Goldschmiede. Augsb. 1913 p. 103). Sein Wappen «igt 
einen Schmied, der auf einen Ambos hämmert, Über seine Korrespondenz mit 
der Markgräfin Sibylle finden sich zwei Kintnlge in den Augsb. Ratsprot. vom 
Jahr 1722. Diese Notizen über V, verdanke ich der Freundlichkeit des Augsb. 
Sladtarchivars Dr, H, Wiedcnmann. 



/* 



■> lc mSSSS» 1 . 



Personalien. 



Der Konservator der kirchlichen Kunst- und Altertumsdenk- 
mfllcr in Baden, Prof. D, Jos, Sauer wurde zum ord. Professor 
für Patristik und christL Archäologie an der Universität Freiburg 
ernannt. Dem ord. Professor der Geschichte Dr. Karl Hampe 
in Heidelberg wurde der Titel »Geh. Hofratc verliehen. Der a.o. 
Professor der mittelalterlichen und neueren Geschichte an der Frei* 
burger Hochschule und Mitherausgeber der »Historischen Zeitschrift« 
Dr. Fritz Vigener, der seit Jahresfrist als Leutnant bei einem 
Infanterieregiment im Felde steht und sich das E. K. IL erwarb, 
hat einen Ruf an die Universität Giessen als Nachfolger für Prof, 
Roh. Holtzmann erhalten. 

Im November starb zu Freiburg i. Br. Hofrat Dr. Benedikt 
Zicgler, lange jähre hindurch Pfleger der Bad. Hist. Kommission, 
zuietzt für die Ämter MflUhcim, Stauten und Waldkirch; im Dezember 
zu Heidelberg der Gynmasiakiirektor a. D, Dr. Kerd. Rosiger, der 
seit 191 1 alljährlich die »Chronik der Stadt Heidelberg« bearbeitete. 

Im. Alter von 44 Jahren starb am 14. Nov, zu München der 
k. b. Hauptmann z, D. Karl Reichard, aus Karlsruhe gebürtig, 
zuletzt Führer eines Pionierbelagerungstrains. Seit Jahren mit kriegs- 
geschichtlichen Studien beschäftigt, gedachte er ihre Ergebnisse z. T. 
in einem das badische Unterland in den franz. Revolutionskriegen 
behandelnden Neujahrsblatte für 1915 unserer Kommission zu- 
sammenzufassen, an dessen Vollendung der Ausbruch des Welt- 
krieges ihn verhinderte. 

Zu Beginn des laufenden Jahres, am 3. Januar, wurde uns der 
Vertreter der deutschen Rechtsguschichle Geheimerat Prof, Dr. Richard 
Schröder in Heidelberg nach kurzer Krankheit durch den Tod 
entrissen. Die Bad, Historische Kominission betrauert in dem 
Heimgegangenen, der als Gelehrter allseitig in hochstein Ansehen 
stand und im persönlichen Verkehr durch sein kerniges, grund- 
gut ig es Wesen und nie versiegenden Humor alle Herzen gewann, 
eines ihrer ältesten, treusten und verdientesten Mitglieder. Ein Nach- 
ruf im nächsten Hefte wird diese seine Verdienste zu würdigen 

suchen. 

Zeitschriftenschau und Literaturnotizen. 



Bad 1 sc he Heimat 3. Jahrgang. Heft 2. R Faisst: 
Ein Heimatmuseum in Schopf heim. S. 67 — 69. Über 
Zweck und Aufgaben der als Heimatsmuseum für das Mark- 
grttfierland gedachten Sammlungen, die von dem Historischen 
Verein für das Markgrilflerlancl in das Leben gerufen werden sollen. 
Baugeschichtliches über die als Sammlungsgebäudc in Aussicht 
genommene alte protestantische Stadtkirche. — - Hans Rott: Ein 
Madonnenbild der Karlsruher Galerie aus dem Kloster 
Zwiefalten. S. 80 — 88, Das in der 7, Auflage des Katalogs 



S'* reiHa!CflLwi¥[H5*r* 



ZcuscIirifLcnscIiau und Literatur not izcn 



»+5 



der Karlsruher Gemäldegalerie (1915) unter Nr, 1210 verzeichnete 
Gemälde stammt nach der ansprechenden Vermutung RottS aus 
dem Besitze des Abts Georg II, Piscatoris von Zwiefalten (1474 

— * 15 141 von 15 15 — 15 ig Abt der Rcichcnau). Über die Umstünde, 
unter denen es nach Karlsruhe gelangt ist, lassen sich nur Ver- 
mutungen aufstellen. Der Meister i&l in der Nahe des bis jetzt 
ebenfalls unbekannt gebliebenen Meisters des Khninger Altars, des 
Hauptvertreters niederländischer Kinflüsse im Schwabenland, zu 
suchen, der für die in Rottenburg residierende Erzherzogin Mcchtild, 
die Mutter des Herzogs Eberhard im Bart von Württemberg, arbeitete. 
Möglicherweise ist dieser Meister selbst der Schöpfer des Bildes. 

— Viktor Mezger: Friedhoflcunst. S. 89 — 102- Ober ge- 
schmiedete Grabkreuze* mit 102 Abbildungen aus l. bedingen, Frei- 
burg L Br„ Liptingcn, Hausen (b. Mcsskirch) Messkirch, Stocbach usw. 

— Zippelius: Der deutsche Kriegerfriedhof von Laon. 
S. 103 — 109. — Fridrich l'faff: Das schwimmende Kruzifix. 
S. 1 10 — 117. Über schwimmende Kreuze, Multcrgoite?>bildcr und 
verwandle Sagen zu Oberried, Gunterstal, Maria Sand bei Herbolz- 
beim, Wiltenweier, Todtmoos usw. - — K. Rcutingi Einiges über 
mundartliche Dichtung. S, 1 ifi — 122. — Alfred Götze: 

Badische Volkslieder. 2, Jungfer Dorothe, S. 123 — 131. 

— R. Kais: Beobachtungen an Scher l>enfunden i in Schützen- 
graben. S. 132- 134. 



Mein Heimatland. 3. Jahrgang, lieft 1 2. MaxWingcn- 
roth: Unsere Heimat und der Krieg. IL S. 1 — 2S. Über 
Ziele und Aufgaben der Kunst nach dem Kriege. — Bernhard 
Müller: Wcgkapellcn, S, 28 — 32, Über die Antoniuskapelle 
bei Wasenweiler, die Gichterkapelle bei Zarten und über die Ka- 
pelle bei Ebnet — Risser: Vor Jahresfrist. Skizze von der 
Westfront» S. 33 — 34. Alexander Büttner: Pfingsten 

entgegen, S. 34 — 35. — H. \V\: Aus der Jugendzeit. S. 35 
— 38* Über Kinderspiele. - — Wi Ihelm Kladt: Vornamen - 
Neckereien. S. 39—42. Ans Ettlingen, Baden-Baden, Schön- 
mQazach und Freiburg, — Jos. Fortwangler: Die Sehwarz- 
wälder Meisterwerkstatt in T Hb erg. S. 42—44. — August 
Kuner: Am Kachelofen. S. 44 — 4Ä. Volk: Zwiegespräch. 
S. 48—51. 

lieft 3- — |. R. Schilling: Eine Wanderung am Tun i- 
herg. S. 57 — 63. K. Luckschciicr: Gedanken über Dach- 

deckungen im Schwarz waidgebiet. S. 64- 68. J. Schmidt: 
Heimat-Dorf und -Gotteshaus als Stätten der Krieger- 
ehrung, S. 69—70, — Wilhelm Kladt: Hexen und böse 
Geister. St 71—73. Über Hexenglauben in Ettlingen. — Josef 
Wohleb: Orts-Chroniken, S. 74 — -75, — Georg Zink: Über 
Klein theaterarbeit von literarischem Wert. S. 76 — S2- 
Ztitachr, r Goch, d- Oberrfc, N.K XXXIX. 1. 10 



l lOogle inaRMUHivnjiiv 



146 



Zeitsclirificnsehau und Uteraturnotizen. 



Über das Heidelberger Kleintheater. — Viktor Mezger: Viktor 
Roman, Kunstmaler. S. 82— 88. Nachruf. — Johann Am. 
Zehnter: Kriegsbeschädägtenfürsorgc und Heimatkunst. 
3, 88—89. — Fridrich Pfaff: Die Möhlinbrücke bei Off- 
nadingen. S. 8g — 91. — Walther Zimmermann: Der ba- 
dische Karst. S. 91 — 101. Über das vordere Wiesental von 
Hausen bis Basel. — Karl Kistner: Geistiger Heimalschutz. 
S. 10 1 — 102. — Sammelt Soldatenbriefe. S, 103 — 105. 
Aufruf. — Gedichte von F. Hasenfratz und Paul Körber. 
S, 106 — i J I. — 

Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees 
und seiner Umgebung, 45. Heft. H. Schützinger: Das 
Lindauer Kriegswahrzeichen. S. 3 — 6. — tKarl Boyeric: 
Der älteste Name der Stadt Konstanz. S. 7 — 10. Als der 
vorrömische Name des spater tConatantia« heissenden Ortes darf 
das Vitudurum auf dem Konstanzer Denkstein Dioclctians mit gutem 
Grunde angenommen werden. — Hanns Bächtold: Die Flur- 
namen der schaff hauser ischen Enklave Stein am Rhein. 
S. 1 1 — 92. Vollständige, erschöpfende Zusammenstellung auf 
Grund mündlicher, gedruckter und handschriftlicher Quellen. — 
F. Schaltcgger: Am Hofe einer Exkönigin. Aus dem Tage- 
buch einer Ehrendame der Königin Hortense. S. 93^-178. 
Auszugsweise Mitteilungen aus den Aufzeichnungen von Frl. Valerie 
Masuyer, die von 1830 — 1837 in Diensten der Königin Hortense 
stand, in deutscher Übersetzung. Die erst vor kurzem wieder 
aufgefundenen und teilweise in der Revue des deux mondes ver- 
öffentlichten Memoiren geben ein objektives, wahrheitsgetreues 
Bild von dem Leben auf Schloss Arenenberg und von dem Cha- 
rakter des späteren Kaisers Napoleon III. — J. Munk: Schick- 
sale aus dem Lehen des Mailänder Boten. S. 179 — 192. 
Bereits zu Beginn des 16. Jahrhunderts wurde zwischen Lindau und 
Mailand eine regelmassige Pusl verbin düng eingerichtet, die über 
Feldkirch, Chui\ Splügen, Chiavcnna und Como führte, der Brief-, 
Waren-, Geld- und auch der Personenbeförderung diente und 
wöchentlich jeden Montag unter Leitung und Verantwortung eines 
Ratsherrn in Lindau abging. Als Österreich 1771 die staatliche 
Tost in Tirol und Vorarlberg organisierte und in Brcgenz ein 
Postamt errichtete, machte es auch den Versuch, die Lindau-Mai- 
kinder Posllinie dorthin zu ziehen, stand jedoch bereits 1773 wieder 
davon ab* Die Postlinie gins; nach wechselvollon Schicksalen 1826 
ein. Albert Scheiwilcr; Geschichte des Chorstitt St. Pe- 

lagius zu Bischofszell im Mittelalter. S. 193- -294. Behandelt 
in drei Kapiteln die Gründungsgcseliichte desjhereils im 9. Jahr- 
hundert entstandenen Stiits, dessen Satzungen (die Chorherren, 
die Würdenträger des Stifls* die Lcutpriester und Kapliine) und 
schliesslich das Stiftsgut (das ChorhwongnL die Kaplancipfrrtuden, 



igle 



fßlHa!HJUHI¥[R5*T* 



XriLstrluiUenftihuu und Liurnitmnoii/m. 



'47 



das [ahrzeitgut, ilen Kirchenbau und die weltlichen Beamten des 
Stifts). 

Alemannia, Band 44. Heft 1- Arthur Bechtold: Zu 
Grimmeishausens Seltsamen Springinsfeld«: Die Meuterei 
des Dragonerregiments Barttel (1649). S. 2-— 30. Abdruck 
der auf den Prozess gegen die Meuterer bezüglichen, heute im 
M unebener Allgemeinen Reichsarchiv aufbewahrten Aktenstücke; 
die von Grimmelshausen gegebene Schilderung deckt sieh im all- 
gemeinen mit dem aus den Akten zu entnehmenden Verlauf. — 
Gustav Münzel: Der Meister des Breisaeher Hochaltars. 
S. 30 — 59. Wendet steh mit guten Gründen gegen die vun jbfei 
Riegel in den ^Freiburger Münsterblätlern* XI. Jahrgang S. 10 — 30 
vertretene Ansicht, dass der Meister des Schulzmantelaltars in der 
Locherer Kapelle des Freiburger Münsters, Sixi Gumpp von Staufen- 

Uerg, mit dem Meister des Hochaltars in der Münsleikhehc zu 
Breisach indentisch sei. Gegenüber Kiegcl sieht Münzel nach wie 
vor in dem bis jetzt noch nicht sicher bestimmten Meister HL den 
Schöpfer des Breisaeher Hochaltars, wie auch des St. Annenaltars im 
Munster zu Freiburg;, dessen künstlerische Wirksamkeit, kunstgeschicht- 
lich betrachtet, jünger ist, als die Sixt GumppS, und sich in den 
wesentlichsten Merkmalen von ihr unterscheidet, — Dritter Be- 
richt der Kommission für die Herausgabe von Wörter- 
büchern bayerischer Mundarten bei der Königlich baye- 
ri sehen Akademie der Wissen Schafte n. S. 59 — 62. — 
Fridrich Pfaff: Nochmals der FUtssnumc Dreisam, S t 62 
— 63. Gegenüber einer neuerdings auftretenden Erklärung des 
Flussnamens Dreisam als »Finsterbach« hält Pfaff seine 1 frühere 
Erklärung aufrecht, wonach der Flussname keltisch und zwar eine 
Superlativform zum Stamme »trag«, der -«-laufen« bedeutet, ist. 



Freiburger Dtözesanarchiv. Neue Folge. XVII, (Der 
ganzen Reihe 44. Band). A. Rösch: Nachruf für Dom- 

kapitular Dr. Theodor Dreher. VII XX. Julius Mayer: 
Necrologium Friburgense 191 1 — 1015, Mitteilungen über 
<iic in diesen Jahren verstorbenen Geistlichen der Erzdiözese. S. 1 
— 76. Andreas Lehmann: Die Entwicklung der Patro- 

n als Verhältnisse im Archidiakonat Breisgau. (Schluss). 
Behandelt als letztes Diakonat Wiesental; daran anschliessend 
Zusammenfassung der Ergebnisse der Arbeil. Zunächst für die 
Pfarreien, die etwa ein Zehntel aller Pfarreien des Bistums Kon- 
stanz ausmachten, vom 13. bis 16. Jhdl. aber nur geringe Zu- 
nahme aufweisen, sowie für die Allurbcncfizicn, deren Zahl vom 
13. Jhdt. ab stetig anu-Jlchst. Übersicht über die Besetzung der 
Pfarreien: Patronale des Reichs, des hohen und niederen Adels; 
geistliche l'alronate und Inkorporationen« Patronale der Altar- 



C \00gk mSSmK^ 



|i& Zoitschrifieiihchau und I.iieraturnuLizcu. 

bencfizien. S. 78— 162. — Christian Roder: Ehemalige 

Passionsspiele zu Yillingeu. Auf Grund einer Yillinger Hand- 
schrift von i6oo r deren Text im 18. Jhdt eine völlige Um- 
arbeitung erfuhr. Die Aufführungen fanden im Garten des Franzis- 
ka nerk lost ers statt und wurden von nah und fern viel besucht; 
1770 erfolgte ihr Verbot durch die Regierung, S. 163 — 192. — 
A. Ketzbach; Heinrich Sautier und die Aufklärung, l'ber 
die literarische Tätigkeit des Frciburger Exjesuitcn Sautier und 
den Kampf, den er als Votksschriftsteller gegen die Freiburger 
Aufklärung und Freimaurerei fühlte. S. 193 — 225. Ludwig 

Steine! : Die Einkorn mens Verhältnisse der badisrhen 
Pfarreien, die 1656 zwischen Würz bürg und Mainz aus* 
getauscht wurden. Nach Akten des bischöfl. Archivs in Würz- 
burg. S. 226 — 240. 

Kleinere Mitteilungen. Anton Nägele: Die Hermen- 
tinger Pieta im Liebte einer spfitmittelalterliehen Urkunde. 
Urkundlich durch Stiftung als Vesperbild 1476 bezeugt, vielleicht 
das Werk eines Veiinger Meislers. S. 24 1 — 255. — A nton 
Wetterer, Die gestifteten Anniversarien im Dome zu 
Speicr bei der Säkularisation,, Fast durchweg erst aus dem 
18. Jhdt. S. 256 — 260. — H. Weissmann: Inter arina silent 
inusae? Lateinische Kriegsdichtungen des aus der Schweiz ge- 
bürtigen Seh wandorf er Pfarrers Sigismund Heinrich aus dem J. 1796 ff. 
S. 260 — 266 — Adolf Rßsth: Zur Biographie des Bis- 
tums Verwesers Ignaz Hein rieh von Wessen berg. Berichtigung 
einer Notiz in den »Bad. Biographien«, S. 266 — 269, * — Dold: 
Der ehemalige Feldkaplan und der Stadtpfarrer: Militär 
seelsorge durch die Franziskaner. S. 269 --27 1. — Dold: 
Statuten einer Schul) ehr er Stiftung in II ugstetten von 1770, 
Literarische Anzeigen. 2 75 — 285. 



Mannheimer Geschichtsblätter. XVI L Jahrgang. Xr. 9/10. 
Gustav Christ: Aus Mannheims Umgebung nach dem 
Orleansschen Krieg, 5p. 97 ■- 107. (Fortsetzung; vgl. diese 
Zs. NF. XXXI, 669). Beschreibung von Ilvesheim, unter Ver- 
wertung von weiterem archivalisckera und gedrucktem Material. — 
LI ans K n udsen; Mannheimer Eintragungen in Brockmanns 
Stammbuch. Sp. 107 — 108, Eintragungen aus dem Jahre 1789; 
Job. kränz Hiemnvmus Brockmann, der bekannte Wiener Schau- 
spieler. — Gustav Christ: Alte Bauern- und Wetterregeln. 
Sp. 10S— 1 1 1. (Sdiluss, vgl.dicseZs.XF. XXXI, 669).— G-C[hrist]: 
Pranger an Rathäusern. Sp. 113 — 114. (Nachtrag; vgl. diese 
Zs. XF. XXXI, 669). - M. Huffschmid: Die erste Druckerei 
in Miami heim. Sp. t 14. Über den Mannheimer Buchdrucker 
Xikoaus Schramm, der etwa um 1608 von Neustadt a. d. IL 
nach Mannheim übersiedelte, — K, Preisendanz: Alte Mann- 



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Zt\ tschriftcn schau und Literaturnotizen. 



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beim er Privatbibliotheken. Sp, 114 — 116. — C C[hristl; 
Französisch als Amtssprache in Mannheim. Sp. 116. Ab- 
druck einer Verordnung von 1813. — Neuerwerbungen und 
Schenkungen. 142. Sp, 117 — 120. 

Nr, 11/12, Gustav Christ: Aus Mannheims Umgebung 
nach d. Orleansschen Krieg, Sp. 121 — 136, (Fortsetz., vgl. ob.). 
Beschreibung von Heddesheim. — Ernst Bassermann: Mann- 
heimer Familien. 5. Die Familie Reinhardt. Sp. 136 — 141. 
Johann Wilhelm Reinhardt, geboren 1752 zu Neuwied, kam 1767 
nach Mannheim, begründete dort 1781 zunächst ein Tuchgeschäft, 
das er später durch Getreide-, Wein- und Tabakhandel erweiterte 
und zu grosser Blüte brachte; von 18 10 — 1820 Oberbürgermeister 
zu Mannheim, starb er im Jahre 1826» Die Familie wurde durch 
seinen mit seiner ältesten Tochter Anna Katharina vermählten 
Neffen Johann Wilhelm aus Neuwied fortgepflanzt, starb jedoch 
bereits mit seinen beiden Enkeln (1875) im Hannesstamme aus. 
— Neuerwerbungen und Schenkungen. 143. Sp. 142 — 1 44. 
Beigegeben ist diesem Hefte das vom t Oskar Huffschmid be- 
arbeitete Gesamtinhaltsverzeichnis zu Jahrgang I — XV (iqoo 
— 19 14) der Geschichtsblätter. 



Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde- 
XVI. Band, 1. Heft. Hermann Christ: Zur Geschichte des 

alten Bauerngarten. S. 1- 55. Umfangreiche Nachträge zu 
den in den Jahrgängen 1914 u. 1915 der Basler Zeitschiift er- 
schienenen Aufsätzen desselben Verfassers, Vgl, diese Zs. NF. XXX, 
296 u, XXXI, 144, — August Bernouilli: Basels Mauern 
und Stadterweilerungen im Mittelalter. S. 56 — 85, Aus- 
gehend von dem Zustand, wie er etwa im Jahre 917 bestand, 
unterscheidet der Verfasser während des Mittelalters drei Stadt- 
erweiterungen bezw. Neubauten der städtischen Mauerbefestigunge:» ; 
die erste fallt in die Regierungszeit Bischof Burkhards etwa um 1080, 
die zweite ist zum Jahre 1206 bereits sicher bezeugt und die dritte 
wurde durch das grosse Erdbeben von 1356 veranlasst, jedoch 
erst 1398 vollendet; in der Folgezeil haben weitere Erneuerungen 
der Stadtmauern nicht stattgefunden, man beschränkte sich auf die 
Erhaltung und den Ausbau des Vorhandenen. — W. A. Münch: 
Die Lchensprivilegien der Städte im Mittelalter. S. 86 — 139. 
Die Lehensfähigkeit der Bürger ist aufzufassen als ein Zustands- 
recht, das hervorgeht aus der Zugehörigkeit zur Bürgerschaft einer 
mit dem Lehensprivileg bedachten Stadt oder einer ehemaligen 
Pfalzstadt. Öffentlich rechtlich stellt sich die Lehensfähigkeit der 
Bürger als eine Privilegierung des Status libertatis dar. — Wilhelm 
Merian: Bonifacius Anicrbach und Hans Kotier. S. 140 
— 206. In dem ersten Abschnitt seiner Arbeit handelt Merian 
über Anicrbach als Musikfreund; der zweite enthält eine Zusamincn- 
Zeittchr. f. G«ch. d. Oberrta. X F, XXXII. i. I i 



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I zq Zeitschriftenschau und Littrnitiiniotizcn. 

Stellung der spärlichen Nachrichten zu Kolters Lebensgeschichte 
mit besonderer Berücksichtigung seiner Beziehungen zu Amerbach; 
Kotier, gebürtig aus Strassburg, wirkte von 15 14 — 1530 als Or- 
ganist und Komponist in Freiburg i. C. und nach seiner dortigen 
Vertreibung von 1530 — 1541 als Lehrmeister in Bern; seine an 
Amerbach (7) und Zwingli (1) gerichteten Briefe werden im Texte 
mitgeteilt. — E. Major: Eine wiederaufgefundene Quiquerez- 
Fälschung. S. 207 — 208. — Konrad Esc her: Das Testament 
des -Kardinals Johannes de Ragusio. S. 208 — 2 12. Abdruck, 
nebst Nachweisung der aus dem Nachlass des Kardinals stammenden, 
von ihm dem Predigcrkloster zu Basel vermachten und heute 
im Besitz der Basler Universitätsbibliothek befindlichen griechischen 
Handschriften» 

Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz. 
36. Band. Wilhelm Fabricius: Die Grafschaft Veldenz. 
Ein Beitrag zur geschieh t liehen Landeskunde des ehe- 
maligen Nahegaus. S. 1 — 48. (Fortsetzung; vgl. diese Zs. 
NF. XXIX, 336). Behandelt das Oberamt Meisenheim; beigegeben 
ist eine Karte des Amts. — Job. Keiper: Die Freiherren von 
Fürsten wärt her, Burgsassen zu Odenbach. S. 49-— 88. 
übersieht über die Geschichte des aus der morganatischen Ehe 
(1672) des Herzogs Friedrich Ludwig von Pfalz-Zweibrücken mit 
der Bürgerstochter Maria Elisabeth Hepp aus Meisenheim a. Glan 
stammenden und 1711 in den Freiherrnstand erhobenen Geschlechts, 
das sich später von der Pfalz aus nach Bayern ui\d Österreich aus- 
breitete und 1895 im Mannesstamme ausstarb. - — Joseph Baur: 
Die Korrespondenz des Herzogs Maximilian von Bayern 
mit Philipp Christoph von Sötern, Fürstbischof zu Speyer, 
vom Oktober 1619 bis Juni 1622. S. 89—136. Behandelt 
in 4 Kapiteln — die Rüstungen Oktober 161 g, die Spanier am 
Oberrhein 1 620» die Auflösung der Union 1 62 1 und Mansfeld 
am Rhein 1 62 1 — die politischen und militärischen Ereignisse 
der Zeit auf Grund und unter auszugsweiser Mitteilung der von 
den beiden Fürsten gefühlten Korrespondenz. — Konrad Engel- 
hard t: Die Umgestaltung d es Landschaftsbildes um Speyer 
und die Erweiterung der Stadibefestigungen im Laufe 
der Jahrhunderte. S. 137 — 176. — Albert Becker: Karl 
Desiderius Royers Epigramme auf Speyer. S. 177 - 184. 
Abdruck nebst Übersetzung der Epigramme aus der zu Paris er- 
schienenen Sammlung; K. Desiderius Royer de Nommecy. 1650 
zu Saarborkenheim geboren, wirkte seit 1686 als katholischer 
Pfarrer zu Hornbach, Zweibrücken und Homburg, als geistlicher Rat 
und bischöflicher Kommissar und Visitator zu Worms und von 
1699 — 1701, bezw. von 1705 — 1707 als Pfarrer zu Ladenburg, 
wo er den 25. März 1707 verstarb. 



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Zeitschriftenschau und Lkeraturnotizcn. 



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Jahrbuch für Geschichte, Sprache und Literatur Elsass- 
Lothnngens: XXX IL Jahrgang, i 9 1 6. Ferdinand Mentz: 
Zur Entwicklung und Bedeutung des Namens »Elsass«. 
S. 2 — 34, Weist die von E. Herr vorgetragene Hypothese, der- 
zufolge dem Namen ein erschlossener Flussnatnc »Alisaea* zu- 
grunde liegt, in eingehender, vor allen Dingen die sprachli che 
Seite berücksichtigenden Untersuchung zurück (vgl. Hand XXXI, 
143 dieser Zeitschrift), — Fritz Behrcnd: Wolfhart Spangen- 
berg, Dichtungen. (Fortsetzung). S. 35 — 62. Nimmt Spangen- 
berg als Verfasser der & Beschreibung des Glückshafens« von 1609 
in Anspruch, der die erste bedeutendere Strassburger Lotterie be- 
handelt. — Theobald Walter: Alte Brunnen in Rufach, 
S. 63 — 78- Beschreibung mit Abbildungen und geschichtlichen 
Erläuterungen. — Manfred Eimer: Ibrahim Mansur Effendi, 
ein Strassburger Abenteurer, S, 79 — 104. Ibrahim Mansur 
Effendi (Samson Cerfberr), etwa 1778 — 1827, ist ein Enkel des 
bekannten Getreidehändlers Cerf Berr, der als erster Jude mit Familie 
und Gesinde in Strassburg Wohnung nehmen durfte. Er hat 1827 
zu Paris ein Memoirenwerk erscheinen lassen, in dem er sein mit 
der Pariser Soldatenzeit im Winter 1798 '99 beginnendes Wander- 
leben erzählt. Aus diesen Aufzeichnungen, die namentlich für seinen 
Aufenthalt bei Ali Pascha von Janina Aufschlüsse von allgemeinerem 
Interesse geben, werden die wichtigsten Begebenheiten mitgeteilt. 

— E. Wendung: Hebbels Erlebnis in Strassburg. S. 105 

— 1 35. Sucht die Bedeutung des Strassburger Aufenthalts (im 
September 1836) für den werdenden Dichter zu veranschaulichen. 



Die Handschriften der Grossh. Badischen Hof- und Landes- 
bibliothek in Karlsruhe V — VII, 1. Die Reich enauer Hand- 
schriften beschrieben und erläutert von Alfred Holder. 
!— III, 1 . Leipzig. Berlin 1 906 — 1 <>. 

Es hiesse Wasser in den Rhein tragen, wollte man zu Alfred 
Holders im Spätherbst seines Lebens gereifter Frucht, zu seiner 
Beschreibung der Reichenauer Handschriften, irgendwelche An- 
merkungen hinzufügen. Vollendete Meisterschaft bewährt sich in 
diesem Werk, das im Grunde genommen das gerade Gegenteil 
eines beschreibenden Verzeichnisses von Handschriften in der her- 
kömmlichen Art geworden ist. Sicht man von den selbstverständ- 
lichen Angaben über Stoff, Grösse. Foliierung, Spalten, Lagen und 
Datierung, wie Über den Einband, die Geschichte der einzelnen 
Handschrift und die Literaturnachweise ab, so beginnt in Holders 
Darstellung die Handschrift für sich selbst zu reden. Alle ihre 
charakteristischen Merkmale, Überschriften. Anfänge und Schlüsse, 
alle Stellen über Autor und Schreiber, Federproben, kurz alles 
Wesentliche wird im Wortlaut herausgeschält und dies mit solcher 
Konsequenz auch bei den Papierhandschriften, dass die innere 



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'52 



Zeitsqhriftenschau und LitcraLurnoüzcn. 



Einheit des Kataloges auch nach seiner formalen Seite, dass sein 
monumentales Gepräge überall gewahrt bleibt. 

Der erste Band enthält die Pergamenthandschriften, der zweite 
die Papierhandschriften, die Fragmente und die Nachträge zum 
ersten, die kürzlich erschienene erste Lieferung des dritten» das 
Register, die Stellen aus der Chronik des Gallus Oheim über den 
Grundstock der Reichenauer Bibliothek und schliesslich die alten 
Kataloge, Überwiegen in den Pergamenthandschriften die patristische 
und liturgische Literatur, namentlich die Werke der angelsächsischen 
und karolingischen Autoren, so in den Papierhandschriften die 
Homilien und kirchenrechtlichen Werke, Scholastik und Mystik 
— von letzterer verzeichnet das Register nur drei Handschriften — 
treten ebenso sehr zurück wie die klassische und historische Lite- 
ratur, Im ganzen spiegelt die Sammlung der Reichenauer Hand- 
schriften treulich die Wandlung der Geistesrichtung, die mit dem 
Hoch mittelaller eingetreten ist, als das Kloster seine Blütezeit be- 
reits erlebt hatte. Den Höhepunkt der Bibliothek bildet die statt- 
liche Reihe der ehrwürdigen Codices aus der Karoiingerzeit. Nir- 
gends beweist Holder die Beherrschung des umfänglichen Stoffes 
glänzender als in der Sicherheit der Feststellung der Fragmente, 
die meist in vollem Umfang wiedergegeben sind. Besondere Sorg- 
falt ist auch der Untersuchung der Hymnen und Sequenzen zu- 
gewendet, wovon schon ein Blick in das Register überzeugt. Wie- 
vieles von dem ursprünglichen Bestand der Bibliothek unwieder- 
bringlich verloren gegangen ist und wieviele Reichenauer Hand- 
schriften in die Zerstreuung nach einigen zwanzig Bibliotheken des 
In- und Auslandes verschleppt worden sind, davon kann man sich 
beim Studium der abgedruckten alten Kataloge leicht überzeugen, 
vor allem in dem schon mehrfach gewürdigten Rotulus Reginberts 
aus dem Jahr 821 und in dem Katalog, der zwischen 842 und 
850 geschrieben ist und heute eins der wertvollsten literarischen 
Denkmäler der Fürstlich Fürstcnbergischen Bibliothek in Donau- 
eschingen bildet. Um nur ein Beispiel hier zu nennen, sei -an die 
althochdeutschen Murbacher Hymnen erinnert, die die Bodleiana 
in Oxford als fremde Göste beherbergt. 

Bis in die Anfange Benediktinischer Traditionen auf Monte 
Cassino weisen einzelne Codices der auch für die Frühzeit deut- 
scher Geistesgeschichte bedeutsamsten Klosterbibliothek zurück. 
Eine Art literarischer Auferstehung ist ihr in vorbildlicherweisc 
durch Holder geworden. Wenn man eines wünschen möchte, so 
wäre es dieses: dass noch einige bezeichnende Handschriftenproben 
und vielleicht auch einige Höhepunkte von Denkmälern der roma- 
nischen Buchmalerei der Reichenauer Schule — ■ mögen diese auch 
nur zum geringen Teile mehr in Karlsruhe vereinigt sein — dem 
dritten Bünde beigegeben werden möchten. 

Alfred Holder hat den äusseren Ahschluss seines Werkes über 
die Reichenauer Handschriften nicht mehr erlebt. Im Januar des 



38'e mntlSSw. 



Zeit&chrifttnschau and L-iterntumotizen. t\X 

vergangeuen Jahres hat ihm der Tod die Feder aus der Hand 
genommen mitten in der Korrekturarbeit der ersten Lieferung des 
Schlussbandes. Was er jederzeit und jedem Besucher seiner Karls- 
ruher Bibliothek gewesen, ein gelehrter, von dienender Liebe zum 
Mitforschen geleiteter Bibliothekar, dieselbe Gesinnung, die er per- 
sönlich vertreten hat, ist auch in seinem letzten ihm besonders am 
Herzen gelegenen Werk zum Ausdruck gekommen, in seinem 
klassischen Katalog der Reichenauer Handschriften. Audi ihm 
gelten die Verse: 

Grammata sola carent fato mortemque rcpellunt, 
Praeterita renovant grammata sola biblis. 



Karl Stenzcl, Die Politik der Stadt Strassburg am 
Ausgang des Mittelalters in ihren Hauptzügen dargestellt. 
(Beiträge zur Landes- und Volkeskunde von Elsass-Lothringen XLIX). 
Strassburg, L H. Ed. Heitz, 1915. XXXII u. 256 S. 

Strassburgs Geschichte im fünfzehnten Jahrhundert ist bisher — 
wie die deutsche Geschichte dieses Zeitraums überhaupt — von der 
Forschung ziemlich stiefmütterlich behandelt worden, obwohl in ihr 
eine reiche Entwicklung, besonders des städtischen Rechts- und 
Wirtschaftslebens, zutage tritt. Das Werk, das hierüber genauer 
unterrichten sollte — Ehebergs Verfassungs-, Verwaltungs- und 
Wirtschaftsgeschichte — ist leider nicht über eine Stoffsamm- 
lung hinausgekommen und das grosse Unternehmen des Strass- 
burger Urkundenbuchs hat mit dem Jahre 1400 seinen planmüssigen 
Abschluss gefunden. Auch sonst ist über Strassburg im ausgehenden 
Mittelalter nur wenig veröffentlich). Stcnzels umfangreiche und 
gehaltvolle Dissertation ist daher äusserst dankenswert. Sie will 
uns die auswärtige Politik des Rats etwa vom Beginn des 15. Jahr- 
hunderts bis zum Jahre 1485, das einen bedeutsamen Wendepunkt 
bezeichnet, in den Hauptgrundzügcn schildern. Gewiss keine 
leichte Aufgabe! Denn das politische Getriebe jener Zeit ist ganz 
ausserordentlich verwickelt und undurchsichtig und hat in den 
Archiven, auf deren Benutzung der Forscher wesentlich angewiesen 
ist, eine so verwirrende Fülle urkundlicher Nachrichten hinterlassen, 
dass schon viel Übung und Scharfblick dazu gehört, in diesem 
Labyrinth den Faden nicht zu verlieren und sich eine klare Über- 
sicht der Zusammenhange zu verschaffen, um so mehr als die Akten 
trotz aller Reichhaltigkeit oft gerade da versagen, wo uns ihre 
Aufschlüsse am nötigsten witren. Es verdient lebhafte Anerkennung, 
wie der jugendliche Verfasser dieser Schwierigkeiten Herr geworden 
ist und den spröden Stoff gemeistert hat. Allerdings wfirc der 
Zweck des Ruches, die Ausschlag gebenden Gedanken der Strass- 
burger Politik klar herauszuheben, wohl noch besser erreicht worden, 
wenn St. sich hie und da etwas weniger auf Kinzelheiten eingelassen 



L lOOgle ftiHCnOflUMIVM&T* 



1 sa Zeüschriftcnschau und fittcraturantizcn» 

und bei Wiedergabe langwieriger und nur zu oft fruchtloser Ver- 
handlungen kürzer gefasst hätte, vor allem aber, wenn er den 
Stoff vorteilhafter eingeteilt hätte. Er hat nämlich die Beziehungen 
der Stadt zu ihren wichtigsten Nachbarn einzeln in gesonderten 
Abschnitten behandelt und sogar das Verhältnis zu Kaiser und 
Reich an drei weit auseinanderlegenden Stellen (Einleitung, Ab- 
schnitt I 2 und II) erörtert, wodurch die Erkenntnis mancher 
Ursachen politischer Vorgänge erschwert wird und ausserdem Wieder- 
holungen und Verweise nötig geworden sind, die sich sonst wohl 
hätten vermeiden lassen. Es wÄre jedenfalls zweckmässiger gewesen, 
die ganze Terrilorialpolitik der Stadt zusammenfassend zu behandeln 
und nur ihre Stellung in der eigentlichen Reichspolitik gesondert 
darzulegen. Freilich würde eine solche Lösung der Aufgabe eine 
nicht geringe Kunst der Darstellung erfordern, weil — wie schon 
angedeutet — in dieser wild bewegten Zeit unendlich viele und 
mannigfache Interessen und Bestrebungen ineinandergreifen oder 
sich dmchkreuzen. 

Ich will nun kurz über die Hauptergebnisse der Stenzelschen 
Untersuchung berichten, ohne mich an ihre Disposition zu binden. 
Vielleicht werden dabei gewisse politische Zusammenhänge noch 
etwas deutlicher hervortreten. 

Der territoriale und wirtschaftliche Gesichtskreis Strassburgs 
reichte nicht wesentlich über das Gebiet des Oberrheins hinaus. 
Innerhalb desselben aber war die Stadt ohne Frage die erste Finanz- 
und Handelsmacht und einer der massgebenden politischen Kak- 
toren. Alles Sinnen und Trachten des Rats war darauf gerichtet, 
seinen Machtbereich zu erhalten und möglichst zu erweitern, haupt- 
sächlich auf Kosten des Bischofs, der aus alter Zeit in der Bann- 
meile noch mancherlei Hoheitsrechte besass und mit seinem Terri- 
torium die Stadt fast auf allen Seiten einengte. Die kaum zu 
überbietende Misswirtsi rhaft und ewige Geldnot des liederlichen 
Bischofs Wilhelm von Dinst und seines in den ersten Jahrzehnten 
nicht viel besseren Nachfolgers Ruprecht v, d. Pfalz wurde vom 
Rat geschickt ausgenützt, um das Bistum finanziell in immer 
grössere Abhängigkeit von der Stadt zu bringen, wertvolle Teile 
desselben als Pfandschaften an sich zu reissen und die Reste bischöf- 
licher Gerechtsame im Stadtgebiet teils zu beseitigen, teils erheblich 
einzuschränken 1 ). Das mit den Bischöfen meist auf gespanntem FUSS 
stehende Domkapitel ging mit der Stadt häufig Hand in Hand. 
Gleichwohl hatte der Rat namentlich Ruprecht gegenüber, der an 
seinen pfalzischen Verwandten einen guten Ruckhalt hatte, nicht so 



J | Über die geistlichen Gerichte in Strassburg und die Beziehungen der 
Stadt, Einflosa auf sie zu gewinnen, hat Stcnzcl in cint-m besonderen Aufsatz 
dieser Zeitschrift (Band 29 u„ 30) ausführlich gehandelt* Vgl- auch die Ab* 
handluiigcn in Band 2; S. 234 u. Band 28 S. 430 ff- 



1 byC -ex M$le föiHaio^uHivtn^iv 



Zeitschriftenschau und Litcraturnouzen. j:- 

viel durchsetzen können, wenn er sich nicht auch seinerseits die 
Unterstützung mächtiger Gönner und Freunde gesichert hätte. Das 
Reichsoberhaupt kam in diesen Dingen kaum in Betracht. Insbe- 
sondere Friedrich III, war durch seine habsburgischc Hauspolitik 
im fernen Osten derart gefesselt, dass er sich um die Streitigkeiten 
hier im Südwesten nur wenig kümmern konnte und wollte. Bezeich- 
nend dafür ist die geringe Geltung, die unter seiner Herrschaft 
der vorderösterreichische Besitz am Obetrhein hatte, und die Tat- 
sache» dass diese Ländereien sogar schliesslich in den Pfandbesitz 
Karls des Kühnen gerieten und damit zu einer unmittelbaren Gefahr 
für die Unabhängigkeit der benachbarten Stande wurden. 

Die bedeutendste Macht in Süd Westdeutschland verkörperte 
sich damals nicht in dem Kaiser, sondern in seinem Todfeind, 
dem Kurfürsten von der Pfalz. Im Elsass war diesem durch den 
Besitz der Landvogtci noch ein besonderes Gewicht verliehen. 
Daher lag es für Strassburg nahe, sich vor allem mit ihm gut zu 
stellen, was um so leichter anging, als tiefere Interessengegensätze 
zwischen ihnen nicht bestanden. Höchstens trübte sich das freund- 
liche Verhältnis vorübergehend» als der Pfalzer den bald wieder 
aufgegebenen Versuch machte, im Strassburger Bistum festen Fuss 
zu fassen, und ferner, als er sich gegen Weissenburg (und spater 
Worms) gewalttätige Übcrgrilfc erlaubte; denn hier regte sich sogleich 
das städtische Solidaritätsgefühl Strass-burgs. Doch kam es darüber 
keineswegs zum Bruch. Im Gegenteil! Nachdem die Stadt bereits 
im Streit mit Bernhard von Baden und im Annagnakcnkriegc bei 
Kurpfalz tatkraftige Hilfe gefunden hatte, winden die Beziehungen 
immer inniger und verdichteten sich schliesslich 1 4.57 zu einem 
förmlichen Bündnis mit Friedrich dem Siegreichen, Viel trug hierzu 
die gemeinsame Feindschaft gegen die Zweibrückisch-Simmernsche 
Linie des Witteisbach ischen Hauses bei, die in Ludwig dem Schwarzen 
ihr Haupt hatte und auch den Strassburger Bischof mit uinfasste. 
Auch der Umstand, dass die Grafen von Leiningen, die anfangs 
gut mit dem Kurfürsten standen, sich später seine Gegnerschaft 
zuzogen, kam dem Einverständnis mit Strassburg zu statten, da 
der Rat schon lungere Zeit mit den Lichtenborgcrn gegen die Lei- 
ninger zusammenhielt Endlich seilten auch in der für Strassburg 
nicht unwichtigen Krage, wer nach dem Aussterben der Lichten- 
berger deren Erbe antreten sollte, die Verbündeten ihre Kandidaten. 
Hanau und Bitsch, gegen die Günstlinge des Bischofs durch. So 
war der Erfolg allenthalben auf Seiten von Kurpfalz und Strassburg. 
Der Groll des Kaisers, der den Kurfürsten grimmig hasste und 
schliesslich einen Reichskrieg gegen ihn entfesselte, Hess die Strass- 
burger ziemlich kalt. Sic blieben neutral und lehnten sich nach 
dem, Siege des Pfälzers nur um so enger an ihn an. Wenn es 
ihm gelang» sich dem Kaiser zum Trotz in der elsiLssischcn Land- 
vogtci zu behaupten, so halte er das nicht zum wenigsten dem 
Strassburger Beistand zu danken. Sehr willkommen war dem 



&' c m^mmm 



I cft Zeitschriltcnschau und Literatumolizen, 

Kurfürsten die Freundschaft der Stadt auch deswegen, weil sie ihm 
die reichen städtischen Geldmittel und Vorräte aller Art stets frei- 
giebig zur Verfügung hielt. Eis ist daher begreiflich, dass er das 
Bündnis 1472 gern erneuert hätte. Allein sein Einverständnis mit 
Karl dem Kühnen, das er aus Besorgnis vor dem Kaiser nicht 
aufgeben wollte, zwang die Stadt, die damals mit Recht gegen 
Burgund Schutz suchte, schweren Herzens auf die Erneuerung 
zu verzichten und sich der niederen Vereinigung und den Eid- 
genossen anzuschliessen. Stenzel zeigt, wie erst jetzt — und ei- 
gentlich nur für die Dauer des burgundischen Krieges — das 
Verhältnis Strassburgs zu den Schweizern inniger wurde. Vorher 
sowohl wie nachher wurde es durch erbitterte Händel, besonders 
mit Luzern 1 456 — 62 und mit Zürich 1 480— 82, wiederholt 
gestört. Nach der Niederlage des Burgunders und dem Tode 
Friedrich des Siegreichen wollten Strassburgs Beziehungen zu Kur- 
pfalz trotz des guten Willens der Stadt nicht mehr die alte Herz- 
lichkeit annehmen. Schuld trug zumeist Friedrichs Nachfolger 
Philipp, der den Magistrat bei kleinen nachbarlichen Irrungen durch 
seine Schroffheit und Halsstarrigkeit schwor verletzte. Auch machte 
sich geltend — was Stenzel mehr hätte betonen dürfen — , dass 
der neue Bischof Aibrecht v. d. Pfalz, der seit 1478 die Ansprüche 
gegen die Stadt viel nachdrücklicher als seine Vorgänger verfocht, 
zum giosscn Vcrdruss des Rats an dem Kurfürsten eine starke 
Stütze fand. So bereitete sich allmählich der grosse Umschwung 
der Slrassburger Politik vor, der die Stadt von Kurpfalz weg an 
die Seite des neuen Königs Maximilian führte. 

Ein eignes Kapitel für sich bildet das Verhalten Strassburgs 
in den eigentlichen Rekhsangelegenheiten. Wie schon angedeutet, 
war Kaiser Friedrich, der den Einfall der Armagnaken ins Elsass 
verschuldet und das Land den Eroberungsgelüstcn Karls des Kühnen 
preisgegeben hatte, bei den Strassburgem in sehr geringer Achtung, 
ja geradezu verhasst und das Bündnis der Stadt mit dem Pfälzer 
konnte die Beziehungen zum Reichsoberhaupt natürlich nur noch 
verschlechtern. Nur mit gtösstem Widersireben bewilligte der Rat 
hie und da Geld und Hilfstruppen für den Kaiser, stets ängstlich 
darauf bedacht, keinerlei Einschränkungen der städtischen Frei- 
heiten zu dulden. In dem hartnackigen Ringen um die sogen. 
Reichsstaudschaft war Strassbutg — wie Stenzel ausführlich nach- 
weist — die cnischiedendste Vorkämpfern! des Anspruchs, d;iss die 
Stiidte auf den Reichstagen mitzustiuunen und zu beschliessen 
hätten. Jedoch alle ihre Bemühungen scheiterten an der Schwäche 
der fränkischen und schwäbischen Städte, die aus Furcht vor dem 
Kaiser der gemeinsamen Sache untreu wurden, so dass schliesslich 
samtliche Städte, auch Strassburg selbst, ohne gefragt zu werden» 
noch grössere Lasten als bisher auf sich nehmen mussten, 

Stenzel will seine Forschungen in einem weiteren Werk noch 
auf die Regierungszeit Maximilians ausdehnen, wofür er den Stoff 



°& mAmmm 



Zeitschriftenschau und Literaiurnotüem 



'57 



grössten Teils gesammeil hat. Nach der vorliegenden Probe seines 
eindringenden Fleisscs und Könnens begrüssen wir diese Absicht 
mit Freude und hoffen auf baldige Verwirklichung. 

O. Wimkehnann. 

Einen wenig günstigen Eindruck macht die Hallische Disser- 
tation von Rudolf Helmke über *König Wenzel und seine 
böhmischen Günstlinge im Reiche* (1913, 97 S.). Obwohl 
sie sich in ihrem Hauptleil mit Borziwoi von Swinar (S. 2g — 78) 
und dessen Tätigkeit in Oberdeutschland, besonders als Landvogt 
im Elsass, beschäftigt, ist in keiner Weise die neuere elsassische 
Spezialliteratur ausreichend herangezogen, Wohl wird das Strass- 
burger Urkundenbuch einige Male zitiert; aber nirgends gewinnt 
man den Eindruck, dass dessen, namentlich im 6. Bande aufge- 
stapeltes, reiches Material genügend verwertet wäre. Die neueren 
Arbeiten über die elsässische Landvogtei, namentlich die zahlreichen 
Veröffentlichungen J, Beckers, sind dem Verfasser unbekannt, der 
sich mit Schöpflin f Wencker, Spachs Bruno de Ribeaupierre und 
einem reichlichen Ausschreiben der hetr. Bände der Reichstagsakten 
begnügt und daher über mehrere inzwischen geklärte Fragen völlig 
im Unklaren bleibt, — Ähnliches gilt auch von der sich mit der 
ebengenannten Arbeit mehrfach berührenden Greifs walder Disser- 
tation von Erich Asche über *Die Landfrieden in Deutsch- 
land unter König WcnzcU, die Meli im wesentlichen an das 
in den Reichstagsakten vorliegende Material hält, aber immerhin 
etwas gründlicher gearbeitet, in ihrer Hervorhebung der verfassnngs- 
geschichtlich interessanten Momente einen dankenswerten Über- 
blick bietet. ä; Sl 

Bertrand Auerbach, La France et le Saint-Kmpire 
Romain Germanique depuis la paix de Westphalie jus- 
qu'a la Revolution fran^aise (Bibliotheque de Tecole des 
hautes etudes 196). Paris, Champion 19 12. LXXIII, 485 S. 

Bei der Lektüre des vorliegenden Buches kann sich der ab- 
wägende und vorsichtig beurteilende Leser eines zwiespältigen Ge- 
fühls kaum erwehren. Es macht sich zweifellos immer wieder 
geltend, dass der Verfasser bei den Vorarbeiten zu seiner Ausgabe 
der den französischen Vertretern am deutschen Reichstag von 1648 
— 1790 erteilten Institutionen (1912 als 18. Band des amtlich 
unterstützten sRccueü des instruclions 1 erschienen). Gelegenheit 
gehabt hat, das reiche diplomatische Aktenmaterial der Pariser 
Archive gründlich auszuschöpfen, wie er auch über eine eingehende 
Kenntnis der. in Betracht kommenden weitschichligcn, älteren und 
neueren Literatur — vor allem der deutschen — verfügt, die es 
ihm eimöglicht, auch den deutschen Verhältnissen und Auffassungen 
ziemlich gerecht zu werden und sie auch dem Verständnis der 
Franzosen nahe zu bringen. Gerade letzterem Zwecke dient auch 



h00 £v c reiHaiC4w«v[(B*iv 



1=8 Zeittchtiflemchau und Literaturnotizen. 

die für den deutschen Leser etwas zu weitschweifig geratene, aus 
dem Textband des »Recueil* übernommene Einleitung über die 
deutschen Verfassungszuslände jener Zeit, die Arbeitsmethode des 
Reichstags usw. Hinzu tritt eine gewisse Weile der Auffassung, die 
sich über dem Gewirr kleiner politischer Ränke und trostlos sich 
hinschleppender Verhandlungen den Blick für die grossen geschicht- 
lichen Zusammenhänge, insbesondere für die ja schon von Sorel er- 
kannte und von Fritz Kern auch für das Mittelalter nachgewiesene 
Einheitlichkeit in den Hauptmotiven und Richtlinien der französischen 
Politik gegen Deutschland im Laufe der Jahrhunderte zu bewahren 
sucht, eine angenehm berührende Ruhe und Sachlichkeit des Urteils 
in den viel erörterten Streitfragen — namentlich über die Auslegungen 
des Wcstphälischen Friedenstraktats, 

Dass der Verfasser im Laufe seiner Darstellung allenthalben 
auch auf die Probleme der elsässischen Geschichte zu sprechen 
kommt, versteht sich von selbst; die Auseinandersetzungen über 
die Abtretungen der Habsburger an der Westgrenze und ihren 
Umfang, die Krage der Stellung der elsässischen Reichsstande, 
besonders der Dekapolis, die Reunionspolitik und zum Schluss 
auch das Vorgehen der durch die Revolution in ihren elsässischen 
Besitzungen bedrohten Fürsten werden von ihm eingehend erörtert. 
Wenn auch der Verfasser wesentlich Neues nicht beibringt, so er- 
gänzt er doch wiederholt das uns bekannte Tatsachenmaterial und 
kommt in der politischen Auffassung weit über die Darstellung in 
Reuss* L'AIsace au 1 7* siccle hinaus, da er die elsässischen 
Dinge von der Gesamtentwicklung der französischen Politik aus 
betrachtet, deren einzelne Etappen er scharf kennzeichnet: zuerst 
die Politik einer »friedlichen Durch drin nunc* des deutschen Reiches 



^ 



^ 



unter kluger Ausnutzung der inneren politischen und religiösen 
Gegensätze, dann die unter dem Einfluss von Louvois — den die 
französische Forschung überhaupt als den bösen Engel Ludwigs XIV. 
darzustellen sucht, — eingeleitete Gewalt- und Religionspolitik mit 
ihren Rcunionen und Hugenotten Verfolgungen, die natürlich die 
Ergebnisse der ersten Periode vernichtet, dann der Niedergang im 
Laufe des 18. Jahrhunderts, der schliesslich im siebenjährigen Krieg 
zur vollen Preisgabe der traditionellen Grundlagen führt, und kurz 
v< »r der Revolution noch einmal ein kurzer Aufschwung, der zu 
den vorsichtigen und bewährten Prinzipien Mazanns zurückzuführen 
sucht, freilich ohne lieferen Erfolg. Interessant sind, um nur diese 
Einzelheit herauszuheben, die Darlegungen A.s, wie weniges zu 
Anfang der französischen Regierung darauf ankam, an der »Sou- 
veränität: der abgetretenen elsässischen Lande festzuhalten, wie sie 
vielmehr — allerdings unter dem Widerstand der Reichsstände — 
eifrig danach strebte, sie als * Reichslehen* zu übernehmen, um 
sich so eine feste Basis für ihre Politik innerhalb des Rahmens 
der deutschen Reichsverfassung zu schaffen. (Vgl. bes. die wichtige 

Vollmacht für vom April 1653, auf S. 257 ff.i. Beachtenswert sind 



°8' c fmSSmSSm 



Zciucbriftcnschaq und LUcraturnoiizcn. 



»59 



Übrigens auch die zahlreichen Belege, für die ja schon von Goethe 
gekenn zeichnete Bedeutung der elsassischen Gelehrten vor allem der 
Juristcnweit für die französische Diplomatie in Deutschland» Wir 
finden denn auch unter den Vertretern am Reichstage und ihren 
Gehilfen mehrere Elsässer, wie den leichtfertigen Baron von Mackau 
und den tüchtigeren Christian Friedrich PfeffeL 

Doch muss ciarauf hingewiesen werden, dass der Verfasser 
im allgemeinen dazu neigt, die Bedeutung des deutschen Reichs- 
tags und des an ihm sich abwickelnden Ränkespiels für die äussere 
Politik zu überschätzen. In Wirklichkeit hatte sich doch schon 
längst das politische Schwergewicht auf die Höfe des Kaisers und 
der grösseren Reichsslände verschoben; bei den Debatten und 
Intrigen auf dem Reichstag handelt es sich in der Hauptsache 
nur um den Kampf um die Öffentliche Meinung in Deutschland, 
wenn man so sagen darf, und um deren Bearbeitung. Ein jeder 
ist deshalb bemüht, hier die von ihm verfolgte Politik als im 
Interesse des Reiches und der Stände liegend darzustellen und 
nach Möglichkeit die des Gegners zu diskreditieren. So ist denn 
die Diplomatenarbeit am Reichstag mehr für das Auge, für den 
äusseren Kindruck berechnet, eine für die Öffentlichkeit bestimmte 
schüne Kulisse, hinter der sich recht wenig ernsthaft Politisches 
birgt. Obwohl A. sich dieser Tatsache bewusst ist, hat er sie 
doch im Verlauf der Untersuchung aus den Augen verloren. 
So klar er sich auch über Ziele und Wesen der französischen 
Politik ist, so scharf er auch die brutale Vcrgewaltigungspolitik 
Ludwigs XIV. brandmarkt, — immer wieder nimmt er die ele- 
ganten Redensarten der Instruktionen von der Erhaltung des 
europäischen Gleichgewichts und der deutschen Libertat dem An- 
scheine nach gutgläubig und uhne Kritik hin. Man merkt allent- 
halben, wie peinlich es ihm ist, dass er auf Grund seiner histo- 
rischen Erkenntnis zugestehen muss, dass der Charakter des 
französischen Vorgehens in Deutschland von rein machtpolitischen 
Interessen bestimmt ist; um so lieber klammert er sich dann an 
Phrasen an, die ihn über die Tatsache hinwegzutäuschen scheinen. 
So führt er allen Ernstes aus, dass Deutschland eigentlich Krank- 
reich für das rücksichtslose Vorgehen Ludwigs XIV. Dank schuldig 
sei, da letzteres den deutschen Nationalgeist wachgerufen und 
-gehalten, Frankreich also dein deutschen Volke das eine der 
beiden grossen Geschenke dargebracht habe, mit denen es im 
Laufe der Neuzeit durch das französische Volk beglückt worden 
sei. (Mit dem andern Geschenk meint er natürlich die Segnungen 
der Revolution). Nicht genug damit, Frankreich habe durch seine 
Politik auch in anderer Hinsicht »die moralische Persönlichkeit'/ 
Deutschlands ständig gestärkt; ja t auch die liebe deutsche »Libertfltc, 
die bei den französischen Diplomaten so freundliches Verständnis 
und Pflege fand, bedeute in Wirklichkeit nichts anders als — die 
Erhaltung der Gedanken- und Gewissensfreiheit! Mit solchen Phrasen 



iftiH. : ■■■■., fr l- 



l6o Zettschriften schau und Literaturnotizen. 

steigert sich der Verfasser in das Bewusstsein hinein, auch im Ver- 
hältnis zu Deutschland das Walten der grossen^ völkerbe- 
glückenden Mission, die das französische Volk zu erfüllen habe, 
nachgewiesen zu haben. Man kann nur den Kopf dazu schütteln, 
dass ein so kluger und unterrichteter Mann, der doch sonst einen 
klaren Blick für die geschichtlichen Wahrheiten und Notwendig- 
keiten zeigt» etwas derartiges überhaupt für nötig hält. Freilich, der 
Eitelkeit seiner Volksgenossen hat er damit reichlich geschmeichelt 
und für seine Thesen, die in einem etwas künstlich altertümelnden 
und an geistreichelnden, gelegentlich auch glücklich getroffenen 
Prägungen reichen Stile vorgetragen werden, wie zahlreiche Be- 
sprechungen zeigen, rauschenden Beifall geerntet. K+ SftnxeL 



Albert Metzenthin, Ulrich Ob recht und die Anfänge 
der französischen Prätur in Strassburg (1684 — 1701). Bei- 
träge zur Landes- und Volkskunde von Elsass- Lothringen und den 
angrenzenden Gebieten. XL VI. Strassburg, Heitz 19 14- VIII 
-4- 1 90 S. 

Man kannte ja bereits im allgemeinen die Rolle, die Ulrich 
Obrecht (1646 — 1701), Professor der Geschichte, der Beredsam- 
keit, des öffentlichen Rechts an der Strassburger Universität, 1682 
als Advokat Mitglied des städtischen Rats, namhafter Gelehrter und 
Publizist, seit seiner Konversion und der Übernahme der unter Be- 
nutzung verschollener Amtsbezeichnung für ihn neu begründeten, 
durch sein Wirken zu ungemeiner Bedeutung erhobenen Prätur (1684) 
in seiner Vaterstadt als Vertreter der französischen Staatsinteressen 
und der Politik des Ministers LOUVOIS und seiner Nachfolger ge- 
spielt hat. An der Hand der Akten des Strassburger Stadtarchivs 
— nicht auch des dortigen Bezirksarchivs s. H. Kaiser in Hist 
Zeitachr. 116, 548 — und des Pariser Kriegsministeriums hat jetzt 
Metzenthin O.s Wirksamkeit und die Entwicklung des Amts durch 
seine Tätigkeit eingehend verfolgt. Es wird immer bemerkenswert 
und lehrreich bleiben, in welcher Art und mit welchen Mitteln 
Louvois es darauf abgelegt und verstanden hat, namhafte Männer 
der städtischen Autonomie zu gewinnen und zu benutzen. Über- 
tritt zur römischen Kirche wurde in der Epoche der Aufhebung 
des Edikts von Nantes unentbehrliche Voraussetzung, materielle 
Vorteile waren wirksamstes Mittel. Es scheint, als ob der zunächst 
gewonnene, damals aber noch nicht konvertierte Syndikus Chr. Gflntzer 
nach Charakter und Energie nicht genügende Gewähr für die Ver- 
tretung der franzüsischen Politik und Forderungen bot. So ward 
ihm in geschicktester Weise in Obrecht. dem die Verleugnung des 
Protestantismus weniger Bedenken gemacht zu haben scheint, als 
Prätor ein Rivale zur Seite gestellt: beide Ämter zur Wahrung 
der königlichen Interessen absichtlich ohne Kompetenzabgrenzung 
und daher geeignet, ihre Inhaber gegen einander auszuspielen und 



K lc WKaÄivWiT* 



Zeitschriftenschau und Lueraturnotizen. i5i 

zu wetteifernder Tätigkeit zu Frankreichs Gunsten zu veranlassen. 
Man wird nicht zweifeln können: O. hat sich in erster Linie als 
Vertrauensmann der französischen Machthaber in Paris — auch 
gegenüber den Provinzialbeamlen — betrachtet und bewährt, ins- 
besondere auf dem Gebiete kunstvoller, um äusserliche Verletzung 
gewährleisteter Rechte sich möglichst herumwindender Begünstigung 
der römischen Kirche sowie bei der Vertretung der grossen finanziellen 
Anforderungen, die namentlich für militärische Bedürfnisse immer 
wieder an die Stadt gestellt wurden. Dass O. in seiner schwierigen 
Stellung zwischen Rat und Bürgerschaft auf der einen, Provinzial- 
behörden und Zentralinstanz auf der andern Seite, als »Streber« 
( ' ^5X vielfach auf krummen Wegen unbedenklich in den Mitteln, 
aber mit ungewöhnlichem Geschick, soweit möglich schonend und 
entgegenkommend in der Form, tälig gewesen ist, darin wird man 
Metzenlhin beistimmen; wie weit er materiell auch auf wirtschaft- 
lichein Gebiet die Interessen der Stadt wahrgenommen hat, darüber 
wird man vielleicht doch weniger günstig urleilen können. Leider 
geht AI. auf O.s offiziöse Journalistik in der französischen Zeil nicht 
naher ein. fC Jacob. 

Briefwechsel Johann Kaspar Bluntschlis mitSavigny, 
Niebuhr, Leopold Ranke, Jakob Grimm und Ferdinand 
Meyer. HeittuBg. von Wjlh. Oechsli. Frauenfeld. Huber, 1915. 
X + 243 S. 

Dieser Briefwechsel, der fast ausschliesslich Briefe aus dem 
Jahrzehnt von 1830 — 184O enthält, bringt in mehrfacher Hinsicht 
wertvolles neues Material zur Geschichte des 19. Jahrhunderts, 
Denn die vielfältigen und verzweigten Beziehungen, welche den 
Juristen und den Politiker Johann Kaspar Bluntschli sein ganzes 
Leben hindurch mit den geistigen und politischen Strömungen 
seiner Zeit verbunden haben, verleihen auch diesen schlichten Gc- 
lehrtenbriefen einen allgemeinen historischen Wert. Wir erlangen, 
zumal aus dem Briefwechsel mit Savigny T manche Einblicke in die 
wissenschaftliche Arbeitsweise der »historischen Schule*, zu deren 
Anhängern der junge Bluntschli gehörte; wir ersehen ferner aus 
vielen ungewöhnlichen und überraschenden Urteilen, wie die in 
jenen Jahren recht zerwühlten politischen Zustände der Schweiz 
in den Augen eines überzeugten Jüngers der historischen Rechtsk- 
auf fassung, der zudem noch selber Schweizer war, steh* darstellten. 
Wenn aber in dieser Zeitschrift auf den Briefwechsel besonders 
hingewiesen werden muss, so ist es darum, weil hier bedeutungs- 
volle Zeugnisse von Bluntschlis frühester Wirksamkeit vorliegen, 
die auch für die Kenntnis des späteren Bluntschli, für die Kennt- 
nis des hervorragenden badischen Politikers, Publizisten und Rechts« 
gelehrten, manche neue Beitrage liefein. Der nachmalige Vor- 
kämpfer des badischen Liberalismus erscheint in seiner Jugend als 
ein Überzeugter Schüler Savignys und als entschiedener Gegner der 



v ^ lc rnnrnrnSm 



1^2 Zeitschriftenschau und LiteratarnoLimt. 

Liberalen seiner Heimat, weshalb er 1848 das Land verliess. Er 
teilt nicht nur theoretisch die wissenschaftlichen Anschauungen der 
politischen Romantik, sondern er tritt ganz und gar auf den Boden 
der preussischen Konservativen jener frühern Zeit und ist gelegent- 
lich auch Mitarbeiter an Rankes »Historisch-politischer Zeitschrift«. 
Der spätere Wandel seines Lebens ist gross, aber denkwürdig aus 
seinen Anfängen bleibt doch, wie er als einer der hervorragendsten 
Deutschschweizer die engen Beziehungen der Schweiz mit Deutsch- 
land schon frühe in seinem Geiste geknüpft hat; und in allen 
Wandlungen dauernd geblieben ist ihm auch die Eigentümlichkeit 
engster Verbindung von Wissenschaft und Politik, die er selbst 
schon bald als eine Notwendigkeit seiner Natur empfunden hat. 
Sicherlich würde es sich lohnen, diese historisch-politische Indivi- 
dualitat einmal in ihrem ganzen Wesen und in ihren allmählichen 
Wandlungen zu verfolgen, und es würde dadurch nicht nur die 
persönliche Entwicklung eines der einflussreichsten Theoretiker des 
deutschen Liberalismus aufgezeigt werden, sondern in ihr auch 
zugleich eine Linie von allgemeinerer geschichtlicher Bedeutung zu- 
tage treten. Ob der Nachlass Bluntschlis t der auf der Stadt- 
bibliothek in Kürich sich befindet, auch für diese spateren Jahre 
das geeignete, die »Denkwürdigkeiten« ergänzende Material enthält* 
wird von dem Herausgeber dieses Briefwechsels nicht mitgeteilt, 
aber vielleicht ist es ihm möglich, in dieser Richtung seine jetzige 
Veröffentlichung durch eine zweite von gleicher Reichhaltigkeit und 
gleicher editorischer Sorgfalt zu ergänzen. 

F. Schnabel (z. Zt. im Felde). 



In den »Neuen Beiträgen« zur Geschichte des deutschen 
Altertums«, her. vom Hennebergischeft altertumsforschenden Ver- 
ein in Meiningen, Heft 27 S. 1 — 60 entwirft Wilhelm Dersch 
unter fleissigcr Verwertung der gedruckten Literatur und bisher un- 
bekannter archiva lisch er Quellen ein ansprechendes Lebensbild des 
^Heidelberger Humanisten Adam Wernher von Themar« 
(t 1537). der ja vom Beginn seines Heidelberger Studiums bis zu 
seinem Lebensende als Lernender und Lehrender der Pfalz an- 
gehörte. Die Beziehungen zur Henneberger Heimat und seinem 
dortigen Freundeskreise, seine Tätigkeit als Erzieher der Grafen 
Wilhelm und Christoph wahrend ihrer Studienzeit, sowie seine 
Stiftungen Für die Vaterstadt erfahren besondere Berücksichtigung. 
Aus den Beilagen seien die für die örtlichen Verhältnisse nicht 
unwichtigen Auszüge aus des Grafen Christoph Heidelberger Rech- 
nung hervorgehoben. Ä'. Obser. 

In seinem Aufsatze »Studien zum Johann Trithemius- 
Jubcljahr 1 9 1 6 * (Studien und Mitteilungen zur Geschichte des 
ßenediktinerordens und seiner Zweige N.F. VI, 265 — 301) stellt 
F. W. E. Roth auf S. 290 — 91 die bis jetzt bekannten Daten über 



t roogle rciHaio«uMNWT* 



Zcitschrificn&chau und Utcralurnotizcti* 



■6 3 



den zu Trithemius' Freundeskreis gehörigen, von der Insel Reichenau 
bei Konstanz, stammenden Johann Hasclberg und dessen Tütig* 
keit als Verleger des Trithemius zusammen. 1514 erwirkte Trithe- 
mius bei Kaiser Maximilian I, für Haselberg ein Druckprivileg zur 
Herausgabe einer Gesamtausgabe seiner besten Schriften; auf Befehl 
des Kaisers sollte Konrad Feutinger die Schriften des Trithemius 
überprüfen und das Passende für ((rückfällig erklären. Da aber 
Trithemius bereits 15 16 starb, so kam dieser Plan nicht zur Aus- 
führung; immerhin Hess Haselberg einzelne Schriften des Trithemius 
in seinem Verlage erscheinen, so zunächst 1515 das Compendium 
sive breviarum primi voluminis annalium und als letzte 152 2 die 
Schrift De septem seeundeis id est mtclligenliis libellus sive chrono- 
logia mystica, von der er auch gleichzeitig eine von ihm selbst 
bearbeitete deutsche Ausgabe veranstaltete. Da Hasclberg eine 
eigene Druckerei nicht besass, so Hess er seine Drucke nach 
Belieben da und dort herstellen, so bei Johann Schoeffer in Mainz, 
Jakob Köbel in Oppenheim, Johann Knoblauch zu Strassburg und 
Hicronymus Höltzel in Nürnberg, Fr, 



Im *Zentralblatt für Bibliothekswesen« S. 156 — 163 berichtet 
Karl Schottcnlohcr über »Jörg Spitzenberg in Konstanz 
und seine Reformationsdrucke* (1527 — 1530); sie sind mit 
einer Ausnahme (Zürich) sämtlich in der Münchner Staatsbibliothek 
vorhanden. 

Der vierte Band der Jahresgaben der Gesellschaft für Klas- 
sische Literatur trügt den Titel: Deutsche Dichtung im Elsass 
von 1815 bis 1870. Eine Auswahl, eingeleitet und herausgegeben 
von Emil v, Borries. Mit zehn Bildnissen. Strassburg, Trtibner 
iqi6* XI, 283 S. Die Sammlung will die Stimmung des deutsch- 
sprechenden Teils der elsassischen Bevölkerung in ihren Wand- 
lungen veranschaulichen, als Vertreter kommen zu Wort: August 
Lamey, Ehrentried Stoeber, Georg Daniel Arnold, Karl Friedrich 
Hartmann, Ludwig Spach, Daniel Hinz, August und Adolf Stoeber, 
Karl August Candidus, Gustav Mühl, Georg Zetter, Friedrich 
WeyeimüUer und der im vorigen J.ahre erst Heimgegangene Karl 
Hackenschmidt. Das Verständnis fördern eine die geistigen und 
nationalen Strömungen im Elsass kurz vorführende Einleitung und 
zahlreiche wohlerwogene Erläuterungen, sie vermitteln auch dem 
Ferne 1 stehenden ein Bild von den Dingen. Mit Recht wird die 
auch aus einigen Gedichten ersichtliche Tatsache betont, dass die 
Elsässcr von 18 [5 durchaus zu Franzosen geworden waren, stolz 
auf die Zugehörigkeit zu dem Volk der Revolution und der rühm- 
lichen Waffentaten unter den Fahnen der Republik und Napoleons. 
Das ist eine F-rscheinung, die damals weiten Kreisen in Deutsch- 
land ganz unverständlich gewesen ist, man denke nur an die be- 
kannte zornige Klage Friedrich Rückerts^ »Wird unser Siegszug 



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rBlHCTONUHWr T 



164 Zeitschriftenschau und Literaturnotizen. 

denn zur Flucht? Ganz Frankreich höhnt uns nach. Und Elsass, 
du entdeuischte Zucht! Höhnst auch, o ärgste Schmach !* Es 
musste ja auch diese starke Betonung französisch-vaterländischer 
Gesinnung je länger je mehr in offenen Widerspruch treten zu 
dem Willen, gleichzeitig an der angestammten deutschen Wesens- 
art und deutschen Sprache festzuhalten, — ein Gegensatz, den in 
der zweiten Hälfte der dreissiger Jahre Ludwig Spach aus der 
Welt schaffen wollte, indem er nach langen inneren Kämpfen die 
Meinung vertreten hat, dass eben doch der Gebrauch der fran- 
zösischen Sprache und Form im Elsass die einzige literarische 
Möglichkeit für die Zukunft darstelle. Dieser Forderung ist Eduard 
Reuss, der Strassburger Theologe, mit kernigen Worten in der 
Erwinia (*Wir reden Deutsch«) und in der Vorrede zu den Ge- 
dichten von Daniel Hiitz entgegengetreten, die in der Einleitung 
verdientermassen im vollen Wortlaut Platz gefunden haben. Ahnlich 
wie er hat dann der jüngere Dichterkreis, als dessen Glieder 
namentlich die Brüder August und Adolf Stoeber, Candidus, 
Müh! und Zetter bekannt sind, seine Aufgabe darin gesehen, in 
seinem Schaffen an deutsches Vorbild sich anzulehnen und durch 
bewusste Pflege und Bewahrung der Muttersprache der fort- 
schreitenden Verwelschung entgegenzuarbeiten. Neben der Geist- 
lichkeit ist das Deutschtum im Elsass gerade diesen Mannern zu 
dauerndem Dank verpflichtet. //. Kaiser, 



Ernst Bender, Weinhandel und Wirtsgewerbe im 
mittelalterlichen Strassburg. (Betträge zur Landes- und Volkes- 
kunde von Elsass-Lothringen und den angrenzenden Gebieten 48). 
Strassburg, Heitsc 1914. VI, 162 S. 

Der Titel der Arbeit deckt sich nicht ganz mit dem Inhalt, 
da der Verf. die Verhältnisse bis ins 18. Jahrh. berücksichtigt. 
Sie tritt den Untersuchungen Anton Herzogs über die Lebensmit- 
telpolitik der Stadt Strassburg, in der unter Zugrundelegung einer 
mehr modernen Auffassung des Begriffs ^Lebensmittel* die Getränke 
nicht berücksichtigt sind, ergänzend zur Seite, geht aber dann in- 
sofern über sie hinaus, als sie die gesamten auf Weinhandel und 
Weinverkauf beruhenden oder damit zusammenhängenden gewerb- 
lichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erscheinungen und 
behördlichen Verwaltungs- und Polizeimassnahmen zu erfassen sucht. 
Im 1., ziemlich knapp gehaltenen Kapitel bespricht B. die Her- 
kunft des Weins, den Umfang von Weinhandel und Weinausluhr 
in Str., im 2. die städtische Weinhandelspolitik in Einfuhr- und 
Ansfuhrfragen und in der Fürsorge für den Strassburger Wein- 
markt, den im Dienst des Wcinhandcls stehenden städtischen Be- 
amten- und Arbeiterapparat und die Marktpolizei. Im 3. Abschnitt 
geht er dann auf die Schilderung der behördlichen Regelung des 
Weinausschanks in Str. ein, -auf die dafür erlassenen Ordnungen, 
die Aufgaben der besonderen Weinschankbeamten, die Stellen für 



l roogle fRjnaiwuMwtnw 



/.dischiiltenscbnu und LUcnaumotixcn. 



"»5 



den Ausschank, die Bestimmuligen für Zapfer und Wirte und in 

ziemlich breit geratenen, z. T. auf den topographischen Werken 
v<in Seybotb und K, Schmidt beruhenden Darlegungen auf die 
verschiedenen Wirtshäuser, Zunftsinben (Ammeisterstube) und deren 
Organisation. Daran knüpft er ein kurzes 4. Kapitel an, das einen 
lückenhaften Überblick über das Slr;isshmger Herbcrgswcsen und 
die Fremdenpolizei gibt. 

Das Hauptbedenken, das Herzogs, Benders und andere ver- 
wandte Arbeiten wachrufen, gilt vor allem der Art und Weise, wie 
hier die wirtsehaftsgeselrichtliehe Eil izel forsch tmg angefasst wird: 
bei solchen Untersuchungen über das jemaligc wirtschaftliche Son- 
dergebiet werden viel zu wenig die Geschicke des ganzen Wirt- 
schaftskörpers {in diesem Fall also der Stadt Str.), die diesen je- 
weilig bewegenden politischen und wirtschaftlichen Fragen und 
seine jeweilige Lage berücksichtigt und wird oft ^enug versäumt, 
den Einwirkungen dieser Dinge auf dem besonderen Forschungs- 
gebiet nachzugehen und bestimmte wirtschaftliche Erscheinungen 
usw. damit in Zusammenhang zu bringen oder daraus zu erklaren. 
Auf diese Weise verlieren aber solche Untersuchungen das all- 
gemeine Interesse und verfallen, statt ihren Stoff nach Möglichkeit 
in eine Entwickluugsreihe einzugliedern und geschichtlich zu be- 
leuchten, in eine trockene, rein beschreibende Darstellungsweise, 
in der ohne inneren Zusammenhang die den verschiedensten Zeilen 
ungehörigen Tatsachen nebeneinander aufgehäuft werden; sie be- 
gehen nicht sehen den Fehler, aus besonderen, durch augenblick- 
liche wirtschaftliche und politische Zustände bedingten Verhalt- 
nissen falsche Folgerungen oder zu Umecht verallgemeinernde 
Rückschlüsse zu ziehen. Bei Arbeiten über ilie Wirtschaftsgeschichte 
Strassburgs tragt allerdings an solchen Missgriffen die Beschaffen- 
heit des Materials viel Schuld, das für diese Untersuchungen nach 
dem Vorgänge Ehebergs und Bruckers überwiegend bestimmten 
Sammelbänden des Stadtarchivs, vor allem den sog. »Mandaten 
und Ordnungen des Rats« entnommen und vorbehaltlos benutzt 
zu weiden pflegt. Wenn es sich z. B. bei den zahlreichen Banden 
der »Mandate und Ordnungen« wirklich dem irreführenden Titel 
einsprechend um eine systematische, in möglichst gleichzeitiger und 
endgültiger Gestalt angelegte Sammlung von Katserlas^cn und -be- 
schlüssen handelte, wäre ja alles in Ordnung; in Wahrheit enthal- 
ten aber diese ziemlich spat zusammengestellten Bande? ein buntes 
Sammelsurium Von einzelnen Aktenstücken aller Art, darunter zahl- 
reiche undatierte Entwürfe und Zettel,, die aus den Aktenbeständen, 
denen sie ursprünglich angehörten, versprengt oder übernommen 
wahllos hier vereinigt wurden. Solche Stücke dürfen natürlich, so- 
lange man nicht den Zusammenhang, in den sie gehören, mit Hülfe 
umfassender Aktenveröffentlichungen, wie sie für die Zeit vor 1400 
im l'ikundenbueh vorliegen, oder archivnliseher Forschung usw. 
ermittelt hat. nur mit Vorbehalt verwendet werden. 



mnaimmw 



tftfi Zcitschtiftonschau und Literntumolizen- 

Bcnder hat ach zweifellos das Verständnis für die Einwir- 
kungen der Politik, der wirtschaftlichen Lage und der sonstigen 
Geschicke der Stadt auf das von ihm behandelte Wirtschaftsgebiet 
besser gewahrt als Herzog, dessen Ausführungen über das Aus- 
fuhrverbot von 1256 er dabei z. B. wesentlich berichtigen kann; 
aber auch er entgeht den oben hervorgehobenen Gefahren nicht, 
so dass seine Arbeit doch im ganzen nur auf eine sich breit in 
die Einzelheiten ergehende Schilderung hinausläuft, die uns wenig 
von Entwicklung merken lässt und lediglich einen brauchbaren 
Überblick über das Tatsachenmaterial bietet. B. möchte gern den 
Weinhandel zum wichtigsten Moment im Strassburger Wirtschafts- 
leben stempeln und findet diese Ansicht dadurch bestätigt, dass 
der Wein unter den Strassburger Handelswaren usw. stets mit 
Nachdruck hervorgehoben wird. Das erklärt sich doch wohl eher aus 
der im Mittelalter hochgeschätzten Qualität und der weiten Aus- 
dehnung des Absatzgebiets des Elsässer Weins; für die Strassburger 
selbst wird der Getreide- und wohl auch der Holzhandel ebenso 
ins Gewicht gefallen sein. Die scharfe Trennung, die B. zwischen 
. den Weinhandel- und den Weiivschankbeamtcn vornimmt, ist nicht 
ohne Gewaltsamkeit abgegangen; so gehören doch z. B. die Visierer, 
die B. der 2* Gruppe zuzählt, mich seiner eigenen Darstellung 
ebensogut zu den im Dienst des Weinhandels stehenden Beamten. 
Eine übersichtliche Zusammenstellung der verschiedenen durch die 
Stadt und ihre Organe erhobenen Abgaben, die an zahlreichen 
zerstreuten Stellen sich finden, und reichlichere Beifügung von 
Wort- und Sacherklärungen wäre wünschenswert gewesen. Von 
einzelnen Irrtümern sei zum Schluss hervorgehoben, dass die An- 
gabc auf S. 8q, der Rat habe seit Beginn des 14. Jahrh. den 
Schultheissen eingesetzt, falsch ist; das Sehulthcissenamt war noch 
im Anfang der Neuzeit rein bischöflich. A* SlenzeL 

Das vergangene Jahr hat zwei bemerkenswerte Veröffent- 
lichungen über den Meisler von Messkirch gebracht. In einer 
Studie über das Altarbild des Meisters von Messkirch in 
der Stadtkirche zu Messkirch« {Zeitseh i\ f. Christ L Kunst XXIX, 
-19 — 60) stellt Josef Sauer auf Grund einer genauen Unter- 
suchung lies Tafelbildes der hl. drei Könige vor seiner Wieder- 
herstellung gegenüber Poellmann endgültig fest, dass jede Signierung 
fehlt, und weist zum erstenmal darauf hin, dass dieses Tafelbild, 
wie die zu ihm gehörigen beiden Münchner Flügelbilder des hl. 
Andreas und Christophoms auf der Rückseite köstliche Ornament- 
maiereien in Grisaitle enthalten., also nur einen freistehenden Altar 
geziert haben können. Den Hochaltar, für den dies an sich zu- 
träfe, scheidet er bei Besprechung der verschiedenen Rekonslruk- 
tionsmögtichkeiten aus und bringt, gestützt auf ein lilteres Visi- 
taiionsprotokoll, das zwei grössere AlUirc als -decenter ornata« be- 
zeichnet, dir drei Bilder mit einer Art Kreuzaltar in Verbindung. 



L r<X igle KUHCnONUHIvlKTV 



ZeittchriftenKhitt und IJtcratuntuti/un. 



,6 7 



Neue ergebnisreiche Forschungen übtr »den Meister von Mess- 
kirch« veröffentlicht sodann Paul Ganz im 67-/68. Jahresbericht 
der Offentl. Kunstsammlung in Basel- Er geht dabei aus von 
dem Rahmenentwurfe eines deutschen Renaissancealtars mit den 
Wappen von Zimmern und Hcniirherg, der unklugst von der Baslei 
Kunsihalle aus einer Dresdner Sammlung erworben wurde, als 
eigenhändige Arbeit des Meisters von Mcsskirch anzusehen ist und 
das an venezianische Kahmenformen erinnernde reiehgeschnilzle 
Holzgehiiusc eines umfangreichen Altars darstellt, wie er nur im 
Chor des von Graf Gottfried Werner von Zimmern 1527* be- 
gonnenen Neubaus der St Martin skirche zu Messkirch gesucht 
werden kann. Mit Hilfe dieses Rahmenentwurfs, der nicht vor 153S 
angesetzt werden kann, versucht Ganz in scharfsinniger und für 
mich Überzeugender Beweisführung <^iner Rekonstruktion des bild- 
lichen Altarwerkes, wobei er mit Koetschau ein festes und ein 
bewegliches» doppelseitig bemaltes Flügelpaar annimmt. Das Mittel- 
stück bildete danach die heute auf einem Seitenaltar verbannte 
Eptphania, daran anschliessend die festen Flügel, der hl. Andreas 
und hl. ChristOphorus (München), sowie die beweglichen (innen 
St. Martin und St. Johannes der Täufer mit den Stiftern, aussen 
St. Werner und Magdalena), von denen drei in Donaucschingen 
befindliche bekannt waren, während das fehlende vierte von 
Dr. w Mayenburg in einer Berliner Privatsammlung ermittelt wurde. 
Was über die Zusammengehörigkeit und Verteilung der Bilder ge- 
sagt wird, erscheint mir einleuchtend; ich halte nach dem von 
Dr. Feurstein aufgefundenen wichtigen Anniveisarvermeike über 
ilie Patrone des Hochaltars die hier versuchte Lösung unter allen 
bisher bekannten für die beste, wenn nicht einzig mögliche. Am 
Schlüsse seiner Ausführungen beschäftigt sich Ganz auch mit der 
Frage nach Namen und Herkunft des Messkirch er Meisteis und 
vermutet in ihm den um 1530 in Überlingen ansässigen und 
künstlerisch tätigen Maler Marx Weiss. Aus welchen Gründen 
und mit welchem Rechte, ist aus meinen ergänzenden Mitteilungen 
oben S. 13 t ff. zu ersehen. A* Obser. 

F. W. [iredt: Friedhof und Grabmal. Mitteilungen des 
rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Heimatschutz. Jg. io, 
Heft i, Düsseldorf bei L. Schwann, 1K0 Abbildungen, 5 Tafeln. 

Seit längerer Zeit plante der rheinische Verein für Denkmal- 
pflege und Heimatschutz die Herausgabe eines Heftes über Fried- 
hof- und GrabmalkunsL — »Der Ausbruch des Krieges machte 
dann die Verwirklichung dieser Absicht zur unmittelbaren Pflicht. 
— Was er uns jetzt aus der Feder von l\ W. Bredt darbietet» 
geht weit über den Rahmet» der meisten seiner früheren Ver- 
öffentlichungen hinaus und, wenn es auch ausdrücklich auf dein 
Untertitel heisst »mit besonderer Berücksichtigung der Rhein- 
gebiete , so ist das für dieses Mal nicht so ernst zu nehmen, 



t««riÄÄ: 



IÖ8 Zeitschriften schau und IJtoraturnntizcn* 

greift doch die Arbeit recht in die deutschen Lande hinein und 
gar ober sie hinaus in die stamrnesverwandten Gebiete der öster- 
reichischen Monarchie, — So ist sie weit mehr geworden, als wir 
es nach diesem immerhin bescheidenen Titel vermuten dürren, 
und wir brauchen nicht Anstand zu nehmen, sie ohne weiteres 
als ein Nachschlagewerk für »Friedhof und Grabmal- Oberhaupt zu 
bezeichnen. 

Die drei Hauptabschnitte des Buches beschäftigen sich mit 
-Art und Ort der Tolenbestattung* mit *Grahin£ilcrn und (iedenk- 
zeichen* in geschichtlicher Folge bis zum neuzeitlichen, besonders 
eingehend behandelten Kriegergrabmal und mit Hauten und Aus- 
stattung der Friedhöfe* Oberhaupt Als ein besonderes Verdienst 
des Verfassers muss hier die Feinsinnige Auswahl einer erstaun- 
lichen Fülle von Abbildungsmaterial hervorgehoben' werden. Ich 
war selbst während den Vorbereitungen des öftern Zeuge davon, 
mit welcher Umsicht und Energie er sich keine Mühe verdriessen 
liess, in iler jetzigen erschwerten Zeit wissenschaftlichen Austausch- 
verkehrs seiner habhaft zu werden, wie er das oft mühsam Gefun- 
dene sichtete und wieder sichtete, bis sich auch kein Beispiel 
mehr darunter vorfand, das nicht voll und ganz seine besondere 
Absicht im Vorführen charakterisierte. So ist etwas wirklich Blei- 
bendem erreicht worden, nicht ein billiges Gegenüberstellen von 
»Gut und Böse*, sondern nur wahre Typen, die nicht verfehlen 
werden, weiter forlbildend und reinigend auf »Friedhof und Grab- 
mal* zu wirken. 

Uns interessiert das Werk hier noch besonders, weil gerade 
auch der Oberrhein eine grossere Anzahl solcher Abbildungen ge- 
liefert hat, ilie eine eingehende Würdigung erfahren; hier haben 
vor allem die Kirchhöfe von F rei b u rg i, Br, reiche Ausbeule 
gestellt und auch Baden-Baden, Heidelberg und das Klsass 
sind vertreten. — Als Schulbeispiel fflr ein Kokokoninmimenl 
grossen Stils erscheint das malerische Denkmal des Generals von 
Rodt im Münster zu Frei bürg i* Br. von Christian Wcnzinger, 
und als solches einfacherer Art das wundervoll geschmeidig kom- 
ponierte Rocaillcepilaph des 1766 verstorbenen Kaufherrn C- Falck 
auf dem epheuumsponnenen Friedhof der Peterskirche in Heidel- 
berg. BronzegrabmSler werden uns durch die beiden Epitaphe 
aus der Familie von Zimmern aus Messkirch charakterisiert und 
auch bei den schmiedeeisernen Grabkreuzen ist das Badener [.and 
mit einem kunstvollen Beispiel aus Meersbtirg am Bodensee ver- 
treten» das dem reichen 1913 eingerichteten badischen Grabkreuz- 
räum der städtischen Sammlungen in Heidelberg entnommen ist. 

Der vorliegenden neuen Arbeit möchte ich so jetzt schon das 
Horoskop einer weitgehendsten Verbreitung und Weiterwirkung 
stellen, was sie nach Form und Inhalt reichlich verdient als neuer 
Beleg für die stets wachsenden Ziele des rührigen rheinischen 
Vereins für Denkmalpflege und Heimatschulz, AI Lohmtva. 



°ak rftiÄÄ 



■ ■. ■ 



Wanderungen und Siedelungen der Alamannen. 

Von 

A ndreas Hund. 

(Fortsetzung,! 



Um die Gunst der Franken zu gewinnen, hatte der 
Ostgotenkönig Witigis 536 in der Not des Krieges mit 
Byzanz neben vielem andern auch die Alamannen preis- 
gegeben, und Chlodwigs hochstrebender Enkel Theudebert 
hatte verstanden, sie alsbald in seine Gewalt zu bringen 1 ). 
Für alle Alamannen war damit Wirklichkeit geworden, was 
für die rechtsrheinischen sicher schon zu Anfang des Jahr* 
hunderts eingetreten wäre, wenn nicht Theoderich seine 
schützenden Arme über sie gehalten und sie seinem Reiche 
angegliedert hätte. Trotz ihrer kurzen Dauer aber war 
die ostgotische Herrschaft für das Alamannenvolk von grösster 
Bedeutung gewesen. Unter ihr waren die rechtsrheinischen, 
rätischen und helvetischen l~ando zu einer Einheit zusammen- 
gewachsen, und diese blieb unter der fränkischen Herrschaft 
bestehen. Die genannten Gebiete nahmen im Reiche der 
Merowinger eine Sonderstellung ein; sie bildeten das Herzog- 
tum Alamannien« Die Gründe für das nicht vollständige " 
Aufgellen im Frankenreiche dürften nicht zuletzt in der 
Weltmachtspolitik Theudeberts I. zu suchen sein. 



') Agathias [, 0: tug Ak 6 itiv (Thco-dcrich) ihtrßiro, o d* uiytouK lovon- 
rtano re n3 'Pio/uuwr twroxottTOot xtu tote IWt&mz ffMI/l0C gWSggafl/i töir 
Aij 01 FAt&oi vxödtoxFvövTfS roiV *pQuyyor>z l xai Sxws <»' auföft fpilot re kt 
r« flÄ&ltixa xai tvvot yfrotne i*t/xarojtifvoi f h/ßtov rr jroAxoir i^iatartat 
T&DUOP xai fih' Aii xai rö \4iuttavtxov yrroz thpizötir . . . orroi 6i[ ouv xai 
tu nur stXa/tavotv WVüff bt6 FotOojv tlip&uivov &£V&ißtQTG$ ccmfoc i%tigtüoam m 
Ausserdem I, 4: xagaiaßtor Ök W/r xatQtoar ÜQJpfi' ö GevSißtQTO$ roiV rr 
AXOfVxnve xaTEOXofti'aro xai £ua äzra gtQÖWHHü rftvrj. 

Zriitchr. f. Gudi, d. Oberrh. N.F. XXXII. 2. ]2 



Bk mmmSSm 



170 



Hund. 



r 



Nach Prokop erklärten sich die Frankenkönige Childe- 
bert, Chlotachar und Theudebert auf das Entgegenkommen 
des Königs Witigis hin bereit, den Ostgoten Truppen zu 
schicken, in Rücksicht auf das kürzlich mit dem Kaiser ab- 
geschlossene Bündnis allerdings nicht Franken selbst, wohl 
aber ihnen untertänige Völker, damit es so aussähe, als 
kämen diese auf eigene Faust 1 ). Wohin der seine Oheime 
weit überragende Theudebert zielte, erhellt aus seinen 
Taten. Ihm ist es wohl zuzuschreiben, wenn um 537 
burgundische und alamannische Scharen in Oberitalien ein- 
fielen und das Land verwüsteten, bis sie von den Goten 
vertrieben oder vernichtet wurden 2 ). Im Jahre 538 schickte 
er dem vor Mailand stehenden gotischen Belagerungsheere 
10000 Burgunder zu Hilfe 11 ), und 53g erschien er selbst 
mit einem grossen Heere, angeblich etwa 100000 Mann, 
in Oberitalien. In der Maske eines Freundes der Goten 
zog er durch Ligurien und überschritt bei Pavia den Po; 
dann aber warf er sich plötzlich auf die Goten und schlug 
diese, wie gleich darauf auch die unweit lagernden Byzan- 
tiner in die Flucht 4 ). Was Theudebert beabsichtigte, ist klar; 
er wollte Italien für sich selbst gewinnen. Hunger und 
Seuchen versagten indes der ebenso kühnen wie treulosen 
Tat einen grösseren Erfolg. Nachdem er einen nicht ge- 
ringen Teil seines Heeres verloren hatte, kehrte er über die 
Alpen zurück und überliess die Fortsetzung des begonnenen 
Werkes seinen Heerführern Butilin und Aming 5 ). Die Er- 
oberung Italiens aber war nicht das lezte Ziel, das sich 
Theudebert gesteckt hatte. Es wird berichtet, dass er den 
Plan gehabt habe, durch die innerdeutschen Lande bis 
Thrakien vorzudringen und im Verein mit Gepiden und 
Langobarden den Kaiser in Byzanz selbst anzugreifen. An- 
gesichts der Tatsache, dass er Goldmünzen mit seinem 
Namen und Bildnis prägen liess und sich den Titel Augustus 



'> Prokop, Bell. Gotb. 1, 13. — *) Cassiod. Var. XII, 7. 28: MG. 
AA. XII, 365 f., 383 ff. — •'') Prokop, Bell. Goth. II, 12. — *> Prokop. 
Bell. Goth. II, 25. — '') Paul. Diac., Hist. I-ang. II, 2; MG. SS. Lang, et 

lul. S. 72 f.; His temporibus Narsis cliain Buccellino duci bellum intulit. 
ouem Theudepcrtus tex h runcorum, cum in Italia iniroissei, reversus ad Gallias. 
cum Aniingn nlio dnee ad subicicnd.-im llaliam drrelt<|ucr,it. 



"£ ,c remÄfflivwarv 



Wanderungen und Siedeluugen der Alamannen, |-| 

beilegte, können Zweifel an der Glaubwürdigkeit dieser 
Nachricht nicht bestehen '). Es leuchtet ein, dass einem 
solchen Machtstreben, das darauf ausging, ein germanisches 
Weltreich an Stelle des römischen zu setzen, nur ein Ala- 
mannenvolk dienen konnte, das mit seiner neuen Lage 
unter fränkischer Herrschaft zufrieden war. Das aber Hess 
sich bei einem so selbstbewußten, starrsinnigen Volke, wie 
dem alamannischen, doch wohl nur erreichen, wenn der 
Franke seine Eigenart möglichst schonte und ihm Männer 
aus seiner Mitte zu Führern bestellte. Wie Agathias be- 
richtet .und die spätere Gesetzgebung bestätigt, behielten 
die Alamannen denn auch ihr angestammtes Privat- und 
Strafrecht und folgten den Franken nur im öffentlichen 
Recht 2 ). Audi setzte ihnen Theudebert, wie ebenfalls Aga- 
thias berichtet, in den Brüdern Leuthari und Butilin zwei 
Männer ihres Stammes zu Führern :] ). Butilin kennen wir 
bereits; ihm und Aming überliess der Frankenkönig bei der 
Heimkehr von dem halb miss glückten Zuge die Weiter- 
führung seiner Sache in Italien, Das Heer, das Theudebert 
53g über die Alpen geführt hat, muss darum wohl zum 
Teil wenigstens aus Alamannen bestanden haben. Chlodwigs 
Enkel war es also gelungen, das Alamannenvolk in kürzester 
Zeit zu einem höchst brauchbaren Werkzeug seiner Welt- 
machtspolitik zu machen. Der Preis, den er dafür bezahlte, 
dürfte der Verzicht auf die straffe Eingliederung Alamanniens 
ins Frankenreich gewesen sein. 

Unter Theudeberts Sohn Theudebald (548 — 555) folgten 
die beiden Brüder Leuthari und Butilin gegen den Willen 
des schwachen Königs einem letzten Hilferuf der Ostgoten 
und führten ein Heer von angeblich 75000 Mann Alamannen 
und Franken nach Italien. Plündernd durchzogen sie ein 
ganzes Jahr die italische Halbinsel bis in ihre südlichen 

') Vgl. O. Glitsche und \V\ Schultz«. Deutsch« Geschichte von der Ur- 
zeit bis zu den Karolingern II. 1896. S. 119 ff* — *) Agathias l, "; ro/ti/ta 
OS avtotc riat ttrr ffOV xtxt Tinrota, ra Ar yr rv 9UHV& fxtxnttrorv tf xa! iioyur 
xf/ fPgayyiXf) ihovrat no&mfy. — *) Agathias J, 6: AfJ'ftant* Ar xni //m-rr- 
?Jvo$ t et ho! toy ßnmkfa tuptlbv rjxiora tJQEOX&r, ä&a avxoi thvAtyorto tijr 
Svfifiaxiar* iorzo> Ar: iö> aräoe tjOtq* ftir aAfk^m xnl ro yivtK 'Alaparm, 
/it'tyaiitr Ar nuiiit *Poayyoif itpyiozrjv irgurnji*, th$ xrti tov ntfFryoov ^iVrorc 
f/yria/)ai. HrvAifirtttnv xutUfnor xttoanytirrtK* 

12* 

t rooglc iftiHcnwiuiiMftW' 



172 



Hund, 



Spitzen, während Xarses Cumae und die tuscischen Städte 
gewann. Im Sommer 554 trennten sie sich. I.euthari wollte 
mit der Beute nach Hause eilen, verfiel aber in Venetieu 
mit seinem Heere einer Seuche und starb. Butilin, dem die 
Goten Hoffnung auf die Königskrone gemacht hatten, Hess 
sich halten und stellte sich im Herbst 554 am Casilinus bei 
Capua dem Narses zur Entscheidungsschlacht; er kam mit 
seinem ganzen Heere um '). Die Stellung der beiden Brüder 
beruhte auf der Einsetzung durch den König; sie waren 
also Amtsherzöge wie so viele andere im Erankenreiche. 
Da sie aber als Volksgenossen über Volksgenossen, über das 
durch die ostgotische Herrschaft hindurchgegangene Ala- 
mannenvolk. gesetzt waren, so brauchte das alamannische 
Herzogsamt nur einige Geschlechter hindurch in derselben 
Familie zu verbleiben, und die Entwicklung zum Stammes- 
herzogtum, zum Unterkönigtum über das Alamannenvolk, 
war bei dem immer schwächer werdenden Merowinger- 
königtum vollzogen. Das ist denn auch geschehen. Der 
nächste uns bekannte Alamannenherzog ist Leutfried, der 
587 wegen Gegnerschaft wider Childebert II. in die Ver- 
borgenheit flüchtete. An seine Stelle wurde Uncelen als 
Herzog eingesetzt'-'). Es ist dies vielleicht derselbe Uncelen, 
der 605 im Gefolge des b,urgundischen Teilkönigs Theu- 
derich II. die Ermordung dos Hausmeiers Protadius, eines 
Günstlings der Königin-Grossmutter Brunhilde, verschuldete 
und dafür zwei Jahre später Brunhildens Rache verfiel; es 
wurde ihm ein Fuss abgehauen und Vermögen und Rang 
entzogen 11 ). Ein Alamannenherzog im Gefolge des Bur- 
gunderkönigs Theuderich kann nicht befremden, da der 
südlich von Rhein und Bodensee gelegene Teil des Herzog- 
tums damals allem Anscheine nach zu Burgund gehörte 1 ). 
Um das Jahr 613 wird der etwas legendenhafte christliche 
Herzog Cunzo erwähnt. Er hatte seinen Sitz in Überlingen; 



'» Vgl. C. F. Stülin, Wirtembergische Geschichte I. 1841. S- 171 f- 
Schubert a. a. O. S. 105 f. — ') Fredegar 8; MG. SS. Merov. II, 125: Sed 
et I.eudefrcdus Alamannomm dux in -offensam ante dicti regis ineidit, etiam et 
latebiam dedit. Ordenalus est loco ipsius Uncelenus dux. — ') Fredegar 27. 
28; MG. SS. Merov. II. 131 f. — <) Vgl. olien S. 68. Oechsli a. a. O. 
S. 259. 263. 



<- rOOgle FfliHCtTDN UHiviit^irv 



Wanderungen mul Siedehingrin der Alamannm. [-^ 

seine Tochtw Kriedburg, di<* Braut des austrasischen Königs 
Siegbert EL, hatte der heiliyv (iallus, wie berichtet wird, 
von der Besessenheit geheilt 1 ). Xaeh einem Herzog Chro- 
debert, der 63 1 ein Alamannenheer siegreich gegen die 
Wenden führte-), erscheint im Jahre 643 wiederum ein 
Leuthari als Herzog der Alamannon. Kr ermordete damals 
Siegberts III. Erzieher Otto, einen Widersacher von Pippins 
Sohn (irimoald 11 ). Nach der (Gewohnheit der Namengebung 
in der Sippe ist anzunehmen, dass die beiden Brüder Leut- 
hari und Hutilin und die Herzeige Leutfried und Leuthari 
demselben Gcschlechte angehörten. Die alamannische Herzogs- 
würde wäre demnach, wenn auch wohl mit Unterbrechung, 
ein Jahrhundert und mehr in derselben Sippe gewesen. 
Erst gegen Ende des 7. Jahrhunderts begegnen wir wieder 
einem Alamannenherzog. Es ist Gottfried, tler Urgrossvater 
von Karls des Grossen Gemahlin Hildegard, der um 700 
in Kannstatt am Neckar eine Schenkung an St. Gallen 
machte 1 ) und im Jahre 70g gestorben ist ; ). Er hatte sich 
dem mächtigen Hausmeier Pippin gegenüber unabhängig 
zu behaupten gewusst**). Xach seinem Tode hören wir von 
einem Herzog Willehari; gegen ihn führte Pippin 709 und 
7 10 ein fränkisches Heer in das Land der Alamannen. 
während dasselbe 7 1 1 Walerich mul 7 1 2 ein Bischof he- 

') Vto Galli stuclor« Wciiino 15 ff.; MG- SS. Merov. IV, 264 IL — 
2 i Kredegar 68; HG- SS. Merov. II, 1 55 : Sclavi his et alies locis e contrario 
preparuntes, Alamanm>nim exercitns cum (,'todobeito duci In parte qua ingrettui 
est victuriam optcntiit. [.angobardi iclcmqiic victuriam optcnucrunt t et plummim 
nummerum caplivurum dir Sclavos Alatu;mni et Lnngohardi secuni duxerunc. 
— s ) Fredegar 88; Mli. SS. Merov. II, 163; Anna decitno regno Sigyberii 
OtlO a qui adversus (irimoaldo inimicicias per mperbia Lomebat, faccionem Gri- 
moaldo a Leulhtrio duci Alamannorum interfecettir. — *) Wartmann. Urkunden- 
bnch der Abtei St- (iallcn L S. 1. — 5 ) Vgl. IL E. Bonncll. Die Aufflöge 
det karolingischen Hauses. 1866. S. 130. — ö ) Krchainbuiri Breviarium; MG* 
SS. II. 328: Theodorichut rex* filius Chlodowei frater Chlodcbani, regnavh 
annis 19; maior domus Bcrtharius; quo occisu, Pipinus iunior, filUi* AnsejjiMli, 
vrniens de Austrasüs, suciessit in prineipatum m:iiuruni domus , . . Ulis namque 
temporihus ac deincqis Cotefredus dux Alamannomm caeierique drcumqtmqut 
duces noluerunl obtemperare dueibus Fnnchonim, e<> qund 11011 potucrint regi- 
bna Merovcis Krvire. sicuti antca soliti t-rant; ideo sv. unusquisquo sccuiti lernm, 
donec landein ali<ju;mtlo posi mortem Cotefridi ducis Carlus eavterique prin- 
cipe* Franehorum paullatim ad s^ revoeme 1II05, arte qua poterant. suiduerani. 



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174 



Hund. 



sorgte 1 ). Das viermalige Heeresaufgebot läßt mehr auf eine 
Verheerung des Landes als auf eine dauernde Unterwerfung 
des Volkes schliessen. Wir lesen denn auch von schv/eren 
Heimsuchungen, die diese Kämpfe den Gegenden südlich 
des Bodensees gebracht hatten-). Über die Abstammung 
Herzog Willeharis ist uns nichts bekannt. Ein Sohn von 
Gottfried war Herzog Lantfried. Unter ihm erfolgte eine 
Neuaufzeichnung des alamannischen Stammesrechts. *Diese 
liegt uns vor in der Lex Alamannorum, die auf Beschluss 
der Stammesversammlung von Herzog Lantfried wahrschein- 
lich während der Regierung König Chlothars IV. {717 — 719) 
erlassen wurde 8 ). Sie setzt christliche Verhältnisse voraus, 
während der Pactus Alamannorum» die ältere Aufzeichnung 
aus dem Ende des 6. oder Anfang des 7. Jahrhunderts, auf 
heidnischer Grundlage aufgebaut ist 4 ). Herzog Lantfried 
starb 730 während des Krieges mit Karl Martell*}, Nach 
ihm scheinen die Franken keinen Alamannenherzog* mehr 
anerkannt zu haben. Bei der Reichsteilung von 741 wurde 
Alamannien in gleicher Weise wie Austrasien Karlmann 
zugeteilt, während Bayern, wohl als anerkanntes Herzogtum, 

l ) Böhmer-Mühlbacher Reg. 19a b. Herzog Willehari ausserdem genannt 
Piissio Desiderü et Reginfridi martyrum Alsegaudiensium ; MG- SS- Mcrov. VI, 
57:Vcnit in fincs Alamannorum ad locum, cuius vocab ulum est Mortunaugia. 
ubi dux preerat nomine Willlcharius. — *) Vita Gftlli anctDK Wettino 37: 
Mli. SS. Merov, IV, 278: Post multuni vero temporis misit Pippinus maior 
domus exercitum sttutn aim omni furore et iraatndia ad Altam Germaniam 
devastandam. quam dreumdederunt angusüis magnis, ita ut iam nun rimaretur 
exuberanlia cruoris generis humani nec mulritudo ex ea populi captivi diteti. 
Sub quo excidio caterva fugienüum in Arbonensem pagum congregata est, ex 
■ ! . : i L = 1 1 h plurimi ad cellam saneti Dei festinabant, ubi sibi suffragium de miscri- 
cordia atque venerationc elccti Christi speraham. Hostis igitur agiütcr cos 
persequabatur, quos in lerritorio praefatae cellae experiebatur. Uuurum investi* 
gattonc suhtilius eepta, quinque ex eis Oratorium intraverunt, ubi quasdam 
feminas cum parvulis suis reppererunt. Qua» cum interrogarcnl, unde essent, 
illae se dicebant famulas saneti illius esse. Qui ecouUa; Egrcdimini, inquiunt, 
neseimus sanetum vestrum, cuius pmtrocinio vos adiuvari creditis. Sab tali 
igitur contemptu tneritorum venerandi patris duxerunt eas captivas In Fran- 
dam. Vgl. St. Galler Mitteilungen zur vatcrländ. Geschichte 12 (1870) 
S. 55 Anm. 177- — *) Vgl. R. Schröder, Lehrbuch der deutschen Rechts- 
geschichte. 1907. S. 257. — *) Vgl. J. Sauer, Die Anfänge des Christen* 
mms und der Kirche in Baden. 191 1. S- 29. 48 ff. — *f Bflhrncr-Mühl- 
bacher Reg. 38 c. t 



t rooglc emctonumveii: 



Wanderungen und Siegelungen der Alainiinm-n. 17 = 

bei dieser Teilung ausgeschlossen blieb 1 ). Karlmann musste 
sich das Land aber erst erobern; es hatte sich unter Herzog 
Theutbald, einem Bruder Lantfrieds, unabhängig gemacht. 
Im Verein mit seinem Bruder Pippin drang er 742 bis an 
die Donau vor. Das Volk unterwarf sich; Herzog Theut- 
bald aber scheint entkommen zu sein-). Im folgenden Jahr 
teilte er die Niederlage des Herzogs Odilo von Bayern. 
Fünfzehn Tage, so wird berichtet, waren die feindlichen 
Heere am Lech, dem Grenzfluss zwischen Bayern und 
Alamannien, einander gegenüber gelegen, die Bayern mit 
sächsischen, alemannischen und slawischen Hilfstruppen auf 
dem Östlichen, die Franken unter Karlmann und Pippin auf 
dem westlichen Ufer; da entdeckten diese eine Furt, setzten 
über und hieben die Bayern nieder. Die beiden Herzöge 
aber entkamen 1 *). Im Jahre 744 finden wir Theutbald aber- 
mals auf dem Kriegspfad. Er machte damals einen Einfall 
in das Elsass, wurde aber vertrieben, und wie es scheinen 
will, von Pippin bis in die Schwäbische Alb verfolgt 1 ). 
Dabei wird er zum letztenmal genannt. An den Alamannen, 
die unter ihm gekämpft hatten, vollzog dann Karlmann im 
Jahre 746 zu Kannstatt jenes Blutgericht, dessen Schuld 
ihn 747, wie berichtet wird, zur Weltentsagung trieb 1 ). Ks 
ist nicht ausgeschlossen, dass die alamannische Herzogs- 
tragödie noch ein Nachspiel hatte. Herzog Odilo von Bayern 
war 748 gestorben und ihm sein Sohn Tassilo gefolgt. Grifo, 
der Halbbruder Pippins, aber vertrieb diesen und machte sich 
selbst zum Pierzog; dabei unterstützte ihn ein gewisser 1-ant- 
fried. Pippin eilte mit Heeresmacht herbei, nahm Grifo wie 
auch Lantfricd gefangen und führte sie mit sich nach 
Franken 6 ). Zum Jahre 751 wird dann Lantfrieds Tod ge- 
meldet 7 ). Man darf vermuten, dass dieser Lantfried ein Ver- 
wandter des gleichnamigen Herzogs war und im Bunde mit 
jenem Sohne Karl Martells das alamannische Herzogtum 
wieder aufzurichten trachtete. 



') Bühmei-Mühlbacher Reg. 42a. — '■') Böhmer-Mühlbacher Reg. 44c. 
53k. — ") Böhmer- Mühlbacher Reg. 45b. — ') Böhmer- Mühlbacher Reg. 55a. 
— & ) Böhmer-Mühlbacher Reg. 52a. - "( Bühmcr-Mühlhacher Reg. 57c — 
r ) Vgl. Stalin a. a. O. S. 169. 185. 



►gle 



■ 



1^6 Hund. 

Die alamannische Herzogswürde war abgeschafft, aber 
das Land hiess Herzogtum, bis es im 2. Jahrzehnt des 
10. Jahrhunderts von neuem Herzöge von Alamannien gab. 
In den Urkunden des ausgehenden 8. und des 9. Jahrhundorts 
begegnen wir da und dort der Bezeichnung ducatus Ala- 
manniae, Alamannicus, Alamannorum. Die Orte, die durch 
Beifügungen wie *in ducatu Alamannico« näher bestimmt 
sind, gehören durchweg den rechtsrheinischen, rätischen 
und helvetischen Alamannenlanden an, nie dem Elsass nder 
der Nordwestschweiz links der Aar, Dasselbe gilt von der 
Bezeichnung pagus Alamannorum, Alamanniae, nur mit dem 
Unterschiede, dass diese häufiger vorkommt und auf die 
rechtsrheinischen Lande beschränkt zu sein scheint M, Das 
erklärt sich aufs beste, wenn die linksrheinischen Alamannen- 
lande abwärts der Aar niemals zum Herzogtum gehört haben. 
Es erklärte sich freilich auch, wenn sie schon verhältnis- 
mässig früh davon abgetrennt worden wären, was für das 
Elsass meist angenommen wird. Da dort seit der Mitte 
des 7, Jahrhunderts Herzöge erscheinen, so schliessen die 
meisten, das Elsass sei damals von dem übrigen Alamannien 
losgerissen und zu einem selbständigen Herzogtum erhoben 
worden-). Gegen diesen Schluss wäre nichts einzuwenden, 
wenn das Elsass vor dem Auftreten seiner Herzöge mit 
dem übrigen Alamannien eine Einheit gebildet hätte, Das 
aber ist nach allem, was wir aus den Oucllcn ersehen können, 
nicht der Fall gewesen. Schon im 6. Jahrhundert, als wir 
über das rechtsrheinische Alamannien noch fast nichts er- 
fahren, sehen wir das Elsass in enger Verbindung mit dem 
austrasischen Reiche. Im Elsass weilt öfters der König, er 
empfängt dort Gesandtschaf ton aus Soissons und Meaux ; 

') Vgl. dir Zusammenstellungen für die einzelnen Gaue bei J. Gramer* 
Die Geschichte der Alamannen als Gaugeschichte. 1899. 5* 407 ff*; für den 
tfreisgau \V. Scbultze, Die (iaugraf schatten des alamamiischen Badens. 1H90. 
S. 41 ff.; ausserdem Kscher 11. Schweizer, Urkundenbuch der Stadt und Land- 
schaft Zürich I. S. 30. 33: Wackernagel u. Thommcn, Urkundenbuch der 
Stadt Basel 1. S. 2. Für ducatus ergeben sich y Fälle; davon kommen 5 auf 
die rechtsrheinischen» 3 auf die helvctisch-obcrrätischen und 1 auf die nieder- 
rauschen Luide. Für pagus ergibt sich etwa die doppelte Anzahl. — *) So 
Naumann, Schwaben und Alamannen, ihre Herkunft und Identität; a. ä. O. 

S. 555- 



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Wanderungen und Siodclungcn der Alamannen. '17 7 

auf den Königshöfen von Marti egium und Saloissa spielen 
1 jebes* und Mordgeschichten ; nach Strassburg wird ein 
Bischof, nach Marlenheim eine Übeltäterin verbannt; im 
Elsass wird sogar der königliche Prinz von Auster, Childe-" 
richs II, Sohn Theuderich, erzogen, Angesichts dieser Tat- 
sachen darf man wohl auch eine Stelle aus dem Leben des 
heiligen Gallus von Wetti aus dem Anfang des 9. Jahr- 
hunderts anführen. König Siegbert IL von Auster (6 13) 
befahl dem Alamanncnherzog Cunzo, ihm seine Tochter 
Friedburg, die königliche Braut, zuzuführen; >qui eam cum 
omni apparatu usque ad Rcnum .perduxit et inde per 
comites cum honorc magno regi transmisit« '). Hier erscheint 
der Rhein geradezu als Grenze zwischen dem Herzogtum 
Alamannien und dem eigentlichen Auster. Man wird das 
elsässische Herzogtum darum nicht als ein abgesplittertes 
alamannisches Stammesherzogtum betrachten dürfen, sondern 
es den innerfränkischen Herzogtümern zugesellen müssen % 
Damit soll natürlich nicht gesagt sein, dass zu seiner Ent- 
stehung die geographische und völkische Eigenart des El- 
sasses nicht auch ihr Teil gewiss beigetragen hat. 

Alles deutet denn darauf hin. dass das Elsass bereits 
seit Chlodwigs Zeiten dem Frankenreich einverleibt war. 
Dass es aber unmittelbar nach Chlodwigs Sieg vom Jahre 
496 zugleich mit jenen nordalamannisehen Landen unter 
fränkische Botmässigkeit gekommen wäre, ist durchaus un- 
wahrscheinlich. Das Elsass hat sein alamannisches Volks- 
tum bewahrt, jene nördlichen Lande aber haben es verloren. 
Hätte Chlodwig sofort nach seinem Sieg die Hand auf das 
Elsass gelegt, die Bevölkerung hätte wohl sicher das Los 
der Nordalamannen geteilt. Inzwischen aber hatten Theo- 
derich und der Burgunder den schlauen und verschlagenen 
Frankenkönig wohl eines Besseren belehrt, und so mag er 
sich bei dieser zweiten Ausdehnung auf Kosten der Ala- 
mannen anders gebärdet haben. Man darf vermuten, dass 
Theoderichs Obergreifen auf das rechtsrheinische Alamannien 
und die Besitznahme des Elsasses durch Chlodwig sich gegen- 
seitig auslösten. Die alamannisrhen Gebiete weiter südwärs 

') MG- SS. Merov. IV, 26;. - *) Vgl. Schubert a. a- O. S. 183 f. 



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178" 



Hund. 



in den Jura hinein und rheinaufwärts bis zur Aar dürften 
dann 534 mit dem Burgunder reiche an die Franken ge- 
kommen sein. Sie konnten so ebenfalls niemals einen Teil 
des Herzogtums Alamannien bilden. Denn dass alamannische 
Gebiete, die schon vor 536 in den Händen der Franken 
waren und die Entwicklung Alamanniens unter ostgotischer 
Herrschaft nicht mitgemacht hatten, von Theudebert I. oder 
einem seiner Nachfolger wieder mit dem aus ostgotischem 
Besitz überkommenen Alamannien vereinigt worden wären, 
ist schlechterdings nicht einzusehen. Nicht so das Gegen- 
teil. Dass unter Umständen Teile vom Herzogtum losgelöst 
werden konnten, leuchtet durchaus ein und ist vielleicht 
auch einmal vorgekommen. Erscheint es doch nicht aus- 
geschlossen, dass der nordwestlichste rechtsrheinische Ala- 
mannengau, die Ortenau oder Mortenau, infolge jener 
Kämpfe zwischen Pippin und Herzog Willehari zu Anfang 
des 8. Jahrhunderts aus dem Verband mit dem Herzogtum 
ausschied. Da bei den Kämpfen einmal ein Bischof als 
Anführer eines fränkischen Heeres genannt wird, Hegt die 
Vermutung nahe, die Angliederung der Ortenau an das 
Bistum Strassburg möchte dabei irgendwie eine Rolle ge- 
spielt haben. Wie dem aber auch sei, so viel dürfte auf 
Cirund der Nachrichten über Herzog Willehari feststehen, 
dass die Ortenau zu Anfang des 8. Jahrhunderts noch zu 
Alamannien zählte'). I" Urkunden aus der 2. Hälfte des 
Jahrhunderts wird sie neben Alamannien besonders aufge- 
führt -). Sie mag darum wohl auch nicht bis zuletzt zum 
Herzogtum gehört haben. 

Alle alamannischen Bischofstädte, Strassburg, Basel, 
Konstanz, Augsburg, liegen links des Rheins und südlich 
der Donau in den Gebieten, die rund 200 und 250 Jahre 
länger römisch gewesen waren, als die rechtsrheinischen 
Alamannenlande. Wenn nicht alles trügt, hat es in Argen- 

') Vgl. oben S. 174 Anm. I. — 3 ( Urkunde des Strassburgi-r Bischofs 
Heddo vom 13. März 762 (Wentzcke, Kegesten der Bischöfe von Strassburg. 
Keg. 46): quidqutd ipse Krnust in Alemannia vel in Mordunouwa visus fuit 
possidere. Testament des Abtes Fulrad von St. Denis vom Jahre 777 b*i 
Grandidicr, Histoire de PcgHse de Strasbourg II. p. just S- 12H: omnia et ex 
omnibus in Salninse et in Scarponinsc, Calmoniinse et Roslince. Alsacinsc, 
Mortenavia, Alamania, quanoimcumqiie visus mm habere. 



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Wanderungen und Sicdclungcu der AUmanncn. |-g 

toratum sowohl wie in Augusta Rauracorum schon um die 
Mitte des 4. Jahrhunderts Bischöfe gegeben. Infolge der 
Germaneneinfälle zu Beginn des 5. Jahrhunderts aber dürften 
an beiden Orten die römischen Kirchongründungen unter- 
gegangen sein. In Strassburg begegnen uns erst im 6. Jahr- 
hundert, in Augst-Basel erst in der 1. Hälfte des 7. Jahr- 
hundorts wieder Bischöfe 1 ). Die beiden Bistümer sind dem- 
nach wohl als fränkische Neugründungen anzusprechen. So 
weit wir zurückzuschauen vermögen, umfasste das Bistum 
Strassburg den linksrheinischen elsässischen Nordgau und 
die rechtsrheinische Ortenau, das Bistum Basel dagegen nur 
linksrheinisches Gebiet, den elsässischen Sundgau und die 
Nordwestschweiz bis zur Aar. Während der Strassburger 
Sprengel ungefähr die Form eines Vierecks hatte, dessen 
Diagonalen sich unweit des Bischofsitzes schnitten, hatte der 
Basler die Gestalt eines im Süden aufstehenden Stiefels, an 
dessen Reihen, vom Konstanzer Sprengel auch nur durch 
das Bett des Rheines getrennt, die Bischofstadt lag. Diese 
absonderliche Form des Basler Bistumssprengeis ist zweifel- 
los auf^ die Grenze des Herzogtums Alamannien an Rhein 
und Aar zurückzuführen. 

Das Bistum Konstanz umfasste das hei vetisch- ober- 
rätische Xeu-Alamannien und das rechtsrheinische Alt-Ala- 
mannien mit Ausnahme der Ortenau im Nordwesten und 
des Riesgaus im Nordosten. Man war bislang ziemlich all- 
gemein geneigt, seine Anfänge in dem alten Bistum Win- 
disch zu suchen 2 ). Sehen wir zu, wie es sich damit verhält. 
Windisch lag in der gallischen Provinz Gross-Sequanien. 
Die zwischen 390 und 413 entstandene Notitia Galliarum 
führt in der Provinz Maxima Sequanorum folgende 9 Orte 
auf: 1. metropolis civitas Vesontiensium (Besoncon), 2. civitas 
Equestrium [id est Noiodunus] (Nyon), 3. civitas Helve- 
tiorum [id est Aventicus] (Avenches), 4. civitas Basiliensium 
[id est Basiliaj (Basel), 5. castrum Vindonissense (Windisch), 

') Vgl. A. Hauet. -Kirclicngeschichte Deutschlands 1. 1904. S. 334 f. 

!*'ür Strassburg im besondern Wentzcke, Regesten der Bischöfe von Strassburg. 

1908. — v ) Vgl. M. Besson, Recherches sur les origines des erflehes de Geneve, 
Lausanne. Sion et Icurs premiers titulaires jusqu'au declin du VT« siede, tqol«. 
S. 140 ff. 



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■ . 



l8o Hund. 

6. castrum Ebrodunense |iuxta Urbem super lacum] (Yver- 
don). 7. castrum Argcntariense (Horburg), 8. castrum Rau- 
raconse (Äugst), q. portus Bucini (Port sur Saone) 1 ). Davon 
liegen Avenches. Yverdon. Windisch, Äugst, Basel, Horburg 
im Flussgebiet des Rheins, die übrigen in dem von Saone 
und Rhone. Von den Castra lagen Windisch und Yverdon 
im Gebiet der Civitas Helvetiorum, Äugst und Horburg im 
Gebiet der Civitas Basiliensium. Von der Regel, dass die 
Civitas den Amtssprengel eines Bischofs bildete 2 ), hat aucli 
Galliens ostlichste Civitas, das Ilelvetierland, keine Aus- 
nahme gemacht. Bubulcus und Grammatius waren zwei 
Helveticr- Bischöfe; sie sind durch Konzilsakten einwandfrei 
bezeugt, der erste zu 517 als Bischof von Windisch, der 
zweite zu 535 als Bischof von Avenches. zu 541 und 549 
ebenfalls als Bischof von Windisch. Dass die Verlegungen 
des helvetischen Bischofsitzes von Windisch nach Avenches 
und wieder zurück nach Windisch zweifelsohne in Zusammen- 
hang stehen mit den politischen Veränderungen, die sich in 
den zwanziger und dreissiger Jahren des 6. Jahrhunderts am 
Oberrhein vollzogen haben, braucht hier nicht erörtert zu 
werden; sie haben uns bereitsalsHebel gedient, die Entstehung 
der burgundisch-alamannischen Aargrenze in das Jahr 523 
hinaufzurücken ;l t. Die Preispabe des Alamannenvolkes durch 
die Ostgoten im Jahre 536 hatte der Aar die Bedeutung 
einer Reichsgrenze genommen; der Fluss aber hatte des- 
wegen seine Rolle als politische Grenze noch lange nicht 
ausgespielt. Infolge der Kntwickelung der Dinge in Ala- 
mannien unter Chlodwigs Enkel Theudebert wurde er 
zur Grenze des alamannisehen Stammesherzogtums gegen- 
über dem Krankenreich im engeren Sinne. Als solche 
hat sich die Aargrenze durch die Teilungen des Mero- 
wingerreiches hindurchgerettet Nur einmal, 596, ist sie, 
wie es scheint, missachtet worden; 610 ward sie wieder 
hergestellt ')• Schliesslich ist die Aargrenze 843 im Ver- 
trage von Verdun zu neuem Leben erstanden. Im Jahre 
922 erhielt dann König Rudolf von Burgund. wohl nicht 



'> MG. AA. IX. 595 ff. — •) Vgl. Hanck a. n. O. S. 41. — J i Vgl 
oben S. 65. — 4 ) Vgl. oben S. W*. 



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Wanderungen und Siegelungen der Alamannen. 1K1 

ohne Mitwirken seines Schwiegervaters, des Herzogs Burk- 
hard von Schwaben, vom deutschen König Heinrich I, den 
westlichen Teil des helvetischen Alamanniens; wie berichtet 
wird, war es ein Gegengeschenk für die von Konstantin 
herrührende heilige Lanze, die nachher unter die Reichsin- 
signien aufgenommen wurde 1 )* Kortan bestand von der 
Aargrenzo nur noch das Stück nördlich von der Reuss- 
mündung; südlich davon folgte die neue Grenze im allge- 
meinen der Reuss, bis sie westlich des Zuger Sees in 
scharfem Winkel an diesen abbog, um weiter südwärts auf 
der Linie zu verlaufen, die durch die Westgrenze der heu- 
tigen Kantone Sehwyz, Nidwaiden und Uri bezeichnet ist, 
so dass also das Gebiet der Kantone Luzern und Obwalden 
(ausser Kngelborg) zu Burgund gehörte-). I )as blieb die Grenze 
zwischen dem Königreich "Burgund und dem Herzogtum 
Schwaben, bis diese Hegriffe im 13. Jahrhundert inhaltlos 
geworden waren. Als Grenze des Herzogtums Alamannien 
ist die Aar zweifellos auch Grenze des Konstanzer Bistums- 
sprengeis gegen Lausanne und Basel geworden, und in 
dieser Eigenschaft hat die Aargrenze bis in den Anfang 
des 19. Jahrhunderts kirchlicherseits zu Recht bestanden. 

Nach der in einer I landsclirift des 12, Jahrhunderts 
überlieferten Konstanzer liischofsliste führten Maximus, Ruo- 
delo» Ursinus, Gaudentius als erste vier den Krummstab am 
Bodensee- Während wir Maximus und Ruodelo nur aus 
der Bischofsliste kennen, ist urrs der Name des Ursinus 
noch in einer wahrscheinlich dem 9. Jahrhundert angehörenden 
Inschrift an der Martinskirche zu Windisch überliefert. Zeit- 
lich unterzubringen vermögen wir erst Gaudentius. Im heben 
des heiligen Gallus von Wetti lesen wir. dass ein Bote dem 
Priester Willimar zu Arbon die Nachricht vom Tode des 
Bischofs Gaudentius brachte, als gerade der heilige Gallus 
dort weilte. Darnach starb der vierte Bischof von Konstanz 



') Vgl. G. Walt*, Jahrbücher des Deutschen Reichs unter König Hein- 
rich L 1885, S. 66 f. Slälin a. a. O. S. 430. — -) Vgh Spnmer-Menke, Hand- 
atlas. 1880. Bl. 3;. Erstaunlich ist die Kühnheit, mit der P. E. Martin, 
Ktudes critiques sur la Suissc ä l'cpoquc mdrovingienne (534— 7>5J- 1910- 
S. 68. 364 f. 404 und auf der beigefügten Karte die Reim zur ursprüng- 
lichen Grenze zwischen Burgund und Alamannien macht. 



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1Ö2 """d- 

wahrscheinlich im Jahre 613'). Wenn man auch nur 
mit einer ganz massigen durchschnittlichen Amtszeit der 
vier Bischöfe rechnet, kommt man mit Maximus immer- 
hin leicht in das 3. Viertel des 6. Jahrhunderts. Seit 
549 erscheint Windisch nicht mehr als Bischofsitz. Wir 
finden es später im Sprengel des Bistums Konstanz; wie 
anzunehmen ist und wie die Inschrift an seinerMartins- 
kirche mit dem Namen des dritten Konstanzer Bischofs 
beweisen dürfte, hat es von Anfang an dazu ge- 
hört. Nun tritt uns in den achtziger Jahren des 6. Jahr- 
hunderts Avenches wieder als Bischofsitz entgegen. Der 
bekannte Marius, der 574 Bischof geworden war, unter- 
zeichnete die Akten des Konzils zu Mucon vom Jahre 585 
als episcopus ecclesiae Aventice-). Er starb am 31. Dezem- 
ber 594 in Lausanne, wohin er den Sitz des Bischofs ver- 
legt hatte ;i ). Wo die Bistümer Konstanz und Lausanne zu- 
sammen stiessen, floss, so weit wir zurückzuschauen vermögen, 
die Aar. Was zwischen 549 und 574 geschehen war, liegt 
auf der Hand. Die Aargrenze, errichtet, wohl 523, als 
Grenze zwischen dem Burgunderreich und dem ostgotischen 
Alamannien, nach 536 zur Grenze des Herzogtums Ala- 
mannien gegenüber dem Frankenreich im engeren Sinne 
geworden, hatte das alte großsequanische Hei vetier- Bistum 
endgültig in zwei Teile auseinandergesprengt. Der links- 
aarische Teil bestand als Bistum Avenches weiter, der 
rechtsaarische aber war mit der Xordwestecke von Raetia 
prima zu einem neuen Bistum vereinigt. In der römi- 
schen Provinz Obcrrätien ist seit der Mitte des 5. Jahr- 
hunderts «las Bistum Chur nachweisbar'); der oberrätische 
Teil mit der Bischofstadt Konstanz muss daher aus dem-Bis- 
tum Chur ausgeschieden worden sein. Wo die Bistümer Chur 
und Konstanz aneinanderstiessen, verlief, so weit unsere Kennt- 
nis zurückreicht, die Grenze des Herzogtums Alamannien- 

Wie der Pactus Alamannorum aus dem linde des 6. 
oder Anfang des 7. Jahrhunderts zeigt und Agathias be- 

') Vgl. I-idewig. Regesten zur Geschichte der Bischöfe von Konstanz. 

|K 9.v Keg. *• "• Hauck ;i. a. O. S. 333 f. Sauer a. n. O. S. 24. — 
") MG. Conc. I, 172, — ") Vgl. W. Wattenbach, Deutschlands Geschichts- 
.pieHen im Mittelalter. 1*104. S. n». — - ') Vgl. Hauck a. a. O. S. 332. 



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Wanderungen und Siedelungen der Alainannen. \$* 

kündet '), waren die Alamannen zur Zeit der ersten Bischöfe von 
Konstanz noch so gut wie ganz heidnisch. Der Sprengel des 
neuen Bistums muss darum ursprünglich auf die Gebiete südlich 
von Rhein und Bodensee beschrankt gewesen sein; dort gab es 
aus römischen Zeiten her Christen. Da die Alamannen als 
Schutz flehende in diese Gegenden aufgenommen wurden, 
konnten sie an Verdrängung der romanischen, christlichen 
Bevölkerung gar nicht denken. Im oberräti sehen Teil be- 
gegnen wir denn auch verschiedentlich ihren Spuren -*). und 
dass es im helvetischen ebenfalls romanische Bevölkerung 
gegeben hat, beweist das Bestehen des Bistums mit dem 
Bischofsitz Windisch. Die Tatsache, dass der Sprengel des 
Konstanzer Bistums ursprünglich aus einem grösseren Teil 
des alten großsequanischen Helvetier-Bistums und aus einem 
kleineren des alten oberräti sehen Bistums Chur bestand 
und seine Grenze gegen Lausanne und Chur auf der Grenz- 
scheide des Herzogtums Alamannien verlief, ist nur zu er- 
klären auf Grund der Entwicklung des ostgotischen Ala- 
manniens zum Herzogtum. Diesem politischen Sondergebilde 
trug man offenbar Rechnung, schied die dazu gehörigen 
Teile aus den alten, auf Grundlage der römischen Provinz- 
einteilung errichteten Bistümern aus und vereinigte sie zu 
dem Alamannien-Bistum Konstanz. Der südlich von Rhein 
und Bodensee gelegene Teil des Konstanzer Bistumsspren- 
geis stellt also das großsequanisch-oberrätische Neu-Ala- 
mannien dar, wie es sich nach Chlodwigs Alamannensieg 
und seit Aufrichtung der Aargrenze unter ostgotischer Herr- 
schaft entwickelt hatte. Nach diesen Feststellungen wird 
man endgültig darauf verzichten müssen, die Bischöfe von 
Konstanz als Nachfolger der Bischöfe von Windisch zu be- 
trachten. Die Bischöfe von Windisch waren Helvetier- 



') Von den Alamannen im Vergleich /u den Kranken schreibt um 575 
Ag.illiias I, 7 • fiüru «V yt tu f; &eür uirtaTs ov tavta $vvduxei. Sevöoa ir yän 
riva iläaxoviui xai ötiOoa .-loraiioiv xai Xdtpovs xai ipÖQayyai, xai roi'roif, 
(5o.7rp liaia Agülvtfs, lt.toiv tf xai ßöas xai <u/.a «rra urnin xaoatouovvtf; 
BU0etaSOV0lf. tiki.a yän i/ to~ir 'I'gäyytov avrovz rxi/tt$üi, fv noiovaa, xai ic 
röfir fiFraxooftti xai i}Si/ Fiprlxeiai tob; if*a>oovFoti(ivvi, ov ,toX?.ov öf, uiuat, 
xgövav xai ffciaoiv exvixtjoei. rö ;-«; *;),; dö$i/$ nagäkoyöv re xai XxjUrjxvor 
xai avtoTg, 01/iai, toi; yno)/tFvoi:, ri ui/ xäuxav fifv i)Xi&ioi, yvtäoifiäv tf 
iati xai ertfiiiijaroy xai otov aitoaßffvtu öatiito.. — ') Vgl. Ifaucli a. a. O. S. 332. 



- ' 00 ^l c iBiwaiOrtiMiiviRön' 



lS-} Hund. 

Bischöfe gewesen, und diese bestanden nach Ablösung des 
rech tsaari sehen Teiles des alten Helvetiersprengels als 
Bischöfe von Avenches welter; sie waren offenbar in die 
alte Helvetier- Hauptstadt zurückgekehrt, von der sie ur- 
sprünglich wohl auch ausgegangen waren. Dazu kommt 
noch, dass sich in der Tradition des Bistums Konstanz nichts 
findet, was auf eine Verlegung des Windischer Bischof- 
sitzes nach Konstanz schliessen Hesse. Das Bistum Kon- 
stanz ist somit als eine Neugründung aus dem 3. Viertel 
des 6. Jahrhunderts anzusprechen. 

Beweist uns der südlich von Rhein und Bodensee ge- 
legene Teil des Konstanzer Sprcngels, dass das Bistum 
wegen des Herzogtums Alamannien errichtet wurde, so 
zeigt der nördlich davon gelegene Teil, dass es auch für 
das Herzogtum gegründet war; lagen doch, so weit unsere 
Kunde zurückreicht, vom rechtsrheinischen Alt-Alamannien 
nur zwei Gaue ausserhalb seiner Grenzen. Im Mittelalter 
wurde die Abgrenzung des Konstanzer Bistums auf eine 
Anordnung König Dagoberts zurückgeführt. Kaiser Fried- 
rich I. bestätigte am 27. November 1 1 55 seine Ausdehnung, 
wie sie sein Vorfahr Dagobert zur Zeit des Bischofs Martian 
bestimmt habe 1 ). Bischof Martian findet sich in der Bischofs- 
liste zwischen Gaudentius und Johannes I. Da Gaudentius 
wahrscheinlich 613 starb und Johannes 615 Bischof wurde, 
kann Martian zur Zeit des Königs Dagobert, der 622 — 633 
über Auster herrschte, nicht Bischof gewesen sein. Auch 
macht der Name Dagoberts einigermassen bedenklich, da 
an ihn viele jüngere Einrichtungen angeknüpft wurden-). 
Immerhin aber muss im 7. Jahrhundert eine Aufteilung des 
rechtsrheinischen Alt-Alamanniens unter die Bistümer Kon- 
stanz, Strassburg und Augsburg erfolgt sein. Da man kein 
neues Bistum gründete, konnte man nur so der fortschreiten- 
den Christianisierung des Landes Rechnung tragen; diese 
aber war zu Anfang des 8. Jahrhunderts so weit gediehen, 
dass damals das alamannische Stammesrecht in der Lex 
Herzog Lantfrieds auf durchweg christlicher Grundlage auf- 
gerichtet werden konnte, nachdem dasselbe etwa 100 Jahre 



*) Stumpi Reg. 3730. Ladewig Reg. 930. — v > Vgl. Hatick a. a. O. 
S. 341 f. • 



°8' e «Äivwarv 



\V;incli*miigrii und Siedlungen der Alamannen. 1 SS 

zuvor im Pactus auf fast ausschliesslich heidnischer geschehen 
war 1 ). Dass die Ortenau im Nordwesten dem franken-ala- 
mannisrhen Strassburg angegliedert wurde, geschah zweifel- 
los aus Gründen der nahen Nachbarschaft, der gewiss auch 
Verdienste um die Bekehrung des Gaues auf seiten Strass- 
burgs entsprochen haben. Ähnliches gilt vom Riesgau im 
Nordosten; seine vorgeschobene Lage nördlich des nieder- 
rätischen Neu-AIamanniens, ja schon sein Name Raetia 
(Ries) wiesen ihn zu Augsburg. Er bildete denn auch, so 
weit unsere Kenntnis zurückreicht, mit einem kleinen Stück 
bayrischen Gebietes den nördlich der Donau gelegenen 
Teil des Augsburger Sprengeis. 

Das Bistum Augsburg, zu dem das nied erratische Ala- 
mannien zwischen Hier und Lech gehörte, ist allem An- 
scheine nach eine römische (iründung aus dem 4. Jahr- 
hundert. Es war abhängig von Aquileja. Die Verbindung 
wurde erst gegen das Ende des 6. Jahrhunderts gelöst; es 
hat also den Umschwung aller Verhältnisse überdauert s ). 
Das war nur möglich, wenn die romanische, christliche Be- 
völkerung im westlichen Niederrätien erhalten blieb, von 
den einwandernden Alamannen also nicht verdrängt wurde. 
Dass dies in der Stadt Augsburg der Kall war. ist erwiesen 
durch Venantius Fortunatus. Er singt um die Mitte des 
6. Jahrhunderts: 

pergis ad Augustam, qua Virdo et Licca fluentant. 

illic ossa sacrae venerabere martyris Afrae 3 ). 

Da die Alamannen damals Heiden waren, konnten sie 
das Grab der heiligen Afra nicht verehren. Die alte Haupt- 
stadt Niederrätiens muss also um die Mitte des 6. Jahr- 
hunderts romanische, christliche Einwohner beherbergt haben, 
die den Kult der Augsburger Märtyrerin aus der Zeit Dio- 
kletians aufrecht erhielten l ). So weit wir zurückzuschawu 
vermögen, erstreckte sich das Bistum Augsburg zu beiden 
Seiten des Lechs; zu dem niederrätischen Alamannien west- 
lich vom Lech umfasste es auch ein Stück bayrischen Ge- 
bietes östlich vom Lech. Wir haben es hier offenbar 

■i Vgl. oben S. 174. — *J Vgl. Hauck a. a. O. S. 95 f. — ') Venarui 
Kominati Vita S. Mariini üb. IV v. 642 f.; MG. AA. IV. 1 S. 368. — «j Vgl. 
Baumann a. a. O. S. 475. 

Ztitschr. f. Goch. d. Oberrli. K.F, XXXII. i, 13 



- 'Oogle rawaiomwivwörv 



IÖ6 Hu ihK 

mit dem Sprengel des römischen Bistums Augsburg zu 
tun, den die bei Venantius Fortunatus zum erstenmal be- 
zeugte ! ) alamannisch'bayrische Lechgrenze nicht zu schmä- 
lern vermocht hatte- Wie die Alamannen, wären demnach 
auch die Bayern »sine detrimento Romanae possessionis«: 
in Niederrätien eingezogen. Die Salzburger Annalen aus 
der Stauferzett wissen zu melden, dass das Bayernvolk 
508 in das Donauland eingewandert sei-). Da diese Ein- 
wanderung zwischen 488 und 526/33*) erfolgt sein muss, 
darf man vermuten, der Ostgotenkönig Theoderich habe 
die Tat, die er an den Alamannen getan, an den Bayern 
wiederholt 4 ). Trügt nicht alles, so hätte denn wohl Enno- 
dius nur wenige Jahre später seines Königs Verdienste um 
das Bayernvolk in ähnlicher Weise preisen können, wie 
er um 506 dessen Verdienste um das Alamannenvolk ge- 
pru*sen hat. fSchtuss folgt j 



l ) Ven. Fort. Praefaüo; MG- AA. IV, 1 S. 2: Lkcnn Baiuaria . . . 
transicDS. — *) Annales S. Rudbcrti Salisburg.; MG- *>S, IX, 766: 508. Hoc 
tempore gens Noricorom prius expul&a revertitur ad patrias sedes duce Theodone* 
Laünis dectis. — *J Das heisst zwischen der Aufgabe Ufernorikums durch Odo- 
wakar im Jahre 488 und dtr in der Zeil von 526 — 533 vollendeten Goten* 
gcschichtc Cassiodors, die im Auszuge des Jordanis auf uns gekommen ist und 
die erste Erwähnung der Bayern enthält, Jordanis Getieft; MG* AA. V, 1 
S. 130: nam regio illa SmvoruiD ab oriente Baibaros habet, ab oeeidente 
Krancos, a ineridie Burgundzones a septemrionv I hnringos. — *) Vgl, Bau- 
maiin a. a* O. S- 498 f- 



igk 



■■:■■ 



Zur Geschichte 
der Gegenreformation im Bistum Konstanz. 

Von 

Karl ScheUhaß. 



I. Visitation des päpstlichen Nuntius Felician Ninguarda, 

Bischofs von Scala, im Bistum Konstanz im August und 

September 1579. 

a) Verlauf der Visitation. 

(Fortsetzung) 4 . 

Nach ihrer Rückkehr aus der Reichenau stand für Nin- 
guarda und Bonhomini zweifellos an erster Stelle eine Neu- 
ordnung im Kloster Petershausen. Beide waren wohl bald 
darin einig, dass man den Abt Funck nicht an seinem 
Platz lassen, ihm aber, um grösseres Aufsehen zu vermeiden, 
einen freiwilligen Verzicht auf seine Würde nahe legen 
müsse. Ihn abzusetzen, war zudem schon darum nicht rat- 
sam, weil sich nicht feststellen liess, dass er wegen des 
Konkubinats bereits zum dritten Male gemahnt worden 
war 10 '). Mit dem Auftrag, Funck ihren Wünschen willfährig 
zu machen, betrauten sie. wohl am 3. September, den Weih- 
bischof und den Domdekan. Die Art und Weise, wie diese 
nun, ohne Frage noch am nämlichen Tage, auf den Abt in 
Kloster Petershausen einwirkten, zeigt, dass sie auf jede 

• Vgl. Bd. XXXII Heft 1 S. 3. 

'"*) Ich verweiM auf NR. aus der Schweiz Ii S. 484 2. 19 f. 

'3* 



8 lc mmwüwm 



,88 Schellhaß. 

Weist* ihr Verlangen durchsetzen wollten. I )enn sie ver- 
bürgten sich bei ihm 10S ), dass er, wenn er nachgebe, weder 
gefängliche Einziehung noch anderes zu befürchten haben 
werde, ja, dass er sogar in seinem bisherigen Gemach mit 
allen ihm gebührenden Khren verbleiben dürfe. Und nicht 
genug damit, hätten sie ihm, so behauptete wenigstens drr 
Abt später 10 * 1 ), zu verstehen gegeben, dass er in die 
Beratungen über die Klosterangelegenheiten ferner ent- 
scheidend eingreifen solle. Ja. es wäre ihm auch verheissen 
worden, dass er ferner die Reichssachen und die ihm als 
Haupt der schwäbischen Prälatenbank zugehenden und ge- 
heim zu behandelnden Akten bis zu ihrer demnächstigeu 
Rückgabe an die Prälaten unter seiner Verwahrung haben, 
mittlerweile aber mit deren Syndikus über ihren Inhalt be- 
raten dürfe. Da ihm Ning*twirda ausserdem durch seine 
Abgesandten sagen Hess, er wolle» wenn er es wünsche, 
für seine Wiedereinsetzung ein gutes Wort einlegen to: i. so 
mochte sich in der Tat der von ihm verlangte Verzicht nur 
als eine blosse Form ohne schwerwiegenden Inhalt aus* 
nehmen. Allerdings musste ihn mit Misstrauen erfüllen, dass 
der Weihbischof und der Dekan anfanglich davon gesprochen 
hatten, man wolle ihn einem von ihm auserwahlten Kloster 
seines Ordens zuschicken l0 % dann aber sofort umgeschwenkt 
waren, als er den Wunsch nach V erbleiben in seinem Gottes- 
haus geäussert hatte. Aber in der Zwangslage, in der er 
sich befand, wünschte er einstweilen offenbar nur Ruhe, 
nachdem er sich seiner Meinung nach jahrelang für das 
Kloster abgemüht hatte, und ein Widerstand gegenüber den 
Angriffen auf sein »übel Haushalten oder anderes ungebühr- 
liche Tun und Lassen * war bei dem Kntgegenkommen von 
der anderen Seite zum mindesten für den Augenblick zweck- 



loi j Man lese Fase 394 Stuck 49 in Kuncks für die Kid^enossvn auf- 
gesetzten Instruktion aus dem August 1580 den »Auf vielfältige Zusaßimg die 
Resignation geian« ü beschriebenen AIikiUe. 

IW ( Schon im Oktober 1379 in scinrm Anm. 12 genannten Bericht. 

,07 } Ich verweise besonder* auf den Anm. 20 genannten Brief de» Abtei 
:in den Konstanter Hischof und auf seine Instruktion ans dem August 15S0. 
'■*** Siehe seinen Bericht [Fase 3**4 Siüifc 32*. 



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. 



/ur Geschichte der Gegenreformation im Histum Konstant. j Hg 

los m '). Zu schmerzen schien ihn nur, dass sein Rücktritt 
schwebende Verhandlungen und Prozesse insbesondere wegen 
Wiedererwerbung früherer Grundstücke des Klosters nach- 
teilig beeinflussen konnte 110 ). Ein gewisses Gefühl der Un- 
sicherheit» das ihn vorübergehend vielleicht gar an Flucht 
denken Hess, wich wohl keinen Augenblick von ihm; und 
es steigerte sich, als die beiden Abgesandten mit seinem 
zustimmenden Bescheid von ihm gegangen waren, bei der 
Erkenntnis, dass die Schlüssel an der Klostcrpforte abgezogen 
waren und dass die WYIschen, vornehmlich Felicians Diener, 
:>da herumspazierten *, ein Entrinnen also oder auch die Ent- 
sendung eines Vertrauensmannes unmöglich waren 111 ). 

Die Überzeugung, dass ein eingehendes prozessualisches 
Verfahren gegen ihn längst im Gange war» kam Funck zum 
Oberfluss, als er sich am 4. September 115 } auf Geheiss der 
Nuntien zur Verzichtleistung im Predigerkloster einfand. Es 
harrten seiner hier ausser Ninguarda und Bonhomini der 
Weihbischof, der Dekan und der Generalvikar, sowie Bon ho- 
minis Uditor Bellini und als Notar Giovanni Baptista Nin- 
guarda, ein Bruder des Nuntius. Das Verfahren, das man 
ihm gegenüber beobachtete, war etwa dieses. 

Man warf ihm sein Leben im Konkubinat vor, tadelte 
die Übertretung der Fastenvorschriften, die Unterlassung der 
gottesdienstlichen Handlungen an den grossen Festen, die 
ihn oft vom Kloster fern gesehen hätten, und überhaupt 
die Vernachlässigung des Gottesdienstes und des klöster- 
lichen Lebens. Man hielt ihm schliesslich seine lüderliche 

llto ) Dass ihm Gedanken dieser Art durch den Kopf gingen, /eigl seine 
Instruktion a. a. Ü. 

IU ') In diesem Sinne äussert er sich gegenüber dem Konstanzcr Hischof 
[Fase 394 Stück 4). Darüber mehr an anderer Stelle. 

IM ) Man lese seinen Bericht (Fase. 394 Stück 52)* 

"*) Das entnehme ich seinem in durchkorrigierter Abschrift Fase. 394 
Stück 61 tSchluss Stück 62) vorliegenden Protest aus dem November oder 
Dezember 1579- Der erste Entwurf drs Protestes (a. a. O. Stück 63) spricht 
nicht vom 4. Sept., erwähnt aber anstatt dessen, dass der Abt beim Erlass 
der Sentenz am 6. September im Kloster Petershausen war. Auf Stück 61 
stützt sich unsere Darstellung- Im Text oben lehne ich mich eng an den 
Wortlaut von Ningiiardrts Sentenz an, die er »11^6. September unterzeichnete 
Fase. 394 Stück 3). 



t rOOglC 



IQO 



SchrllhaB. 



Verwaltung vor und ahndete die missbräuchliche Verfügung 
über das Klostersiegel. Wenn man ihm dabei die Eröffnung 
machte, dass sich verschiedene seiner Aussagen als unwahr 
herausgestellt hätten, so mögen wir uns erinnern, dass seine 
Behauptung Erzherzog Ferdinand gegenüber, die Benutzung 
des Siegels sei mit Wissen des Konvents erfolgt, von 
seinen Gegnern bestritten wurde 11 "). Gegenüber solchen 
Vorwürfen blieb dem Abte nichts anderes übrig als zu er- 
klären, dass er verzichten wolle, da er erkenne, dass er 
schwer gesündigt habe und eine strenge Bestrafung ver- 
diene. Kniend gab er dann, indem ihm Bonhomini und der 
Weihbischof zur Seite standen und die übrigen lauschten, 
seine Würde in Ninguardas Hände zurück und versicherte, 
allen Befehlen gehorchen zu wollen. Die Handlung fand 
dadurch ihren Abschluss, dass Felician nach reiflicher Über- 
legung den Verzicht annahm und den Prälaten als von 
seiner Würde frei und entsetzt erklärte. 

Leicht und rasch hatten die Nuntien also das erreicht, 
was sie wollten. Vornehmlich Bonhomini schien darüber 
sehr erstaunt, im Hinblick auf die Krfahrungen, die man 
in Italien bei solchen Vorkommnissen zu machen pflege, 
wo Leute wie Funck erst bis zur letzten endgültigen Sen- 
tenz appellieren würden, ehe sie sich unterwürfen 111 ). Aber 
auch Ninguarda freute sich und hütete in dieser Stimmung 
wohl weniger seine Worte, wenn er dem nunmehr seines 
Amts enthobenen Prälaten eine nochmalige Prüfung seiner 
Aussagen und Geständnisse auf ihre Richtigkeit hin zu- 
sicherte und wenn er seinem Gesuch an den Papst um 
Wiedereinsetzung befürwortende Zeilen von seiner Seite bei- 
zulegen versprach m ). Funck hatte also bei seiner Rück- 
kehr ins Kloster noch Gründe genug, um für sich zu hoffen. 
Einen gewissen Rückhalt glaubte er wohl eben damals an 
dem Verwalter der Landvogtei Schwaben, Paul von Appetz- 
hofen, haben zu können, bei dem er am 31. August, nach 
der Aussprache mit Kelician im Predigerkloster, angefragt 



"') Vgl. Anm. 71. 

m ) Man lese N.B. aus der Schweiz I 1 S. 484 Z. 20 f. 
ui ) Das behauptet der Abi in seinem Bericht. Siehe auch seinen Anm. 20 
genannten Brief an den Konsumier Bischof. 



^ '"°£vC (flwaiWlMiivlBSiry 



Zur Geschichte der Gegenreformation im Bistum Konstanz. 



191 



hatte, was er für ihn und das unter dem Schutze des Hauses 
Österreich stehende Kloster gegen etwaige Vergewaltigung 
zu tun gedenke 110 ). 

Wohl erst nach Funcks Fortgang traten Ninguarda und 
bonhomini der Frage näher, in welcher Weise man ihn 
strafen solle 117 ). Wenn man ihn im Kloster wie in einem 
Gefängnis unter Aufsicht zu behalten und ihm gleichzeitig 
auf ein Jahr lang eine scharfe Busse aufzuerlegen beschloss, 
so war die letztere sicherlich in erster Linie als Sühne für 
seine Vergangenheit und für sein lieben im Konkubinat zu 
betrachten, während man mit seiner Unterbringung in einem 
der Kirche und dem Schlafsaal nahen Zimmer 118 ) hauptsäch- 
lich bezweckte, ihn in der Nähe zu behalten, damit er über 
die Angelegenheiten des Klosters Auskunft geben könne. 
Denn seine vollkommene Absonderung von der Aussenwelt 
war gar nicht beabsichtigt, da er mit den Mönchen im Chor 
beim Gottesdienst und im Refektorium beim Speisen zu- 
sammenkommen und Besuche in Gegenwart des Priors bis 
zu anderer Verfügung des Papstes empfangen durfte. Die 
Form der Busse, bei deren Festsetzung Ninguarda auf Funcks 
Alter noch Rücksicht zu nehmen glaubte, musste dem Abt 
jedoch nach seinem bisherigen Leben hart und demütigend 
erscheinen. Ein ganzes Jahr sollte er nämlich jeden Freitag 



in ) In dem Anm. r4 und zuletzt Anm. 76 genannten Briefe sagt er im 
Anschluss an die Anm. "6 wieder^egebenen Worte: 

»Weil denn mein Gotteshaus Petershausen dem hochlöblichen Hause 
Österreich bewusstermassen zu Schutz und Schirm verwandt und zugetan» 
welches dann derr Landvogtci Schwaben inkorporiert und dannenher samt der 
I-andYogtei Schwaben an da» hochlöbliche Haus Österreich gewachsen, auch 
nirgend anderswo denn allda um Schutz und Schirm wider Gewaltbefahren und 
zu dem ordentlichen Rechte zu suchen und zu verhoffen*, so begehre er freund- 
lich, ihn bei Zeiger [des Briefs], womöglich, oder ohne Verzögerung zu verständigen, 
im Fall er »je verkürzt und überlängt werden möchte«, wessen er sich Schutz 
und Schirmes halber zu Adressaten) getrösten möchte und wessen er sich 
im Notfall »und auf was Mittel und Weg zu hoffen und tu versehen 
hätte, auch euer hierunter riithlich Hedenken mitteilen*. In dieser Sache mehr 
in Kapitel 2. 

,l7 | Das Folgende in Anlehnung an den Wortlaut der Sentenz vom 
6. September. 

Il§ | Die Sentenz spricht von hypoeaustum cum adiuneto cuhiculo«. 



l rooglc rciHaiowuMiYWw 



,Q 2 Scht-llhftli. 

bei Wasser und Brot fasten, jeden dritten Freitag mitten im 
Refektorium auf dem Fussboden essen, von den Mönchen die 
übliche Züchtigung empfangen" 9 ) und jede Woche dreimal 
sieben Busspsalmen mit den Litaneien und das Totenamt beten. 

Sehr zu beachten ist nun die entschiedene Erklärung 
Felicians, dass Prior und Konvent nicfrt eher zur Wahl 
eines andern Abtes schreiten dürften, als bis man die 
Meinung und den Willen des Papstes erkannt habe. Ein- 
holung einer Willensmeinung Gregors war nämlich ganz 
abgesehen von den Zusicherungen, die er dem Abt wegen 
seiner Wiedereinsetzung gemacht hatte, jetzt auch darum 
notwendig, weil Bonhomini der Gedanke gekommen war, 
ob man nicht in diesem Kloster ein Seminar und ein Jesu- 
itenkolleg für Stadt und Diözese Konstanz schaffen könne 130 ). 
Man mochte glauben, dass man auf diese Weise für Konstanz 
die Seminar- und Schulangelegenheit, die ungeachtet der 
Verfügungen der Synode von 1567 1M ) noch immer schwebte, 
einer befriedigenden Lösung werde entgegen führen können. 
Der in die staatsrechtlichen Verhältnisse des Konvents ein- 
geweihte, aus der Gesellschaft Jesu hervorgegangene Dr. Miller 
bezweifelte zwar, dass man über diese Reichsabtei ohne 
Einwilligung des Kaisers und Erzherzog Ferdinands als 
Protektors verfügen könne, immerhin fasste Xinguarda eine 
briefliche Einwirkung auf diesen ins Auge. Und nicht 
minder wie Bonhomini hielt auch er die Sache für wichtig 
genug, um sie Altaemps zu unterbreiten. 

Unter diesen Umständen war Einsetzung einer Ver- 
waltung für das Kloster erforderlich. Somit schritt man 1 ") 
zur Wahl eines aus fünf Männern, dem Weihbischof, dem , 
Domdekan, dem Generalvikar, dem Klosterprior Magister 
Andreas Öchslin und dem Domprediger Miller, bestehenden 



ll ") In der Sentenz hcisst es »circularem disctplinam de more a fratribiis 

ICClpiat«. Das hcisst wohl, wie ich auf Grund einer Äusserung von Franz 

Ehrle S. J. annehmen möchte, er solle gezüchtigt werden, indem er an den 

im Kreis heiumstehcnden Mönchen vorbeigehe. Also eine Art Spicssnuen 

laufen ? 

'-") Siehe hierzu und zum folgenden N.B. aus der Schweiz 1 1 S. 530 

unten und 531. 

'") Ich verweise auf die Anm. 2 genannte Einleitung S. 133 f. 

! ") Das Folgende im Anschluß« au die Sentenz. 



<- roogle ifliHcmwiMiiviBan' 



Zur Geschichte der Gegenreformation im Bistum Konstanz. mi 

Kollegs, das die ganze Oberaufsicht über das Kloster aus- 
üben sollte. Doch unterstanden Prior Öchslin alle geistlichen 
Angelegenheiten und die täglich vorkommenden weltlichen 
Geschäfte; er sollte auch mit Miller zusammen über die 
wichtigeren weltlichen Dinge, über Einnahmen und Aus- 
gaben Verfügungen treffen und den Abt wo nötig um Auf- 
schluss angehen können. Sie beide erhielten auch die Be- 
fugnis, sich jederzeit nach einer geeigneten Bedienung für 
den bei seinem Alter darauf angewiesenen Abt umzusehen. 

Befragung des Abtes war vor allem nötig, wenn man 
in die verrotteten finanziellen Verhältnisse wieder Ordnung 
bringen wollte. Es musste Klarheit geschaffen werden, in 
welcher Weise die aufgenommene Schuld von mehr als 
50000 fl. verwandt worden war 12 *) und warum man mit 
den jährlichen Einkünften des Klosters nicht zum mindesten 
die jahrlichen Zinsen gedeckt und die Handwerker bezahlt 
hatte 12 *). Bei dem gegen Funck erhobenen Vorwurf der Vor- 
spiegelung falscher Tatsachen hatte man vermutlich auch diese 
Dinge im Auge gehabt. Ein Befehl an den Abt, dass er 
binnen eines Monats vor den zeitweiligen Verwaltern des 
Klosters oder vor einigen von ihnen über seine ganze Ver- 
waltung genau Rechenschaft ablege, drängte sich daher auf. 

Dieses dem Prälaten wenig später zugehende Mandat 
entsprang, als, wohl noch am 4, September, die Visitation 
des Klosters Petershausen zum Abschluss gebracht wurde, 
auch der Erkenntnis, dass an der Verschuldung des Klosters 
und dem Tiefstand des sittlichen Lebens die ganze Lebens- 
haltung des Konvents die Schuld trug. Das zeigte sich 
dem Fernerstehenden schon darin 116 ), dass man mit Prassen 

IM ) Die Anm. 18 genannten Chronik- Blätter aagen auf S. 49: »Infolge 

seiner (Funcks) Geschäfte und Dienste, der Kritgsübel und Neubauten stiegen 

des Klosters Passiven auf 40000 Gulden«« Das bezieht sich offenbar auf die 

Zeit nach seinem Regierungsantritt (1536). 

IW J Alles in Anlehnung an die ScnLenz. 

,M J Das Folgende in genauer Anlehnung an die Verfügungen Ninguardus 

vom 6. September 157g für die Oberen und Konventualen des Klosters Peters* 
hausen, die »Carthula visitatoria*, die im Original in Karlsruhe a. a. 0. Akten 
Petershausen Fase. 164 Stück 3 liegt Bei dem Versuch, durch Zusammen- 
fügnng der zusammengehörigen, in der Carthula gelegentlich auseinander ge- 
rissenen Punkte ein Bild der Zustande zu entwerfen» litt die Genauigkeit der 
AVicdergabe der Weisungen des Nunlins keinen Schaden. 



°8' c fmSSmSm 



igi Schellbul'. 

und Trinken die Zeit totschlug, dass man bis tief in die 
Xacht hinein für Herren und Frauen der Nachbarschaft 
die Klosterpforten weit offen stehen Hess und ihnen zu 
Ehren Aufwand in der Bewirtung und Kleidung trieb. 
Die Anordnungen, zu deren Aufstellung man eben jetzt auf 
Grund der Beobachtungen während der Visitation schritt, 
lassen in dieser Hinsicht tief blicken. Denn man warnte 
die Mönche vor Übermaß im Trinken und vor dem 
Kartenspiel, verbot das Tragen leinener Gewänder, riet zu 
zurückhaltendem Auftreten bei der Ankunft von Gasten und 
billigte die Abhaltung von Gastmählern und den Empfang 
von- Gästen nur dann, wenn es sich um Wohltäter des 

Klosters handle oder um arme Leute, denen man helfen 
müsse; und man drang auf Vermauerung verschiedener 
Klosterpforten und auf rechtzeitiges Schliessen der Kirchen- 
und Klostertüren abends und befahl, dass nur zwei Kloster- 
tore, ein gewöhnliches Tor und ein grösseres zur Einfahrt 
für die Wagen und Lasten, bestehen bleiben sollten. 

Auch sonst lassen sich jenen Anordnungen genug in- 
dividualistische Züge entnehmen, aus denen uns das Leben 
und Treiben im Kloster lebendig entgegentritt. Die bis- 
herige Lebensweise hatte, wie anderswo, nicht zum wenigsten 
ihren Grund darin, dass man vollkommen vergessen hatte, 
auf eigenen Besitz zu verzichten, dann aber hauptsächlich 
in der nachlässigen Handhabung der Klausurvorschriften, 
bei der jederzeit trotz des Verbots des regierenden Papstes 
Gregor XIII. und seines Vorgängers Pius V. l2ß ) Frauen das 
Gehege des Klosters überschritten. Gelegenheit, dass der 
Konkubinat sich einnistete, war also überreichlich vorhanden. 
Wie dementsprechend dann die Konventualen auch ausser- 
halb des Klosters lebten, hatte man noch unlängst auf der mit 
Petershausen vereinigten Propstei Rötsee feststellen können, 
wo der Bruder Johannes Scheffelt fast ein Jahr lang eine 
von ihm verführte Jungfrau als Koukubine um sich gehabt 
hatte. Solchen Vorkommnissen gegenüber, die Felician aufs 
schärfste ahndete (Scheffelt, dem auf drei Jahre das aktive 
und passive Stimmrecht genommen wurde, bestrafte der 

'-'") Vgl. Am». 50. 



°8' e rew«ÄiviR«rv 



Zur i n -schichte der Gegenreformation im BUluin Konstanz. Iu> 

Nuntius ähnlich wie den Abt'- : );. musste man auf strenge 
Durchführung der Klausur dringen, den Bruch des Keusch- 
heitsgelübdes mit den schärfsten Bussen belegen und hierbei 
vorder Person des Abtes auch in Zukunft nicht Halt machen. 
Die Ersetzung der Köchinnen durch männliches Personal 1 ") 
sollte des weiteren hier, wie an so vielen andern Orten, 
neuen Ärgernissen vorbeugen, die Entsendung von Mönchen 
nach Rtttsee von jetzt an aber unterbleiben; deren Ersetzung 
durch einen Weltgeistlichen, den der Bischof oder dessen 
Generalvikar vorher bestätigen würde, war angesichts der 
letzten Unzutraglichkeiten ratsam 111 ). 

Die Vorschriften, die man für den Abt, oder wenn 
dieser nicht da sei, für den Prior, aufzeichnete, zeigen, in 
welcher Richtung Funck gesündigt hatte. Es war durch- 
aus wünschenswert, dass der Inhaber der obersten geistlichen 
Würde im Kloster an den hohen Festen und den sonstigen 
heiligen Tagen beim Hochamt und Tags vorher bei der 
Vesper und mindestens an allen Sonn- und Festtagen bei der 
Messe seiner Pflicht nachkam. Erforderlich war es ferner, 
dass er gemeinsam mit den Brüdern im Refektorium speiste 
und dass er im Interesse allmählicher Abtragung der Schulden, 
die durch Verringerung des Hausstandes an verschiedenen 
Orten gefördert werden könnte, einen älteren Konventualeu 
zum Verwalter oder Kellermeister einsetzte und jährlich 
wenigstens einmal in den Fronfasten über die Ein- und 
Ausgaben abrechnen liess. Eine Kritik Funcks war es auch, 



,fl ) Auch ihn leUtu man, und zwar auf drei Monate, in einer Kammer 
gefangen; auch er durfte sie nur verlassen, wenn er zum Chor und zun) 
Refektorium ging. Die über ihn verhängte Busse war insofern harter, als er 
nicht jeden dritten» sondern jeden Freitag in der Mitte des Refektoriums auf 
dem Boden sitzend hei Wasser und Brot fasteu sollte* Kitte Züchtigung (disci- 
plina) wartete seiner aber nicht, wie Funcke, durch alle Fratrcs, sondern nur 
durch den Prior in Gegenwart der Fratres. Im übrigen sollte auch er dreimal 
in der Woche sieben Busspsalmcn mit Litam*icii und das Officium für die 
Toten beten. Ebenfalls hier lirss Ninguarda bei der schwachen Gesundheit 
des Mannes noch Milde walten! Man sieht aus dein allen, dass Funck in 
erster Linie wegen des Konkubinais bestraft worden war, 

■**) Etwa notwendige Viehmägde sollten ausserhalb der Klausur wohnen. 

1 "°) Vgl, hierzu die Bemerkung in den Chronik-Blättern S. 50 nach der 
Erwähnung von Ninguardas Ankunft: »Jetzt worden die Brüder zu Rothsee 
fortgeschickt und Weltpriester angestellt*.. 



Google fmHoÄivw^ 



, g 6 Schellhaß. 

wenn man das Klostersiegel der Verfügung des Abtes ein 
für allemal entzog, es der Obhut der Brüder anvertraute 
und den einen Schlüssel zu dem Kasten dem Prior und den 
anderen dem älteren Konventualen gab. Auf den Prälaten 
zielte es auch, wenn man den Verkauf oder die Verpfändung 
unbeweglicher und umfangreicherer beweglicher Güter des 
Klosters von der Befragung und Zustimmung der Mönche, 
bei Immobilien auch von der des Bischofs abhängig machen 
und nur in dringendsten Fällen zulassen wollte, die Über- 
nahme einer Bürgschaft für andere aber von vornherein 
verbot. Es war eine Beschränkung der Handlungsfreiheit 
des Abtes, den man auch dadurch in gewissen Grenzen 
halten zu wollen schien, dass man in seiner Wohnung auf 
Beseitigung verschiedener Türen und der zu diesen führenden 
Treppen drang und ihm nur zwei Ausgänge, einen zum 
Kloster und einen anderen zum Hofe der Diener, belassen 
wollte. 

Besonderes Gewicht legte Ninguarda bei der geringen Zahl 
der Konventualen auf die Schaffung eines Nachwuchses und 
die Einkleidung junger Leute. Deren Heranbildung in der 
Moral und in den Wissenschaften auf der Grundlage katho- 
lischer Bücher wollte er zwei Konventualen anvertrauen 
oder allenfalls einem Konventualen als Lehrmeister in der 
Moral und einem weltlichen Lehrer für die Wissenschaften, 
der aber vorher, wie andere etwa aufzunehmende Beamte, 
das katholische Glaubensbekenntnis ablegen müsse. Die 
Zulassung der Novizen zum Glaubensbekenntnis sollte nicht 
vor Vollendung des 16. Jahres und nicht vor Ablauf des 
Probejahres nach der Einkleidung erfolgen. Es verstand 
sich, dass sie alle wenigstens einmal im Monat bei ihrem 
zum Konvent gehörenden Lehrer zur Beichte gingen und 
kommunizierten. Den Priestern, von denen man häufiges 
Zelebrieren der Messe erwartete, schärfte man ein, mindestens 
einmal in der Woche zu beichten und die Beichte zu wieder- 
holen, je öfter sie das Corpus Christi berühren würden. 
Die Mahnung, nur die zum Empfang der Weihen zuzu- 
lassen, die das Glaubensbekenntnis abgelegt und das ge- 
bührende Alter erreicht hätten und würdig seien, ist sehr 
bezeichnend. 



oogle mmSm 



Zur Geschichte der Gegenreformation im Bistum Konstanz. iq? 

Den Mönchen insgesamt war vorzuhalten, dass sie ins- 
besondere im Chor, im Refektorium, wo wahrend des 
Speisens aus frommen Büchern vorgelesen werden sollte, 
und im Schlafsaale jede Unruhe vermieden. Kür sie alle 
wie für den Abt war das Tragen der Mönchskrone ,;l °) Vor- 
schrift. Auf strenge Beachtung der Fasten war zu dringen. 
Um der Entstehung von Eigentum vorzubeugen, sollte ein 
Geistlicher etwaige Geldgeschenke von Verwandten oder 
Freunden nur mit Erlaubnis des Abtes annehmen und sie, 
zwecks Bestreitung etwaiger Ausgaben für gewisse vom 
Kloster nicht gelieferte Bücher oder Dinge, der vom Abt 
mit der Aufbewahrung solcher Gelder betrauten Persön- 
lichkeit, dem Depositar, übergeben. 

Wenigstens zweimal im Monat hatte das Kapitel zu- 
sammenzutreten, auch um über etwaige Irrtümer und 
Vergehen der Fratres abzuurteilen. Wollte man es 
durch die Bestimmung, dass es nicht im Gemach des 
Abtes stattfinden solle, dessen überragendem Einflüsse ent- 
ziehen? Im Kapitel oder im Refektorium sollte übrigens 
wenigstens einmal in der Woche die Ordensregel verlesen 
und zur Nachachtung eingeschärft werden. Hier' und dort 
wünschte Ninguarda auch, jedenfalls einmal in der Woche, 
Verlesung seiner Vorschriften, um sie nicht in Vergessen- 
heit geraten zu lassen. 

Man mochte nicht ohne Grund hoffen, durch all diese 
Verfügungen ,:{| ) eine neue Zeit für Petershausen herauf- 
führen zu können. Zu ihrer Unterzeichnung und offiziellen 
Überreichung kam man jedoch im Augenblicke noch nicht, 
da andere dringende Angelegenheiten der Erledigung durch 
die beiden Nuntien harrten. 



Da erhob sich vor allem die Frage, ob man den Abt 
von St. Georgen in Stein a. Rh., Martin Geiger, in seiner 
Würde belassen solle. Aus den Quellen geht nicht hervor, 

l *) Vgl. Annu 69. 

,3 ') Die Chronik-Blätter sagen auf S. 51: »Felician kam auch Klöster 
reformierend, er verordnete mehre StillmesMltäre. oder wo deren schon waren, 
Knsarvereine für laute Ave-psalter». In den mir vorliegenden Quellen steht 
darüber nirhls. 



°8' c iBmÄniivwar* 



ig8 ScheUbaß. 

ob Ninguarda zwecks Klarlegung der Sache, die er Bon- 
homini unterbreiten wollte, Geiger nochmals von Bühel nach 
Konstanz hatte kommen lassen lTi ). Sicher scheint nur, dass 
er mit Bonhomini, dem Weihbischof, dem Generalvikar und 
dem Domdekan, vermutlich am 5. September, darüber beriet 1 s:t ). 
Man entschied sich dahin, zumal viele für ihn baten, von 
einer Absetzung des Abtes abzusehen. Den Ausschlag gab 
die Erwägung, dass jener schon alt war, freimütig seinen 
Irrtum bekannte und Besserung versprach, vor allem aber 
die nicht wegzuleugnende Tatsache, dass er sich stets in 
der Verwaltung bewährt hatte, seine Beseitigung daher dem 
Kloster sehr schaden würde. Man hatte also Grund, sich 
für die Zukunft von Geiger Gutes zu versprechen. Kinig 
war man sich aber offenbar auch darin, dass der Abt wegen 
seines Gebens im Konkubinat eine Busse verdiente. Die 
näheren Bestimmungen darüber behielt sich Ninguarda 

,w ) Hinsichtlich Geigcis bewege ich mich, soweit der September 1579 
in Betracht kommt, auf recht unsicherem Boden. In seinem Gegenbericht auf 
die Inquisitorial- Artikel ans dem Jahre 1581 (vgl. zuletzt Anm. 77) sagt er 
in An. 17, dass er nach dem Examen [das wäre nach Ende August, vgl. 
Anm. 77] den Herrn Legaten nicht mehr gesehen habe. In seiner Anm. 77 
erwähnten Verantwortungsschrift an den Bamberger Bischof aus dem April 
1581 sagt er aber, dass er nach seinem Verhflr und nach seiner Rückkehr 
nach Bühel vom Xuntius mit nicht geringer Moleslation, auch Unkosten, Nach- 
teil und Schilden der Haushaltung zu etlichen Malen erfordert, auch jedesmal 
gehorsamlich erschienen sei, doch habe die gegen ihn angestellte Visitation tu 
keiner Kndschaft gebracht werden mögen, sondern jedesmal im verrichteter Sache 
iinheim ziehen müssen, also dass er hier/wischen mit Leibesschwachheit der- 
massen angegriffen, dass ihm wieder zu erscheinen unmöglich gefallen; wes- 
wegen dann der Nuntius auf seinen Abreisen ihm und seinem Konvent ge- 
wundene und listige Carlas visitatorias hinterlassen habe (vgl. Geigers Bemer- 
kungen über diese in Anm. 144). — Man könnte denken* dass Geiger jetzt auf 
den 5. September zitiert worden war, dass er aber aus irgend einem Gnindc 
erst später anlangte, dann aber den Xuntius nicht in Person sprach. 

m ( Ich stütze mich hier .ml im folgenden auf Ninguardas Bericht an 
Como vom 26. September (vgl, vorlilutig N.B. aus der Schweu 1 1 S. 542 
unten und S- 543) und auf eine Äusserung des Nuntius in einem Briefe vom 
10, Dezember 1 579 aus München an Erzherzog Ferdinand (Innsbruck Statt- 
halterei-Archiv Ferdinande» fol. 293 n. 374 Original; hier erwähnt er, dass 
viele für den Abt eingetreten seien; vgl, übrigens Anm. 137 und 140). Auf 
den 5. September als den Tag der Beratung führt Honhominis Äusserung vom 
4. September gegen Borromeo (N-B. a. a. O. S. 484 n. 406 gegen Schlussi. 
Vom Besuch des Klosters spricht Ninguarda am 2b. September (vgl. a. a. O.). 



l rooglc rciHatwuMw[M*n' 



Zur Geschichte der Gegenreformation im Bistum Konstanz. iqq 

augenscheinlich noch vor. Er entschloss sich wohl gerade 
jetzt, demnächst den Abt und seinen Konvent in ihrem 
Hofe Bühel aufzusuchen. 



Der nun folgende Sonntag, der 6. September, brachte 
beiden Nuntien viel Arbeit 13 '). Einem Besuch des Nonnen- 
klosters Münsterlingen, wo sie am Vormittage nachzuweisen 
sind, muss sich am Nachmittag ein Besuch des den Augu- 
stiner-Chorherren gehörigen Klosters Kreuzungen ange- 
schlossen haben. Bei der Nähe von Konstanz war es dann 
noch möglich, abends zur Ausfertigung der auf Petershausen 
bezüglichen Urkunden zu schreiten. 

Kür jene beiden Klöster hatte Ninguarda von vorn- 
herein nur im Einklang mit seinem Kollegen Verfügungen 
treffen wollen. Wie ihr gemeinsames Wirken der Sache 
zugute kam, lässt sich nur hinsichtlich Münsterlingens deut- 
licher verfolgen. 

Hier war, wie schon bemerkt, die grösste Unzuträg- 
lichkeit, dass die Hälfte der Kirche von den Zwinglianern 
mit Beschlag belegt war. Es fehlte nicht viel, dass, wäh- 
rend Bonhomini und Ninguarda Messe lasen und predigten, 
in der nämlichen Zeit jene, auch ihrerseits gepredigt hätten. 
Da Bonhomini sich gegen Borromeo" rühmte, das verhindert 
zu haben, und schrieb, dass ihm Weltgeistliche (PretiJ und 
Ordensbrüder mehr Hindernisse bereiteten als die Häretiker, 
so darf man daraus schliessen, dass diese unter Umständen 
grosse Rücksicht zu nehmen wussten. Mit Anwesenheit 
der Zwingüaner in der Hälfte der Kirche musste man 
rechnen. Ninguarda hatte vor Tagen unter dem Zwang 
der Verhältnisse zugegeben, dass die Laien während der 
Offizien zu den Nonnen in den Chor gehen durften. Das 
schien Bonhomini unerträglich. Ein Ausweg bot sich, als 
man in den oberen Räumen der Kirche einen alten Chor 



IS1 ) Vgl. hierzu und zum folgenden demnächst die Xuntiaturbcrichle und 
vorlaufig N.B. aus der Schweiz a. a. O. S. 486 — 487 n. 408. Siehe auch 
Buchi in der Anm. 22 genannten Abhandlung S. 88 f. und S. 208 f. Dieser 
erweckt übrigens den falschen Kindruck, als üb sich der thurgauische I.and- 
schreiber schon im September 1579 bei der Visitation von Kreuzungen wider- 
spenstig benommen habe. 



t roogle lemaiiWiMiNuw 



2oo Schellhaß. 

ausfindig machte. Mau ordnete nunmehr an. dass dieser 
für die Nonnen dienen solle, damit sie nicht in der Kirche 
mit den Weltlichen in Berührung kämen, und dass der 
Ausgang, der vom oberen Chor in das Kloster hinunter- 
führte, geändert werden solle. Erfreut waren die Kloster- 
frauen über diese Entscheidung nicht Ihre Erklärung, etat 
darüber an die Herren, das sind die fünf katholischen Kan- 
tone des Thurgaus, berichten zu müssen, schenkte man 
insoweit Beachtung, als man die Verfügung erst nach 
einem Monate in Kraft treten lassen wollte 185 ). Der Auf- 
gabe, ihr die 'ITiurgauer Herren günstig zu stimmen, mag 
Xinguarda mit Erfolg in der nächsten Zeit im Gespräch 
mit vielen von dort gebürtigen angesehenen Herren nach- 
gekommen sein, die seiner Tätigkeit zuschauten' *% 

Bonhomini war stets wie Ninguarda der Meinung ge- 
wesen, dass in den Nonnenklöstern auf strenge Beachtung 
der Klausur gedrungen werden müsse, hatte aber wohl auch 
jetzt in Konstanz erfahren, dass ihre dahingehenden Be- 
strebungen bei den Nonnen das grösste Missvergnügen er- 
regten. Diese Beobachtungen inachte er von neuem jetzt 
in dem auf Schweizer Boden gelegenen Münsterlingen. Er 
hielt es unter diesen Umständen für unmöglich, vor seiner 
Rückkehr in die fünf katholischen Schweizer Kantone und 
ohne Mitwirkung der dortigen Herren, die übrigens wie 
andere Weltliche häufig bei den Nonnen gastliches Quartier 
nahmen, in den Klöstern durchweg auf scharfe Durchführung 
der Klausur hinwirken zu können. 

Über den Aufenthalt der Nuntien in Kreuzungen lässt 
sich nichts sagen, vornehmlich auch nicht, ob Bonhomini bei 



,Si ) So lasse ich die Worte: io ho ristretto il decicto ad im niese (N.B. 
a. a. O. S. 48; Z. 7). 

,Ä ) Man lese N.B. a. a. O. S. 713 unten. 714 Z. 1. Kur die schlief 
liehe Einwilligung der Nonnen möchte sprechen, dass in einem Bieve 
«Iregors XIII. an die fünf Schweizer Kantone vom 15. Mitrz 1584 [darüber 
später; siehe die Kopfe Karlsruhe General -Landesarchiv Akten Petershausen 
Kasc. 164 Stück 51 zwar de*. Näheren von der Kirche in Münsterlingen die 
Rede ist, aber nicht von dem oberen Chor und von dem Widerstand der 
Nennen, dorthin ihre Offizien zu verlegen. 



°8'e H«Ä~UÄTV 



Zur <ieschichtc dei Gegenreformation im Bi*tum Konstanz* 20 1 

seinen Klagen über das geringe Entgegenkommen der Ordens- 
brüder auch an die Chorherren dachte. 



Am Abend des 6- September erfolgte dann wohl, nach 
der Rückkehr in die Stadt» im Predigerkloster die Unter- 
zeichnung der vom 6- September datierten beiden Urkunden» 
in deren einer Ninguarda die Absetzung des Abtes Christoph 
von Petershausen aussprach, während er in der andern, 
der Charta visitatoria für Petershausen, den Oberen und Kon- 
ventualen Beachtung der von ihm aufgestellten Vorschriften 
zur Pflicht machte 1 * 7 ). Es berührt wie eine liebenswürdige 
Aufmerksamkeit gegenüber den Vorwürfen Honhominis» 
dass er bei den Visitationen der inneren Ausstattung der 
Klöster zu wenig Aufmerksamkeit schenke» wenn er hier 
an erster Stelle einschärfte, dass man das Sakrament, di<* 
heiligen Geräte, die Schmuckgegenstände und die Altäre 
sauber und blank erhalten und vor dem wenigstens einmal 
im Monat zu erneuernden Sakrament eine T-ampe brennen 
hissen solle. Viel erwartete Ninguarda von der Persön- 
lichkeit des Generalvikars Wendelstein. Er sollte nicht nur 
für Ausführung der durch die Visitation notwendig gewor- 
denen Anordnungen, sondern auch für Verwirklichung der 
in der Absetzungsurkunde ausgesprochenen Gedanken wegen 
der Absetzung, der Busse und der Rechnungsablegung des 
Abtes sich abmühen. Im übrigen war dafür gesorgt, um 
von Verstössen und von Widerspruch gegen die Absetzungs- 
urkunde abzuschrecken. Denn sie bedrohte den Abt mit 
Exkommunikation und Verurteilung zu den Galeeren auf 
10 Jahre, wenn er nicht allem aufs genaueste nachkam, 
Exkommunikation, von der nur der heilige Stuhl absolvieren 
könne, ja sofortige Entziehung aller kirchlichen Benefizien 
standen denen bevor, die gegen die Bestimmungen der Sen~ 
tenz irgendwie auftreten würden. Völlige Einigkeit herrschte 
bei Unterzeichnung der Absetzungsurkunde zwischen FeÜ- 

1,T } Erstere liegt abschriftlich Fase. 394 Stück 3. letztere im Original 
Karlsruhe a. a. O. Fase, 164 Stück 3. Die Darstellung im Text stfiut sich 
au( diese beiden Erlasse, daneben auf Äusserungen Ninguardas vom 10- De- 
zember gegen Erzherzog Ferdinand (vgl. Anm, 133; Näheres demnächst in dem 
Bande meiner Nuntiaturberichte sub. 11. 84) und vom 30. Dezember 1579 

gegen Como (vgl. vorläufig N#B. aus der Schweiz a. a. O- S- 714 Z. 12 ff.). 
Ztfacfar, f. («eh. iL Oberrh. N.F. XXXII. a, 14 

8 C rfllHCOOflUMIVtMiT* 



202 Scüielt halt. 

cian und den Vertretern des Kardinalbischofs Altaemps und 
Erzherzog Ferdinands. Denn von dem Hauptmann des 
1 .andesfürsten in Konstanz, dem Rate Albrecht Schenk von 
Stauffenberg, und nicht minder von dem weltlichen Statt- 
halter des Bischofs, dem Rate Wolgmhuett, erwartete 
Ninguarda mit Zuversicht, dass sie den Administratoren 
des Klosters alle Unterstützung leihen würden. Auch der 
städtische Rat und die Bürgerschaft waren durchaus mit 
den Schritten Felicians einverstanden. Die Meinung, dass 
ein längeres Verbleiben Funcks im Amt den völligen Unter- 
gang des Klosters herbeiführen würde, schien allgemein 
verbreitet zu sein. Dass diese Überzeugung sich Bahn 
gebrochen hatte, das war ein Erfolg, zu dem der Nuntius 
sich beglückwünschen konnte. 

^ — 

Vielleicht am 7. morgens verabschiedete sich Bonhomini 
von Ninguarda. Schon am 8. September war jener in Ror- 
schach auf dem Wege nach St. Gallen iM J. 

■ 

Für Felician handelte es sich jetzt darum, die Kon- 
stanzer Visitation durch Ausfertigung von Weisungen für 
die einzelnen Kirchen zum Abschluss zu bringen. 

Noch über zwei Wochen, bis zum 22. September, weilte 
er nach Bonhominis Abreise in Konstanz. Über. seine Tätig- 
keit in den 16 Tagen fehlt so gut wie jede nähere Nach- 
richt. Aus dem Umstände aber, dass die aus dieser Zeit 
allein auf uns gekommenen Anordnungen des Nuntius für 
die Kanoniker und Kapläne (sacellanij der Stephanskirche 
erst vom 18. September datiert sind ,U9 ), kann man darauf 
schliessen, dass er sich bis dahin aufs eingehendste mit den 
kirchlichen Zuständen in der Stadt, insbesondere im Dom 
und in den beiden Chorstiften St. Johann und Stephan be- 
schäftigte. 

Währenddem hatten sich Ninguardas Eindrücke, dass 
fast alle Geistlichen im Konkubinat lebten, nur noch ver- 
tieft, denn er verlangte von den Kanonikern Entlassung 
der Konkubinen binnen acht Tagen und verbot ein für 

tn ) Vgl. X.B. aus dir Schweiz a. a. O. S. 486 (. 11. 408. 

,,y i Man lese Ann*. ^" 



'•S lc remaÄivwarv 



Zur Geschichte der (iegenrefurniaiion im Bistum Konstanz. 20^ 

allemal, mit solchen oder andern Frauen, durch die man 
in Verdacht kommen könne, zw verkehren. Beschlagnahme 
der Hälfte aller Einkünfte aus den iienefizien, Entfernung 
vom Gottesdienst und schliesslich Entziehung aller Bene- 
fizien und deren Vorenthaltung für immer drohten den Zu- 
widerhandelnden. Schon damals hielt er es wohl für an- 
gebracht, Erzherzog Ferdinand durch den Kanzler Moser 
ein Mandat an den Konstanzer Hauptmann Albrecht von 
Stauffcnberg, den stellvertretenden Hauptmann Hans von 
Mendliszhofen und den dortigen Rat wegen Ausweisung 
der Konkubinen und aller verdachtigen Frauenzimmer nahe 
legen zu lassen" ). 

Dass sich der Stand der Dinge in den Weisungen 
für die Stephanskirche widerspiegelt und dass Xinguardas 
Mahnungen sehr oft einer Auffrischung der in der Kon- 
stanzer Synode von 1567 enthaltenen Bestimmungen gleich- 
kommen, wurde schon hervorgehoben. Mehr Kelieian eigen 
war es" 1 ), wenn er, wie übrigens schon vorher an andern 
Orten und nicht erst auf Bonhominis Anregung, auf monat- 
liche Erneuerung der Eucharistie und auf Auffrischung 
des heiligen Öles einmal im Jahre und auf gute Auf- 
bewahrung aller kirchlichen Geräte drang, und wenn er 
zur Versorgung der Kapellen auf alle Fälle die Anwesen- 
heit von Kaplänen als erforderlich bezeichnete, die für dte 
Abwesenden einspringen könnten. Es war auch seine persön- 
liche Auffassung, wenn erden Besuch einer etwaigen theolo- 
gischen Vorlesung unter dem Gesichtspunkt empfahl, dass 
man die Zeit im Gebet und in wahren Studien nützlich 
verbringen müsse. 

Die im Eingang seiner Weisungen sich findende Auf- 
forderung an den Propst der Stephanskirche zur Residenz 
oder zum Verzicht, wenn er nicht eine apostolische Dispens 

u ") In dem Anni. 133 und 137 genannten Schreiben an Erzherzog Fer- 
dinand vom 10. Dezember 1579 gedenkt Ningnarda in Abs. 3 seiner Be- 
kämpfung des Konkubinats in Konstanz und bemerkt, nachdem er den Fürsten 
in der Ann». 179 angedeuteten Weise um ein Mandat an die oben im Text 
genannten zwei Personen und den Rat gebeten hat. dass er auch in den früheren 
Tügen den Erzherzog in seinem Namen durch den Kanzler Moser über die*- 
Sache hätte mahnen und bitten lassen. 

,4l l Siehe aber in der Synode l'ars seeunda Titulus 13 caj>. 3- 



2C>4 



Scbellhaß. 



erhalten habe oder innerhalb eines halben Jahres bekomme, 
zeigt, dass hier das Kapitel zur Zeit in der Regel seines 
Oberhaupts entbehrte. Ob die Sachlage ähnlich in St. Johann 
war, lässt sich bei dem Verlust der Visitationsakten nicht 
sagen. Eine recht unabhängige Stellung schien sich auch 
der Dompropst Johannes Matthäus Hundpisz von Waltrams 
geschaffen zu haben 112 ). In welcher Weise Ninguarda ihm 
gegenüber Stellung nahm, sieht man nicht. Auffallend ist 
es t dass Waltrams' Gestalt uns während der Visitation gar 
nicht entgegentritt. 

Nach dem 18. September wird Ninguarda den länger 
geplanten Besuch in Bühel, wo zur Zeit Abt und Konvent 
des Klosters Stein a. Rh. residierten, zur Ausführung gebracht 
haben 113 ). Fast scheint es t als ob sich Abt und Nuntius 

m ) Er war zwar bereits unter dem 17. August 1551 vom Papst 
Faul III. zum Propst ernannt worden, aber wohl mit Rucksicht auf seine 
Studien nicht zur Präsenz verpflichtet gewesen. An einer Sitzung des Dom- 
kapitels hatte er zuerst im August 1565 teilgenommen, obwohl Pius IV* schon 
am 25. Juni 1560 die Domherren benachrichtigt hatte, dass er jenem Kano- 
nikat und Pfründe verliehen habe (Mitteilung der Direktion des Gencral-Landes- 
archivs in Karlsruhe). Auf die Stellung des Propstes wirft es ein eigenartiges 
Licht, dass er im August 1577 im Kapitel wie über andere von ihm ein- 
gegangene Verpflichtungen, so auch darüber geklagt hatte, er solle allwegcn in 
der Propstci residieren. Seinem Verlangen, ihm, ja auch seinen Nachfolgern 
in dieser Beziehung und in den anderen Artikeln etwas nachzusehen, entsprach 
das Kapitel am 22. August 1577 nicht; es verstand sich nur dazu, indem der 
Dompropst dafür die Statuten unterschrieb und besiegelte, ihm zu Gefallen 
protokollieren zu lassen, »dass man sein Person mit dem Buchstaben seiner 
gegebenen Obligation, so lange er wie bisher was er den Kanonikern schuldig 
bezahlt und auch ffirderhin distributert, in seinen Beschwerden, auch sonst gar 
nicht meinen noch gefahren, sondern wie bisher bleiben lassen wolle«-. Vgl* 
Näheres darüber Karlsruhe a. a, O. ProtokoUsammlung n. 7245 S. 239 — 141. 

N9 ) Vgl. hierzu und zum folgenden Anm. 132 und Ninguardas Beiichi 
vom 26. September an Como (siehe vorläufig N.B. aus der Schweiz a. a. O. 
insbesondere S. 543 Z. 3 f.). Von der über ihn verhängten Sentenz spricht 
Geiger so wie oben im Text in Art- 13 seines Anm. 77 genannten (icgen- 
herichts: »Nachdem ich und mein Konvent verschienes 79* Jahr im August 
uom Bischof zu Scala) gen Konstanz zitiert und daselbst visitiert und mir in 
solcher Visitation durch einen Senlenz meines Verbrechens halber auferlegt 
worden, mich 3 Monate lang in das Predigerkloster in bemelter 
Stadt Konstanz anstatt einer Gefängnis zu gehorsamer Strafe zu 
begehen, in demselbigen Doctor Jacob Müller, so neben andern ein Visi- 
tationsrat gewesen, mit hocliermeltem päpstlichen Legaten hin weggezogen:- [vgl m 
Anm. 147)* 



°8' c fmSSSvmSw 



Zur Geschichte der Gegenreformation im Bistum Konstanz. 20S 

nicht gesehen hätten. Das hinderte aber nicht, dass Felician 
nun zur Aufstellung von Weisungen schritt und wohl gleich- 
zeitig ein Urteil (sentenzaj gegen den Abt fällte, anscheinend 
des Inhalts, dass er seine Stellung verwirkt haben würde, 
wenn er sich nicht auf drei Monate in das Konstanzer 
Predigerkloster wie in ein Gefängnis begeben würde» um 
dort Busse* für sein vergangenes Leben zu tun. Wir werden 
sehen, in welcher Weise man später gegenüber dem Abt 
von dieser Verfügung des Nuntius Gebrauch machte. Für 
den Augenblick schien Geiger gar nicht daran zu denken, 
dem nachzukommen. Er sah in den Verfügungen des Nuntius 
derartig gewundene und listige cartas visitatorias, dass man 
immer in seine Stricke fallen müsse, ^anders nicht als ob 
hätten wir ein ordentlich dazu erbautes Kloster, darin der- 
gleichen Statuten, Gesetze und Punkte allerdings gehalten 
und denselben gemäss gelebt werden mögen t u % 

Für das gute Verhältnis, in welchem Ninguarda zu 
Wolgmhuett stand, spricht, dass er, vielleicht von Bühel aus, 
Erkundigungen über das Wolgmhuetts Verwaltung unter- 
stehende Kloster der Augustiner-Chorherren in Öhningen ein- 
ziehen konnte 1 ^). Nähere Nachrichten auch hierüber fehlen. 

Am 22. September nahm Ninguarda Abschied von 
Konstanz. Auf eine eingehendere Visitation der ganzen 
Umgebung konnte er sich nicht einlassen, da die Weisungen 
aus Rom sein möglichst baldiges Erscheinen in Graz beim 
Erzherzog Kar] forderten. Die wie ein Tadel klingende 
Bemerkung des nur zu oft mit seinem Quartier unzu- 
friedenen Bonhomini aus dem Oktober u % dass Ninguarda 
nur die Stadt, aber nicht einmal die Pfarreien und ausser- 
halb nur einige und solche Kloster besucht habe, wo man 



***) Es sind Worte aus der Anm, 132 genannten Voran twortung&schrifl. 

>**) Nur die i. J. 1534 dem Hochstift inkorporierte Propstei Öhningen 
kann mit dem Kloster der Augustiner-Chorherren bei der Rcichcnan gemeint sein, 
das Ninguarda am 26. September ComO gegenüber (vgi. vorläufig X.B, aus der 
Schweiz, a. a. O. S- 543 Z. 11 ff.) kurz erwähnt (gütige Mitteilung des Kon- 
stanter Stadtarchivars A. Maurer). 

Hi J Sie findet sich in Einern KriWe an Korromeo vom 24* Oktober i>79 
aus I.uzcrn <X.Ii. a. n. O. S. 580 Z. 16 v« 11, ff. in n. 465). 



Google tp^SrnSm 



2Ü G Sclicllhalt. 

bequem Unterkunft finden konnte, durfte ihn kalt lassen, 
sie setzte nur Bonhomini selbst in schlechtes Licht. I*eli- 
cian hatte im übrigen seinen Hauptzweck erreicht; der 
Mutterkirche war eine Reform aufgezwungen worden, so- 
dass den Schweizern der Vorwand genommen war, sich 
ihrerseits einer solchen zu widersetzen. 

Auf seiner Weiterreise durch das zum Konstanzer Bis- 
tum gehörige Gebiet (ihre Schilderung liegt ausserhalb der 
mir an dieser Stelle gestellten Aufgabe) hatte den Nuntius 
Erzherzog Ferdinands Hauptmann Schenk von Stauffenberg 
der Sicherheit wegen begleiten lassen wollen. Das lehnte 
er als überflüssig ab, war es aber zufrieden, dass mit ihm 
durch die Konstanzer Diözese bis nach Roth hin im Aut- 
trag des Domdekans und Wolgmhuetts der Domprediger 
Miller ging" 7 ). Aus dessen Händen erhielt er, vielleicht im 
Augenblick des Aufbruchs, zur Weiterbeförderung nach 
Rom eine Bittschrift des Abtes von Petershausen an den 
Papst und einen Brief des Prälaten an den Konstanzer Bischof 
wegen seiner Wiedereinsetzung in Amt und Würden" 8 ). 
Von Miller erfuhr er gewiss bei dieser Gelegenheit, dass 
der Abt während der Prüfung der finanziellen Verhältnisse 
ilcs Klosters, an der Xinguarda kaum direkt teilgenommen 
haben wird, in eine immer verzweifeltere Stimmung wegen 
seiner Unfreiheit gekommen war und ernstlich an Flucht 
dachte. Darauf und auf die vorbeugenden Massregeln Feli- 
cians in Überlingen am 23. Septembtr wird in dem fol- 
genden Kapitel des Näheren einzugehen sein. Wenn der 
Xuntius trotzdem am 22. die Supplik des Abtes entgegen- 
nahm, bei deren Aufsetzung ihm Miller und Feliciana Bruder 
Giovanni Baptista geholfen hatten" 9 ), so konnte er es un- 
bedenklich tun. Denn er hatte tags vorher bei Übersendimg 
des ersten Teils der Visitationsakten und bei Ankündigung 
der Bittschrift gegen Como geäussert, er werde sie zwar. 



" : l Vgl. Aiuu. 143 Schluss. 

,4B t Die ersten*, die ohne Datum überliefen, aber wohl auf den 22. Sep- 
tember zu .scl7.cn Elt, Hegt abschriftlich Fase. 394 Stück (io; letzterer, de: das 
Datum September 2 2 trägt, findet sich i-hcndort Stück 5 im Konzept. 

'*") In dem Anm. 106 genannten Bericht sagt l-'unck. dass ihm Miller 
ml mincii M rüder die Supplikation gestellt hätten. 



°8' e wmaÄivwarv 



Zur i'uschichte der Gegenreformation im Kisium Konstanz. 207 

wenn sie komme, einschicken, halte aber die Wiederzulassung 
des Abtes wegen seiner begangenen Irrtümer und mit Rück- 
sicht auf die Geistlichen, die gegen ihn ausgesagt hätten 
und aus Furcht vor ihm das Kloster verlassen würden, für 
nicht am Platz. Hatte Felician dem Abte trotzdem gute 
Aussichten gemacht, so war es geschehen, damit dieser nicht 
inzwischen irgendwelche Unruhen hervorrufe 1 '' ). 



b) Die Beschlüsse in Rom. Die Wirkung in Konstanz. 

Vielleicht schon Ende August 1579 wird der Kardinal- 
bischof von Konstanz aus dem Briefe Ninguardas vom 16. 
August ersehen haben, dass dieser wegen der Klagen der 
Schweizer insbesondere über die Kanoniker und den Klerus 
von Konstanz und über die Einsetzung nicht einheimischer 
Beamter eine Visitation der Kirchen und Klöster der Stadt 
beabsichtige"'). Am 12. September, als man in Rom wohl 
noch kaum wusste, dass die Visitation in Konstanz geplant 
sei liS ), erfuhr dann der in der Villa Tusculana bei Frascati 
in der Sommerfrische weilende Altaemps bereits, dass Nuntius 
Ninguarda bis zum 28. August die Domherren, jeden einzeln, 
und ebenso den übrigen Klerus verhört habe. Seine Kon- 
stanzer Beamten hatten ihm sofort am 28. August über 
alles und über die durch das Auftreten des Nuntius hervor- 
gerufene Lage eingehend Meldung erstattet. Man wird der 
Wahrheit nahe kommen mit der Annahme, dass er von 
dieser Kunde nicht allzu angenehm berührt war. $eine 
Stimmung wird sich kaum verbessert haben, als er, offenbar 
zwei Tage später früh morgens, aus einem Briefe Comos, dem 
inzwischen Zeilen des Dominikaners aus dem Juli zugegangen 



,w ) Vgl. vorliiuiiß N'.B. a. a. O. S. 331 Z. 13 ff. 
■«) Vgl. Anm. 7. 



'"*) Die näheren Belege hicizu und zum folgenden in meinem Bande der 
Nunliaturberichte; vgl. votläufig N'.B. aus der Schweiz [ l S. 515 f. D, 4 1 5, 
hesondets auch S. 315 Z. 5 v. u. f., und S. 525 f. n, 413. 



l lOoglc reidcoowiwiviBan' 



208 SchcUh.iB. 

waren 1 * 3 ), von neuem von Beschwerden der Schweizer dies- 
mal über die Nachlässigkeit seiner Beamten in dem Schweizer 
Teil der Diözese hörte. . Er schien ja schon unter diesem 
Gesichtspunkt geradezu gezwungen zu sein, die innere Be- 
rechtigung einer Visitation anerkennen zu müssen. 

Eben darum wird er sich aber rasch gefasst haben. 
Er beschloss, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, und 
äusserte in seiner Antwort an Como, bei dem er bereits 
Kenntnis von den neuesten Handlungen Ninguardas voraus- 
setzte, noch am 14. seine Freude Über die von Feücian 
bereits durchgeführte Visitation der Kanoniker. Allerdings 
konnte er die Bemerkung nicht unterdrücken, dass dieser 
bei seinem Vorgehen in etwas auffallender Weise auf ein 
erz herzogliches Mandat, ohne dass man seiner, des Bischofs, 
gedachte, Bezug genommen und dadurch im Anfang etwas 
Verwirrung hervorgerufen habe. Der Bischof billigte rück- 
haltlos das entgegenkommende Verhalten seiner Kanoniker, 
nahm aber gleichzeitig den Suffragan und seine Beamten 
gegen die von Schweizer Seite erhobenen Vorwürfe aufs 
entschiedenste in Schutz. Habe doch jener in dem Schweizer 
Teil der Diözese fast mehr zu tun als in den anderen 
Teilen, und er, Altaemps, wisse von vielen Visitationen dort. 
Immerhin nahm er sich vor, neue Weisungen zu geben. 
auf dass man in allem und jedem den Anordnungen des 
Nuntius, dem der Papst ermunternd schreiben müsse, nach- 
komme. Mit Bedenken erfüllte ihn die ihm aus Konstanz 
zugegangene Kunde, dass Ninguarda die Absetzung einiger 
Äbte (man nenne drei 154 )) plane. Er erinnerte daran, dass 
diese Abte nicht auf Schweizer-, sondern auf Reichsboden 
sässen und viele und sehr mächtige Kollegen hätten, dass 
also" ein Vorgehen gegen sie einen Aufruhr hervorrufen 
und für die Kurie die schwersten, nicht so rasch wieder 
einzubringenden Verluste nach sich ziehen könne. Er riet 



*** :| ) Siehe wegen der vom 8. Juli datierten .Mitteilung Kelicians, die offen- 
bar am 13. September in Rom angelangt war, vorläufig N.B. aus der Schweiz 
a. a. O. S. 384 Z. 23 ff. 

"'') Fiirchtcte man nicht nur für die Äbte von Petershausen und Siein, 
sondern auch für den von Kreuzungen? 



°8' e rsmaÄivwarv 



/-üj umschichte der (irgenrcfoiinalion im Bistum Konstanz. 2QQ 

dringend, auf den Nuntius beschwichtigend einzuwirken und 
ihm Vorsicht anzuempfehlen. 

Unmittelbar nach Absendung seines Briefes an Como 
muss Altaemps den Entschluss gefasst haben, nach Rom zu 
eilen, um von dort aus die soeben angekündigte Mahnung 
an seine Beamten abgehen zu lassen. Tatsache ist nämlich, 
dass er am 15, September in einem von Rom aus datierten 
Briefe ,55 } dem Dompropst, dem Dekan und dem Kapitel 
seines »hoben Stiftesc Konstanz schrieb, er nehme an, dass 
die von dem Nuntius begonnene Reformation zu Ende 
geführt worden sei, und zweifle nicht, dass sie dem Papste 
allen Gehorsam erzeigt und geleistet hätten. Sei man doch 
zu dieser Reformation insbesondere des grossen »Geschreis' 
wegen bewogen worden, das sich über den Konstanzer Klerus 
und hauptsachlich über die Domherren erhoben habe und des 
öfteren sogar in Rom Seiner Heiligkeit zu Ohren gekommen 
sei. Äusserst energisch betonte er, es werde nunmehr «zum 
grössten von Noten sein, dass diese Reformation steif, stark 
und unverletzt gehalten werde*. Er gab der Hoffnung Aus- 
druck, dass die Adressaten dazu helfen und raten würden; 
Er schien dann auf die in der Schweiz gefallenen, ihm 
schon vor Tagen durch Ninguarda' 5 ^ bekannt gewordenen 
Bemerkungen anzuspielen, man werde alle Einkünfte des 
Bistums mit Beschlag belegen und mit der Zeit auf die 
Gründung eines neuen Bistums hinwirken. Denn er äusserte 
die Zuversicht, dass die Adressaten im Hinblick auf die 
gegen sie und das ganze Stift gefallenen bösen Drohungen 
ihr möglichstes in allem tun würden, damit die Leute sich 
nicht mehr hinter die Ausrede verschanzen könnten, zu 
Konstanz sei das gottlose Leben, tmd Domkapitel und Geist- 
lichkeit in der Stadt seien die, die allen anderen Geist- 
lichen und Weltlichen ein böses ärgerliches Exempel gäben. 
Sie würden also, um etwaigen aus solchem Gerede sich er- 
gebenden schlimmen Folgen vorzubeugen, diese Reformation 



'"") Er liegl im Original Karlsruhe Gencnil-I.andcsari:hiv Konstanz (iene- 
ralia Kirchen Visitationen Akten Fase. 577 Stuck l. Auf der Adresse »Konstanz« 
und iler Vermerk: ReceiHa-* die 8. novembris anno etc. 79. 

'•*) Aus dessen Brief vom 16. August, vgl, Anm. 7 und vorläufig N.B. 
aus der Schweiz a. a. O. S. 440. 



'8 lc HMaÄivuW 



2iu Schellhaß. 

kräftiglich halten und zu deren Durchführung helfen und raten 
müssen. Hand in Hand mit ihnen wollte er, allenfalls in 
Person an Ort und Stelle, wenn seine Gesundheit nicht wie 
bisher sein Kommen ausschlösse, zur Ehre Gottes alles tun, 
damit man den Leuten aus dem »Maule« käme und ihnen 
nicht Gelegenheit gäbe, nur über die Adressaten zu schreien. 
Der ganze Ton des Schreibens atmet Entschlossenheit und 
Entrüstung und lässt es wahrscheinlich erscheinen, dass er 
in einer plötzlichen Gemütsaufwallung in aller Eile Erascati 
verlassen hatte, um sofort die ihm notwendig scheinenden 
Schreiben zur Ausfertigung zu bringen. Zu diesen gehörten 
heute fehlende Zeilen an den Weihbischof und den General- 
vikar mit dem Befehl, beim Kapitel jederzeit für eine genaue 
Beachtung dieser seiner Willensmeinung einzutreten. Eine 
darauf bezügliche Mitteilung findet sich in dem soeben 
wiedergegebenen Briefe an die Domherren. Dass Altaemps 
in dem Schreiben an den Weihbischof auch der zur Schweiz 
gehörigen Teile des Bistums gedacht und sie seiner wärm- 
sten Fürsorge empfohlen haben wird, darf man als sicher 
annehmen. Es ergab sich aus der Sachlage von selbst. 

Altaemps" Aufenthalt in Rom war vermutlich der Hitze 
wegen nur kurz; unmittelbar nach Unterzeichnung der Schrift- 
stücke mag er in seine Villa zurückgekehrt sein, ohne den 
Papst gesprochen zu haben. Vielleicht wusste er schon, 
dass dieser mit dem Kardinal Borromeo, der am 13. Sep- 
tember aus Oberitalien über Loreto in Rom angelangt 
war 161 ), nach Erascati kommen würde. Zu einer Aussprache 
dort war also vollauf Gelegenheit. 

Was aber bewog Gregor gerade jetzt zu einem Ausflug 
nach Frascati? Neben dem Wunsch nach einem Luftwechsel 
doch wohl auch das Verlangen, mit Altaemps in Person zu 
reden, nachdem ihm Como über dessen Zeilen vom 14. Sep- 
tember berichtet hatte. Da war es denn nur natürlich, dass 
er auch den Mailänder Erzbischof bei der Zusammenkunft 
zu haben wünschte, also den Mann, der als Protektor der 
Schweiz bisher so gut wie ausschliesslich den Gedankenaus- 

"") Vgl. a. a. O. S- 5'9 "■ 4'^ ' In Anfang und zum folgenden S. 539 f« 
n. 431. Die näheren Belege in meinet Ausgabe clet Nnntiaiurberichte. 



t- rOOglc ifimaiWiMm'iR: 



Zur Geschichte der Gegenreformation im Bistum Konsum/. 2 1 1 

lausch der Kurie mit dem anfänglich als Yisitator, seit Juli 
■ 579 aber als Nuntius in der Schweiz tätigen Bonhomini 
vermittelt hatte. 

Auf diese Weise kam es dann wohl ganz ungezwungen 
in der Zeit vom 16. bis 18. September in Frascati zu einer 
Unterhaltung über die I-age, nicht zuletzt über die 
in der Diözese Konstanz. Aus dem wenigen, was 
man darüber erfährt, geht eins mit Sicherheit hervor: 
Altaemps gab offen zu, dass er es lieber gesehen haben 
würde, wenn Bonhomini visitiert hätte. Aber er war weit 
davon entfernt, Ninguarda irgendwie Schwierigkeiten zu be- 
reiten, nachdem er sich bereits am 15. in seinem Mandat 
an das Kapitel vollständig auf den Standpunkt des Nuntius 
gestellt hatte. Man warf auch die Krage auf, ob man nicht 
durch Anlage von Seminaren zum besten aller katholischen 
Kantone und der Diözese Konstanz und durch Errichtung 
eines Jesuilenkollegs bei Konstanz eine Besserung der Dinge 
herbeiführen könne. Sie konnten nicht wissen, dass schon 
Anfang September Bonhomini und Ninguarda ähnliche Ideen 
durch den Kopf gegangen waren, und dass sie auf Kloster 
Petershausen als Ort für ein Jesuitenkolleg hingewiesen 
hatten 1 ''*). Etwaige Überweisung eines neu zu schaffenden 
Kollegs an die Gesellschaft Jesu war ganz im Sinne des 
Bischofs Altaemps, der schon seit Jahren die Berufung der 
Jesuiten in seine Diözese zur Leitung einer solchen Anstalt 
gern gesehen hätte 16 *). Aber zu Entschlüssen in dieser Sache 
kam es noch nicht. Immerhin wurde der Hauptzweck der 
Unterredung erreicht: man war sich klar, in welcher Weise 
Ninguarda handeln müsse. 

Wohl von Frascati aus" 10 ) erhielt also der Kardinal- 
staatssekretär die Aufforderung, in ein Schreiben an Felician 
die Mitteilung aufzunehmen, dass er an die Schweizer aus- 

lta l Vgl. Anm. 120. 

,5 ") Vgl. meinen dritten l*orli;i-Hand (N.B. III 5 S. 578 Z. 23 f.). Kr 
schien i. J. 15/'* a|1 Errichtung eines Jesuilenkollegs in einem der Nonnen- 
klöster der Stadt gedacht /u haben (vgl. a. a. O. S. 555 Z. 41 f.). 

,M ) Hier weilten der Papst und Borromeo sechs Tage (vgl. N.B. aus der 
Schweiz a. a. O. S. 539 Z. 10 f.). (ircgor war also bei Aufscizung der Zeilen 
Comos von» 19. September (vgl. vorlSulig a. a. O, S. 525 f. n. 4231 nicht 
in Rom. 



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2(2 Schcllhaß. 

führlich über seine erfolgreiche Wirksamkeit in Konstanz, 
von der man mittelbar auch für die Schweiz Gutes erwarten 
konnte, berichten müsse. Von einer solchen Darlegung des 
Nuntius versprach man sich grosse Willfährigkeit der Kan- 
tone gegenüber den bischöflichen Beamten, Des weiteren 
schien es angebracht, dem Nuntius einzuschärfen, dass er 
wegen der Absetzung von Äbcen keine endgültigen Ent- 
scheidungen fassen, vielmehr zwecks Einholung eines Be- 
scheids das Ergebnis seiner Untersuchungen nach Rom 
melden solle. Eine in diesem Sinne abgefasstc Weisung Comos 
(sie gedachte auch Altaemps' Ablehnung der Schweizer An- 
griffe auf seine Beamten) ging dem Nuntius unter dem Datum 
des 19. September zu. 

Es war nicht von Vorteil für die Sache, dass diese 
Zeilen Comos und Altaemps' Mandat vom 15. September 
an sein Kapitel erst nach langer Zeit, nämlich dieses am 
8- November, jene am 29. Dezember, in die Hände der 
Adressaten gelangten 1 ** 1 ). Wieso oft, so dauerte es auch jetzt 
wieder infolge der mangelhaften Postverbindung Monate, bis 
man sich durch Antwort und Gegenäusserung verständigen 
konnte. 

Verfolgen wir zuerst, welche Aufnahme das bischöfliche 
Mandat in Konstanz fand. Es kam dort gleichzeitig mit 
den Zeilen für den Weihbischof Wuorer und den General- 
vikar an, nachdem ersterer eben am oder kurz vor dem 6. Xo- 
vember beim Kapitel gewissermassen um Schutz gegen um- 
laufende Verdächtigungen seiner Person hatte einkomm en 
müssen 1M j. Wuorer, dem vermutlich auch der Abt von 
Petershausen nicht allzu sehr traute, insofern er in dessen 
Vertrauensmann und Vetter einen Ausspäher und Vogel- 
huiKl des Nuntius sehen zu müssen glaubte 1 **), befand sich 



i&ij Wegen der Zeilen Comos, die am 29. Dezember anlangten, siehe 
N.B. aus der Schweiz a. a. O. S. 713 n. 337 Alis, l, wegen des Mandats 
siehe oben Anni. 133. Vgl. Antn. 174. 

l ' ; *t Vgl. hierzu und zum folgenden die Protokolle des Kon^tanzer Dom* 
kapitels vom 6-, 13« und 20. Xovember 1579 l Karlsruhe *u a. O- Protokoll* 

Sammlung n. 7245 S. 293, 294; 295, 297). 
p;j ) Vgl. oben Antn. 61. 



S' c mSSrnSSw 



Zur Geschichte der Gegen reformatio!) im Bistum Konstanz. •> \\ 

anscheinend in einer wenig beneidenswerten Lage. Es war 
ihm wohl immer klarer geworden, dass das Domkapitel, der 
Klerus und auch verschiedene ausländische Grafen und Herren 
in ihm den sahen, der den päpstlichen «Legaten* zu seiner 
Visitation berufen, ihn informiert und hier und dort den 
Angeber gespielt hatte. Er sah sich veranlasst, das dem 
Domkapitel gegenüber aufs entschiedenste zu bestreiten und 
zu betonen, dass er bei dem allen nur das getan habe, wozu 
er aus Pflichtgefühl und seiner Stellung wegen gezwungen 
gewesen sei. Wie lau man seine Darlegungen aufnahm 
und wie wenig aufrichtig man seiner Bitte, ihn für ent- 
schuldigt zu halten und bei den Ausländischen seine Sache 
führen zu wollen, zu entsprechen gedachte, lässt die vom 
Dekan im Namen des Kapitels am 6. November erteilte 
Antwort ahnen: »Es wisse das Kapitel nichts anderes denn 
als Gutes von ihm; was aber andere Leute sagen, belade 
man sich nicht«; könne er aber besondere Personen nam- 
haft machen, so möge er es tun. 

Bei dieser Stimmung im Kapitel, die geringe Neigung 
verriet, sich näher mit dem zu befassen, was irgendwie mit 
der Visitation Felicians im Zusammenhang stand, wird man 
auch die Ankunft der Briefe aus Rom wenig freudig be- 
grüsst und von ihrem Inhalt nur mit Missvergnügen 
Kenntnis genommen haben. Näher, ohne dass man sieht 
in welcher Weise, berieten Dekan und Kapitel darüber am 
13. und 20. November. Am 20. Hessen sie sich durch den 
Protokollführer die Visitationsurkunde Ninguardas ins Ge- 
dächtnis rufen, in der in erster Linie dem Domdekan, 
wohl in seiner Eigenschaft als bischöflichem Statthalter, die 
Ausführung der Beschlüsse ans Herz gelegt worden war" 11 ). 
Im Anschluss daran wandte sich dann dieser, wohl auch 
unter Bezugnahme auf das bischöfliche Schreiben vom 
15. September, an die Versammelten mit den Worten, sie 

"*) Die Visitationsurkundc (charUi vUitatoria) fehlt, wie gesagt, aber in 
der Anm. 25 genannten lateinischen Aufzeichnung heisst es: Nach Durch- 
führung einer derartigen Visitation berief der apostolische Nuntius zu sich alle 
Kanoniker und las ihnen vor und gab ihnen die chartam visitatoriam, in der 
er den Herrn Dekan zum Exekutor erDannte und einsetzte. Vgl. 
Anm. 172. 



°' "v c tflnaiCHUHivman' 



2 H Sehellhaß. 

hätten nun im einzelnen (in specie) gehört, wie es mit der 
Visitation und der ihm darüber anbefohlenen Exekution be- 
schaffen sei; ein jeder möge darum sein Verhalten darnach 
einrichten. Das kam doch mehr einer Warnung gleich als 
einem Entschluss, nun in Altaemps' und Ninguardas Sinne 
tatkräftig in der Angelegenheit zu handeln. Das Ergebnis, 
zu dem man an dem Tage gelangte, war denn auch für 
die Kurie betrübend. Man entschied sich dahin, obwohl man 
am 13. den Protokollführer Notizen wegen der dem Kardinal 
zuzusendenden Antwort hatte machen lassen IM ), der Visitation 
halber nichts nach Rom zu schreiben, mit andern Worten: 
Altaemps' Mahnung unbeantwortet zu lassen. 

Über dies alles und über die gegen Wuorer in Konstanz 
herrschende Verstimmung wird dieser selbst, der damals offen- 
bar Xinguarda brieflich die Ankunft der bischöflichen Anord- 
nungen aus Rom meldete Ui % seinem Bischof berichtet haben. 



Mit der Möglichkeit, dass das Domkapitel einer Reform 
Hindernisse bereiten werde, rechnete die Kurie schon um 
den 20. November herum, obwohl ihr zu dieser Zeit die 
zuletzt erwähnten Tatsachen noch gar nicht bekannt sein 
konnten. Man stand vielmehr unter dem Eindruck der 
soeben eingetroffenen Visitationsakten Ninguardas und seiner 
Begleitzeilen vom 21. und 26. September. Ein energisches 
persönliches Eingreifen des Papstes mochte erforderlich 
scheinen, um jeden Widerspruch im Keime zu ersticken 1,i7 ). 

Gregor schrieb also am 20. November in einem aus 
St. Peter datierten Breve dem Dekan, den Kanonikern und 
dem Kapitel der Konstanzer Kirche lSB ), er habe gehört, 



taSl ) Im Protokoll heisst es: Meines gnädigsten Herrn Schreiben, nuntii 
apostoltci reformalionem betreffend, ist capilulariter abgehört und mir einen 
Kxtract daraus zu machen, was meinem gnädigsten Herrn zuzuschreiben des- 
halber, befohlen. 

im l Man lese N.B. aus der Schweiz a. a. O. S. 7 «4 Z. 13 v. 11. f. 

IUI ) Man lese Anm. 170 Schluss. 

,M ) Das Breve liegt im Original mit der Unterschrift »Caesar Glorierius- 
Karlsruhe General- Landesarchiv 5 Gen. 28 {Or. mb. I. clausa mit schön erhal- 
tenem Siegel) und im Konzept, ebenfalls mit der Unterschrift »Caesar Glorierius-. 
Rom Brevenarchiv 1579 lib. 1 Fol, 592 ab (zugehöriges Blatt $96). Man lese 
übrigens Anm. 170 Schluss. 



rot igle rBwaBwuHiviRarv 



Zur Geschichte der Gegen refomiiiiion im Bistum Konstanz. 2 1 ^ 

dass der Bischof von Scala seinem Auftrag entsprechend 
Adressaten und den Konstanzer Klerus geziemend besucht 
und im Anschluss an seine Visitation viele gute und löb- 
liche Anordnungen und Dekrete aufgesetzt habe. Er gab 
seinem Wunsche Ausdruck, dass diese jetzt und in Zukunft 
beachtet und zur Ausführung gebracht würden, und befahl 
den Adressaten somit, unter Hinweis auf ihre Pflicht zum 
Gehorsam und unter Androhung von Strafen, deren Be- 
stimmung er seinem Belieben vorbehalte, aufs entschiedenste, 
jene jetzt und später zu beobachten und von allen, die es 
angehe, ohne Schwierigkeiten zu bereiten, befolgen zu 
lassen. Der für Adressaten massgebende Gesichtspunkt 
müsse sein, dass jene Verfügungen zur Erhaltung der 
Einigkeit und als Richtschnur für den ganzen Klerus Gott 
zu Ehren dienen sollten. 

In dem nämlichen Breve erhielt der Dekan Vollmacht, 
etwaige Widersprechende und Rebellen und die, welche die 
Annahme der Weisungen und Dekrete verweigern würden, 
durch Auferlegung von Geldbussen und durch Entziehung 
der kirchlichen Benefizien und Ämter und durch andere 
ihm gut scheinende Strafen in Schranken zu halten. Ja. 
er durfte allenfalls auch den Bann verhängen und andere 
Sentenzen und Zensuren aussprechen, überhaupt alle ihm 
geeignet erscheinenden Reformmittel, die ihm die rechtlichen 
und tatsächlichen Verhältnisse an die Hand geben würden, 
zur Anwendung bringen, ohne dass die davon Betroffenen 
die Möglichkeit zur Appellation haben sollten. Dass er, 
wenn erforderlich, den weltlichen Arm, also in diesem Falle 
die erzherzogliche Regierung, zu seiner Unterstützung an- 
rufen durfte, entsprach der bei solchen Anlässen üblichen 
Gepflogenheit, nicht minder wie die Äusserung am Schlüsse 
des Breves, dass apostolische Konstitutionen und beliebige 
Statuten und Gewohnheiten des Doms und anderer Kirchen 
der Konstanzer Diözese und Indulte, deren Inhalt etwa mit 
den aufgeführten Bestimmungen im Widerspruch stehen 
würde, für diesen einen Fall ausser Kraft treten sollten. 

Die Übertragung einer so umfangreichen Machtvoll- 
kommenheit an den Dekan müsstc als der Ausfluss eines 
unbegrenzten Vertrauens zu seiner Persönlichkeit erscheinen, 



rO( *glc raiHcno«u»iiv[iiftT* 



2i6 SchellhaB. 

wenn nicht ein tags darauf am 21. November ausgefer- 
tigtes aus St. Peter datiertes Breve deutlich erkennen Hesse, 
dass man von seiner Seite nicht allzu grosse Tatkraft er- 
wartete und darum die Einsetzung eines Kollegs von drei 
Männern zwecks Überwachung der zur Ausführung zu brin- 
genden Reform für erforderlich hielt Dieses Kolleg be- 
stand aus dem Konstanzer Suffragan, dem Generalvikar des 
Bischofs und dem Domprediger Dr. Miller, von denen die 
beiden ersten bereits Mitte September durch Altaemps einen 
ähnlichen Auftrag hinsichtlich der Verfügungen Ninguardas 
bekommen hatten. Diesen Dreien gegenüber, an die das 
Breve gerichtet war 1611 ), bezeichnete es Gregor, nach Er* 
wähnung der Visitation des Nuntius und der dem Dekan 
erteilten Vollmacht, nicht als unmöglich, wenn auch kaum 
glaublich, dass letzterer sich in diesen Dingen lässiger zeige; 
wenn aber doch, so wolle er, dass sie nach vorheriger 
Mahnung aller, die es angehe, kraft gegenwärtiger ihnen 
hiermit verliehener Facultas zusammen vorgingen und alle 
Ungehorsamen und die Weisungen nicht Beachtenden zur 
Rechenschaft zögen, auch wenn es das Domkapitel und 
seine einzelnen Kanoniker und der Dekan selbst seien. 
Würde also dieser in der Sache pflichtvergessen handeln und 
abtrünnig werden, dann ruhte in ihrer Hand die nämliche 
Vollmacht, die, wie wir soeben sahen, dem Dekan den Un- 
gehorsamen gegenüber das Recht gab, aufs schärfste, wenn 
erforderlich, mit Hilfe der weltlichen Regierung einzugreifen. 
Wenn man an der Kurie von der anfänglichen Absicht 
abkam, in dem Breve an das Kapitel einen drohenden Hin- 
weis auf das etwaige Eingreifen der drei Männer aufzu- 
nehmen 170 ), so braucht man dahinter keine tieferen Beweg- 
gründe zu suchen, da man von vornherein gewiss nicht 



tm f Es liegt im Konzept mit der Unterschrift -Cardinalis Cumetiäiä. 
Caesar Glorierius* Rom Brevenarchiv a. a. O. fol. 584 ab (zugehöriges Blatt 588). 

17ü j Eine eigenhändig geschriebene Anordnung Comos {a. a. O* einge- 
heftet vor fol, 588) verlangte noch Aufnahme eines derartigen Hinweises; ganz 
davon schweigt aber eine längere Instruktion aus Comos Kanzlei wegen Aus» 
fertigung der Brcven (a. a< O. fot. 595 a), Von Interesse ist hier die Bemer- 
kung: Der Papst fürchte, dass nach Ninguardas Abreise dessen Vorschriften 
wenig beachtet werden worden, und er befehle darum Ausfertigung eines Breve* 
an Dekan und Kapitel der Kathedrale und eines anderen an die Drei. 



£ lc mnnSSSS 1 . 



Zur Geschichte der Gegenreformation im Bistum Konstanz. 2 17 

plante, die Kapitularen ohne Kenntnis von dem Inhalt des 
zweiten Breves zu lassen. Im Gegenteil, man wird dem 
Suffragan es von Rom aus zur Pflicht gemacht haben, das 
Kapitel sofort von allem zu unterrichten. 

Die Beförderung der beiden IJreven vom 20. und 
21. November nach Konstanz nahm Kardinal Altaemps in 
Person auf sich. Er betrachtete wohl die ganze Angelegen- 
heit als eine ihn und seine Diözese unmittelbar berührende 
und wird kaum gestattet haben, dass abgesehen vom Papst 
auch andere, etwa der Kardinalstaatssekretär Como, sich 
in die Sache mischten. In einem Begleitschreiben erinnerte 
er nun am 20. November von Rom aus den Dompropst, 
den Dekan und das gemeine Kapitel seines »hohen Stifts« 
Konstanz 171 ) an seine Ausführungen vom 15. September 
und wie viel und twie hoch« darauf ankomme, dass die von 
dem Bischof von Schalla [!] vorgenommene Reformation »in 
das Werk gerichtet und gehalten werde«. Als Beweis dafür, 
wie sehr auch Seine Heiligkeit das wünschte, diente ihm 
das beiliegende für sie bestimmte Breve. Er äusserte also 
die Hoffnung, sie würden dem Befehle apäpstlicher Heilig- 
keit« und seinem eigenen Mandat nachkommen, indem sie 
ihre Ehre bewahrten und sich vor grossem Schaden und 
Nachteil schützten, so dass jeder sehen und spüren möge, 
wie sehr ihnen die Förderung der Ehre Gottes am Herzen 
liege. Wie schon in seinem früheren Briefe rechnete er 
auch jetzt mit der Möglichkeit, in Person und zwar baldigst 
bei ihnen zu sein. 



Man muss gestehen, dass eine stärkere Einwirkung des 
Papstes und des Konstanzer Bischofs auf die Konstanzer 
Diözese kaum möglich war. Der Eindruck der Breven und 
des bischöflichen Briefes, die am 29. Dezember an ihrem 
Bestimmungsorte anlangten und am Silvestertage im Dom- 
kapitel verlesen wurden 172 ), war denn auch ein tiefer. Es 

"') Der Brief liegl im Original Karlsruhe a. a. O. Konstanz Gcncralia 
Kirchen Visitationen Fase. 577 Stück 2. 

i:i ) Auch das für den Suffragan, den Generalvikar und den Domprediger 

bestimmte Breve. In dem Protokoll des Domkapitels (Karlsruhe a. a. O. 

Protokollsammlung n. 7245 S. 308) heisst es: Auf das verlesene Breve apo- 

5tolicum, so dem Kapitel, wie auch das, so dem Herrn Suffragan zugeschicki 

ZeiUcbr. f. Gcscl.. tl. Obrnh. N.F. XXXII. 2. 15 



Jn Ic remÄfflivwarv 



218 Schellhaß. 

war unmöglich, sich auch diesmal dem Bischof gegenüber 
in Schweigen zu hüllen. Schon am 31. Dezember fasste 
man somit die Abhaltung verschiedener Kapitel wegen Er- 
wägung der Lage ins Auge 178 ). Die Einsetzung einer Kom- 
mission unter dem Vorsitze des Dekans am 8. Januar zwecks 
Verhandlungen über die Angelegenheit der Reformation des 
apostolischen Nuntius und über die in der Sache empfangenen 
Briefe aus Rom hatte dann zur Folge, dass man bis zum 
28. Januar eine Antwort an Altaemps fertig hatte. Sie 
liegt leider weder im Wortlaut noch im Auszug vor. Man 
wird aber annehmen dürfen, dass das Kapitel in seiner Er- 
widerung den guten Willen äusserte, dem Befehle päpst- 
licher Heiligkeit und seinen Anordnungen nachkommen zu 
wollen. Denn dadurch waren ja die Domherren einer direkten 
Gegenäusserung auf das päpstliche Breve überhoben. Für 
den Augenblick erschien es ihnen wohl genügend, zumal 
sie bis dahin von Ninguarda kaum etwas gehört hatten, 
beschwichtigend nach Rom zu schreiben. 



Ninguarda hatte erst am 29. Dezember, also sehr spät, 
und auf Umwegen Comos Ausführungen vom 1 g. September 
erhalten, die ihn über die Ansicht der Kurie aufklärten 
und wegen der Auffassung des Kardinals Altaemps be- 
ruhigen konnten 17 '). Dass -letzterer mit Eifer bei der Sache 
war, seine Beamten zur Reform ermuntert hatte und von 
Herzen hoffte, die Angelegenheiten seiner Kirche würden 



worden, samt meines gnädigsten Herrn Schreiben die Reformaiion des Bischofs 
von Scala betreffend beschlossen, darüber ander Kapitel zu halten und darauf 
was /u tun beschlossen. — Am Schlüsse der Anin. 164 genannten Aufzeich- 
nung heisst es, dass der Papst durch ein Breve nachher dem Dekan noch drei 
Execuiores, den Suffragan, Vikar und Dr. Müller, hinzugefügt habe, wie jenes 
durch den Suffragan nachher im Kapitel überreichte Btcve zusammen mit den 
Zellen des Kardinals des näheren enthalte. Letzteres ist nicht richtig, denn 
die Zeilen des Kardinals nehmen gar nicht auf das Brcve an den Suffragan, 
den Vikar und Dr. Miller Bezug, sondern auf das Breve an das Kapitel; vgl. 
Anm. 171. 

lM J Vgl. Anm. 172 und zum folgenden die Protokolle vom 8. und 
28. Januar (3. a. O. S. 311, 318, 319). 

IM | Vgl. hierzu und zu den folgenden beiden Absätzen Ninguardas Brief 
vom 30. Dezember 1579 an Como (N.B. aus der Schweiz a. a. O. S. 713, 
714 n. 537). Siehe auch oben Anm. 161. 



Google mäSSStSm 



Zur Geschichte der Gegenreformation im Bistum Konstanz. 2 IQ 

gut gehen, erfuhr er fast gleichzeitig von ihm selbst in einem 
Briefe aus Rom vom 3 1 . Oktober und vom Weihbiscliof 
Wuorer, der ihm um den 10. November aus Konstanz 
über das Mandat des Bischofs vom 15. September ge- 
schrieben haben wird. 

Es war doch eine grosse Genugtuung für den Nuntius, 
annehmen zu dürfen, dass Altaemps die Reform weiter- 
führen werde. Seine Ausführungen Como gegenüber atmeten 
eben darum Ende Dezember rechte Zuversicht. Er hoffte 
alles ( iute für die Konstanzer Kirche, bezeichnete die dortige 
Bevölkerung zum grössten Teil als guten Lehren leicht zu- 
gänglich, hielt aber auch eine Visitation der von ihm noch 
nicht besuchten Teile des Bistums für erforderlich. Fast 
überflüssig dünkte es ihm. dass er jetzt noch, wie Como 
gewünscht hatte, an die Schweizer ausführlich von seiner 
Tätigkeit in Konstanz berichte, da diese, so schrieb er 
Como am 30., ja schon ganz genau von allem Bescheid 
wüssten. Viele hervorragende Persönlichkeiten der Schweiz 
hätten ihn bei der Arbeit aufgesucht, und ausserdem werde 
auch der in alles eingeweihte Bonhomini schon die Dinge 
in rechtem Lichte dargestellt haben. Felician schien wenig 
davon unterrichtet zu sein, mit welchen Schwierigkeiten 
dieser auf Schweizer Boden hatte kämpfen müssen bei seinen 
Versuchen, den Konkubinat auszurotten und den Vorschriften 
wegen der Klausur in den Nonnenklöstern Beachtung zu 
verschaffen. Gross war dort die Empörung über den Ita- 
liener, der Sachen einzuführen suche, die in der Schweiz 
gar nicht angebracht seien ,T5 ). Bei genauer Kenntnis der 
Sachlage würde Ninguarda die Dinge kaum in so rosigem 
Lichte gesehen haben. Freilich stand er hierbei wohl 
unter dem Eindruck brieflicher Mitteilungen Bonhominis, von 
dem er vielleicht soeben ein heute verlorenes Schreiben 
vom 31. Oktober aus Luzern erhalten hatte. Ähnlich wie 
im Briefe an Como von diesem Tage mag jener, ohne 



,,s ) Ich verweise nur auf die N'.B. a. a. O. S. 495 — 511 als n. 412 ;ih- 
gedruckteii Beschwerden des Klerus der drei Länder gegen Bonhomini auf der 
TagsaUnng zu Brunnen vom 11. September 1579; siehe besonders S. 505 
Z, 21 ff. und S. 505 Z. 12 ff.; zu vgl. A. BOchi in der Anni. 22 genannte» 
Arbeit S. 14 ff. 

■5" 



L rOOglC raiHfnO«U«YEMiT* 



r 



220 



Scliellliaü, 



anzudeuten, wie weit man noch von dem ersehnten Ziele 
entfernt sei, auch an Ninguarda als Ergebnis der dor- 
tigen Tagsatzung der sieben katholischen Kantone Ab- 
schaffung des Konkubinats und allmähliche Einführung der 
Klausur in den Nonnenklöstern gemeldet haben u % Bei 
dieser Annahme erklärt es sich, warum Felician es Como 
gegenüber für überflüssig hielt, auf diese Dinge einzugehen, 
und ihn der Kürze halber auf den in Rom wohl eingetroffenen 
Bericht Bonhominis über jene Tagsatzung der Schweizer ver- 
wies 177 )* Immerhin bleibt seine günstige Beurteilung der 
Dinge in Konstanz auch so recht auffallend, zumal er noch 
am io. Dezember gegen Krzherzog Ferdinand brieflich der 
Befürchtung Ausdruck gegeben hatte 178 ), dass man dort bei 
den verderbten Sitten und der Sinnlichkeit (mente reprobo 
sensu fascinata) einiger Leute und ihrer geringen Achtung 
vor den kirchlichen Heilmitteln und vor der bischöflichen 
Autorität mit Ausrottung des sehr tief eingewurzelten 
Konkubinats der Kleriker wenig Erfolg haben würde, wenn 
nicht auch der weltliche Arm helfend eingriffe, vor dem 
jene Menschen grosse Angst hätten. Indessen wäre es ja 
möglich, dass er vom erzherzoglichen Kanzler Moser, den 
er bereits früher in dieser Angelegenheit bearbeitet hatte 17 *) f 
inzwischen die Zusicherung erhalten hätte, man werde seiner 
am io, Dezember ausgesprochenen nochmaligen Bitte ent- 
sprechen. Dann würde er schon jetzt mit einem erzherzog- 
lichen Mandat an den Konstanzer Hauptmann, dessen Stell- 
vertreter und an den städtischen Rat haben rechnen können, 
durch das in schärfster Weise in ihrem Bezirk auf Gefangen- 
nahme, Fesselung, gebührende Bestrafung und Ausweisung 
aller Konkubinen der Kleriker und sonstiger verdächtiger 
Frauen in deren Umgebung gedrungen werden sollte ohne 
Rücksicht auf die einzelnen Frauenspersonen und die soziale 



II4 f Man lese BonhominU Bericht an Como vom 31. Oktober aus Luzcrn 
(N.B. a. a. O. S. 607—612 n. 475, besonders S. 608 Z, 18 v. u. ff. f S. 609 
Abs. 2, S. 611 Abs. 1 des Memorialc). 

l17 ) Siehe seinen Brief vom 30. Dezember (a« a. O. S. 714 Z. 2 ff.). 

llft ) In dem Anm. 133, 137 und 140 genannten Briefe. 

lT9 ) Vgl* Anm. 140, Die dort erwähnten Worte folgen, am Schluss von 
Abs. 3 des Briefes, auf dessen hfef oben von mir benutzten Ausführungen, 



K lc fmSSSimSm 



Zur Geschichte der Gegenreformation im Bistum Konstanz. 22 I 

Stellung der Kleriker. Die von ihm geäusserte Überzeugung, 
dass das Mandat bei den Adressaten gute Aufnahme finden, 
den Papst und den Bischof aber mit Freude erfüllen und 
der Konstanzer Kirche Nutzen bringen würde, hätte dann 
also auf den Fürsten ihren Eindruck nicht verfehlt. 

Comos Warnung vom 19. Septemter, hinsichtlich der 
Absetzung von Äbten die allergrösste Vorsicht walten zu 
lassen, fand bei Ninguarda vollstes Verständnis. Er hatte 
seit seinem Aufbruch von Konstanz auf dem Wege nach 
München in den Diözesen Konstanz und Augsburg bei dem 
Besuch verschiedener Kloster Eindrücke sammeln können. 
Mehr wie je war er davon überzeugt, dass man viele Abte 
ihres Amts berauben müsste, wenn man auf ihren Lebens- 
wandel sehen wollte. Er hatte davon abgesehen, da die 
betreffenden Persönlichkeiten Besserung versprachen, dann 
aber auch, weil er Unruhen befürchtete, vor denen er seiner 
Natur nach zurückschreckte. Er hatte es für richtiger ge- 
halten, überall liebevoll zu mahnen und zu züchtigen, und 
auf solche Weise überall Gehorsam gefunden und sein Amt 
in Ruhe und Frieden ausüben können. Nur an zwei Orten 
der Diözese Konstanz, so legte er Como dar, habe er von 
diesem Verfahren abweichen müssen, einmal in einer Propstei 
(er meint das Kloster Höfen), von der er einen Mönch unter 
Zustimmung des Abtes entfernte, und dann hn Kloster 
Petershausen. Die Absetzung des Abtes habe hier das 
Kloster vor dem Untergang bewahrt. Etwaigen Vorwürfen 
der Kurie begegnete er durch Hervorhebung der nicht ab- 
zuleugnenden Tatsache, dass die bischöflichen und erzherzog- 
lichen Beamten, der Rat und die Stadt ihm zugestimmt hätten. 
Allerdings wollte er sich durchaus nicht die Berechtigung, 
unter Umständen durchgreifende Entschlüsse zu fassen, 
nehmen lassen. Denn man müsse dort, wo Gefahr im Ver- 
zuge sei, zum mindesten zur zeitweiligen Enthebung eines 
Abtes von der Verwaltung schreiten. Wolle man erst 
Bescheid vom Papst erwarten, so würde das nur grösseren 
Schaden stiften. Sein Ziel sei im übrigen, stets bei solchen 
Vorkommnissen Unruhe und Geräusch zu vermeiden. Äusse- 
rungen, die an der Kurie und nicht zuletzt beim Kardinal- 
bischof Altaemps auf Beifall rechnen konnten. 



- ''"'^s'*-" (fllHCIIWlMIMRÖn' 



/ 



222 



Sclivllkai'.. 



Bis in die letzten Tage des Januar 1580 hatte Ninguarda 
noch keine bestimmte Nachricht über das Eintreffen seiner 
Aktensendungen in Rom 180 ). Doch konnte er am 23. Januar 
aus einer Mitteilung Comos vom 2. des Monats eigentlich fast 
sicher schliessen, dass sie angelangt waren. Der Kardinal 
schrieb dem damals in München befindlichen Ninguarda in 
wenig klarer Erkenntnis der geographischen Lage, wenn er 
nach Regen.sburg gehe, werde es nötig sein, in Konstanz 
wieder zu erscheinen, um jener Visitation einen Abschluss 
zu geben und auf die Ausführung der bereits erlassenen 
guten Anordnungen achten zu können. Man sieht, die Schrift- 
stücke des Nuntius, zu denen jene gehörten, waren eingehend 
an der Kurie studiert worden. Sie hatten auch Beifall 
gefunden, denn Como begründete seine Weisungen damit, 
dass der Papst und Kardinal Altaemps sich äusserst lobend 
über das, was er getan habe, ausgesprochen hätten, und es 
werde für die dortigen I-andstriche von grosser Genugtuung 
Und von umfassendem Nutzen sein, wenn die Sache voran- 
gehe. Er betonte, dass der Kardinal das wünsche und 
darum entsprechend der Anregung, die er, Eelician, ge- 
geben habe, schärfste Befehle an seine Beamten wegen 
Förderung der Sache erteilt habe. Wir wissen, dass sie 
bereits am 20. November abgegangen waren. 

Nach dem allen darf man sagen, dass die Vorbedingung 
für eine Durchführung der Reformvorschriften Ninguardas, 
einmütiges Handeln der päpstlichen und bischöflichen Gewalt, 
trotz des Widerstandes der Domherren gegeben war. Die 
Krage, inwieweit diese in der nächsten Zeit ihren Lebens- 
wandel änderten, mag unsere weitere Darstellung, die 
Kelician noch einmal in dieser Gegend zeigen wird, beant- 
worten helfen. Von nachhaltiger Wirkung war das Auftreten 
lies Nuntius in Konstanz im August und September 1579 für 
das Schicksal zweier Klöster. Petershausen und St. Georgen 
in Stein a. Rh. Eine Schilderung der hier sich vorbereitenden 
Neuordnung auf Grund des nicht immer lückenlosen Quellen- 
materials soll das des näheren dartun. 



|HU > Die alberen Belege in meinem Bande dw ECuntlauubericbtt. 



»gle 



■ 



Zur Geschichte der (iegcnrc'fonnation im Bistum Konstanz. 22 \ 



2. Die Flucht des Abtes von Petershausen und die Wahl 

eines Nachfolgert (15Ä0). 

Wohl unmittelbar nachdem Ninguarda am 6. September 
1579 im Predigerkloster zu Konstanz das Urteil unterzeichnet 
hatte, das dem Abt Christoph das freie Verfügungsrecht über 
seine Person entzog und unter Auferlegung einer Pönitenz 
das Kloster Petershausen als Gewahrsam anwies, wird dieser 
von der Tatsache seiner Verurteilung erfahren haben. Seine 
Zuversicht, dass der Nuntius, wie er versprochen hatte, sich 
beim Papst um seine Wiedereinsetzung bemühen und dass 
noch alles gut ausgehen werde, musste jetzt stark erschüttert 
werden. Angesichts der Freude Felicians über seine Nach- 
giebigkeit hatte er am 4. September, bei seiner Rückkehr 
aus dem Predigerkloster, vielleicht für sicher angenommen, 
dass ihm Ernstlicheres kaum mehr begegnen und seine 
Wiedereinsetzung bis zur Einholung einer Meinungsäusse- 
rung des Papstes nur eine Frage der Zeit sein werde 1 * 1 ). 
Wie bedauerte er jetzt, dass er gegen Ninguarda, den er 
bei dessen verwandtschaftlichen Beziehungen zu Graubünden 
verächtlich einen Bündner nannte lHi ), nicht grössere Zurück- 
haltung geübt hatte! Aber die Reue kam zu spät und auch 
der Arger darüber, dass sich nicht die gesamte Geistlichkeit 
sofort beim Erscheinen des Nuntius zusammengetan und ge- 
meinsam beschlossen hatte, bis zu welchem Punkte sie sich 
dem päpstlichen Abgeordneten unterwerfen wolle. Nach- 
her wusste man eben immer mehr: seel post factum sapere 
potius desipere est. 

. Da man dem Abt erst am 21. September einen Einblick in 
den Wortlaut der Sentenz gestattete, so mochten ihm deren jetzt 
zur Ausführung kommende Verfügungen als ein Vertrauens- 
bruch erscheinen, mit dem man sich über frühere ihm ge- 
gebene Zusicherungen hinwegsetzte. Wenn man ihm sofort 
sein bisheriges Gemach nahm und ihn in einem anderen 



"') Vgl. Anm. 115. 

,BJ ) Hier und im folgenden lehne ich mich an den Anm. 12 genannten 
Bericht an. Über Ninguarda siehe N.B. au* der Schweiz Ii, n. 174 S. 218, 
Anm. I und 2. 



- ,00 8'£ hHH(fl$UUIIIV[RW 



22 4 



Schellhan. 



gewissermassen einschtoss, so konnte oder wollte er nicht 
begreifen, dass darin die über ihn verhängte Busse wegen 
seines Lebens im Konkubinat ihren Ausdruck fand. Da er 
sich nicht als Gefangener betrachtet wissen wollte, so er- 
schien es ihm wie die reine Willkür, dass man ihm das 
freie Herumgehen in der Kirche, im Konvent und in den 
zu diesem gehörenden Örtlichkeiten verbot und andere nur 
in Gegenwart des Priors, den er seinen Verräter nannte, 
mit ihm sprechen Hess. Er sah in dem allen einen Ver- 
stoss gegen die wohlwollenden Verheissungcn. die ihm ins- 
besondere von Ninguarda vor und nach seiner Verzicht- 
leistung gemacht worden waren. Er vermisste auch die 
Hhrfurchtsbezeugungen, auf die er Anspruch zu haben 
glaubte, und empfand bitter, dass er nicht mehr wie bisher 
mit dem Bruder Scheffelt in der Propstei Rötsee in Gedanken- 
austausch treten konnte ,8B ). Er wusste eben nicht, dass 
auch über diesen eine scharfe Busse verhängt worden war. 
Ausserdem wurmte es ihn, dass man ihn seit dem 7. Sep- 
tember nicht mehr zur freien Ausübung der Messe kommen 
Hess 181 ). Er klagte, dass der Prior Oechsli und Dr. Miller, 
durch die gewiss auch eine ihn mit Empörung erfüllende Inven- 
tarisierung seiner Kleidtr veranlasst worden war, ihn meist 
von einer Besprechung der ökonomischen Fragen des Klosters 
fernhielten und ihn nur heranzogen, wenn sie, so meinte er. 
nicht aus und ein könnten. Ahnte er nicht, dass beide in 
höherem Auftrag handelten und binnen eines Monats Hand 
in Hand mit dem Weihbischof, dem Domdekan und dem 
Generalvikar eine Untersuchung über seine Verwaltung 
zum Abschluss bringen sollten? 

Im übrigen betrafen seine Beschwerden doch Dinge, 
über die er sich bei richtiger Erkenntnis der Lage gar nicht 
hätte beklagen können, ebensowenig wie darüber, dass ein 
für ihn bestimmtes Schreiben des württembergischen Her- 
zogs ihm nicht ohne weiteres von dem Syndikus der Prü- 



1M ) Seine Klage in dem Bericht, man habe auch dem andern fratri. 
welcher auf der Propstei gewesen, allen congressum zu ihm abgestrickt, beziehe 
ich auf den Anm. 127 genannten Scheffelt. 

,M ) In dem ÜL-richt klagt er weiter, man habe gleich am nächsten Tage 
»alles Fürbitt gegen Gott in sacrificio missac abgestrickt'. 



'" '£v c wiNaiCMUMwwarv 



Zur Geschichte dci (itgenrcrormaiion im Bistum Konstanz- 225 

latenbank, Dr. Langhans, ausgehandigt wurde, sondern dass 
dieser darüber erst mit dem Nuntius sprechen musste. 



♦ Wie aber stand es mit der bisherigen Verwaltung des 
Abtes, über die sich jene fünf Abgeordneten auf Befehl 
Xinguardas binnen eines Monats klar werden sollten? Auf- 
schlüsse über sie Hessen sich teils einem Verzeichnis der 
festen und schwankenden Einkünfte der zum Kloster ge- 
hörigen Amter Petershausen, Überlingen. Winterthur, Tha- 
ingen, Ringgenweiler und Mühlheim an der Donau entnehmen, 
teils gewissen kurzen Aufzeichnungen über die Ausgaben 
und die Haushaltung des Abtes wahrend dessen Amtsführung 
seit dem Jahre 1556. Die zwei Aktenstücke befanden sich 
wohl schon seit dem ersten Verhör des Abtes im Prediger- 
kloster, also seit Ende August, in Ninguardas Händen. Er 
hatte sich aber damals darauf beschränkt, alle beide einem 
Vetter des Weihbischofs zur Übersetzung anzuvertrauen 185 ), 
und wenig später vermutlich eine Abschrift von ihnen dem 
stellvertretenden Hauptmann von Konstanz, dem Herrn von 
Mendlishofen, zwecks Weitersendung an dessen Herrn, Erz- 
1 herzog Ferdinand, überreicht ISli ). Er wusste nicht, dass 
Funck dem Fürsten offenbar dieselben beiden Schriftstücke 
schon im April des Jahres nach Innsbruck zu seiner Recht- 
fertigung gesandt hatte, das /-weite nur gelegentlich mit Abwei- 
chungen, die fast durchweg in der früheren Niederschrift der 
für Ferdinand bestimmten Kopie ihre Begründung hatten 1 * 7 ). 

Eine nähere Prüfung des Inhalts dieser beiden Akten- 
stücke wird besser an anderer Stelle erfolgen. Hier genüge 
die Bemerkung, dass den im ersten Verzeichnis genannten 
5580 Guldei) an Einnahmen aus einer umfangreichen Natu- 
ralwirtschaft insbesondere in den Amtern Petershausen und 
Überlingen (in Petershausen beschäftigte man sich ausser 
mit Weinbau auch mit Fischzucht) in der zweiten Auf- 
zeichnung 59625 Gulden an Ausgaben gegenüberstanden. 
Diese suchte der Prälat in nicht ungeschickter Weise unter 



IW ) Vgl. Am». 61- 

lw= ) Vgl. demnächst X.B. III 6 n. 84 Beilage Abs. 4 (zu vgl. Anm, 133, 
137 und 140). 

,HT ) Die näheren Fteleye sjKiier, 



L rOOglC h*iHCnOtJUHIY[M*TV 



226 Schellhall. 

anderem mit dem Brande des Gotteshauses im Jahre 1548 
zu rechtfertigen, der Ausbesserungen und Neubauten er- 
forderlich gemacht hatte, ferner mit der Wiedererwerbung: 
dem Kloster verloren gegangener Besitzungen, wie der 
Fropstei Rötsee, und dem Kauf neuer Grundstücke, bei- 
spielsweise einer Mühle und einiger Weinberge, dann auch mit 
der Erhaltung der noch vorhandenen Güter in gutem Bestand 
und nicht zuletzt mit den Teuerungen der letzten Jahre. Aber 
trotzdem blieb vieles unklar in der Verwaltungstätigkeit 
des Abtes, der im Widerspruch zu seinen Gegnern be- 
hauptete, dass er schon beim Tode seines Vorgängers reich- 
liche Schulden vorgefunden habe. Mau konnte nicht zwei- 
feln, dass er weder dem Nuntius noch vor Monaten der 
österreichischen Regierung völlig reinen Wein eingeschenkt 
hatte. Somit trug die von Ninguarda angeordnete Unter- 
suchung ihre Berechtigung in jeder Beziehung in sich 
selbst. 

Hier Rede und Antwort auf lästige Fragen stehen zu 
müssen, wird Funck je länger desto mehr mit Missmut erfüllt 
und beunruhigt haben. Daneben empörte ihn wohl vor allem, 
dass er, um der ihm auferlegten Busse zu genügen, jeden 
dritten Freitag mittags im Refektorium angesichts der 
Fratres auf dem Fussboden sitzen, bei Wasser und Brot 
fasten und von denen, die er in den Orden aufgenommen, 
ausgebildet und unterwiesen hatte, eine Art körperliche 
Züchtigung entgegennehmen musstc. Denn auf jene Fragen 
konnte er w>hl beim besten Willen keine befriedigende 
Auskunft geben, diese Busse aber schien ihm deutschen 
Gebräuchen zu widersprechen und seiner unwürdig 188 ). 

Aufrecht erhielt ihn bei alledem die .Aussicht auf 
seine Wiedereinsetzung, und die Zusicherung des Nuntius, 
eine dahingehende Bitte befürworten und befördern zu 
wollen. Eben darum war er denn inmitten aller auf ihn ein- 
stürmenden Eindrücke seit dem 6. September mit der Auf- 
setzung einer Supplik an den Papst beschäftigt. Da ihm hierbei 



"**l In der Anm. 216 genannten Supplik sagt er, dass der Nuntius ihm 
• in-lten Annehmung der gezwungenen Resignation noch ferner grobe und in der- 
gleichen Fällen liei uns Deutschen ungehräuchige Strafen auferlegt« habe. 



"- ■""^'»•' rawaiCHUHiviRiirv 



Zur Geschiente der G cgeB fcfonnttion im Bistum KonvtMix. 227 

der Bruder des Nuntius, Giovanni Baptista. und Dr. Miller, 
übrigens nicht in allem zu seiner Zufriedenheit, behilflich 
waren 1 ""), so verstand es sich schon von selbst, dass er 
von ihr alle Klagen und Beschwerden fernhielt, dass er 
im Gegenteil einen äusserst zerknirschten Ton anschlug, 
um desto mehr Eindruck an der Kurie zu machen. Er 
behauptete, durch die väterliche Ahndung N'inguardas wie 
aus einem langen und gewissermassen schweren Schlaf er- 
weckt und den trügerischen Gaukeleien des Teufels ent- 
rissen worden zu sein. Er bekannte die Irrtümer und 
Verirrungen seiner Jugend und seine begangene Schuld 
und bat. indem er Besserung im Lebenswandel und in allen 
Dingen verhiess, um Wiederzulassung zu seiner Würde, wenn 
es Seiner Heiligkeit zu seinem Seelenheil förderlich scheinen 
sollte. Gütige Fürsprache in dieser Richtung erhoffte er 
fest vom Konstanzer Bischof, dem er gleichzeitig recht 
ruhig und demütig schrieb und zusicherte, dass von einer 
günstigen Entscheidung auch des Adressaten Statthalter 
und Räte Vorteile haben würden. Nur ganz bescheiden 
deutete er an, dass eine andere Strafe als die Absetzung 
vielleicht gegen ihn am Platz gewesen sei, betonte aber, 
dass er sich in allem dem Herrn Nuntius habe gehorsam 
erzeigen wollen. 

Er glaubte sicher an einen Erfolg seiner Bitte, als er 
die Zeilen an den Bischof am 22. September und wohl 
gleichzeitig die Bittschrift an den Papst unterzeichnete. 
Tags vorher hatte ihm zwar der zum Aufbruch rüstende 
Nuntius, gewiss recht ernst und eindringlich, das Urteil 
vom 6. September vorgelesen, aber doch beim Scheiden an- 
scheinend, wie offenbar schon am 4. September, zu verstehen 
gegeben, dass man binnen 6 oder 8 Wochen einer Weisung 
aus Rom wegen seiner Wiedereinsetzung entgegensehen 
dürfe 1 * ). Ganz unverbindliche Worte, da Xinguarda. wie 
wir sahen, sich am nämlichen Tage in einem Briefe an 
Conto gegen die Wiederaufnahme des Abtes in seine Würde 



'""') Vgl. hierzu und zum folgenden Anm. 148 und 14g. 
'"") Ich entnehme dies alles dem Protest des Abtes und seiner Appellation; 
siehe Üher diese Anm. 206 und 207: vgl. ruh folgenden Anm. 150. 



°8' e hWTÄivuw 



228 Schellhaß. 

aussprach. Immerhin hatten sie diesen jetzt endlich zur 
Ausfertigung jener beiden Schriftstücke veranlasst, kurz vor 
der Abreise des Nuntius. Wie sehr es aber in ihm garte 
und wie die zur Schau getragene Demut in den beiden 
Briefen nur Schein war, zeigte sich bei deren Überreichung 
an Miller darin, dass er mit der Bemerkung herausplatzte lMI ) 
— »aus grösstem und zwar gewaltigem Schmerz des Ge- 
mütes* — : er befürchte, Miller werde ihn nicht mehr im Kloster 
finden, denn er könne diese Beschwerden -nicht mehr oder 
langer^ erdulden; »es wolle dennoch des Dinges hintennach 
gar zu viel und überlästig seine. Man versteht die Äusse- 
rung erst recht, wenn man sich erinnert, dass der Dom- 
prediger dem Nuntius auf dessen Reise durch die Diözese 
zur Seite stehen sollte und fraglos bei dem Abt in erster Linie 
vorgesprochen hatte, um sich von ihm zu verabschieden. 
Kr konnte daher aus den Worten nur herauslesen, dass er 
Funck bei seiner Rückkehr kaum mehr am Platz finden 
werde, dieser also an Flucht denke. Es .war seine Pflicht, 
hiervon dem scheidenden Ninguarda zu berichten. 

Der Eindruck, dass der Gefangene allerhand plane, 
musste sich vertiefen, da man inzwischen vermutlich von 
einem früheren Schreiber des Abtes gehört hatte, dass ihm 
einige Prälaten mit Rat und Tat zu helfen gedächten. Als 
nun unmittelbar darnach dem Nuntius in Meersburg, [viel- 
leicht noch am 22. Abends, von zwei vornehmen Konstanzer 
Bürgern und von zwei Personen aus Überlingen gemeldet 
wurde, dass man bei der Rechnungsablegung, die also, wie 
man sieht, bis dahin aller Gemüter beschäftigt und in Span- 
nung gehalten hatte, vor einem Rätsel stehe, insofern man 
über die Verwendung einer in den letzten drei Jahren vom 
Abte aufgenommenen Summe (man sprach von etwa 9000 
Gulden) völlig im unklaren sei, da schien Ninguarda ohne 
Zweifel Gefahr im Verzuge. Vielleicht fiel jetzt die Äusse- 
rung, dass der Abt diese Summe wohl noch bei sich habe 
und mit ihr vermutlich habe entlaufen« wollen oder es noch 
beabsichtige. Jedenfalls hatte die Annahme, dass Funck 



• ls ") Hier und im folgenden laut dein genannten Bericht : zu vgl. Anm. 14; 
unj wegen d'-r etwa «>ooo «iulden im Text Anm. 231 und Anm. 24 1. 



i. oogle rfiiHciiCHUHiviRST* 



Zur Geschichte der Gcgenrefonnatlon im Bistum Konstanz. 22Q 

zu entweichen gedenke» sehr vieles für sich. Kin schärferes 
Vorgehen gegen ihn war also am Platze. 



Nach seiner Ankunft in Überlingen verfügte also Nin- 
guarda am 23. September in einem an den Dekan, den 
Generalvikar und den Siegelträger und Fiskal der Kon- 
stanzer Kirche Ulrich Raszier sowie an den Prior von 
Petershausen gerichteten Mandat' 9 -), dass sie den Bruder 
Christoph, der nach seinem, Xinguardas, Fortgang auf Flucht 
denken solle, jedenfalls bei seiner Abreise gewissen Leuten 
angedeutet habe, fortgehen zu wollen, förmlich gefangen 
halten oder ihm Fussfesseln anlegen und, wie man es von 
ihrer Umsicht erwarten dürfe, bewachen sollten. Er hob her- 
vor, dass er an solche Absichten des Abtes erst nicht habe 
glauben können, nun aber für dessen seelisches und körper- 
liches Wohl und für das Kloster sorgen müsse. Als Pflicht 
der Adressaten, von denen wohl der Siegelträgerden Dr. Miller 
während dessen Abwesenheit in den Klosteran gelegen heiten 
zu vertreten hatte, bezeichnete er es, wenn nötig mit Hilfe 
des weltlichen Arms zu bewirken, dass der Gefangene nicht 
entfliehen könne, noch dass Andere zu ihm zu kommen 
vermöchten. Würde man erfahren, dass er entwichen sei, 
weil man nach Überreichung dieses Mandats nicht für ge- 
nügende Bewachung gesorgt habe, so müsste er die Adres- 
saten dafür verantwortlich machen und gegen sie vorgehen. 

Von dem Erlass erhielt der Abt, wenn nicht noch am 23., 
so sicher am 24. September Kenntnis. Dass ein Widerstand 
aussichtslos war, erkannte er zum Überfluss m ), nachdem 
er wohl sofort durch Dr. Miller und vielleicht auch 
den Prior beim Nuntius Fürbitte für seine Person hatte 
einlegen lassen. Denn aus Felicians Antwort ersah er, 
dass an der Weisung nicht gerüttelt werden sollte. Nichts 
zeigte in diesem Augenblick deutlicher die Notlage, in der 
er sich befand, als dass er sich gerade Millers als Vermittlers 
bedient hatte, dem er die Überbringung seiner unvorsichtigen 
Worte an Ninguarda zum Vorwurf machen musste. 

18I > Siehe dieses abschriftlich Fase. 394 Stück 7. 

"") Hier und im folgenden wieder in Anlehnung an den Bericht, den 
ich im folgenden Absatz •Rechtfertigungsschrift« nenne; man lese Anm. 200. 



>t »ogle raaTCHUHiviHsr* 



U3Q Schell haß. 

Einer wenig später aufgesetzten, wohl für Rom be- 
stimmten Recht f er tigungsschrift wird man soviel glauben 
dürfen, dass der Abt damals kaum ernstlich an Knt- 
weichung aus dem Kloster gedacht hatte. Er mochte 
sich also jetzt mehr wie je in seiner Unschuld gekränkt 
fühlen. Allzu tragisch darf man indessen sein Los nicht 
nehmen, da er gleichzeitig ganz offen erklärte, selbst 
wenn er derartiges geplant hätte, so würde er auch 
dem Nuntius gegenüber nichts unrechtes getan haben, 
da dieser ihm doch anfangs Unterbringung in einem 
anderen Kloster der Benediktiner in Aussicht gestellt habe; 
und zu bekannten Prälaten seines oder eines anderen Or- 
dens wäre er auch jetzt gegangen »und garnicht zu leicht- 
fertigen Leuten noch auch« — wie ihm der Nuntius und sein 
Anhang vielleicht zutrauen möchten, weil man das aus ge- 
wissen und offenbaren Vermutungen annehmen könne »zu 
der neuen Religion Verwandten, welche der hochgelehrte 
Herr Dr. Miller ohne grosse Frucht und mehr als recht 
vernünftigen Leuten gefällig, zum öfteren (subinde) pflegt 

Ketzer zu schelten«. 

Die schärfere Überwachung des Abtes äusserte sich 
nach dem 23. September insbesondere während der Messe. 
Er durfte sie lesen, aber nur im Beisein des Priors, der ihn 
gleich darnach wieder einschliessen musste. Eine aus den 
Verhältnissen sich ergebende Anordnung, die aber dem 
Gefangenen zu der bissigen Bemerkung Anlass gab, er 
wundere sich, dass der Prior ihn nicht während der Messe 
an einer Kette oder an einem Strick am Fuss halten solle» 
so wie man einen Vogel oder einen Finken (Reiz- Finken) 
auf einen Vogelherd spanne. Wohl jetzt erst vermauerte 
man verschiedene Türen und Tore, deren sich der Prälat 
früher zu bedienen pflegte"' 1 ). Er brachte diese Tatsache irr- 
tümlich mit den letzten durch seine Äusserung gegen Miller 
hervorgerufenen Schritten des Nuntius in Zusammenhang, 
während man doch damit nur endlich den Anordnungen 
Xinguardas in seiner Charta visitatoria Folge leistete. 



""► Er sagt: »Jclzundcr so schlägt nian mit Schloss vor alle Türen, etliche- 
vermauert man mir . Vgl. hierzu und zum folgenden Anni. 125. 



■ l " '8 c rfimaiCH uHiviRsr* 



Zur (ieschichle der tifgcnrclormaliön im Bistum Konstanz. 2^1 

Der Vikar, der Siegelträger und der Prior kamen dem 
Abt dann, wohl von sich aus, mit der Zumutung, er solle 
ihnen geloben, dass er nicht entlaufen wolle. Funcks Aus- 
ruf in jener Schrift »Allmächtiger Gott! Wo soll ich hin- 
laufen! Habe ich doch weder Heller noch Pfennige und 
seine Vermutung, dass jene wohl von dem Angebot einiger 
Prälaten gehört hätten, wenn sie es könnten, ihm mit Gut 
und Geld zur Verfügung stehen zu wollen, beleuchten aufs 
klarste die Situation und rechtfertigen das Vorgehen dos 
Nuntius. Seltsam ist bei dem allen, dass der Gefangene 
in seiner Behandlung nicht eine Strafe für sein Verschulden, 
sondern einen Ausfluss des Übehvollcns seiner Feinde sah, 
die ihm nie und nimmer zur Wiedereinsetzung in sein Amt 
verhelfen würden, dass er aber die Hoffnung auf Wieder- 
zulassung durch den Papst noch gar nicht aufgab. 



Es war nur natürlich, dass Funck den in Meersburg 
residierenden weltlichen Statthalter des Kardinalbischofs. 
Wolgmhuett, in seinem Interesse zu beeinflussen bemüht 
war, solange der Nuntius noch in der Nähe von Meers- 
burg, in oder bei Überlingen, weilte 195 ). Schon vor der 
Verschärfung seiner Haft hatte er ihn des öfteren durch den 
bischöflichen Kanzler Heimbrand Wenglin sich günstig zu 
stimmen gesucht. Aber bald nach dem 23. erfuhr er aus Meers- 
burg, wo Ninguarda am 22. auf dem Wege nach Über- 
lingen durchgekommen war, dass jener vorläufig nicht daran 
denke, sich seiner Sache anzunehmen. Ging doch jetzt 
auch das Gerücht um, Felician wolle Alle, die dem Abt 
Hilfe und Treue erzeigen würden, exkommunizieren und 
ihrer Würden berauben. Und auf diesem Standpunkt ver- 
harrte Wolgmhuett zweifellos, als er aus Überlingen von 
Ninguardas scharfem Vorgehen gegen den Abgesetzten hörte. 
Diese Haltung musste auch der Domkapitular Johann Fetz, 
dem der Prälat das Ergebnis von Wenglins Schritten ge- 



l-a ) Das folgende in Anhhnung an einen Bericht des Kanzlers Wenglin 
vom 23. September aus Meersburg und an ein wohl aus Konstanz zu datieren- 
des Schreiben des Konstanzer Domherrn Jobann Fetz vom 27. September au 
den Abt (Fase. 394 Stück und 8, Originale). Notizen über Ketzs Persön- 
lichkeit (ehlen mir. 



i. .oogle rfiiHaTCHumviRsr* 



232 Schellhaß. 

meldet hatte, völlig billigen. Ks schien eben besser, erst 
einmal abzuwarten, wie sich die Dinge entwickeln würden. 
Man bemitleidete zwar den Unglücklichen und riet ihm, 
nicht zu kleinmütig zu sein, aber eine Milderung der Ver- 
fügungen in Anregung zu bringen, das wagte keiner. 

Johann Fetz schien im übrigen ganz besonders erbost 
auf den Prior Oechsli, vielleicht auch den Domprediger 
Miller, die beiden tatsächlichen Verwalter des Klosters Pe- 
tershausen, zu sein. Das von ihm beliebte Beiwort »Schnüffer» 
galt wohl ihnen, und zwar wegen ihrer Bemühungen, Funck 
auszuhorchen 11 " 1 ). Die Empörung darüber licss ihn an- 
scheinend eine persönliche Aussprache mit beiden meiden. 
In dieser Stimmung kam er jetzt dem Abt, dem er vielleicht 
schon vorher geraten hatte, zu appellieren oder die Ver- 
waltung selbst wieder in die Hand zu nehmen 19 '), statt mit 
ganz allgemein gehaltenen Anregungen mit wirklich posi- 
tiven Vorschlägen. Ein Bruder des Domherrn, der Cavaliere 
Kaspar, lebte, vielleicht als Vertrauensmann des Kardinal- 
bischofs Altaemps, in dessen unmittelbarer Umgebung in 
Rom ,9S ). Nichts lag also näher, als dass I* unck sich durch 
seine Vermittlung an einen ihm befreundeten Geistlichen, 
etwa einen Sekretär des Bischofs, und zugleich nochmals in 
einer Bittschrift an den Bischof selbst wandte. Der Zweck 
von allem war, letzteren um ein gutes Wort beim Papst 
zu bitten, damit der Prälat völlige Absolution für alle seine 
Verfehlungen erhalte, in seine Würde, »so er dadurch ver- 
wirkt haben möchte«, wieder eingesetzt und zur Verwaltung 
seines verarmtem (iotteshäusleins von neuem zugelassen 



,Wi ) In einem undatierten, aber in den Oktober zu setzenden Briefe- 
(Fase. 394 Stück 54 Original) schrieb er dem Abt: «Ich wäre gern selbst 
l>ei H. G.. ich mag aber diesen Schnuffer nicht soviel zu Gefallen tun, dass 
ich sie ansprechen möge«. 

"") Das Iwhauptele er Anfang Dezember, vgl. Anm. 203 und 213. 

""*) Dieser Cavaliere, den ich im Dezember 1581 und im August 1382 
im Protokoll des Konstanter Domkapitels als Abgesandten des in Rom weilen- 
den Kardinal bischofs erwähnt finde (vgl. Karlsruhe a. a. O. Protokollsammlung 
n. 7245 S. 492 und 574), wird der Bruder sein, von dem der Domherr An- 
fang Oktober in einem Briefe an Funck (vgl. Anm. 196) und der Abt am 
5. Dezember in einem Briefe an Fetz (Fase. 394 Stück 10 Original) sprechen. 
Auf diese beiden Schreiben stüt/e ich mich im folgenden. 



i. ooglc raiHaiCHUHiviRsr* 



Zur Geschichte der Gegenreformation im Bistum Konstanz. 2\X 

werde' 9 "). Aus diesem Grunde legte er in eingehender Weise 
jenem Geistlichen und kürzer dem Bischof die Tatsachen dar, 
die zur Visitation, zur Verurteilung und schliesslich zu der 
in seinen Augen ganz unangebrachten Verschärfung der 
Sentenz geführt hätten 800 ). Dem Bischof gegenüber nahm 
er zwar kurz auf die frühere für ihn aufgesetzte Supplik 
Bezug, bezweifelte aber, ob sie auch wirklich befördert 
worden sei. Die Empfindung, dass Funck Ninguarda doch 
in allem sehr nachgegeben, dieser aber sich an seine Zu- 
sicherungen wegen dessen Rückkehr in den alten Stand 
nicht gehalten habe, sollten beide Adressaten bei der Lek- 
türe haben. Jedenfalls mussten sie die Überzeugung ge- 
winnen, dass Hilfe von Rom aus dringend Not tue. Denn 
am Schluss des längeren Briefes hiess es, dass der Abt im 
Hinblick auf die letzte Verfügung des Nuntius und wegen 
verschiedener nicht näher bezeichneter Äusserungen, die 
Prior Oechsli mit oder ohne Grund Miller unterlegte, nicht 
auf Gnade rechne, sondern fürchte, man werde ihn an 
Händen und Füssen gebunden auf einem Karren nach Rom 
oder auf die Galeeren schaffen, wenn nicht gar gleich am 
ersten besten Nagel aufhängen. Etwa gegen Mitte Ok- 
tober werden beide Schriftstücke mit genauer Instruktion 
für Kaspar Fetz wegen ihrer Überreichung nach Rom ab- 
gegangen sein. 



Es war gut, dass Funck gerade jetzt zu diesem neuen Aus- 
weg gegriffen hatte, da er um den 15. Oktober die schmerz- 
liche Erfahrung machen musste, dass eben so wenig wie 
von Wolgmhuett auch von der erzherzoglichen Regierung 
in Innsbruck für den Augenblick etwas zu erhoffen sei. 
Er hatte sich ja Ende August an den Verwalter der Land- 



,ra ) Es sind Ausführungen aus Funcks schon Anm. 20 genanntem Schreiben 
(eben der Bittschrift) an den Bischof (Fase. 394 Stück 4). 

*°°) Siehe wegen der beiden undatierten, aber sicher gleichzeitig im Ok- 
tober aufgesetzten Schreiben, von denen das für einen nicht genannten »ehr- 
würdigen hochgelehrten lieben Herrn und Freund*, also einen Geistlichen be- 
stimmte (Fase. 394 Stück 52) als -Bericht« schon Öfters von mir zitiert wurde, 
Anm. 12 und 20. Man beachte die in beiden Schriftstücken sich findenden 
etwas wehleidigen Bemerkungen im Eingang. 

Ztitfchr. f. Gesch. d. Oberrh. N.F. XXXII. 2. 16 



1. .oogle rfliHaTCHUHiviRsr* 



2^4 Schcllhaß. 

vogtci Schwaben, Paul von Appetzhofen, in der Hoffnung 
gewandt, dass man sich seiner annehmen würde, da das 
Haus Österreich über Petershausen ein Schutz- und Schirm- 
recht ausübte Ä0, j. Aber in Innsbruck trug man Scheu, wie 
der Abt aus einem Appetzhofen daraufhin zugegangenen 
Schreiben des Kanzlers Moser ersah, den Verfügungen Fe- 
licians irgendwie ihre Berechtigung abzusprechen !0Z ). Auf 
die Anfrage des Verwalters, ob die Enthebung des Prälaten 
von der Administration und seine >verwahrliche« Einziehung 
mit oder ohne Wissen des Fürsten geschehen sei, musste 
Moser erwidern, dass er vor Monaten bei der Fürstlichen 
Durchlaucht auf Visitation durch Ninguarda gedrungen 
habe. Gab er also offen zu, dass er dem Erzherzog zur 
Ausfertigung jenes Mandats geraten hatte, auf dessen Wort- 
laut hin der Nuntius zur Vornahme der Visitation in Kon- 
stanz geschritten war, so äusserte er doch sein Bedauern, 
dass dem Prälaten zu Petershausen so übel mitgespielt sei; 
er habe nicht gemeint, dass der Nuntius dort oder anders- 
wo so vorgegangen sein würde; aber was autoritate pon- 
tificia geschehe, darüber könne der Fürst nicht ein neues 
Verfahren eröffnen (retractierenj. Er hielt es schon fast für 
ein Wagnis, dass er dem Abt unter Umständen sein Beileid 
ausdrücken lassen wollte. Ein solcher Gedanke wäre ihm 
wohl überhaupt nicht gekommen, wenn er damals schon 
von dem neuen Erlasse Ninguardas Kenntnis gehabt hätte. 
Tröstlich empfand der Kanzler die Kunde, Funck habe 
resigniert und sei nicht »entsetzt« worden. Er gab in dem 
allen offenbar die Ansicht seines Herrn wieder, der wenige 
Tage später, am 7. Okteber, auf Appetzhofens Sendung 



m ) Vgl. Anm. IIb. 

;o * i ) Quelle hierfür und für das folgende sind ein Schreiben Appelzhofens 
vom 3. September an den Abt und vom 12. an Erzherzog Ferdinand, beide 
aus Altdorf datiert (erstcres abschriftlich, letzteres im Original — mit dem Ver- 
merk* dass es am 24. überreicht, am 6. Oktober beantwortet sei — Innsbruck 
Statt halterei- Archiv Ferdinandea tot 293 n. 374)» ferner ein in Fase 394 
Stück 9 liegender Auszug (ohne Adresse) aus einem Schreiben Moseis vom 
30* September aus Innsbruck und die Antwort des Erzherzogs aus Innsbruck 
vom 7. Oktober (Innsbruck a # a* (X Amraser chronologische Akten 1579 Hof- 
sachen Konzept). 



' ^ ' 00 £\l^ fölHaTONUHIVEfr 



Zur (ieschichtc der Gegenreformation im Bistum Konstanz. 2%S 

kurz und bündig mit dem Hinweis auf jenes Mandat er- 
widerte, bei dem es sein Bewenden haben solle. 



Konnte aber nicht der Abt von Stein, Martin Geiger, 
ihm jetzt zur Aussöhnung mit seinen Konventualen und 
dadurch zur Besserung seiner Lage verhelfen? Geiger war 
ja in gewisser Beziehung sein Leidensgefährte, da ihm näm- 
lich der Nuntius auferlegt hatte, sich wegen seines Lebens 
im Konkubinat einer dreimonatlichen Haft im Konstanzer 
Predigerkloster zu unterziehen i0 % Er musste also besser 
als viele andere verstehen, wie ihm zu Mute war, ganz da- 
von abgesehen, dass sie augenscheinlich immer in engen 
freundschaftlichen Beziehungen zu einander gestanden hatten. 
Wenn nun Geiger, vielleicht Mitte November, einem dahin- 
gehenden Gesuche seines Kollegen zu entsprechen und auf 
den Prior Oechsli einzuwirken bereit war, so trug er doch 
Bedenken, nach Petershausen selbst zu gehen. Er hatte 
nämlich bisher gar keine Anstalten getroffen, angeblich 
weil ihm »Unvermöglichkeit und zufallender Flusse, also 
anscheinend heftiger Rheumatismus, weder nach Peters- 
hausen herauf noch anderswohin zu reisen gestattet hatten, 
sich der ihm auferlegten Busse zu unterziehen. Nun hörte 
er vermutlich von Dr. Millers Rückkehr aus Schwaben, 
wohin dieser, wie erwähnt, Ninguarda bis an die Grenze 
der Konstanzer Diözese hatte geleiten wollen. Seine Be- 
fürchtung, dass der Domprediger, dein neben Oechsli in 
erster Linie die Verwaltung des Klosters Petershausen von 
Felician übertragen worden war, ihm wegen seiner offen- 
kundigen Saumseligkeit hart zusetzen könnte, war nur zu 
begründet. Er Hess daher, wie es scheint, den Prior halb- 
wegs zu sich kommen, um ihm die Wünsche des Gefan- 
genen nach einer Vereinbarung und einem Ausgleich vor- 
zutragen, und versäumte gleichzeitig offenbar nicht, mit 
dem Hinweis auf seine Gesundheit Miller sowohl durch den 



703 ) Vgl. Anm. 143 und zum folgenden einen Brief des Dr. Jakob K -zier 
an Abi Christoph vom 22. November aus Überlingen und des Priors Oechsli 
vom 27. November aus Petershausen an Abt Martin (Fase. 394 Stück 12 und 13 
Originale, das letztere mit dem Vermerk auf der Adresse >zu selbst Händen. 
Bühel!.). 

16* 



t roogle (fiiHcinwiMiiviRöry 



=3* 



Schcllhalt. 



Prior als durch einen Abgesandten wegen seines Fernblei- 
bens von Konstanz um Entschuldigung zu bitten. Oechsli 
bat ihn darauf brieflich am 27. November, zugleich im Na- 
men seiner Fratres, dem Abt doch zu verstehen zu geben, 
dass man ihm wegen der Zwietracht im letzten Jahre nicht 
grolle und das nämliche auch von ihm erwarte. Klang 
dies verheissungsvoll, so zerstörte alle sich regenden Hoff- 
nungen die entschiedene Erklärung, dass sie im übrigen 
den Anordnungen der Visitation nachkommen und den Be- 
schlüssen päpstlicher Heiligkeit entgegensehen müssten; ihre 
Beschwerden bestünden auch heute noch zu Recht und sie 
könnten nicht mit sich selbst in Widerspruch treten, weil 
alles Wahrheit sei. Recht niederdrückend klang daneben 
die von Oechsü übermittelte Bemerkung Millers, dass er 
Geiger in Person aufsuchen und ihm darlegen wolle, 
warum er willig zu ihnen heraufkommen solle. Denn der 
Domprediger hatte damit die Warnung verbunden, dass man 
im anderen Falle den weltlichen Arm um Hilfe anrufen 
werde. Es waren Äusserungen, die (ieiger in nachhaltigster 
Weise in seinen Handlungen beeinflussen sollten. 

Oechslis Ausführungen mussten Funck von neuem be- 
fürchten lassen, dass man zu seinen Gunsten nicht ent- 
scheidend einzugreifen gedachte. Allerdings sollte noch am 
iq. November der Weihbischof, der vermutlich von Miller 
wusste, dass Ninguarda die Supplik des Abtes von Ende 
September nach Rom gesandt hatte, geäussert haben, die 
Sache des Abtes stünde gut-*"). Das hinderte aber nicht, dass 
man bei dem Schweigen der Kurie und weil der vom 
Nuntius seinerzeit genannte Termin von 6 oder 8 Wochen 
iür die etwaige Wiedereinsetzung des Prälaten bereits über- 
schritten war, immermehr von der Wahl eines Nachfolgers 
sprach. Anfang Dezember glaubte der Abt von seltsamen 
Praktiken zu wissen, als wenn sich Andere des Gottes- 

30t ) Vgl. liicmi und zum folgenden jenen Brief Kaszlers und das Anm. 198 
genannte Schreiben des Abtes vom 5. Dezember und wegen der im Text er- 
wähnten 6 oder 8 Wochen Anm. 1 90 und 207. Ober Planta siehe meinen 
dritten Portia-Band (N.B. III 5) im Register. 



'- 'OOgle reiHanWlMHVlBSiry 



Zur Geschichte der ( legen relormation im Bistum Konstanz. 2*7 

hauses gern annehmen wollten. Dass hierbei der Dekan von 
Chur, der Herr von Planta, eine vortreffliche Persönlichkeit, 
und Dr. Miller als Kandidaten genannt wurden, also nicht dem 
Benediktinerorden angehörige Männer, zeigte schon das Halt- 
lose dieses Geredes. Recht merkwürdig klang es auch, wenn 
man Wolgtnhuett die Absicht unterschob, seinen Propst zu 
Schienen, das heisst den Propst der Augustiner-Chorherren 
zu Ohningen, an Funcks Stelle bringen zu wollen. Es 
waren Gerüchte, die auf eine nervöse Erregung der nächst- 
beteiligten Kreise hindeuteten. 



Xur zu begreiflich war es, dass der Abt in seintr 
Lage schon seit längerem erwogen hatte, ob er sich nicht 
durch einen Protest und eine Appellation vor weiteren Schädi- 
gungen sichern solle. Dazu hatte ihm bereits am 3. September 
Appetzhofen geraten, und auch Fetz hatte schon gelegent- 
lich diese Ansicht vertreten 205 ). Ernstlich in Erwägung ge- 
zogen hatte es Funck aber wohl erst seit Mitte November, 
nachdem er, vielleicht mittelbar durch Miller, zu wissen 
glaubte, dass sich der Nuntius unterwegs in andern Klöstern 
in absprechendster Weise über die im Kloster Petershausen 
herrschenden Zustände geäussert habe. Man versteht, dass 
er in seiner Absonderung von der Aussenwelt ein derartiges 
Dokument nicht allein abfassen konnte und zur Aufsetzung 
einer rechtskundigen Persönlichkeit bedurfte. Er fand sie in 
einem Verwandten wohl des bischöflichen Siegclträgers Ulrich 
Raszier, in Jakob Raszier, der in Überlingen augenscheinlich 
als Advokat lebte und, wie ein noch zu nennender Bruder 
Georg, dem Prälaten besonders nahe gestanden haben mag. 

Jakob verriet den gewiegten praktischen Juristen, als 
er bei Übersendung eines Entwurfs» den er in angestrengter 
Tätigkeit bis zum 22. November lateinisch niedergeschrieben 
hatte 20C ) t übrigens auf Veranlassung Kuncks und offenbar 
ganz in dessen Sinne, schon Verhaltungsmassregeln für den 
Fall einer Wahl gab. Von seinem Rat, vor dem Wahlakt 

Hij Appetzhofen in dem Anm. 202 genannten Briefe. Wegen di*s Domherrn 
siehe Anm. 197 u. Anm. 213. Vgl. zum folgenden den Anm. 206 genannten Protest. 

™) Er befindet sich von seiner Hand Fase. 394 Stflck 63 ; in dem Anm. 201 
genannten Briefe vom 22. November haben wir die Begleitzrüen vor uns. 



r OOglc raatc« umwirbt* 



238 SchclIhaK- 

nach einer ausdrücklichen Verfügung des Papstes zu fragen 
und sich bei der Gelegenheit eine ordentliche Versorgung 
und die Bezahlung der im Interesse des Klosters aufgenom- 
menen Schulden zusichern zu lassen, konnte man vielleicht 
später Gebrauch machen. 

In Raszlers Arbeit hatte Funck also einen Protest, der 
in eine Appellation an den Papst ausklang, vor sich gegen 
die ganze ihm zu Teil gewordene Behandlung, Hervor- 
gehoben wurde im Eingang, dass die Visitation in Gegen- 
wart auch des weltlichen Magistrats erfolgt sei, der durch- 
aus kein Anrecht auf das Kloster habe- Daran reihte sich die 
Behauptung» aber nicht deren Begründung, dass die Sentenz 
vom 6. September, die ohne Rücksichl auf Funcks Verlangen 
nach einer nochmaligen Prüfung gewisser seiner unvorsich- 
tigen Aussagen und ohne vorherige Prüfung der von ihm 
eingereichten Belege über seine Verwaltung erfolgt sei, sich 
auf durchaus falschen Anschuldigungen aufbaue. Man tadelte 
an ihr insbesondere die Art und Weise, wie sie über die 
Person des Prälaten verfügte, und bezeugte schärfstes Miss* 
trauen gegen den Nuntius, weil er die über Funck verhängten 
Strafen nachträglich noch auf erdichtete Beschuldigungen 
hin verschärft habe. Wenn man bei den Gegnern des 
Abtes die Absicht voraussetzte, dass sie seine Wiederein- 
setzung auf jede Weise verhindern würden, so stützte man 
sich auf die Tatsache, dass Ninguarda zwar Befürwortung 
einer Supplik des Ables in Rom zugesichert, sie aber nach 
längerer Zeit noch in Händen gehabt hatte und dass auch 
die Frist, innerhalb derer er eine Verfügung aus Rom in 
Aussicht gestellt hatte, schon längst verflossen war*- 07 ). Nur 
ein Protest und eine Appellation gegen die Unrechtmässig» 
keit der Untersuchung, der Visitation und der auf dieser 

fussenden Sentenz und gegen die von ihr veranlassten An- 
ordnungen schien hier helfen zu können. Man untcrliess 
es dabei nicht, anzudeuten, dass etwaige Schwächen der 

Wl ) Im Kniwurf ist von keiner hcstimmU-u Zeit die Rede (*n lempus* 
stchi dort über durchstrichenem -sesqui menses^); gemeint sind aber, wie die 
sofort zu nennende durchkorrigierte Kopie «igt» die 6 oder 8 Wochen» die 
Ninguarda am 4. und wiederum am 21. September dem Alu als Termin Ins 
*nr Ankunft einer Entscheidung aus Rom genannt hatte; vgl. Amn. 190 und 
Amn. 204, 



t rooglc MHaTowiMmw: 



Zur Geschichte der Gegenreformation Im Bistum Konstanz. 23Q 

Beweisführung Funck bei bem Mangel an rechtskundigen 
Beratern zu gute gehalten werden müssten. 

Raszier suchte den Ausführungen jede unnötige Schärfe 
fernzuhalten, hatte aber nachher doch den Eindruck, dass 
an einer Stelle die rücksichtslose Wahrheit der Darstellung 
auf der anderen Seite erbittern müsse. Er hatte nämlich 
betont, dass anderen Prälaten trotz ähnlicher Anschul- 
digungen, deren Berechtigung Funck für seine Person nur 
bis zu einem gewissen Grade anerkannte, unterwegs vom 
Xuntius nicht so übel mitgespielt worden sei, und des wei- 
teren darauf hingewiesen, dass der Xuntius in einigen 
Klöstern von den angeblichen Ausschreitungen des Prälaten 
gesprochen haben sollte* Ein solches Gebaren scheine diesem 
im Widerspruch mit dem kanonischen Recht und mit den 
Pflichten eines gewissenhaften Visitators zu stehen, über die 
der Abt ja aus eigener Erfahrung urteilen könne, da er 
im Namen des Bischofs in Osterreich Klöster visitiert habe. Da 
Funck einer Randbemerkung Raszlers wegen etwaiger Aus- 
merzung dieser Stelle keine Beachtung schenkte, so blieb sie in 
einer zu Petershausen angefertigten durchkorrigierten Kopie 
und noch dazu in etwas schärferer Fassung stehen 208 ). Ton und 
Charakter der Ausführungen wurde auch dadurch bestimmt. 
Bei der Übermittlung der auf diese Weise in ihren Grund- 
zügen festgelegten »Schedula appellationis*, der Razsler die 
Sentenz vom 6. September beilegte, bat er am 22. November 
den Abt, den Text insbesondere auf die Latinität hin nach 
Belieben zu verbessern und die Namen der Personen und 
anderes, das er der Kürze halber ausgelassen habe, hin- 
zuzufügen; und er riet ihm, das Stück mit eigener Hand 
abzuschreiben, denn sonst würden die Worte, die er ihm, 
um Mitleid zu erregen, in den Mund gelegt habe, in einem 



w ^ Etwa die ersten drei Viertel der Kopie finden sich Fase 394 
Stück 61, das letzte Viertel ebendort Stück 62 (vgl. Anm. 112). Genauer *u 
datieren ist die Abschrift nicht» wenn es auch bestimmter als im Entwurf, wo 
nur von *n< Wochen die Rede ist» heisst, dass seit dem engten dem Abt in 
Aussicht gestellten (praefixo) Termin, nämlich seit dem 4. September, Über den 
Tennin (der 6 oder 8 Wochen) 4, seit dem zweiten Termin aber, nämlich 
seit dem 21. September, 2 Wochen verflossen seien, für die (quibus) die Ent- 
scheidung aufgeschoben wurde. Immerhin kann mau daraus schliessen, dass 
die Abschrift Ende Noveinl>er oder im Laufe des Dezember angefertigt wurde. 



t lOoglc raiHaio«uMiY[H5*r* 



2 4 



SchtllhaH. 



seltsamen Lichte erscheinen, dass nämlich Adressatem die 
Verteidigung und die Ratschläge erfahrener.* das heisst 
juristisch gebildeter, Leute abgeschnitten seien. Eine Be- 
merkung, die tief blicken lässt 

Der Wortlaut des Schriftstücks, dessen Entwurf sich 
Raszier auf alle Fälle für künftigen Gebrauch zurückerbat, 
gefiel offenbar dem Prälaten. Denn in der von ihm veran- 
lassten Abschrift wurden umfangreichere Änderungen kaum 
vorgenommen, nur manche Stellen schärfer gefasst. Schärfer 
wie im Entwurf wurde auch an einer von Razsler kenndich 
gemachten Stelle 2011 ) hervorgehoben, dass bei der Haltung 
der Gegner auf Wiedereinsetzung in die Würde kaum zu 
rechnen sei. Allerdings hätte Raszier hier wohl lieber 
einen direkten Hinweis auf die, wie es ihm und Funck 
schien, in drohender Nähe stehende Neuwahl gesehen. 
(Fortsetzung folgt.) 

*°*) Mit den Worten: bis inserenda sunt ea gravamina, quae nunc de 
novo inferri circa electioncm apparebit. 



.gle 



minoren UHMt^rv 



Zu Goldasts Aufenthalt in St Gallen. 

Von 
Traugott Schieß. 



Aus Karl Zange meistere Aufsatz »Zur Geschichte der 
grossen Heidelberger, sog. Manessischen Liederhandschrift«') 
ist bekannt, dass sich diese Handschrift um das Jahr 1600 
längere Zeit in St. Gallen in den Händen des Dr. Bartho- 
lomäus Schobinger befunden hat und daselbst auch von 
Goldast benutzt worden ist. Zangemeister, dem es vor allem 
darum zu tun war, den Nachweis zu führen, dass die Heidel- 
berger Bibliothek auf die berühmte Handschrift schon recht- 
liche Ansprüche besass, bevor sie durch den Freiherrn Johann 
Philipp von Hohensax nach seiner Herrschaft Forsteck im 
Rheintal gebracht wurde, hat die Zeugnisse hierfür in solcher 
Vollständigkeit zusammengebracht und namentlich Goldasts 
Briefwechsel so erschöpfend ausgebeutet, dass die gering- 
fügigen Ergänzungen, die zu seinem Bericht gegeben 
werden können, es nicht rechtfertigen würden, auf den 
Gegenstand zurückzukommen, wenn über Goldasts Aufent- 
halt in St. Gallen weiter nichts bekannt wäre. Es sind aber 
im Briefwechsel und in den Schriften Goldasts darüber noch 
allerlei bisher nicht im Zusammenhang verwertete Notizen 
enthalten, die im Verein mit einigen Aktenstücken aus 
dem Stadtarchiv S\. Gallen recht interessante Aufschlüsse 
über den merkwürdigen Mann und seine ersten Publi- 
kationen, wie über seine Arbeitsweise und seinen Charakter 
gewähren. 



') Westdeutsche Zeitschrift, Bd. VII uS88>, S. 325 ff. 



'" "OOgk IBIMCtKWUHIVl«: 



2 4 2 Schieß. - , 

Melchior Goldast oder Guldinast l ) von Espen bei Bischofs- 
zeil im KL Thurgau war 1576 oder 1578 geboren und ent- 
stammte einem Geschlecht, das von ihm selbst zwar als 
sehr alt und vornehm gepriesen wird (er nannte sich stets 
Goldast von Haiminsfeld 2 ), jedoch mindestens zu seiner Zeit 
nicht sehr begütert war. Wegen guter Anlagen für das 
Studium bestimmt, bezog er die Universität Ingolstadt und 
widmete sich daselbst nicht nur der Rechtswissenschaft, 
sondern auch der Philologie mit grossem Eifer. Diese 
Studien setzte er in Altdorf fort, wo wir ihn im Februar 
1598 finden, musste sie aber im gleichen Jahr, noch ehe 
er den Doktortitel erworben hatte, abbrechen, weil seine 
Mutter ihm die Mittel zu ihrer Fortsetzung nicht mehr 



l ) Vgl den Artikel von Eugen Gonzenbach (Stiftsarchivar in St, Gallen) 
in der Allg. Deutschen Biographie, Bd. IX, S. 327 ff. Gonzenbach, der sich 
für Goldast besonders interessierte (wohl deshalb, weil dessen Mutter eine 
Gonzenbach war, s. Stumpfs Chronik, Ausg. von 1606, f. 431-1}» hat in Grass es 
Tresor de 1 vres rares m, 107 ff. eine Zusammenstellung von Goldasts Werken 
gegeben und selbst eine grössere Zahl derselben erworben, die aus seinem Nach- 
lass an die Stadtbibliothek (Vadiana) St, Gallen übergangen sind- Auf Collec- 
tanea Gonzenhachs im Stiftsarchiv, die ebenfalls Goldast betreffen» hat mich 
Herr Stiftsarchivar Jos, Müller aufmerksam gemacht. Sie enthalten ausser 
bibliographischen Notizen Abschriften von Widmungen und Vorreden ver- 
schiedener Werke und einiger in Basel liegender Briefe etc. Auch die beiden 
Aktenstücke aus dem Stadtarchiv, von denen im Nachstehenden die Rede sein 
wird, hegen in eigenhändiger Abschrift von Gonzenbach bei, sind aber in dem 
Artikel in der A.D.B- nicht verwertet. Das Verordneten- Protokoll scheint er 
nicht gekannt zu haben. — *) Schon im Jahr 1220 kommt in einer St, Gallcr 
Urkunde» die allerdings nicht mehr in St. Gallen liegt, sondern nur aus Goldasts 
Al;imannicarum rerum scriptores bekannt ist (Wartmann, Urk.-Rueh d. Abtei 
St- Gallen III, Nr, 880), ein »Gerungus Goldastus pnenominatus de HaimevelU 
vor. Der Zuname ist jedenfalls von dem Dftrfchen Hamisfeld bei Dozwil, 
Gemeinde Hefenhofen, im thurgauischen Bezirk Arbon, wenige Stunden von 
Bischofszell, entlehnt- Später hatte die Familie ihren Sitz in Bischofszell, 
wohin nach Goldasts eigener (Erzählung in den Bemerkungen Über den Kon* 
stan/' : Reformator Johannes Zwick in der Vorrede zu Bd, III der Alainann. 
rer, Script. (1606), womit Stumpf (1606), f- 431b übereinstimmt). Zwick den 
Vater Goldasts, Heinrich G. t >an:iuu sua? nepotem*, mit sich genommen hatte. 
Dem, was Goldast anderwärts von seiner edlen Abstammung zu erzählen weiss, 
ist die höchst bescheidene, der Wahrheit jedenfalls weit näher kommende Art 
gegenüberzustellen, mit der er sich über sein Geschlecht in der Verantwortung 
äussert, s. unten S. 255. 



[ ;<>ogle 



iRwaivMuwvrft^Ti 1 



Goldasts Aufenthalt in St. Gallen. 243 

gewähren konnte l ), und kehrte im Sommer 1 59S nach 
Bischofszeil zurück. 

Er scheint sich nun vor allem an Professor Johann 
Wilhelm Stucki 2 ) in Zürich, mit dem er verwandt war (er 
nennt ihn affinis), gewandt zu haben, mit der Bitte, ihm 
zu einer passenden Stelle zu verhelfen. Wirklich bemühte 
sich Stucki für ihn und suchte ihm durch Empfehlung bei 
seinem Verwandten (affinis) Daniel Studer 3 ) von St. Gallen, 
einem reichen Kaufmann, die Stelle eines Erziehers von 
dessen einzigem Sohn Daniel zu verschaffen. Aber die 
Eltern konnten sich nicht entschliessen, den erst dreizehn- 
jährigen, etwas schwächlichen Knaben schon in die Fremde 
zu schicken. Besseren Erfolg hatte eine Empfehlung Studers 
bei seinem Verwandten Dr. Bartholomäus Schobinger, der 
im Dezember des Jahres, nachdem Goldast schon zwei 
Briefe an ihn gerichtet hatte, diesen zu einem Besuch -in 
St. Gallen aufforderte'). Als kurz nachher (6./16. Januar 
1599) Schobingers Vater starb, verfasste Goldast ein Epice- 
dion mit einer Paraanesis an den Sohn des Daniel Studer. 
Der Doktor sprach ihm dafür anfangs Februar 1599 seinen 
Dank aus und wünschte, dass das Gedicht gedruckt werde, 
jedoch mit der Abänderung, dass die Paraenesis an seinen 
eigenen Sohn David gerichtet werden sollte, nicht an den 
jungen Daniel Studer, den der Vater trotz grossen Reich- 
tums nicht den Wissenschaften, sondern dem Merkur widmen 

') Er inusstc seinem Lehrer und Hausherrn, Prof. Konrad Kiitcrshaus, 
eine giossere Summe (52 fl.i schuldig bleiben und konnte sie erst nach etwa 
anderthalb Jahren bezahlen, s. die 1688 erschienene Ausgabe von Goldasts 
Briefwechsel »Virorum clarorum et doctorum ad M. Goldastuin . . . epislola: 
ex bibiiothecu Henrici Günteri Thülcmarii« (im folg. stets mit »Epist.« zitiert), 
Nr. 3, 9, 11 u. 13. Goldasts Vater lebte nicht mehr; die Mutter war zum 
zweitenmal verheiratet, Epist. 3. — *) Johann Wilhelm Stucki (1542 — 1607), 
Chorherr und Professor der Theologie in Zürich. — s ) Daniel Studer von 
St. Gallen (1548 — 160Q), gehörte der Linie, die sich >Studer von Rebstein« 
nannte, an und war verheiratet mit Anna Schobinger, einer Tante des Dr. Barth. 
Schobinger. Sein einziger Sohn Daniel (zwei früher geborene des gleichen 
Namens und ein Hans Jakob waren bald nach der Geburt gestorben), 1585 
— 1648, ist jener Daniel Studer, der einen Bericht über eine Gesandtschaft 
nach Paris v. J. 1634 abgefasst hat, s. die Publikation von H. Wartmann, 
St. Galler Mitteilungen, Bd. 32. — *) Epist., Nr. 2 (4./14. Aug.) und Nr. 4 
{19/29. Dez. 15981. 



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244 



Schieß. 



wolle 1 ). Über die getäuschte Erwartung suchte er Goldast 
zu trösten, indem er ihm nicht nur seinen Beistand ver- 
sprach, sondern auch finanzielle Unterstützung in Aussicht 
stellte. Das Gedicht wurde in Zürich gedruckt'-), und bald 
nachher leistete Goldast einer Aufforderung, Schobingers 
Haus- und Studien genösse zu werden, Folge. Schon an- 
fangs April hatte er in dessen Haus und auf seinen Wunsch 
eine Schrift des Valerian, Bischofs von Cemele bei Nizza, 
abgeschrieben und mit Erläuterungen versehen 3 ); in den 
folgenden Monaten finden wir ihn bis in den Herbst 1599 
hinein dauernd in St. Gallen, neben philologischen Arbeiten 
eifrig beschäftigt mit der Erforschung der ältesten st. galli- 
schen Geschichtsquellen '). 

Über den Dr. Bartholomceus Schobinger ist leider nur 
wenig bekannt. Er gehörte einer vermöglichen und sehr 
angesehenen Familie an. Sein gleichnamiger Grossvater 
(1500 — 1585), der einen einträglichen Eisenhandel betrieben 
hatte, war zu Lebzeiten der reichste St. Gallcr gewesen. 
Er soll auch die Wissenschaften sehr geschätzt haben und 
ist namentlich dadurch bekannt geworden, dass Paracelsus 
eine Zeitlang im Hause seines Schwiegervaters lebte 5 ). Aus 
zweiter Ehe mit Helene Studer hatte er einen Sohn David 

') Epist.. Nr. 5 ( 1 . .■' 11. Febr. 1599)- — J ) »Epiccdia super obitu Davidis 
Schobingi, senatotis S. Galluni, ... ad Banholoroamra filium«. Die Widmung 
von Mclior Ammonovcllo Guldinaslus< isi datiert: 4. eid. Jan. (d. h. 10./20. Jan.) 
1 599«. Ein Brief an Schobinger, aus Wattn Haus in Zürich datiert, vom 
23. April (3. Mai) 1599 macht den Schluss. Er zeigt, dass Schob, schon 
Goldast die Handschrift der I.eges Salica.', Ripuarionum, Alamannorum (Ms. 
338 der Vadiana) zugesandt, andere Pläne offenbar mit ihm besprochen und in 
Aussicht gestellt hatte, dass er ihn nach Genf empfehlen und unterstützen 
werde. — 3 ) So gibt Goldast selbst in der 1601 erschienenen Ausgabe des 
Valerian am Schluss (S. 156 f.) an: .Dictum « descriplum S. GalU in axlibus 
Schohingeri pridie nonas Aprilis ipso Isidori nostri festo die 1599«. d. h. am 
4./ 14. April (in St. Gallen wurde sehr lange der alte Kalender beibehalten). 
In der Verantwortung sagt er, er habe etwa um Pfingsten (27. Mai) 1599 
»lein Dr. Schobinger etliche Epicedia auf den Tod seines Vaters im Druck 
zugestellt und sei daraufhin von ihm eingeladen worden, eine Zeitlang sein 
Haus zu teilen. Es muss also G. vorher, anfangs April (vgl. die vorangeh. 
Anm.), sich nur vorübergehend bei Schobinger aufgehalten haben. — *) Epist., 
Nr. 6—8 u. 10—13. — 5 I ^°* r den alteren Barth. Schobinger hat E. Hahn 
in seinem Aufsalz -Eine Porträt im-daille von Friedr. Ilagenauer*, Auz. f. 
Schweizer Altertumskunde, X. F. XIII (I^II), S. 18; ff. Mitteilungen gemacht. 



i. .oogle iswatcHUHivimirv 



Goldasts Aufenthalt in St. Gauen. 245 

053 1 — 1 599)- dessen Sohn Bartholomäus, Goldasts Gönner, 
war am 22. August 1566 geboren. Er hatte Jurisprudenz 
studiert und allem Anschein nach weite Reisen gemacht. 
Goldast sagt von ihm, dass er viele Sprachen verstanden 
habe, namentlich Italienisch, Französisch und Spanisch, da 
er die Akademien in diesen Ländern besucht habe 1 ). Auch 
in Deutschland scheint er wohlbekannt gewesen zu sein. 
Als 1.502 dem im Dienst des Kurfürsten Friedrich IV. von 
der Pfalz stehenden Freiherrn Johann Philipp von Hohensax 
die Herrschaft Forsteck im Rheintal zufiel, übertrug er deren 
Verwaltung dem ihm befreundeten Dr. Schobinger, der auch 
1596 nach der Ermordung des Freiherrn vom Zürcher Rat 
als einer der Vormünder der Witwe bezeichnet und mit 
der Besorgung der Angelegenheiten in Forsteck betraut 
wurde *). 

Neben seinen juristischen Geschäften befasste sich Scho- 
binger, der selbst eine reichhaltige Bibliothek besass, eifrig 
mit literarischen und antiquarischen Studien. Diese Lieb- 
haberei gab Anlass dazu, dass er die Liederhandschrift, 
welche der verstorbene Freiherr von Heidelberg nach Forst- 
eck gebracht hatte, mit Erlaubnis der Witwe nach St. Gallen 
nahm und zeitweise auch weiter auslieh an Freunde, die 
seine Liebhaberei teilten, wie der Herr von Schellenberg 
auf Randegg 8 ). Gegen Ende Dezember 1597 sandte dieser 
die Handschrift an Schobinger zurück 1 ), der sie fortan bei 



') Alamann. rer. script. III, Vorrede, in den Bemerkungen über Dr. Barth. 
Schobinger. Kollegienheflc desselben aus Padua und Siena sind in der Vadiana 
(Ms. 99 und loo) erhalten. — *) Vgl. Zangemeister, a. a. O. und die von ihm 
genannte Arbeit von Zellcr-Wcrdmüllcr über den Kri'iherrn von Hohensax im 
Jahrb. f. Schweizer. Gesch. Bd. III (1878), S. 51 ff. — =■) Hans von Schellen- 
berg, Herr zu Hüfingen, Stauffcn und Randegg, ein begeisterter Verehrer der 
Altertumsforschung, s. C. A. Bächtold in der Einleitung zur Ausgabe der 
Riigcrschen Chronik, Bd. I, S. 19 ff. — *) S. unten die Beilage I. Ohne 
Zweifel hat damals, nicht erst mehrere Jahre später, auch Rüger von der Hand- 
schrift Einsicht nehmen können. Ein Bruchstück des Briefes ist ohne Datum 
von Goldast in den Harametici (s. unten S. 248, Anm. 2), S. 271 mitgeteilt. 
Das Origirml befindet sich in einem Briefbanri der Bremer StadtbibHothek, der 
vor mehreren Jahren für die Ausgabe der Vadian-Briefe zu nochmaliger Kollation 
nach St. Gallen gesandt wurde und dem ich damals eine Abschrift entnahm, 
da ich schon 1903 Über Goldasts Beziehungen «11 St. Gallen im Histor. Verein 
»eferiert hatte, weshalb der Brief meine Aufmerksamkeit erregte. 



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2,j6 Schieß. 

sich behielt. Auch nach seinem Tod wurde sie nicht sofort 
der Freifrau zurückgegeben, sondern blieb noch bis in den 
Sommer 1605 in St. Gallen unter obrigkeitlicher Verwahrung, 
weil sich ein nicht näher bekannter Streit an sie knüpfte'). 
Ob sie dann von St. Gallen nach Forsteck oder direkt nach 
Zürich kam, wo sie im Jahr 1607 wieder auftaucht, ist 
nicht sicher bekannt-. 

Schobinger hatte den Plan gefasst, die Liedersammlung 
herauszugeben 3 ), und sah es deshalb nicht gern, dass auch 
andere sich um sie bemühten. So werden wir es wohl zu 
erklären haben, dass er im Jahre 1601 auf eine Anfrage 
Frehers den Bescheid erteilte, sie sei verbrannt. Die An- 
nahme, dass er sich die Handschrift aneignen wollte, steht 
in Widerspruch mit der ängstlichen Gewissenhaftigkeit, mit 
der er Goldast gegenüber auf Rückgabe der aus der Kloster- 
bibliothek entlehnten Bücher drang 4 ). Und wenn er, eben- 
falls im Jahr 1601, als Goldast ihm die Ausgabe des Vale- 
rian zusandte, worin auf die Handschrift hingedeutet ist mit 
den Worten: »Exstat apud generosum baronem etc. monu- 
mentum poeticum«, den Wunsch aussprach, dass Goldast 
lieber den »generosus baro* nicht hätte erwähnen, sondern 
sagen sollen, er habe das Buch bei ihm gesehen 6 ), so lässt 
sich auch das erklären aus dem Wunsch zu verheimliphen, 
dass es sich um die Heidelberger Sammlung handle, die 
schon Aufmerksamkeit erregt hatte. Jedenfalls hätte Goldast. 
dem übertriebene Gewissenhaftigkeit nicht eigen war, von 
sich aus eine entsprechende Wendung gebraucht, wenn ihm 
irgendwie bekannt gewesen wäre, dass Schobinger die Hand- 
schrift für sich behalten wolle. Gerade von seiner Seite 
aber liegt, wie wir sehen werden, eine Aussage über sie 



') S. unten die Verantwortung tioldasis. Wenn dort gesagt ist, dass die 
Handschrift bei Bürgermeister Rcuilinger hinterlegt sei, so darf daraus wohl 
geschlossen werden, dass sie 1604 bei Schobingers Tod in obrigkeitliche Ver- 
wahrung genommen worden war; denn 1605 war Jakob Spengler regierender 
Bürgermeister, 1604 dagegen Joachim Reutlinger. — *) Die unten, S. 24-7, Anm. 1, 
angeführte Notiz spricht für ersteres. — :| J Auch hierüber gibt die Verant- 
wortung G.s nähere Auskunft, s. unten. — *) Hpist., S. 59. Vgl. die unten 
folgenden Mitteilungen über eine Handschrift des Martianus Capella. — s ) Epist. 
Nr. 45 (28. Juli ;. Aug. 1601). 



i. roogle raiHdiCHUHiYiRsr* 



Goldasts Aufenthalt in St. Gallen. 



247 



vor, die jeden Zweifel über das rechtliche Verhältnis aus- 
schliesst ! ). 

Zur Unterstützung bei der beabsichtigten Herausgabe 
der Liederhandschrift und bei ähnlichen Unternehmungen 
wurde von Schobinger im Jahr 1599 Goldast nach St. Gallen 
gezogen, und schon während dieses ersten Aufenthaltes oder 
dann im Jahr 1603 ist im Hause des Doktors und auf seine 
Anregung ein Büchlein mit dem Titel »Hypomnemata in 
Aulicorum Poetarum Carmina sive Odas Eroticas* entstanden, 
das noch heute in der Vadiana aufbewahrt wird 2 ). Es ist 
von Goldasts Hand geschrieben und enthält die ersten An- 
fänge zu einem Kommentar zur Liederhandschrift. Auch 
eine Abschrift der Sammlung wurde begonnen, aber nicht 
zu Ende geführt 3 ); noch weniger kam die Publikation zu- 
stande. Nur einige Bruchstücke aus den Gedichten Walthers 
von der Vogelweide sind in der i- Ausgabe des Valerian 
(1601) und König Tirol, Windsbecke und Windsbeckin in 
den Parcenetici (1604) von Goldast mitgeteilt worden. Scho 
bingers Tod machte den schönen Plan zunichte. 

Neben der Herausgabe der Liederhandschrift hatte 
Schobinger auch die Veröffentlichung von Vadians Schriften 
in zwei Bänden geplant Auch dieses Vorhaben ist nicht zur 
Ausführung gelangt. Doch hat Goldast wenigstens eine 
grössere Schrift Vadians 4 ) nach einer von Schobinger an- 



'} S .unten die Verantwortung* Auch die Anmerkung in den Additiones zu 
Vadians Farrago» Alamann. rer. scripta III {1606)» S. 145, wo gesagt wird f 
dass sich die Handschrift »apud baronem de Hohensaxium in arce Forsteckia* 
befinde, rührt jedenfalls von Goldast her, nicht von Schobinger; denn bis 2u 
dessen Tod und noch etwa ein Jahr langer befand sich die Handschrift, wie 
wir später sehen werden, in St. Gallen; für 1606 kann die Angabe, dass sie 
in Korsteck sei, zutreffen* Weitere Gründe, die dafür sprechen, dass die An* 
merkung von Goldast betgefügt ist. s. unten- — *) Ms. 104 der Vadiana, 169 BI. 
klein 4 . — *) Nach Epist 184 (23. Jan. 1608) konnte Freher darin ausser 
Schobingers und Goldasts Hand noch eine dritte, jüngere, unterscheiden, die 
sehr schlecht abgeschrieben hatte. Die Abschrift liegt in der Bremer Stadt- 
bibliothek und enthält nur 59 Dichter, s. Zangemeister, a. a. O., S. 362* — 
4 ) »Farrago de collcgiis et monasteriis Germajii^ veteribus*. Über den Druck 
ist zu bemerken, dass er statt eines in Vadians Originalhandschrift (Ms. 48 der 
Vadiana) nur begonnenen 3. Buches der Farrago von S. 93 unten bisS. ru des 
Druckes einen Schluss bietet, der nur in Schobingers Abschrift (Ms. 49) erhallen 
und von dem nicht bekannt ist, woher ihn die Herausgeber genommen haben. 



t ;oogk mm&^iÄ* 



24* 



Schieß. 



gefertigten Abschrift mit Zusätzen von diesem und eigenen 
im 3. Band seiner Alamannicarum rerum scriptores, ebenda 
noch einige kleinere Schriften *) aus Vadians Nachlass publi- 
ziert und so wenigstens einen Teil des Programmes, das 
sich Schobtnger gestellt hatte, zur Durchführung gebracht. 
Auf Schobingers Anregung gehen auch die ersten Publi- 
kationen Goldasts 3 ) zurück und sind grossenteils in seinem 
Haus entstanden. Vor allem aber kommt ihm das Verdienst 
zu, dass er Goldast, der von juristisch-philologischen Studien 
ausgegangen war, für die literarisch-antiquarischen Studien 
gewonnen und dadurch den Anlass zur erstmaligen Heraus- 
gabe der st. gallischen Geschichtsquellen gegeben hat. 

Es ist eigentlich nicht ganz richtig von Goldasts Auf- 
enthalt in St. Gallen zu sprechen, da er nicht nur einmal, 
sondern wiederholt mit grösseren Zwischenpausen daselbst 
verweilt hat; doch fallen für seine Publikationen nur die 
beiden Aufenthalte in den Jahren 1590 und 1603 in Betracht. 
Der erste dauerte vom Frühjahr bis zum Herbst 1599. Im 
Oktober finden wir Goldast in Bischofszell, im folgenden 
Monat schon in Genf, wo er fast drei Jahre blieb, stets mit 
seinem Gönner in Verbindung stehend und die von ihm 
angeregten Studien fortsetzend. Er wohnte bei dem Juristen 
Kcctius und scheint durch Unterweisung vornehmer Stu- 
denten, die dessen Obhut anvertraut waren, seinen Unter- 
halt gewonnen zu haben, fühlte sich aber nicht recht be- 
friedigt und dachte 1602 an Übersiedlung nach Lausanne, 
wo das Leben billiger war. Im Oktober 1602 erwartete 
Schobinger seine Rückkehr nach St Gallen 3 ). Doch eben 



') Vadians Schrift »De Cbristianismi artatihus« (Am. in Ms. 48, Abschrift 
Schobingers in Ms. 49 der Vadiana) und ein umfangreiches Schreiben von ihm 
an Joh. Zwick »De coniugio servonim (apud Alamannos)* (Aut. in Ms. 50, 
f. 63 — 80 der Vadiana), ferner 2 Briefe von Joh. Comander, 2 von Joh. Zwick 
und 2 von Leo Jud (>De divortio«) an Vadian. — *) »Dosithei magistri Hber III. 
continens divi Adriani imperatoris sententias et epistolas« und »S, Valeriana 
Cimelensis episcopi »de bono disciplinx sermo, S. Isidori, Ilispalensis episcopi, 
de prailatis fragmentum«, beide bei Petrus de la Roviere (in Genf) 1601 ge- 
druckt mit reichhaltigem Kommentar. >Parancticorum veterum pars Ic, 1604 
in Lindau gedruckt, worin Valerian nochmals, aber mit weit knapperen Er- 
läuterungen enthalten ist. — "j "Das Vorangehende ergibt sich alles aus dem 
Briefwechsel von Ende 1599 — Frühjahr 1603. 



- -°ogk hÄuÄt* 



Goldasts Aufenthalt in St- Galk-n. 



249 



um diese Zeit bot sich Goldast Gelegenheit, in den Dienst 
des Herzogs von Bouillon ') zu treten, den er an den pfäl- 
zischen und hessischen Hof begleiten sollte. Erst im fol- 
genden Jahr erhielt Schobinger durch Stucki in Zürich davon 
Nachricht, und fast gleichzeitig erreichte ihn ein Brief des 
Freundes aus Frankfurt, worin dieser meldete, dass er dem 
Hofdienst schon wieder entsagt habe*). Goldast scheint sich 
dann noch einige Zeit in Deutschland (wohl in Heidelberg) 3 ) 
aufgehalten und die Gelegenheit zur Erwerbung des Doktor- 
titels benützt zu haben*). Vom Juli 1603 bis in den Oktober 
des Jahres aber weilte er wieder in Schobingers Haus und 
kehrte auch nach vorübergehendem Aufenthalt in Bischofszeil, 
den die Notwendigkeit, den Nachlass seiner im Sommer (?) 
gestorbenen Mutter zu ordnen, veranlasst haben mag 3 ), noch- 
mals nach St. Gallen zurück*). Gegen Ende des Jahres aber 
siedelte er nach Forsteck über als Erzieher des jungen Herrn 
von Hohensax und verblieb in dieser Stellung, zu der ohne 
Zweifel Schobinger ihm verholfen hatte, bis zum Sommer 
1605. Nach 1603 kam Goldast nur vorübergehend mehr 
nach St. Gallen, einjnal etwa im Frühjahr 1604, während 
Dr. Schobingers Krankheit, für wenige Tage, dann vielleicht 
nochmals im Juli auf Wunsch der Brüder des Verstorbenen ') 
und ein letztes Mal, wie wir sehen werden, im Juli 1605. 
Während der genannten zwei längeren Aufenthalte in 
St. Gallen, deren Dauer zusammen höchstens auf zehn Monate 
berechnet werden kann, hat Goldast sich die staunenswerte 
Kenntnis der St. Galler Handschriften erworben, die in 



') Henti de la Tour d'Auvergne, duc de Bouillon, 1555 — 1623; der Kur- 
fürst von der Pfalz war sein Schwager. Vgl. Xouvclle Biographie generale, 
Bd. VI, 925 ff. — *) Epist. Nr. 69 und 79. — a ) Für Aufenthalt in Heidel- 
berg spricht, was Goldast in der Verantwortung über Benützung der Bibliothek 
des Kurfürsten sagt. — '( Josua Maler gratuliert ihm allerdings erst am 
4-/14- Februar 1604 zur Auszeichnung mit dem Doktortitelt doch ist sein 
Schreiben die Antwort auf ein solches vom 29. Okt./8. Nov. 1603, das ihm am 
19./29. Januar zugekommen war. Vom Juli, bis Oktober aber weilte Goldast 
in St. Gallen, muss also schon voiher sich den Titel erworben haben. Epist. 
Nr. 83. — L ) Am 24. Aug. 3. Sept. 1604 schreibt Josua Maler an ihn, er 
habe vor mehr als einem Jahr ihm Epicedia auf den Tod seiner Mutter zuge- 
sandt, Epist. Nr. 84. — ") Er schrieb von da aus Schobingers Haus noch am 
26. Nov./6. Dez. an Marqu. Weiser in Augsburg, s. Zangemeisier, n. a. O., 
S. 348 f. — ') Vgl. die Verantwortung und Epist. Xr. 92. 

Zeitwhr. f. Gesch. d. Obcrrh. M.F. XXXII. 1. 17 



^ lOQgle ffiinatcHumviRiirv 



2co Schielt. 

seinen Publikationen zutage tritt, und wenigstens teilweise, 
neben anderen Arbeiten, die ihn gleichzeitig beschäftigten, 
die später in den Alamannicarum rerum scriptores veröffent- 
lichten Werke abgeschrieben. Aus dem Briefwechsel ist 
ersichtlich, dass er die vor allem in Betracht fallende Kloster- 
bibliothek fleissig benützte und bei dem Mönche (Subprior) 
Jodokus Metzler, der sich für die gleichen Studien inter- 
essierte uncj auch bereitwillig Handschriften herausgab, über 
mancherlei Fragen Auskunft suchte 1 ). Seine spätere Be- 
teuerung, dass er in Dr. Schobingers Abwesenheit dessen 
Bibliothek vom Morgen bis zum Abend nicht verlassen, 
sondern »als ein mönch in seiner zellen« geblieben sei, er- 
scheint durchaus glaubwürdig. Aber auch bei grösstem 
Fleiss, und wenn er nicht durch anderes, wie die Arbeiten 
für Dr. Schobinger, Abschrift der Liederhandschrift etc., und 
philologische Fragen, die ihn besonders im Jahre 1599 noch 
beschäftigten *), abgezogen worden wäre, hätte er in dieser 
kurzen Zeit nicht alle Abschriften für die späteren Publi- 
kationen anfertigen und das Material zu den Anmerkungen 
sammeln können. Man sehe sich nur die beiden ersten 
Publikationen, Dositheus und Valerian, daraufhin an, in 
denen in den Erläuterungen eine stupende Bclesenheit und 
Handschriftenkenntnis sich kundgibt 3 ). Nur dadurch, dass 
Dr. Schobinger sowohl aus seiner eigenen, wie aus der Stadt- 
und Klosterbibliothek ihm Handschriften nach Genf über- 
sandte 4 ), lässt sich erklären, dass Goldast imstande war, 
dieses umfangreiche Material zu sammeln. Er will ja aller- 
dings auch Handschriften, die ihm selbst gehörten, neben 
solchen, die jetzt noch in der St. Galler Stiftsbibliothek 
nachzuweisen sind, für die Publikation in den Alamannicarum 
rerum scriptores benutzt haben 5 ). Der grösste Teil der Ab- 
schriften aber muss doch in St. Gallen selbst angefertigt 

'> Epist. Nr. 10 und 73; Nr. 49. — *) Epist. Nr. 6, 7, 8, 11, 13. — 
') Ausserdem ist auch das Register zu den Parcenetici in dieser Hinsicht lehr- 
reich. Um nur auf eins hinzuweisen, i-t schon damals von Goldast die anonyme 
Schrift De vita Caroli Magni. die unter dem Namen des Monachus Sangallcnsis 
bekannt war, dem Notker Bulbulus zugeschrieben wotden, s. Epist. Nr. 102, 
114. 153. Alamann. rer. script. I, S. 207; II, S- 195. — *) Epist. Nr. 17, 
19, 46, 49, 58, 62, 69. — & ) Vgl. die Vorbemerkungen über die Autoren in 
lid. I. 



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Goldasts Aufenthalt in St. Gallen. 2SI 

sein. Was Goldast unter den angeführten Umständen ge- 
leistet hat, verdient alle Anerkennung, und welche Be- 
deutung den von ihm zum erstenmal herausgegebenen 
St. Galler Quellen für die Geschichtsforschung beizulegen 
ist, dafür spricht wohl am besten die Tatsache, dass die in 
den ersten zwei Bänden der Alamannicarum rerum scrip- 
tores enthaltenen Schriften nachmals Aufnahme in die Monu- 
mente Germaniee gefunden haben. Im dritten Band der 
Scriptores aber ist von Goldast wenigstens teilweise der 
von Schobinger gehegte Plan einer Gesamtpublikation der 
Werke Vadians zur Ausführung gebracht worden. Man hat 
ihm schon bald nach dem Erscheinen einen Vorwurf daraus 
machen wöHen *), dass er so entschieden konfessionell ge- 
färbte Schriften mit reinen Geschichtsquellen in einer Samm- 
lung vereinigte. Doch wird man darin ebensosehr ein 
Zeugnis dankbarer Gesinnung gegen seinen Wohltäter, wie 
der Hochschätzung, die er selbst für Vadian hegte, erblicken 
dürfen. Um St. Gallen hat sich Goldast durch die erst- 
malige Herausgabe der ältesten Geschichtsquellen und der 
seither nicht mehr gedruckten Farrago Vadians ein bleiben- 
des Verdienst erworben. Doch knüpfen sich an seinen 
Aufenthalt noch andere für St. Gallen weniger erfreuliche 
Erinnerungen. 

Der Tod Dr. Schobingers, der am 27. Juni/7. J uu 1604 
erfolgte, muss Goldast schwer getroffen haben. - Denn er 
verlor dadurch nicht nur einen väterlichen Freund, sondern 
auch den einzigen einflussreichen Gönner, der sich bis dahin 
tatkräftig seiner angenommen hatte und von dem er Gleiches 
für die Zukunft erwarten durfte. Dr. Sebastian Schobinger, 
Leibarzt des Kaisers Matthias und des Abtes von St. Gallen, 
ein Vetter des Verstorbenen, forderte im Juli namens der 
Brüder desselben Goldast auf, nach St. Gallen zu kommen; 
doch ist nicht bekannt, ob er der Aufforderung folgte, da 
nach Schobingers Brief einzig das Drängen des Buchdruckers 
in Lindau, der den auf Bartholomäus Schobingers Kosten 
erfolgten Druck der Parasnetici besorgte, dazu Anlass ge- 
geben hatte 2 ). Dagegen ein Jahr später finden wir Goldast 
in St. Gallen in eine Untersuchung verwickelt, die nach 

') Epist. Nr. 158. — *> Epist. Nr. 98 (9-/19. Juli 1604). 

17* 



252 



Schieß. 



dem Tod seines Gönners über den Zustand der Stadt- 
bibliothek veranstaltet worden war. 

Die städtische Bibliothek, zu der zu Vadians Lebzeiten 
der Grund gelegt worden und die namentlich durch ihn zu 
ansehnlichem Besitz gelangt war, indem er kurz vor seinem 
Tod seine Bücher der Vaterstadt vermachte, war auch seit- 
her durch mancherlei Zuwendungen und Käufe noch ver- 
mehrt worden, befand sich aber, wie schon vor Schobingers 
Tod bekannt war, nicht gerade im besten Stand. Zum Teil 
wurde dies dem engen Lokal, in dem sie untergebracht war, 
einem an die St. Mangenkirche angebauten, an der Stelle 
der einstigen Wiboradakapelle stehenden Gewölbe, schuld 
gegeben. Daneben aber glaubte man, den Verstorbenen 
und ganz besonders seinen Gehilfen dafür verantwortlich 
machen zu können. Schon am i./i i. und 3./13 Mai 1604 hatte 
sich der Rat mit der Sache befasst und beschlossen, dass 
die Bücher in der »Liberey«, die sich in arger Unordnung 
befänden, neu geordnet werden sollten *). Erst nach Scho- 
bingers Tod aber scheint eine Besichtigung erfolgt zu sein, 
bei der sich ergab, dass an wertvollen Büchern durch Aus- 
schneiden und dergleichen Schaden angerichtet war. Man 
■ übereilte sich aber nicht. Erst im folgenden Jahr befasste 
sich eine ad hoc eingesetzte Kommission, bestehend aus dem 
regierenden Bürgermeister Jakob Spengler, dem Reichsvogt 
Othmar Reiner, dem Unterbürgermeister Meinrad Gmünder, 
den Ratsherren Junker Daniel Studer, Joachim Zollikofer 
und Georg Huber samt dem Stadtschreiber Melchior Guldin, 
mit der Sache. 

Vor dieser Kommission wurden am 4. Juli 1605 die 
Herren Geistlichen, denen in erster Linie die Aufsicht über 
die Bibliothek samt dem Schlüssel anvertraut war, der Stadt- 
arzt, der Rektor des Gymnasiums, ein Stadtbürger, bei dem 
Goldast eine Zeitlang gewohnt hatte, und der Mesner zu 
St. Mangen verhört. Das Protokoll über deren Aussagen 
ist im städtischen Verordneten-Protokoll erhalten 3 ). Der 
zuerst befragte Dekan Eusebius Geber sagte aus. dass 
Dr. Schobinger auf unablässiges Anhalten von ihm mit 

*) Ratsprotokoll vom I./fl. und 3. '13. Mai 1604. — *) Verordneten- 
Proiokotl vom 4. 14 Juli 1605, s. Beilage II. 



i. roogle rfiiHaTCHUHiviRsr* 



Goldasts Aufenthalt in St. Gallen. 



253 



Wissen eines Amtsbruders den .Schlüssel zur Bibliothek auf 
bestimmte Zeit erhalten, ihn aber länger, als er meinte, be- 
halten und dazu korbweise Bücher aus der Bibliothek in 
seine Wohnung habe tragen lassen, ohne dass man wusste, 
ob sie auch wieder zurückgebracht worden seien. Von den 
übrigen Zeugen behaupteten mehrere, dass aus etlichen 
Büchern etwas herausgeschnitten und namentlich in den 
Schriften Vadians grosser Schaden angerichtet worden sei. 
Den Urheber wusste niemand bestimmt zu bezeichnen; doch 
wurde Argwohn gegen den verstorbenen Doktor und seinen 
Gehilfen geäussert, weil sie sich öfters stundenlang in der 
Bibliothek eingeschlossen hätten. Namentlich Goldast sollte 
gar unordentlich mit den Büchern umgegangen sein und 
mehrfach Äusserungen getan haben, die ihn solcher Schädi- 
gung der Bücher wohl fällig erscheinen liessen. So habe 
er zum Stadtarzt Dr. Rothmund einmal mit Beziehung auf 
die Klosterbibliothek gesagt: was es auch schaden könne, 
»wenn schon einer ein Tractätlein uß einer liberei hinweg 
neme? Die Mönche studieren nit; ime und etwan andren 
guten gsellen könne es z'nutz kommen«. Und dorn Rektor 
Jakob Lorhard gegenüber sollte er sich gerühmt haben: 
^Zu Genf und in Frankhreich, wann er in einer liberei in 
eim buch ein blat zwei oder mehr befunden, die für ine 
gewesen, habe er dieselben flugks herauß gerissen und in 
seine hossen gestossen«. Endlich wurde er beschuldigt, dass 
er aus einem dem Schwager seines Kostherrn gehörenden 
Buch einen Kalender, in dem der Name Goldast stand, habe 
herausschneiden wollen. 

Welche Beschlüsse infolge dieser Aussagen gefasst 
wurden, ist nicht aufgezeichnet. Doch ergibt sich aus der 
Verantwortung Goldasts und der Sentenz des Rates vom 
25. Juli 4. Aug. 1605, dass jetzt, wenn es nicht schon vorher 
geschehen war, die Bücher im Nachlasse des Dr. Schobinger 
samt denjenigen Goldasts in Haft gelegt und Goldast ver- 
anlasst wurde, sich gegen die vorgebrachten Klagen zu 
rechtfertigen. Er erhob beim Rat und einzelnen Ratsmit- 
gliedern mündlich Einsprache dagegen, dass erst jetzt, so 
lange nach Schobingers Tod, eine Untersuchung wegen der 
Bücher zu St. Mangen veranstaltet werde, die doch füglich 



rOOgle reiHCf 10« uw vcd^iy 



254 



Schieß. 



bei seinen Lebzeiten hätte erfolgen sollen, damit er selbst 
hätte Auskunft erteilen können, »warumb er die Bibliotheckh 
so offt besucht, so viel buecher in sein behausung gelanget, 
in was gelegenheit er dieselbige gebraucht, und endtlichen 
mit was fug und macht er sollicher gestalt mit denselbigen 
umbgegangen und zu was nutzung behaltten «. Doch schenkte 
man dieser Einsprache kein Gehör, sondern nötigte Goldast, 
sich zuerst auf der Kanzlei, am folgenden Tag vor dem 
Rat einem Verhör zu unterziehen, und hielt ihm die ein- 
zelnen Klagepunkte vor. Hierauf reichte er eine umfang- 
reiche schriftliche Verantwortung ein, die noch erhalten ist 1 ). 
Zu Anfang dieser Verantwortung erhob er nochmals, 
wie schon mündlich, Verwahrung gegen die Verschleppung 
der Untersuchung, und wies darauf hin, dass die »Ge- 
lehrten« bereits im Jahre 1599 um den Schaden gewusst 
und ihn »deß orts halben zu reed samptlich gesetzt. Aber 
als ich sie auff den herren Doctor, welliches diener ich mich 
nante, weiset, wolt sich kein person finden lassen, die ime 
solliches fürhielte, ansehent den grimm, so er wider sie ge- 
fasset, als ich ime dieß der gelehrten fürbringen referierte«. 
Sodann habe »in regierung herren Bürgermeister Riners«*), 
d. h. im Jahr 1603, sich Dr. Schobinger in seinem Beisein 
im Hause des Bürgermeisters »semliches brauchs der buecher 
nicht gescheucht, sondern mündtlichen anzeiget und be- 
kennet«. - Man möge auch den Dr. Rothmund fragen, wie 
lange es her sei, dass er das Astrolabium a ) in der Bibliothek 
vermisst und eines von Paris habe kommen lassen. Es sei 
bekannt, dass während der Krankheit Schobingers, ohne 
Zweifel auf Betreiben derer, die »diese sach angespunnen« 
und schon meinten, er sei in den letzten Zügen, der Rat 
Leute bestimmte, die zu ihm gehen sollten. Als aber sein 



') Stadiarchiv St. Gallen, Tr. Q, Nr. 6 c. — *) Othmar Reiner bekleidete 
seit 1588 in regelmässigem Wechsel eines der drei obersten städtischen Ämter 
als Amt- Bürgermeister, Alt-Bürger meisler und Reichsvogt. Seine Amtsgenossen 
in den hier in Betracht fallenden Jahren waren Joachim Reuilinger, 1604, und 
Jakob Spengler, 1605 Amts-Bürgermeister. — 3 ) Ein solches »Astrolabium de 
aurichalco cum tabulis octo pro elcvationibus poli« ist schon im ältesten, noch 
zu Vadians Lebzeiten, 1549, von Johanne» Kessler abgefassten Bibliothek- 
Katalog unter der Rubrik »Mathematnc aufgeführt. Der Katalog enthält im 
Übrigen nur die Bücher, keine Handschriften. 



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GoMasts Aufenthalt in St. Gallen. 



255 



Zustand sich wieder besserte und auf seinen Wunsch Goldast 
von Sax nach St. Gallen kam, drei Tage da verweilte und 
sich ohne Scheu überall zeigte, habe niemand weder geist- 
lichen noch weltlichen Standes sich gemeldet, der an den 
Doktor oder ihn irgend ein Begehren in dieser Sache ge- 
stellt hätte. Es sei ganz offenbar, dass die Widersacher 
Schobingers, der ein erfahrener und gelehrter Mann ge- 
wesen, »bey graven und herren deß reichs nicht unerkant, 
eines mächtigen, ansehenlichen geschlechts und für sich Selb- 
sten reich genug, die Sachen an allen und jeden orthen und 
enden mit recht oder ohne recht außzufueren«, sich gescheut 
hätten, »wider ein so hartten Stachel zu leckhen«. Auch den 
toten Löwen noch hätten sie »in ansehung der grub und 
hole, darinnen meer löwen verborgen, das ist deß anhangs 
seines geschlechts^, nicht persönlich anzutasten gewagt, son- 
dern ihn (Goldast) als »ein mantel und deckhi ihres fürhabens 
gebraucht, den sie darzu tauglich geacht als ein schlechte, 
geringfuege person (denn also ist gemeiniglich das Sprich- 
wort Christi waar: Ein prophet ist nirgent verachter als in 
seinem vatterlandt), von einem armen, hilfflosen geschlecht, 
auß einem kleinen, unachtbaren Stättlein und dardurch, was 
freund und oberkeit belangt, gleichsam außländischo. Wie 
wohl sie dabei beraten gewesen, werde die Zeit lehren. 
Kür diesmal aber wolle er, »weil sie mich in die hafft ge- 
bracht« und da er schuldig sei, auf die Klagepunkte zu 
antworten, diese »mit der waarheit widerlegen und, was 
erstlich auff mein person und denn deß herren Doctor 
Schobingers seeligen von den Widersachern geargwonet 
worden, an tag thun«. 

Er erzählt hierauf, wie er im Jahr 1599 etwa um 
Pfingsten ') dem Doktor etliche Epicedia auf den Tod seines 
Vaters im Druck zugestellt habe und darauf von ihm auf- 
gefordert worden sei, »ein Zeitlang bey ime zu verharren 
und seines losaments und tischs gemessen«, was er in seinen 
damaligen Umständen gern angenommen habe, »sonderlich 
aber, weil er fürgab, mich in sachen zu gebrauchen, die ime 
und mir einmal nutzlich, loblich und rümlich sein wurden«. 
Er sei dann von dem Verstorbenen in die Bibliothek geführt 

*) Vgl. dazu oben S. 4, Anm. 3. 



i. rooglc iflitiaicHUHivimirv 



256 Schieß. 

* 

und über alles unterrichtet worden, damit er nötigenfalls 
Bücher für ihn holen könne, und habe mit ihm und ohne 
ihn auf sein Geheiss ganze Stunden, ja halbe und selbst 
ganze Tage in der Bibliothek verbracht, die gewünschten 
Bücher gesucht, bei Seite gelegt und nach Hause schaffen 
lassen, alles kraft der Vollmacht, die dem Doktor mit Über- 
gebung des Schlüssels durch die Obrigkeit erteilt worden 
war. Dagegen werde sich nicht erweisen lassen, dass er je 
in eigenen Geschäften und ungeheissen sich in die Bibliothek 
begeben habe; namentlich habe er in Abwesenheit Schobingers, 
wo doch die beste Gelegenheit gewesen wäre, nie einen 
Tritt in die Bibliothek, ja überhaupt nicht aus dem Haus 
gesetzt, sondern sei vom Morgen bis zum Abend in des 
Doktors Bibliothek »als ein mönch in seiner zellenc geblieben, 
wie ihm die Witwe bezeugen werde. 

Ebenso verhalte es sich mit dem »ausschneiden der 
buecher . . ., welches zum theil von seinen (des Doktors) 
eigenen, zum theil durch meine händ, wie ich vor der zeit 
bekent und noch unlaugbar bin, geschechen und vollbracht 
worden«. Dieses offene Geständnis dürfe aber nicht als 
Zeichen eines schlechten Gewissens ausgelegt werden; son- 
dern »die gemueter, so in einem schwachen, blöden leib 
gefangen ligen, seindt von natur (wie auch der weise meister 
Aristoteles schreibet) sanfftmuetig, milt, forchtsam und ab 
eim jeden un vorgesehenem ding sich entsetzen t«, wie i das 
Beispiel des Notker Balbulus zeige. Er habe vielmehr das 
Ausschneiden offen zugegeben, weil ihn sein Gewissen hieß 
nicht lügen und weil es von ihnen auch gar nicht ver- 
stohlener Weise vorgenommen worden sei. Dass er es aber 
auf Schobingers Geheiss, nicht für sich getan, ergebe sich 
daraus, dass er es ohne Wissen des Doktors nicht hätte 
ausführen können, weil er keine Kiste oder dergleichen ge- 
habt hätte, um das Ausgeschnittene zu verwahren, und weil 
jener für den Schaden verantwortlich war. Vor zwei Jahren, 
als er auf Veranlassung Schobingers das Buch, »so her- 
nacher zu Lindow getruckt und viel auß den burgern bey 
ihren banden haben« 1 ), abgefaßt habe, sei er wiederholt in 
der Bibliothek gewesen, um allerlei nachzuschlagen. Wenn 



') Die l'aricnclici, s. oben S. 24S Anni. 2. 



S lc nSiSwP! 



Goldasis Aufenthalt in Si. Gallen. 



257 



aber in einem einzigen der im Buch verzeichneten Autoren 
sich finde, dass eine Silbe oder ein Buchstabe, den er ge- 
braucht, ausgeschnitten sei, so wolle er >sich nicht mehr un- 
.chuldig erkennen«. 

Im weiteren beruft er sich darauf, dass er in Genf drei 
Jahre lang die Bibliothek wenigstens einmal wöchentlich 
besucht habe und mit Erlaubnis des Oberbibliothekars oft 
vom Morgen bis zum Abend in ihr eingeschlossen gewesen 
sei. Man möge durch Bürgerssöhne, deren ja stets im Hause 
des Bibliothekars seien, nachfragen lassen, ob je eine Klage 
solcher Art über ihn laut geworden sei, ebenso in Lausanne, 
Bern und Zürich (»welliche statt ihr Bibliothecam mir nicht 
allein vertrawt, sondern auch buecher darauß nach Bischoff- 
zell und hieher in dise statt folgen lassen«), in Frankfurt a. M. 
und in Heidelberg, »welliche bibliotheckh an viele, seltzatnig- 
keit und kostbarlicheit der buecher alle andere in gantz Eu- 
ropa weit übertrifft und billich ein fürstlicher schätz kan und 
mag genennet werden, so mir mein allergnädigster herr alle 
wochen sechs stundt zu besuchen erlaubt und darauß albereit 
ettliche buecher abgeschrieben und in den truckh zum theil 
zu Franckhfurt, zum theil zu Heidelberg verferttiget 1 ) und 
noch weiter verferttigen willens bin, wo gott genad und 
längers leben verleichen wirdt«. 

Falls er überhaupt dazu neigte, aus gedruckten Büchern 
etwas herauszuschneiden, hätte er die beste Gelegenheit in 
Dr. Schobingers Büchern gehabt, die ihm Tag und Nacht 
unter Händen waren, ebenso in der Bibliothek des Dr. Mader 
von Frauenfeld, Professors in Heidelberg 2 ), der sie zu Leb- 
zeiten ihm Tag und Nacht anvertraut und ihm all seine 
Manuskripte vermacht habe, die ihm kürzlich von der Witwe 
zugestellt worden seien. In gleicher Weise sei die Bibliothek 
des Dr. Schöner, kurfürstlichen Rates 8 ), ihm zugänglich ge- 
wesen und stehe ihm noch diejenige des Junkers Marquard 



') Er hai hierbei wohl in erster Linie <!ie 1605 in Frankfurt erschienenen 
Svevicaruin reruin scriptores« im Auge. — ") Theophil Mader, Professor der 
Medizin und Physik zu Heidelberg und AUorf, 1604 gestorben, s. Leu, Helvct. 
Lexikon, Bd. XII. S. 415, Ober seinen Xachlass, bezw. seine Bibliothek 
s. Töpkc, Matrikel der Univ. Heidelberg. — 3 ) Näheres über ihn war im 
General- Lau desarchiv Karlsruhe nicht zu ermitteln. 



, a rooglc racitCHUHiviRsr* 



2 5 8 Schieß. 

Freher von Kessingen '), kurfürstlichen geheimen Rates, 
offen, die viel kostbarere Bücher enthielten als die Bibliothek 
zu St. Mangen, in der laut vorhandener Verzeichnisse nie 
ein Buch gewesen, »das einen hochgelehrten mann hette 
bewegen können oder sollen zu entwenden oder das nicht 
an allen orthen und enden, wo gelehrte leuth seindt, , in 
ihren bibliothecis zu finden*. Auch erhalte er auf jede 
Frankfurter Messe von Gelehrten und Buchdruckern oder 
durch Kauf eine solche Menge der besten Bücher, dass eher 
er der Stadt St. Gallen in solchen Dingen aushelfen und 
»zu der zierdt ihrer bibliotheckh verehren als von inen be- 
geren« könnte. Immerhin hoffe er, dass man nach dem 
Vorbild der Stadt Zürich auf Ersuchen um ein Buch ihm 
es mitteilen werde. 

Auf die Klage, dass Bücher nach Genf und andern 
Orten verschickt worden seien, tritt er, da der Rat sie über- 
gangen, nicht näher ein. bemerkt nur »bey meiner trevv 
und gelübt: was jemal auß der statt verschickht worden, ist 
widerumb darein kommen und dem Herren Doctor seeligen 
überantwortet und inbehändiget worden«. Soviel über seine 
Person. 

Er fühlt sich aber verpflichtet, auch für Schobinger, 
der ihn wie ein Kind gehalten und wie einen Bruder geliebt 
habe, einzutreten. Ganz ungerecht wäre es, den Doktor ver- 
antwortlich machen zu wollen für allen Schaden, der seit 
mehr als vierzig Jahren in der Bibliothek geschehen, zum 
Teil, wie man sage, durch Leute, von denen kein einziges 
Buch in die Stadt mitgebracht, aber ganze Fässer weg- 
geführt worden seien -). Hätte man doch, da seit zwei Jahren 



') Marquard P'reher <i 565 — 1614), zuerst Professor in Heidelberg, dann 
ganz im Dienst Kurfürst Friedrichs IV. — *J Vielleicht will Goldast damit 
auf Wolfgang Wetter, früher Lehrer, dann Prediger in St- Gallen, hindeuten, 
der 1597 nach der Pfalz gezogen und dort 1600 in Sinzheim gestorben war. 
In den Alamann. rer. Script. II, S. 195 gibt nämlich Goldast an, es solle sich 
bei der Witwe desselben eine von Notker Balbulus verlasste >Vita S- Galli et 
subsequentium temponim usque ad suam Ktatem, in morem Ciceronianum id 
est per dialogos« abgefasst, befinden. 'Vgl. Kpist. Nr. 107, wonach Goldast 
sich über Wetteis Bibliothek bei Waser erkundigt hatte, der ihm mitteilte. 
Wetter habe den besseren Teil seiner Bücher nach der Pfalz mitgenommen; 
unter den (in Zürich?) zurückgelassenen habe sich, wie er schon dem Dr. 



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Goldasts Aufenthalt in St. Gallen. 



259 



zu sehen war, dass Dr. Schobinger von Monat zu Monat 
mehr abnahm, sich noch zu rechter Zeit mit ihm verglichen, 
wie er selbst es getan. Denn im Jahr 1603, als er sich »in 
dienst der Freyfrowen von Hochensax versprochen«, habe 
er den Doktor veranlasst, ihre Bücher, die so durcheinander 
standen, dass keiner mehr wusste, was dem einen oder 
andern gehöre, durchzugehen und mit einem Kennzeichen 
zu versehen; darauf habe er seine Bücher noch weiter an 
ihrem Ort stehen lassen und erst zuletzt mit David Scho- 
binger 1 ) eine Aussonderung vorgenommen. Durch ent- 
sprechendes Vorgehen hätte aller Lärm wegen der Bücher 
zu St. Mangen sich vermeiden lassen. Da es aber versäumt 
worden, sei zweierlei in Betracht zu ziehen: 1. wozu der 
Verstorbene die Bücher gebrauchte und 2. wie er sie wieder 
zurückerstatten wollte. 

Was den ersten Punkt betrifft, so bemerkt Goldast 
darüber: »Es hatte der Herr Doctor zwey löbliche und dem 
gemeinen regiment, Kirchen und schulen nutzliche werckh 
unter handen, nämmlich deß Herren Doctors von Watt, ge- 
wesenen Burgermeisters allhic, hinderlassene buecher und 
ein merckliche, alte Teutsche, welliches geleichen 
im Teutschen landt nicht baldt oder woll gar nicht 
gefunden wirdt, antiquitet, von Keysern, Königen, 
Fürsten, Graven, Herren und Rittern gemacht, er- 
dicht und zusammengetragen, so meinem gnädigen 
Herren und Churfürsten zustehent, der Herr von 
Sax Seeliger gedechtniß mit sich auß der Pfaltz 
hierauff gebracht und von ir Gn. hinderlassne Fraw 
Wittib dem Herren Doctor seeligen vergünstiget, 
heutigs tags bey Herren Burgermeister Reutlinger 
hinderlegt umb eines spans willen auffgehalten 
wirdt. In disem werckh weil viel figurcn, so schöne bedeut- 
niß mancherley thatten und geschichten in sich haben, auch 
sonsten hin und wider auff mancherley historien gespilet 
und gezeiget wirdt«, so habe Schobinger zu deren Erklärung 

Schobinger vor einigen Jahren angezeigt, die gewünschte Vita nicht befunden 
{18/28. Dez. 1605). 

') Nicht dem 1594 geborenen ältesten Sohn, sondern einem Bruder des 
Dr. Bartholomäus Schobinger. 



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260 Schieß. 

alle historischen Bücher aus der Bibliothek in seine ziemlich 
weit entfernte Behausung 1 ) schaffen lassen, damit er >als 
ein schwerer, fetter man* nicht genötigt sei, wegen jedes 
Wortes oder Satzes weit zu laufen; andere, die sich weder 
in der städtischen, noch in Schobingers oder Goldasts 
Bibliothek fanden, habe er von Augsburg kommen lassen, 
wie solche noch jetzt ungebunden in seinem Studierzimmer 
zu sehen seien. 

Was für ein bedeutender Mann der von Watt gewesen, 
sei niemand in St. Gallen unbekannt. Sein Ruhm habe den 
Doktor veranlasst, »deß herren von Watts hinderlassenen 
buechcrn nach zu trachten, dieselbigen zusamen zu suchen 
und, soviel müglich, unter seine händ zu bringen. Darumb 
er denn nicht allein die gelehrten, sonder schlechte leyen und 
burger *), so im fürkomen und angegeben worden, ettliche der- 
gleichen Sachen zu haben, gebraucht. Als er nun ein zimm- 
liche zal bey einander gebracht, endtlich in betrachtur.g 
grosser nutzbarkeit sein gemuet zu verferttigung der buecher 
zum truckh gantz und gar gewendet und auff dieß end hin 
die bibliotheck zu S. Mangeu besser und fleissiger anfangen 
zu durchgehen und, was alda von deß Herren Watts buechcrn 
getruckht oder geschrieben gefunden, zu sich zu nemmen, öffent- 
lich und ohne schew nach seinem hauß tragen lassen«. Ob 
sich Schobinger deshalb an jemand gewandt, wisse er nicht; 
doch habe er es nicht geheim gehalten, sondern jedem, der 
zu ihm kam, Einsicht gewährt und sich geradezu einen 
Ruhm daraus gemacht. Nach disem hab ich die buecher 
auß seinem befelch angefangen in gewise tomos auß- und 
abzutheilen: erstlich in zwen, lateinisch und deutsch; den 
lateinischen widcrumb in trey: theologicum, historicum und 
philologicum; den Teutschen in zwen: im ersten werden 
begriffen die Theologische buecher, im anderen die histo- 



') Er wohnte laut Angabe der Stemmatologia Sangallensis aul der Bernegg, 
«l. h. wühl auf der Falkenburg, am Abhang des südlich von St. Gallen sich 
erhebenden Höhenzugs. — ') Im Vorwon zu Rd. III der Alamann. rer. Script. 
sagt Goldast nach Aufzählung von Vadians Schriften, sie befänden sich in 
St. Gallen »partim apud Schobin^eros et Zollikoferos, eins neputes, partim in 
bibliittheca D. Magni, qua? est reipuMica. 1 «. 



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Goldasis Aufenthalt in St. Gallen. 2 6l 

rischen'j. Nachdem, als er verstanden, das ettliche buecher 
zu Bern und Basel noch ungetruckht auffgehalten werden 2 ), 
hatt er dieselbtge auch entlich mit grossen kosten zu wegen 
und hand zu bringen sich beflissen«. Da aber Schobinger 
mit der Arbeit sehr zu eilen anfing und das Werk noch in 
seinem Todesjahr ganz in Druck zu bringen meinte, fand 
er für gut, »alles dasyenige, so unter den buechern dienst- 
lich gefunden worden und zu dem werckh tauglich, doch 
sich ansehen ließ, als wolte es gar zu lange zeit fordern 
abzuschreiben, heraußzuschneiden und in den rang und Ord- 
nung der buecher ordentlich legen, darinnen auch weder 
seinen noch meinen buechern nicht verschonet«. Nicht aus 
Eigennutz also, sondern zur Förderung des löblichen Werkes 
sei dies geschehen, in der Meinung, dass der Schaden »mit 
wenig leim« durch den Buchbinder wieder gut gemacht 
werden könne oder dann die Bücher durch neue ersetzt 
würden. Das Ausschneiden sei aber nicht, wie behauptet 
worden, in der Bibliothek, sondern im Haus des Doktors 
erfolgt, und wenn sie in der Bibliothek sich eingeschlossen, 
das heisst die Türe hinter sich zugezogen, so hätten sie es 
getan, um nicht durch Kinder, die von der Gasse hinein- 
liefen, gestört zu werden, oder wegen des Gebetes, das bei 
Bestattungen in der Kirche abgehalten worden sei. Sollte 
allein hieraus schon Argwohn geschöpft werden, -so träfe 
dieser auch den Herrn Jakob (Lorhard), den er selbst bei 
verschlossener Türe in der Bibliothek gefunden habe. 

Zu seinem Vorgehen habe Schobinger sich berechtigt 
geglaubt, i. wegen der Leichtigkeit, womit der Schaden zu 
ersetzen war; denn es sei (Goldast betont dies nochmals) 
kein Buch in der Bibliothek oder je darin gewesen, das 
nicht an jeder Messe in Frankfurt oder täglich in Augs- 
burg zu finden wäre, und von Vadians Schriften habe der 
Doktor beabsichtigt für i Exemplar »20 oder 30 an die statt 



') Die beutige Einteilung der Vadianischen Handschriften lässt sich damit 
nicht recht vereinigen und scheint somit nicht auf die von Goldast getroffene 
zurückzugehen, sondern erst später erfolgt zu sein. — 2 ) In Bern befindet sich 
die Originalhandschrift des «Liber de monachis«, deutsch, 1548 abgefasst. 
S. Hagen, Catalogus codicum Bern. Nr. 138. Konzepte dazu in Ms. 47 der 
Vadiana. 



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262 Schieß. 

zu thun*. 2. Weil er, wie ihn Goldast oftmals klagen hörte, 
als er »nach empfangenem doctorat von Speyr einheimisch 
worden, domalen schon ettliche buecher ausgeschnitten, 
ettliche aber, so doch im register einverleibet, gar nicht 
gefundene. Er selbst könne »bey meinen trewenc bezeugen, 
dass gleich anfangs im Jahr 1599 Bücher, nach denen ihn 
der Doktor sandte, von ihm nicht gefunden worden seien, 
so dass Schobinger sogar eine Zeitlang daran dachte, die 
Bücher, die von seinem Vater und Grossvater in die 
Bibliothek geschenkt waren, an sich zu nehmen. 3. Weil 
er der Überzeugung gewesen, dass er mit dem Werk Gott 
und der Welt einen Dienst und ein Wohlgefallen tue. 

Aus diesen Gründen, weil das Werk der ganzen Stadt 
zum Ruhm gereichen sollte, Schobinger den Schaden zu 
ersetzen gedachte und nicht seinen Nutzen suchte, sondern 
grosse Kosten darauf wendete, weil ferner David Schobinger 
im Namen der Vogtkinder und er selbst ein ganzes Jahr 
lang sich zur Besichtigung der Bücher anerboten, sie die 
ganze Zeit über unverändert gelassen und gleich anfangs 
Herrn Othmar Scheitlin 1 ) gebeten und gemahnt hätten, die 
Bücher in der Bibliothek durchzusehen und Mangelndes bei 
ihnen zu suchen, und weil sie ausserdem sich bereit erklärt 
hätten, wenn sie Bücher fänden, über deren Eigentum ein 
Zweifel bestehe, sie dem Herrn Scheitlin zuzustellen, — möge 
der Rat »die sach nicht so hoch und schwer zu gemuet 
fueren oder darinn auß bitterlichem herzen handlenc, son- 
dern den Schaden, wozu schon Dr. Scnobinger sich bereit 
erklärt habe, durch Sachverständige schätzen lassen und, 
ihnen nennen, worauf sie bereit seien, für ihn aufzukommen 
und die Bücher, »denen der buchbinder nicht weist zu hilff 
zu kommen«, zu ersetzen. 

»Bildet euch selbsten für«, apostrophiert Goldast den 
Rat, »und last euch gedunckhen, der herr burgermeister von 
Watt stehe vor E(uer) E(hrsamen) W(eisheit) persönlich in 
disem handel gegenwerttig. Was vermeinent ir, das er zu 
euch sagen wurd? Wurde er nicht solliche oder dergleichen 
wort gegen euch sich gebrauchen? O ihr mißgünstige 

') Einen der Geistlichen. I. Beilage 2. Offenhat war ihm in erster Linie 
die Untersuchung der Bibliothek übertragen worden. 



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Goldasts Aufenthalt in St. Gallen. 26^ 

meines lobs und Verhinderer meines ruoms! Diesen man, der 
mich bieß in den himmel hatt wollen erhaben, begcrent ihr 
bieß in die hell hinab zu stürtzen; der mein lob und nammen 
erhöchet, den erniedrigent ihr; der mein ehr errettet, dessen 
ehr tasten ihr an; der mein unsegliche und unaussprechliche 
muhe und arbeit hatt vom fall deß Untergangs erlöset, den 
sehent ihr untertruckhen und in fall gebracht werden! Die- 
yenige aber, so sich meine enkel und kindtskinder nennen, 
aber meinen fußstapffen nicht nachfolgen, die mein lob, 
nammen und ehr begerent zu vertunckhlen, die erleuchtent 
ihr; die dieyenige werckh, so mir manchen schlaaff und essen 
genommen, den schaben und wurmen zu einem aaß dar- 
bietten und fürstellen 1 ), die seint euch erretter deß gemeinen 
nutzes! Vermeinent ihr nicht, das solche und dergleichen 
wort dieser dapfere mann, wo er allhie zugegen stunde, auß 
seinem scharpffen und standthafftigen gemuet wurde auß- 
giessen und schütten?« 

Wenn aber die Sachen, wie man sage, dem Rat »zu 
schwer wöllent fürfallen (obwoll nichts schwere darinn be- 
griffen)«, so nähmen sie die Bei^ichung sachverständiger 
I^eute wie der Gelehrten der hohen Schule in Zürich oder 
Basel gern an und würden sich deren Urteil unterziehen. 

Zum Schluss bittet er, man möge ihn »auß dem gelübt, 
so ich nun zum anderen mal stattgethan 3 ), frey erkennen 
und den auff die buecher angelegten arrest ohn alle gefeerde 
auffthun, dieselbige zu meinen und meiner herren geschefften 
folgen und fahren lassen«, wogegen er sich »aller nachbeur- 
lichen trew und pflicht« jederzeit erbietet. 

Unterschrift: »Melchior Goldastus, Jurisconsultus und 
Churfürstlicher pfältzischer Raath« 3 ). 



') Ähnlich bemerkt er in den Alamann. rer, Script. I, S. 4 f. über Vadians 
Schriften, zum Teil seien sie publiziert, »pars in privatorum scriniis tineis et 
blattis pulchrum pnebent pabulum«. — *) Er hatte wohl geloben müssen, sich 
nicht aus St. Gallen zu entfernen. — *) Wann Goldast diesen Titel erlangt 
hatte, wissen wir nicht; doch wird man nicht annehmen dürfen, dass er ihn 
sich unbefugter Weise beilegte. Da nach Episl. 58 der Kurfürst (als Pate) 
zur Wahl des Erziehers des jungen Herrn von Hohensax seiner Einwilligung 
zu geben hatte, dürfte wohl die Ernennung zum Rat bei diesem Anlass er- 
folgt sein. 



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■ . 



264 



Schieß. 



Diese Verantwortung wurde vom St. Galler Rat begreif- 
licherweise nicht gerade beifällig aufgenommen. Er erwiderte 
darauf mit einem fast ebenso umf an gleichen Schrifstück, 
das auch sein Endurteil über den leidigen Handel enthält 1 ). 

Zunächst wies er mit Entrüstung die Unterschiebung 
zurück, als ob er sich durch Widersacher des Dr. Schobinger 
zu seinem Vorgehen habe bestimmen lassen; vielmehr sei die 
Sache von ihm aus eigenem Willen und nicht ohne triftige 
Gründe an die Hand genommen worden. »Das mann mit 
iren buecheren allso unfleisig und grob (das doch groben, 
unverstendigen bauren, und die kain buech ir tag nie ge- 
sehen, zue geschweigen denen, die so hochgelerte und für- 
treffenlichc leut sein wollen, zu vil gewesen were) ist urab- 
gangen«, sei den Herren keineswegs zu Lebzeiten des Doktors 
bekannt gewesen; sonst hätte weder der Grimm des einen 
oder andern, noch Doktorat, Herkunft, Reichtum und Ruhm 
sie vom Einschreiten abgehalten. Erst seit etwa einem Jahr, 
als man die Bibliothek habe visitieren lassen, was erst nach 
Schobingers Tod geschehen, habe man mit grossem Missfallen 
davon erfahren und mit gutem Grund sich veranlasst gesehen, 
nach den Schuldigen zu forschen. Ob die Gelehrten darum 
gewusst, lasse man dahingestellt; unbillig aber sei es, ihnen 
einen Vorwurf daraus zu machen, dass sie nicht eine 
Ausscheidung der Bücher begehrt hätten. Goldast gebe ja 
selbst an, dass sie ihn im Jahr 1599 zur Rede gestellt und 
also das hätten ins Werk setzen wollen, dessen Unterlassung 
er ihnen vorwerfe. Dass sie durch den Grimm des Verstor- 
benen sich hätten abschrecken lassen, scheint der Rat ganz 
natürlich zu finden; denn er bemerkt: »Und so herr Dr. Scho- 
binger allain von deßwegen, das die gierten ine, Goldast, 
zue red gesetzt, wider sie ainen solchen grim gefaßet, was 
wurde erst ervolgt sein, wann sie in selbst personlich da- 
rumb angesprochen und meiner herren buecher von im ab- 
zuefordern oder von den seinigen abzuesondren understanden 
heten«? 

Es hätte ja auch niemand dem Doktor und Goldast 
solche Behandlung der Bücher zugetraut, vielmehr jedermann 



l J Stadtarchiv St Gallen, Tr. Q, Nr. 6b. 



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Golciasis Aufenthalt in St, Gallet». 



265 



von ihnen sich der besten Ordnung versehen, durch deren 
Beobachtung die dem Goldast so anstössige Inquisition ver- 
mieden worden wäre. Schobingers Tod aber sei kein Grund 
gewesen, von ihr abzusehen. Alle Schuld, dass sie über- 
haupt nötig geworden, treffe allein den Verstorbenen und 
Goldast, die ein Verzeichnis der entlehnten Bücher hätten an- 
legen und sie entweder gesondert aufbewahren oder mit einem 
leicht kenntlichen Zeichen versehen sollen. Und damals, als 
sie noch zu Schobingers Lebzeiten ihre eigenen Bücher be- 
zeichneten, hätten sie diese je für sich gesondert aufstellen 
sollen, so wären die Bibliothekbücher an einem dritten 
Haufen geblieben; auch wäre ihnen angestanden, zu dieser 
Ausscheidung den dritten Mann, der auch Teil hatte an den 
Büchern, beizuziehen. Ihnen allein also sei die Schuld bei- 
zumessen, dass die Inquisition nicht zu Lebzeiten Schobingers 
stattgefunden habe. 

Was sodann die eigenmächtige Behandlung der Bücher 
und die für Schobinger vorgebrachte Verteidigung betrifft, 
so erscheint es dem Rat nicht unrecht, dass Goldast für 
seinen Wohltäter eingetreten ist; doch findet er die Ver- 
teidigung ungenügend. Denn die Absicht, den angerichteten 
Schaden durch Überlassung von 20 — 30 Exemplaren des 
geplanten Werkes zu ersetzen, habe den Doktor nicht be- 
rechtigt, ohne Einwilligung der Behörde so vorzugehen, 
und schon die Rücksicht auf üble Nachrede, falls er \or 
Durchführung seiner Absicht stürbe, hätte ihn davon abhalten 
sollen. Ebenso sei es keine Entschuldigung für ihn, dass 
andere vor ihm es nicht besser gemacht hätten. 

Dass die Bücher, wie Goldast behauptet hatte, redlicher- 
weise entlehnt worden seien, will der Rat nicht bestreiten, 
nur vermisst er dabei die gebührende Sorgfalt. Die anderen 
Einwürfe aber, dass man erst den toten Löwen anzugreifen 
gewagt habe, und dass es unbillig sei, Schobinger für allen 
seit 40 Jahren entstandenen Schaden verantwortlich zu 
machen und auch für die Leute, die kein Buch in die 
Stadt gebracht, aber ganze Kasser voll hinausgeführt hätten 
{»deren doch herr Goldast khainen nambset«), zur Rechen- 
schaft zu ziehen etc., hätte Goklast »wol mögen in der 
federn steckhen bleiben lassen. Dann mein herren deren 

Zcitochr. I. d. Goch, Oberth. N.F. XXXII. i. r g 



"v c raiHaTCHUHivimir* 



266 Sehicß. 

stuckhen noch khains begert oder jemandts zuegemuetet; 
dann sie vil lieber ire buecher gantz, unverserth und unver- 
endert heten weder dergleichen baufellige außreden und 
entschuldigungen«. 

Auf Goldasts persönliche Rechtfertigung eintretend, hält 
ihm hierauf der Rat vor: er habe keinen Grund, sich so sehr 
in die Brust zu werfen; denn ihm sei wohlbewusst, und man 
könnte ihn dessen überführen, dass er bei der Befragung in 
der Kanzlei, durch wen das Ausschneiden geschehen, es 
allein dem Dr. Schobinger zugeschoben und erst am fol- 
genden Tag vor dem Rat sich zu der Erklärung herbei- 
gelassen habe, »ermelter Herr Dr. Schobinger selig habe 
solches Außschneiden zwar in sein, Herrn Goldasts, bei- 
wesen und mit seinem zuethon verrichtet*. Dabei könne 
niemand wissen, ob er, wenn nicht Junker David Schobinger 
zugegen gewesen wäre, sein Verschulden zugestanden hätte, 
ganz davon zu schweigen, dass die Gelehrten bezeugen, er 
habe, als sie ihn wegen des Ausschneidens zur Rede stellten, 
dieses für seine Person nicht gelten lassen. Für das Aus- 
schneiden aber sei der Befehl Schobingers, auf den sich 

Goldast berufe, keine Rechtfertigung, wie er selbst recht 
wohl wisse. 

Die Beteuerungen Goldasts, dass er aus keinem Buch 
zu seinem Nutzen Ausschnitte gemacht und keines aus der 
Bibliothek entnommen habe, um es für sich zu behalten, 
und seine Berufung auf auswärtige Bibliotheken, von denen 
keine Klage über ihn laut geworden sei, geben sodann dem 
Rat Anlass zu folgender Entgegnung: »Dieweil aber er, 
Herr Goldast, in seiner schrifft hin und wider meinen herren 
vil schimpffliche puneten fürwirfft und gleichsam sich er- 
zeigt, als wenn man mit ime ungebürlich und wider die billich- 
khait procedierte, so wolle er erngemelten meinen herren 
zue guet halten die Antwurth, die Sie ime hierüber geben. 
Und were ime hierinnen wol glauben zue geben, wann 
nit were befunden worden, das an etlichen meiner 
herren buecheren die Numeri) durchgeschabet und 
sein, herr Goldasts, namen an die stath gesetzt were«, 
Dies könne er nicht mit Unkenntnis entschuldigen; denn 
zum mindestens hätte er wissen müssen, dass diese Bücher 



l'.OP;>k» 



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Golda&ts Aufenthalt in SL Galleu. 



267 



nicht ihm gehörten. Weiter verweisen sie auf den im Ver- 
ordnete n-Protok oll erwähnten Vorfall mit »der geschribnen 
Cronickh, die in Francisc Grosen von Bischoffzell hand kho- 
men ist«, woraus Goldast einen darin befindlichen Kalender 
schneiden wollte, und auf die verdächtigen Äusserungen, die 
er gegen Dr. Rothmund und Rektor Lorhard getan. Wenn 
gleichwohl von den auswärtigen Bibliotheken keine Klage 
bekannt geworden sei, so habe dies seinen Grund vielleicht 
darin, dass die dortigen Bibliothekare den Schaden nicht 
wahrgenommen hätten oder bei nachträglicher Entdeckung 
den Schuldigen nicht mehr ausfindig machen konnten. 

Die übrigen Ausreden und Entschuldigungen würdigt 
der Rat, weil sie den vorigen »aintweders gleichförmig oder 
sonst nit von fast hohen krefften« seien, keiner Erwiderung. 
Mit höchster Entrüstung aber verwahrt er sich gegen den 
Vadian in den Mund gelegten Vorwurf, als ob sie *miß- 
günstige des lobs und Verhinderer des ruoms des fürtreffen- 
lichen mannes Herren Dr. Joachims von Watt« seien etc. 
»Dann er, Herr Goldast, zuvor würdt müessen faulen, ee das 
er ainen ainigen diser gemelten puneten uff vilgedachte 
meine gnädigen herren werde beweisen und war machen*. 
Gerade von der gegenteiligen Gesinnung sei die Behörde 
bei ihrem Vorgehen geleitet worden und wäre, auch gern 
bereit gewesen, den Dr. Schobinger in seinem Vorhaben zu 
fördern, »wann er sie nun darfür geachtet und gehalten hete«. 
Eben das, dass Vadians Werke so schimpflich zerschnitten 
worden seien, kränke sie vor allem. »Und darumb so thuet 
Herr Goldast inen, meinen gnädigen herren, mit solcher un- 
verschambten zuelag zue vil und unrecht und greifft ir Ehr 
vermeßenlich an und inueß derowegen solches billich widter 
zue ime in seinen buesen nemenc 

Auch die Berufung auf das Beispiel Notkers und den 
Spruch Chrisii von dem Propheten, der in seinem Vaterland 
nichts gelte, weisen sie, wie den Vorwurf, dass Goldast durch 
das lange Hinziehen der Sache an wichtigen Geschäften 
versäumt worden sei, als unangebracht und unbegründet 
zurück und erklären zum Schluss: Obwohl sie, auch ohne 
Universitäten zu konsultieren, in der Sache klar sähen und 
guten Grund hätten, sowohl gegen Goldast als gegen Dr. 



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268 Schieß. 

Schobinger selig »einen anderen weg dormit fürzuenemen«, 
so wollten sie doch, »weil diß sach ainen todten leichnam 
betrifft«, gleich einem edlen Pferde, das ein bellendes Händ- 
lern nicht achte, »nichts uß biterlichcm hcrtzen« vornehmen. 
Sondern, da Goldast dem Vernehmen nach von ansehnlichen 
Ständen in wichtigen Sachen gebraucht werde und zu hoffen 
stehe, dass er mit der Zeit auch ihrer Stadt Dienste erweisen 
könne, wollten sie die Verhandlung, soweit sie den Dr. Scho- 
binger und ihn betreffe, »allenclich und uff ain vollkhomen 
Endt auffgehebt haben, allso das dieselbige weder dem 
Herren Dr. Schobinger seligen noch ime, Herren Goldast, 
noch ir beeder erben zue khainen Ungnaden noch unstatten 
nimermer khomen noch gerechnet werden solle«, jedoch mit 
der Bedingung, dass Goldast alle Bücher aus der Bibliothek, 
die er noch in Erfahrung bringe oder in Händen habe, bei 
seinem Eid zurückerstatte oder Anzeige davon mache und 
dass er ähnlicher Schriften gegen den Rat wie der ein- 
gereichten sich gänzlich enthalte. Sollte er aber hiegegen 
handeln oder sich sträuben, diese Zusage zu geben, so be- 
halten sie sich alle Schritte gegen ihn vor, zu denen sie 

rechtlich befugt seien. 

»Hiemit«, schliesst das Schriftstück, »so solle Junker 
Davidt Schobinger bei seinen bürgerlichen pflichten ufferlegt 
sein, diejenige schrifften undt sachen, so uff Herren Dr. Scho- 
bingers tisch bei ainandern ligen undt sein vorgehabtes 
werckh betreffendt, bis uff meiner gnädigen herren weitern 
bevelch bei ainandern unverendert bleiben zue lassen, er, 
Herr Goldast, aber, sofer er verspricht, dem, was im in jetz 
verhörter urtel ufferlegt ist, statzuethon, möge uff solches mit 
seinen buechern von menigclichem unverhindert verfaren«. 

Darunter steht von anderer Hand der Vermerk: »Con- 
firmatum et publicatum donstags den 25^ Julii (4. August) 
anno 160,5. 

Und hat Goldast die Urtel zu danckh angenomen und 
angelobt, derselben stattzuthun«. 

So endete diese heikle Verhandlung mit einem recht 
gelinden Urteil. Offenbar konnte gegen die Verteidigung 
Goldasts, in der er die Verantwortung für den an Büchern 
der Bibliothek und den Schriften Vadians angerichteten 



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Goldasts Aufenthalt in St. Gallen. 2ÖQ 

Schaden dem Dr. Schobinger zuschob, nicht viel eingewendet 
werden. Die eigenen Angehörigen des Verstorbenen scheinen 
diese Aussage nicht bestritten und Goldast um ihretwillen 
nicht gezürnt zu haben. So konnte auch der Rat aus Rück- 
sicht auf die angesehene Familie ihm um seines Anteiles 
willen nicht viel anhaben und zog es vor, den sonst gegen 
ihn vorliegenden Beschuldigungen nicht weiter nachzu- 
gehen. Goldast aber, der sich glücklich schätzen mochte, 
so glimpflich davon gekommen zu sein, verweilte jedenfalls 
nicht allzulange mehr in St. Gallen. Ob er sich nochmals 
nach Forsteck begab, lässt sich mit Bestimmtheit nicht sagen. 
Doch gab er. wenn es nicht schon vorher geschehen war, 
jedenfalls noch im Lauf des Sommers die Stelle als Erzieher 
des jungen Herrn von Hohensax auf. Sein Wohnsitz für 
die nächste Zeit war Bischofszeil. Am i. September drückte 
Stucki in einem dahin adressierten Brief ihm seine Be- 
friedigung darüber aus, dass er dem Hofdienst entsagt habe, 
und forderte ihn auf, sich nicht in der Verborgenheit zu 
vergraben, sondern einen Wirkungskreis an einer Akademie 
zu suchen 1 ). Doch wollte sich keine Gelegenheit dazu bieten, 
und so blieb Goldast den Winter Ober noch in Bischofszeil, 
obwohl er da seines Glaubensbekenntnisses wegen ange- 
feindet wurde. Im folgenden Frühjahr aber siedelte er, da 
seine Erwartung, in Heidelberg eine Stelle zu finden, sich 
nicht erfüllte 2 ), nach Frankfurt über, das ihm besonders 
geeignet erscheinen mochte für die gelehrten Publikationen, 
denen er sich nun mit grösstem Eifer widmete. Schon 1605 
waren hier die sSvevicarum rerum scriptores«, ein Quart- 
band von massigem Umfang erschienen; ihnen folgten 1606 
in drei Foliobänden die »Alamannicarum rerum scriptores«, 
von denen schon die Rede war. 

Auf die weiteren Publikationen Goldasts einzutreten, 
ist hier nicht der Pkitz. Dagegen müssen wir noch- 



') Epist. Nr. 100 (1./11. Sept. 1605). Das Vorwort zu den Svevicanim 
lerum scriptores ist aus «Frankfurt, 3, April 1605 datiert; doch legt Stuckis 
Brief die Annahme nahe, dass Goldast erst kürzlich den Hofdienst aufgegeben 
habe und also im April nur vorübergehend in Frankfurt gewesen sei. Jeden- 
falls ist für die Zeit vom Sept. 1605 — Frühjahr 1606 Bischofszell durch die 
Briefe als sein Aufenthaltsort gesichert. — *) Vgl. Epist. Xr. 114 und 115. 



( ; °ogk nmSwwwm 



270 Schieß. 

mals auf die in St. Gallen gegen ihn geführte Unter- 
suchung zurückkommen. Die vorgebrachten Klagen be- 
treffen teils den Schaden, den er zusammen mit Dr. Scho- 
binger durch Ausschneiden aus Büchern und eigenmäch- 
tiges Verfahren mit Vadians handschriftlichem Nachlass 
gestiftet haben sollte, teils richten sie sich allein gegen 
Goldast. Auf die ersteren noch weiter einzugehen, ist un- 
nötig; sie sind in der Verantwortung und der Entgegnung 
des Rates zur Genüge erörtert worden. Auch lässt sich 
nicht mehr feststellen, wie grosser Schaden tatsächlich an- 
gerichtet worden war; man gewinnt aber den Eindruck, als 
ob die Sache von den Herren s Gelehrten c über Gebühr 
aufgebauscht worden sei. Anders steht es mit den gegen 
Goldast allein erhobenen Beschuldigungen, auf die er in der 
Verantwortung nur in allgemeinen Sätzen eingeht und auf 
die auch der Rat, (bewusst oder unbewusst?) seinem Bei- 
spiel folgend, weiter kein grosses Gewicht legt. Und doch 
sind es recht gravierende Dinge, deren Goldast beschuldigt 

■1 

wurde: leichtfertige Äusserungen, die den Verdacht nahe 
ldgten, dass er bei günstiger Gelegenheit nicht davor zurück- 
schrecken werde, Schriften, die ihn interessierten, sich an- 
zueignen; in einem bestimmten Fall der Versuch, einen 
Kalender, in dem sein Familiennamen stand, aus einem Buch 
herauszuschneiden, endlich widerrechtliche Aneignung von 
Büchern der Bibliothek, in denen er die Bibliotheknummer 
ausradiert und seinen Namen an die Stelle gesetzt hatte. 
Wenn der Rat trotzdem von weiteren Schritten absah, tat 
er wohl darum, weil die beabsichtigte Schädigung ja durch 
rechtzeitige Entdeckung abgewendet worden war und weil 
kein Hinweis auf andere Benachteiligung der Bibliothek 
vorlag. Für die Beurteilung von Goldasts Persönlichkeit 
und Charakter ist es aber nicht unwesentlich zu wissen, ob 
noch weiterer Anlass zu Verdacht vorliegt. Schon was man 
damals in St. Gallen gegen ihn vorzubringen hatte, ist dazu 
angetan, das Vertrauen in seine Gewissenhaftigkeit ernstlich 
zu erschüttern und den Argwohn zu trwecken, dass die 
grosse Bibliothek, die er nachmals hinterlassen hat, nicht in 
allen Teilen von ihm auf ehrenhafte Weise erworben worden 
sei. Ganz schlimm aber steht es für seine Sache, wenn 



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Goldasts Aufenthalt i» St. Gallen. 



27' 



noch mehr belastendes Material zutage kommt, und dies is* 
tatsächlich der Fall. 

Den leichtfertigen Äusserungen, die Goldast in St. Gallen 
getan hatte, lässt sich eine ähnliche Bemerkung an die Seite 
stellen, die er sich in einem Brief an Schobinger zu schulden 
kommen Hess 1 ). Sein eigenes Schreiben zwar ist nicht er- 
halten; aus der Antwort des Doktors aher lässt sich folgendes 
entnehmen: Er hatte mit andern Handschriften auch einen 
Martianus Capeila aus der Klosterbibliothek an Goldast nach 
Genf geschickt und, da der Bibliothekar auf Rückgabe drang, 
deshalb nach Genf geschrieben. Mit grosser Bestürzung er- 
fuhr er aus der Antwort Goldasts und einem Schreiben von 
dessen Hausherrn Lectius, dass die Handschrift nicht zurück- 
gesandt werden könne, weil sie einem Dritten geliehen 
worden war, der die Rückgabe unter allerlei Ausflüchten 
verweigerte. In diesem Schreiben nun muss Goldast den 
Vorschlag gemacht haben, dem Bibliothekar an Stelle der 
Handschrift eine andere unterzuschieben. Schobinger ver- 
wahrte sich aufs ernstlichste gegen diesen Vorschlag: er 
hafte dem Abt mit seinem Wort für die Rückgabe, auch 
würde sich der Bibliothekar nicht täuschen lassen, da er 
ohnehin schon Argwohn geschöpft habe. Goldast solle die 
Autorität des Lectius aufbieten, um die Handschrift zurück- 
zuerhalten etc. Ob dies schliesslich gelang, ist nicht be- 
kannt; doch spricht dafür der Umstand, dass der Sache 
weiter nicht mehr gedacht wird. 

Sodann wissen wir heute, was zu beweisen, den St. Galler 
»Gelehrten« im Jahr 1605 allerdings sehr schwer gefallen 
wäre, dass sich in Goldasts Händen rund 100 Briefe be- 
fanden, die nur aus Vadians Nachlass stammen konnten, 
und dass er ebenso viele Urkunden besass, - die vordem 
Eigentum des Klosters St. Gallen gewesen sein müssen. 

In den Briefbänden der Bremer Stadtbibliothek, die 
zu Goldasts Nachlass gehören, befinden sich nämlich heute 
noch 94 (ursprünglich waren es 95) Briefe an Vadiati 2 ). Fünf 



'} Epist- 62, Nachschrift, — *j Eine dieser 94 Nummern ist nicht eigent- 
lich ein Brief, sondern die Vorladung Vadians zum Magisterexamen (St. Galter 
Mitteilungen 24, S. 5). Ein ehemals in Bremen liegender Biicf ist abhanden 
gekommen. 



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2*72 Schieß. 

derselben sind von Goldast schon in Band III der Ala- 
mannicarum rcrum scriptores, weitere zwölf in der 1610 
erschienenen Centuria philologicarum epistolarum publiziert 
worden; ausserdem finden sich in dieser Centuria noch drei 
Briefe an Vadian und ebenso in den Alamannicarum reruni 
scriptores einer, deren Originale heute nicht mehr bekannt 
sind. Wie ist Goldast in den Besitz dieser Briefe gekommen? 
Leider besteht kein Verzeichnis der Manuskripte der St. Galler 
Stadtbibliothek, das noch im 16. Jahrhundert angefertigt 
wäre; das älteste, jedenfalls erst nach 16 15 angelegte, zeigt, 
dass die Briefe aus Vadians Nachlass damals der Biblio- 
thek gehörten und in Paketen aufbewahrt wurden, noch 
nicht in Bände eingeordnet waren. Immerhin deutet wenig- 
stens eine Notiz von Clebers Hand in einem älteren Bücher- 
katalog (Ms. 6) an, dass sich »varia epistolia ad Cl(ariss-) D. 
Vadianum missa« in der Bibliothek befanden. Wann die 
Briefe an die Bibliothek übergingen, ist nicht bekannt; doch 
darf man annehmen, dass sie schon unmittelbar nach Vadians 
Tod mit seinen Büchern und dem handschriftlichen Nach- 
lass an sie abgegeben worden sind. Einen strikten Beweis 
dafür, dass Goldast diese 99 Briefe in Anwendung des 
Rezeptes, das er dem Rektor Lorhard verraten, aus der 
Stadtbibliothek entwendet habe, kann man somit nicht 
führen, da immerhin die Möglichkeit besteht, dass ein Teil 
des Briefwechsels sich noch in Händen von Privaten be- 
funden und Goldast denselben auf rechtliche Weise an sich 
gebracht habe. Es spricht aber alles gegen ihn; auch die 
Auswahl, die unter den Briefschreibern getroffen ist, und 
der Inhalt der Briefe, machen keineswegs den Eindruck, 
dass hier eine zufällig zustande gekommene Sammlung vor- 
liege, sondern vielmehr den, dass bei ihrer Zusammenstellung 
gewisse Gesichtspunkte philologischer und antiquarischer Art 
massgebend gewesen seien 

Ahnlich steht es mit der Centuria chartarum, die Goldast 
in den zweiten Band der Alamannicarum rerum scriptores 
aufgenommen hat. Es sind St. Galler Traditionsurkunden, 
die nur aus dem Kloster St. Gallen stammen können. Über 
ihre Erwerbung macht Goldast in der Einleitung keine An- 
gabe. Dagegen findet sich in den Additiones zu der Aus- 



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Goldasts Aufenthalt in St. Gallen. 2 7A 

gäbe von Vadians Farrago im dritten Band der Scriptoros eine 
Stelle, die wenigstens einigen Aufschluss zu gewähren ver- 
spricht. Im zweiten Buch der Farrago teilt Vadian mehrfach 
Klosterurkunden mit und spricht bei solcher Gelegenheit ein- 
mal von den Chartas, >quas mihi casu quodam videre conti git«. 
Zu diesen Worten findet sich in den Additions (S. 146) eine 
Erläuterung 1 ), wonach -im Januar 1532, nachdem die St. Galler 
153 1 das Kloster durch Kauf an sich gebracht hatten, die 
äbtische Pfalz von den Bürgern geplündert wurde und der 
Kloster Verwalter Hieronymus Schobinger, ein Grossoheim 
des Doktors, kaum die Betten in Sicherheit bringen konnte. 
Damals nun seien von der plündernden Menge auch mehr 
als 600 Urkunden in einer Truhe gefunden worden, und als 
dann Kinder sie in der Stadt herumtrugen, habe der Rat 
befohlen, dass sie zur Aufbewahrung aufs Rathaus gebracht 
würden. Später habe Vadian als Bürgermeister (1532?) 2 ) 
sie an sich genommen, und ein Teil von ihnen sei in der 
Folge an den Dr. Schobinger, andere auf diesem unbekannte 
Weise ( Miescio quo casu«) an Goldast gekommen. Diese 
Darstellung wird, soweit sie die Plünderung der Pfalz be- 
trifft, bestätigt durch Vadians Diarium mit der einzigen Aus- 
nahme, dass durch dieses ein Irrtum in den Jahreszahlen 



l ) Vgl* zum folgenden Wartmann, Urkundcnbuch d. Abtei St- Gallen, 
Bd. I, S t VI- Aura- I. Die Schobinger in den Mund gelegte Erläuterung hat 
folgenden Wortlaut: »(jiiuit) anno domint mü lesimo quiiigcntesimo trigesimo 
primo civitas s no5tiu locum monasterii, qui muris ainbitur et includitur, a con- 
fuederaiis suis Tigurinis et Glarcanis certa pecwlise summa comparavissem, tum 
cives primo ineuutis anni mense patatium, quod vocant, Irrumpeic illudque 
primo dcs}>nliarc coepmint vix Ircionini supellectilc salvata et alio transj>ortata 
a!) Hieronymo Scbowingero Gossovcnsi, palruo meo magno, monasterii tum a 
IT1I Pagis pnefecto. Cumque omnium omnis auatis liominum coneursus ficrei 
omnesque anguli atque arca* perscrutarentur, rcperlffi fuertint in quadant cista 
Chartas membraneee amplius 6oo, breves ilke quidem, sed pervctusia?, in qutbus 
continebanlur omnis generis donationes, legata, redditus, census etc. a nobilibus 
et plebeüs lemporibus I-udowici» Caroli atiorumque reguni Francis monastcrio 
data; atque tradiue. Kit cliattas qnuni pueri per urbem gestaient, prxcepit 
senatus, ut in curiam perferrent ibique custodirentur. Ouas tandum Vadianus, 
constil creaius, ad se reeepit et aliquot in hoc seeundo libro inseruit. Pars 
cBnim ad nie, aliquot Gliom ncscio quo casu ad Goldastutn nostrum pervenit«. 
— 7 ) Vadian bekleidete 1526 zum erstenmal und von da an jedes dritte Jahr 
das Bürgermeisteramt, vgl, oben S. 254, Ann). 2. 



1 rooglc radicuuwvwtfiY 



274 



Schieß. 



berichtigt wird; der Klosterkauf hatte nämlich 1530, die 
Plünderung im Januar 1531 stattgefunden"). 

Da nun die Additiones zur Farrago nach dem Titelblatt 
von Dr. Schobinger beigefügt sind und deren Angabe noch 
durch das Diarium bekräftigt wird, scheint hier ein ein- 
wandfreies Zeugnis dafür vorzuliegen, dass Goldast die Ur- 
kunden mit Wissen Schobingers besäss, wenn diesem auch 
nicht bekannt war, wie er zu ihnen gekommen sei. Und 
doch ist gerade dieser Zusatz »nescio quo casu« bei näherem 
Zusehen etwas verdächtig. Alle Beweiskraft aber verliert 
die Erklärung, wenn sie nicht von Schobinger, sondern von 
Goldast beigefügt ist, und das ist allem Anschein nach der Fall. 

Die Handschrift, welche dem Abdruck der Farrago zu- 
grunde gelegt wurde, eine von Schobinger selbst angefer- 
tigte Abschrift, ist wieder nach St. Gallen zurückgekommen 
und liegt in der Yadiana, {Ms. 49). In ihr befinden sich die 
Additiones zum Text am Rande. Schon eine flüchtige 
Durchsicht aber zeigt, dass nur ein kleiner Teil von Scho- 
binger, weit mehr (auch an der Farbe der Tinte leicht zu unter- 
scheiden), von Goldast herrühren, und dazu sind die meisten 
in der Handschrift nicht in der Form, die ihnen im Druck 
gegeben ist, enthalten, sondern nur kurz angedeutet, erst 
im Druck (d. h. zu einer Zeit, wo Schobinger schon tot 
war) ausgeführt. Gerade an der Stelle nun, zu der die 
erwähnte Erläuterung gehört, findet sich kein Vermerk, auch 
nicht etwa eine Verweisung auf einen verlorenen Zettel von 
Schobingers Hand, wohl aber von der Goldasts ein »NB * «. 
Auch hier ist ein strikter Nachweis nicht zu führen; aber 
alles deutet darauf hin, dass die Erläuterung ein Zusatz von 

■) Joachim v. Watt, Deutsche histor. Schriften III, S. 282, Nr. 186: 
•Nachdem und wir den platz in unser siat von unsern lieben Aidgnoßen von 
Zürich und Glaris koufi hattend, begab sich im Jenncr angendtz 1531. jars. 
daß man die pfallenz rumt und Hieronymus Schowinger von Goßow, der 
4 Orten schafuer, das betgwand daruß an andere ort verwandt. Do lufend 
die unsern zft und ernüstertend auch al Winkel. Und fand man in ainem trog 
bi 600 bergamaniner briefen, die klain und all und luter abschriften warend 
der gotzgaben und gmechten, reuten und gülten, die biderb lüt, edel und unedel 
hattend zu kling Ludwigs, Carotis und anderer künigen ziten an das gotzhus geben. 
Diß zedel trügend unser höben und burgerliind in der stat um, und wie man si 
sach, do nam man si inen ab un<i ghielt maus; es sind ir noch vil vorhandene. 
Vgl. ebenda S. 370 f. 



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Goldasls Aufenthalt in St. Gallen. 27 ■> 

Goldast ist, der sich damit gegen allfällige Nachforschung, 
wie er in den Besitz der Urkunden gekommen sei, decken 
wollte. Alles, was in der Erklärung gesagt ist, konnte 
Goldast, der sich auf Schobingers Geheiss speziell mit Vadians 
Schriften befasst hatte, ebensogut wie aus dem Mund des 
Doktors aus Vadians Diarium wissen, dessen Wortlaut in 
der lateinischen Bemerkung teilweise noch zu erkennen ist. 
Höchstwahrscheinlich waren alle 1 53 1 in der Pfalz gefun- 
denen Urkunden an einem Ort vereinigt worden und (ob 
aus Vadians Nachlass oder wie sonst, wissen wir nicht) in 
Schobingers Besitz gelangt. Wenigstens kehrten die übrigen 
(ausser der Centuria Goldasts) aus dem Nachlass des Doktors 
wieder in das Kloster zurück, indem Abt Pius in den Jahren 
1636 und 1657 von der Witwe zuerst etwa 150 Urkunden 
um i2 Taler (18 Gulden), dann einige hundert Urkunden 
samt andern alten Dokumenten und Büchern um 100 Gulden 
erwarb 1 ). Goldast aber hat die seinigen wohl in Schobingers 
Haus an sich gebracht. 

Noch ein dritter Fall, eine Handschrift der Kloster- 
bibliothek betreffend, ist zu erwähnen. In der ersten Aus- 
gabe des Valerian (1601) bemerkt Goldast (auf S. 44) über 
die ihr zugrunde gelegte Handschrift: »Nactus sum huius 
sermonis vetustissimum et antiquissimum cxemplar in scrinio 
nobilissimi viri B. Sehobingeru, und sagt weiterhin, sie 
stamme ursprünglich aus der Klosterbibliothek. Wirklich 
findet sich in dem Verzeichnis der Bücher des Abtes Gri- 
mald, die durch Schenkung an das Kloster übergingen, ein 
»Liber Valerii, Cimelensis episcopi, et de vita Karoli impe- 
ratoris et admonitiones sancti Basilii in una sceda«-). Ob 
mit der Vita Caroli Magni, die Schobinger zusammen mit 
einer solchen des hl. Iundan (heute in der Vadiana). einer 
Schrift des Cassiodor de aniina« etc. an Goldast nach Genf 
gesandt hat 3 ), eben dieser Kodex gemeint ist, lasst sich 
nicht entscheiden; unzweifelhaft aber ist er identisch mit 
einer heute in der Vaticana liegenden Handschrift 4 ). Wie 

') S. Wartmnnn. a. a. O., S. VII, Anm. 4. — *) Vgl. Weidmann, Ge- 
schichte der Bibliothek von St. Gallen (1841), S. 400. — :| ) Epist. Nr. 17 
{i./li. Kehr. 1600). — **) Vgl. Scherer, Verzeicbn. d. Handschriften d. Stifts- 
bihliothek v. St. Gallen (1875), S. 65, wo auf Wiener Sitzungsbcr., Bd. 39, 
S. 136 ff. u. Periz, Archiv XII, S. 275, Kr. 330, verwiesen wiid. 



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2 y6 Schieß. 

der aus dem Kloster St, Gallen stammende Band nach Rom 
gekommen ist, darüber "kann kein Zweifel bestehen; er ist 
ganz offenbar durch Königin Christine von Schweden, an 
die ein Teil des Goldastischen Nachlasses übergegangen war, 
dahin gebracht worden. Auch in diesem Falle besteht die 
Möglichkeit, dass Goldast durch Schenkung von seiten Scho- 
bingers oder seiner Erben in den Besitz der Handschrift 
gekommen ist; aber der Verdacht, dass unrechtmässige An- 
eignung vorliegt, verstärkt sich mit der Häufung der ver- 
schiedene Auslegung zulassenden Vorkommnisse. 

Noch mancherlei Hesse sich anführen, so die auffällige 
Tatsache, dass eine Handschrift, die heute der Stadtbibliothek 
St. Gallen gehört, in den Additiones zu Vadians Farrago 
als Eigentum Goldasts, eine zweite als Schobingers Eigen- 
tum bezeichnet ist 1 ). Auch dürfte eine sorgfältige Ver- 

J ) Die betreffende Anmerkung (Alam. rer. script. II» S. 145) ist dieselbe, 
in der die Liederhandschrift erwähne wird (s. S. 247 Anm. I). Nach dem auf 
diese bezüglichen Passus wird weitergefahren; »Exstnnt et alia apud Goldastuni 
nostrum ut Henrici (so st. WlmtJ de Gravenberg, equitis Svcvlj qui ante tre- 
centos minimum annos vixisse mihi videtur; uam libraiius testatur se librum 
exseripiisse de veteri cortice Ahstilvissequc anno domini millestmo iretentesimo 
sexagesimo quinto in die Psilmanim. Habet et idetn Goldaslus Gawan : histo- 
riam seu potius fabulam circa i-dem lempus ab incerto scriptam.^ Habet et 
Christophori ab Helmsdorff compendiuni Btbliurum nun iulra illa tempora 
scriptum, Habemus et nos Strikere cuiusdam librum de gcslis Caroli Magnt 
et Rolmidi in Hispania et item Anonymi cuiusdam (dazu ft- R. »imo Rudolph) 
ab Ems teste Rihliandto Ct Flnccio IHyrico») Paraphrasin supra illud a?vum 
scriptum* etc. Statt der ganzen Anmerkung weist das Ms, nur eine Bemerkung 
von Goldasts Hand auf: »Exstat et apud nie historia Wigolais (!) rithmis Ger- 
manicis ante annos, ut adparet, plus ccc tos scripta; nam librarius se eam «■ 
scripsissc fatetur anno 1365 die Palmarum; stiltts tarnen paullum hoc comptior«. 
Schon das Vorhandensein dieser Bemerkung in; Ms. beweist» dass die Anmer- 
kung im Druck von Goldast herrührt. Wie konnte aber dieser die Handschrift 
von Konrads von Helmsdorf Heilsspiegel, heute Ms. 352 der Vadiana» noch 
1606 -ils sein Eigentum bezeichnen? Hatte er vielleicht auch diese mit andern 
Büchern aus Schobingers Bibliothek mit sich genommen (s. unten) und musstc 
sie spater wieder zurückgeben, wie wir (Ür eine andere Handschrift der Vadianj* 
Xr. 473 -J.udovici Hauwcnreuteri m(ecK) d(oct.) conuncittarius in Aristotelis 
librum de sensu s eine solche Wanderung konstatieren können aus einem in ihr 
angebrachten Vermerk: »Recuperatus ex bibliotheca Guldastiana Hanoviea. 1612. 
David Schob ingn us t civis vi patricius Sangallensis«? Aus der Schobingerschen 
Sammlung könnte dann die Handschrift wie die in oRiger Anmerkung zuletzt 
genannte (Rudolfs von Ems Weltchronik und Sinkers Karl in einem Band, heute 
Ms. 352 der Vadiana), später in die Stadtbibliothek gelangt scio. 



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Goldasls Aufenthalt in St. Gallen. 277 

gleich ung aller im Briefwechsel und den ersten Publikationen 
Goldasts genannten Handschriften noch manches interessante 
Ergebnis über deren Schicksale zutage fördern; besonders 
wäre zu hoffen, dass dadurch auch einige Einsicht in das 
bis jetzt ganz unklare Verhältnis von Klosterbibliothek, 
Stadtbibliothek und Schobingers Bibliothek zu einander ge- 
wonnen würde 1 ). Jedoch erfordert diese Untersuchung, wenn 
sie gesicherte Ergebnisse zutage fördern soll, sehr zeit- 
raubende Nachforschungen. Für unsern Zweck aber mag 
das Angeführte genügen. Als Resultat ergibt sich die be- 
dauerliche Tatsache, dass dem Andenken eines Mannes, der 
unzweifelhaft sich um die wissenschaftliche Forschung seiner 
Zeit grosse Verdienste erworben hat, der Verdacht anhaftet, 
dass er seine kostbare Bibliothek auf eine nicht imitier ehren- 
hafte Weise zusammengebracht habe. 

Über die späteren Beziehungen Goldasts zu St. Gallen 
können wir uns kurz fassen. Im Jahre 1608 wandte sich 
der städtische Rat durch Vermittlung von Johann Peter 
Fels, den Goldast seinen Schwager nennt, an diesen mit 
der Bitte um Einholung von Gutachten der Universitäten 
Heidelberg und Marburg über die Rechtgläubigkeit des im 
Obigen erwähnten Rektors Jakob l.orhard, der des Soci- 
nianismus verdächtigt wurde. ' Goldast kam dem Wunsche 
nach und konnte ein günstiges Urteil der Heidelberger 
theologischen Fakultät einsenden, wogegen der Dekan der 
Marburger Fakultät, Raphael Egli, auf welchen die Be- 
schuldigung Lorhards zurückgeführt wurde, ausweichend 
geantwortet hatte 2 ). 

Sodann überschickte Goldast im Jahr 1610 dem Stadt- 
ammann, Bürgermeister und Rat zu St. Gallen ein »Buch 



') Wahrscheinlich dürfte sich herausstellen, dass Schobingers Bibliothek 
sich grossenteils aus Handschriften und Dokumenten zusammensetzte, die aus 
dem Kloster stammten und bei der erwähnten Plündeiung oder sonst infolge 
des Klosterkaufs in die Stadt gelangt waren, und dass weiterhin von dem Eigen- 
tum des Kloster der grossere Teil wieder an dasselbe zurück, einiges aber an die 
Stadtbibliothek gelangte, die ihrerseits andre vordem dem Kloster gehörige Hand 
Schriften ebenfalls einige Zeit besessen, aber nachtraglich zurückgegeben zu 
haben scheint, so das sog. Keronischc Glossar, das Goldast, Alam. rer. script. III, 
13 ihr zuschreibt (in den Pancnetici, S. 487 sagt er das Gleiche von Keros 
Übersetzung des Vaterunser). — a ) Stadtarchiv St. Gallen, Miasivcn. 



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278 Schieß. 

und Collection aller guten, löblichen Satzungen und Ord- 
nungen, so in geistlicher und weltlicher Policey bey zwölff- 
hundert gantzer jähren her in dem h. Reich und Teutschen 
Keyserthumb ist abgehandelt und beschlossen worden und 
zu welchen E. E. W. Vorfahren, einer löblichen Reichsstatt 
Santgallen Rahtsbotten, nicht die geringste stimm gegeben«, 
sowie ein Exemplar der Ausgabe von Pirkheimers "Werken, 
die er im Auftrag der Stadt Nürnberg bearbeitet hatte. 
Dieser Umstand gab ihm Gelegenheit, in seinem Begleit- 
schreiben noch einmal auf das Verdienst hinzuweisen, das 
sich Dr. Schobinger um St. (iallen dadurch erworben habe, 
dass er »auf seinen eigenen privatkosten durch colligierung . . 
Herren von Watts hinderlassen herrlichen buechern« mit 
Goldasts Hilfe den gemeinen Nutzen und den Ruhm seiner 
Vaterstadt zu fördern unternahm, während von Nürnberg 
die Ausgabe der Werke Pirkheimers auf Kosten gemeiner 
Stadt veranstaltet worden sei. Er knüpft daran einen Aus- 
fall gegen »deryenigen falsche untrew, calumnien und neid- 
hässige, böse anklag, so ihn auch under dem boden haben 
zu beleidigen understanden und ihren mutwillen an mir als 
seinem besten freundt damals in meinen grösten nöthen, 
anligen, betrübtheit und bekümmernuß vermeint zu üben 
und außschütten. Aber dieß ist der gemeine Danck, so 
man für grosse wolthaten pflegt zu erlangen« etc.') 

Endlich stand Goldast mit dem Dr. Sebastian Scho- 
binger, dessen auch schon gedacht worden ist, noch später 
in brieflicher Verbindung'-); er redet ihn in seinen Schreiben 
als *Vetter« an. Aus den Briefen, die in den Jahren 1618 
— 1631 geschrieben sind, wäre noch allerlei Interessantes 
mitzuteilen; doch soll hier nur das herausgehoben werden, 
was mit dem Vorangehenden in Zusammenhang steht, 
nämlich dass jedesmal von Goldast die Übersendung von 
Büchern in Aussicht gestellt wird. Das erste Schreiben, 



') Ebenda. — J ) Von diesen Briefen liegt der erste in Abschrift aus der 
Deisler Dibliothek den Collectaneen Gonzenbachs (s. S. 242 Anm. 1), bei, ebenso 
der zweite, der wie die spateren sich im Original in Ms. 94, in der Vadiana 
befindet, einem Band, der den Briefwechsel des Dr. Sebastian Schobinger ent- 
hält; die Briefe sind dauert vom 2. Sept. 1618, 20. Xov. 1622, 5. Mai 162^, 
Ostern und 5. Okt. 1631. 



8 lc raÄ 



Goldasts Aufenthalt in St. Gallen. 270 

aus Bückeburg in Niedersachsen, zeigt, dass er noch im 
Jahr 1618 solche aus der Bibliothek seines einstigen Gönners 
in Händen hatte und von dessen Sohn David recht ener- 
gisch an die Rückgabe gemahnt worden war 1 ). In den 
späteren Briefen redet er nur von den Büchern, die er für 
die Stadtbibliothek versprochen und ihr bestimmt habe, und 
entschuldigt die noch nicht erfolgte Zustellung damit, dass 
seine Bibliothek sich zum grossten Teil noch immer in 
Bremen befinde und er sie in der Kriegszeit von dort 
nicht zu sich nehmen könne; auch sollte er wissen, was die 
Bibliothek schon besitze; immerhin sei er bereit, bei erster 
Gelegenheit, aus dem, was er bei sich habe, ein Fass voll 
zu senden etc. Ob die in Aussicht gestellte Sendung je 
nach St. Gallen gelangte, darf füglich bezweifelt werden, 
da Goldast im Jahre 1635 gestorben ist. 



Beilage 1. 



Bremen, Stadtbibl. Ms. a8, 183. 
Johann von Schellenberg an Bartholomäus Schobinger. 

Rand egg 1597 Dezember 23. 

Fateor, vir doctissime ornatissimeque, ine modestia? fines trans- 
gressum, quod librum illum antiquum plus »quo apud mc reti- 
nuerim. Proinde veniam obnixe peto et, si quid hoc loco deliqui, 
insita; nescio cui inclinationi, qua res antiquas, si ad manus venertnt, 
maxima voluptate et admiror ei lego, ascribere velis, rogo. Iucun- 
dum certe fuit antiquorum Germanorum vocabula et proverbia 
legere, nee satis mirari possum nobiles etiam illo sajculo taliter 
qualiter literis instruetos et Martialia ingenia cantilcnis istis ama- 
toriis mansueta reddidisse, quandoquidem otnnia instrumenta, item 
investitura? illa abtäte usque ad concilium Constantiense Latina lingtia 
eonscripta fuerint; adeo Germanica lingua tanquam barbani olim 
aspernabatur, qu;e lamen nunc temporis ornatu et copia Latinam, 



Vgl. dazu oben S. 276, Anm. 1 gegen Knde, 



.oogle rawaKHUHiviRsr* 



2 8o Schieß. 

si non buperat, altainen eequat. Doleo Interim gravem illam maiorum 
nostrorum morum censuram, qua; nobiles in officio retinebat, una 
cum celeberrimis hastüudiis, quos Ita.li barbare torniamenta vocant t 
simul interiisse. Duas familias, Swangovianam nempe cl Rinachianam, 
in isto übro inveni, quarum illa uxori meie t hatc mihi affinitate 
coniuncta est. Quod autem ex mea gente millus in isto appareat, 
existimo illos ducum Svevisc, in quorum doroinio habitabant et 
quorum vasalli erant, aulas frequentasse, prout in antiquo hastilu- 
diorum libro, vulgo turnierbuoch, videre licet, ubi Georgio a 
Schellenberg, equiti, a Hennanno, duce Sveviae, ut sub ipsomet 
Henrico imperatore anno domini 938 prima hastiludioruni funcia- 
menta iacere et articulos eonindem una cum cieteris ad hoc munus 
delectis componere et in acta referre vellet, iniunetum fuit, Sed 
<le hisce satis. Librum igitur pra^dictum tibi cum summa gra- 
tiarum actione remitto et e contra omnia mea studia et officia 
liberaliter et ex animo tibi offero. Scripsi etiam generosa; domina? 
comit'ssa? simul et, quod librum fidei mese committere dignata 
fuerit, gratias immortales egi commodiiatcm idoneam optans, qua 
illud beneficium icvercntia, qua decet, recompensare possim, te 
interim eliam atque etiam rogans, ut ei librum una cum literis 
remitiere et occasione data me invisere ne graveris, Pergratuin 
quoque mihi faceres, si, quid de mea familia forte ad manus tuas 
perveniret, mihi communicares, quandoquidem in tela genealogica 
Schellenbergiana texenda iam octo vcl plurcs annos oecupatus 
fuerim. Vale quam faustissime et me tibi amicissimum esse certo 
credc. Data? in castro Randegg 2 3 . Decembris stylo correcto 
anno etc. 97. 

Tuus ex asse 

Ioannes a Schellenbcrg in Hüffingen, Stouffen et Randegg. 

Eruclitione, doctrina ac virtute praestanti viro Bartholom^o Scho- 
bingero, iuris utriusque doctori etc., amico suo omni obser* 
vatione rolendo. 



Beilage 2, 



Auszug aus dem Verordneten buch der Stadt St, Gallen, 

1604—1607, S. 55 ff. 

Verordnete wegen der Libercy, 4. (14.) Julia (1605): 

H(err) B(ürgermeisier) Jacob Spengler, H(err) R(eichs)V(ogt) 
Othmar Reiner, H(err) U(nter)B(ürgermcister) Meinrad Gmünder, 
J(unker) Daniel Studer, J(unkcr) Joachim Zolikoffcr, Herr Georg 
Huber Stattschreiber. 



8 lc mSÄw 



Goldasts Aufenthalt in St, Gallen. 28 1 

H(err) Cleber sagt: Doctor Schobinger selig habe gar streng 
umb den Schlüssel zur Liberey anghalten, da er anfangs ime den- 
selben verweigert; alß er aber nit wellen nachlassen, habe er im 
den Schlüssel uf ein bstimte Zeit übergeben, zwar mit wüssen eines 
andern seiner mitbrüdern, aber Doctor Schobinger den Schlüssel 
lenger bhalten, den(n) er wol gmaint, habe gleichwol vil bfleher 
und bei zainen voll herauß getragen. In die liberey zu Hoff sei 
Doctor Schobinger selig wol auch komen und etlich mal drein 
gelassen worden; aber letstlich seye wol auch klag von im komen. 

H(err) Christian Hoffmann sagt: Ein grossen schaden habe 
er wol funden, der in der Liberey gschehen, alß daß uß etlichen 
gschnitten worden. Vom Meßmer zu Sant Mangen habe er ghört, 
daß der Doctor Schobinger und der Guldinast vilmalen aintzig 
hineingangen und ganz zemen voll hinaußtragen; ob sy wider in 
d' Liberei komen oder nit, möge er nit wüssen. In's Doctor 
Vadiani büchern insonderhait seye grosser schaden gschehen; von 
wem aber, könne er nit sagen. 

H(err) Hanß Kessler sagt: Wflsse nichts von diser sach 
zu reden. 

Hterr) Othmar Schaitlin sagt: Vom Meßmer von S. Mangen 
habe er ghört, Doctor Schobinger selig habe ain Schlüssel zur 
liberei gkan; derselbig und der Gutdinast seien offt in d' liberei 
gangen, gantze seinen voll bücher hinein und wider heruß ge- 
tragen. Der Doctor Guldinast 1 ) sol och sich ainmal in die liberei 
beschlossen haben; waß er darin verriebt, wisse er nit. Volgends, 
als man die Schlüsse! vordem lassen und ime, H(errn) Scheitlin, 
uferleit worden, die liberei in ein neüwe Ordnung ze bringen, habe 
er ain merkhlichen schaden funden. daß uß vilen guten büchem 
gschnitten worden. [Nit] daß er grundtlich könne sagen, durch 
wenn der schaden gschehen; aber der Argwon uf den Doctor 
Schobinger selig und Guldinast scie groß, weil sy sich in die liberei 
bschliessen lassen. Item Doctor Lorentz Rotmund habe im an* 
zeigt, der Guldinast habe sich einmal berümt: waß es ouch könne 
schaden, wenn schon etwan einer ein tractatlein uß einer liberei 
hinweg zwackht. Item er hab ghört, es seyen bücher uß unsrer 
liberei gen Basel komen. 

D(octor) Lorentz Rotmund sagt: Nachdem der Guldinast 
den Schlüssel von Doctor Schobinger seligen empfangen, seie Gul- 
dinast gar onordenlich mit den büchern umbgangen. Der Gul- 
dinast habe einsmals an einem Samstag znacht im nachtmal zu 
im, Doctor, gredt: waß es könne schaden, wann schon einer ein 
Tractütlin uß einer liberei (hiemit die z'I loff vermeldt) hinweg 
neme; die Mönche studieren nit; im-e und etwan andren guten 
gselln könne es z'nutz komen. Item er hab vom herr Rector 



l ) »Guldinast« mit Verweisung am Rand nachgetragen. 
Zciticbr. f. Gesch. d. Obcrrh. K.F. XXXII. 2. 19 



«<* mSSSSSSSsaf 



282 Schieß. 

ghört, daß der Guldinast von Bischoff cell sich gegen ime, Rector, 
grümt, daß er in der liberei zu Genf glichergstalt wie auch an 
andren orten auch gethon habe. 

Ainbrosy Hiller sagt: Guldinast seye ein Zeitlang zu im 
in d'kost gangen. Uf ein 2eit habe Guldinast sein schwager an- 
gredt: er sol ein buch haben, darin ein Kalender seie und drinn 
gschriben Goldast. Sein schwager gredt: Ja; es kost in aber 
2 taler; wenn man inie die gebe, werde er's von band geben. 
Darauf Guldinast den schwager vermögen, daß er daß buch von 
Bischoffcell allher bschikht. Alß es komcn, habe Guldinast den 
Calender ußem buch schneiden wellen, sein schwager aber solches 
nit wellen gschehen lassen; darauf Doctor Schobinger komen und 
daß buch für sich angsprochen. Volgends habe sich funden, daß 
daß buch in meiner herren liberei gehört habe. 

Herr Jacob Lorhard sagt: In der liberei habe er großen 
mangel und sonderlich daß funden, daß etliche Opuscula uß sonder- 
baren guten werekhen gschnitten worden. Wer den schaden habe 
than, wüsse (er) nit; aber Guldinast solle in der liberei befunden 
worden sein, dahero wol etwaß vermuttung gefaßt werden möchte. 
Guldinast habe sich gerümt gegen ime: zu Genf und in Frankh- 
reich wann er in einer liberei in eim buch ein blat zwei oder mehr 
befunden, die für ine gewesen, habe er dieselben flugks herauß 
gerissen und in seine hossen gestossen. 

Hannß Magli sagt: D(octor) Schobinger und Guldinast habend 
offt gantz zeinen voll bücher uß der liberei tragen lassen. Offt 
seie Guldinast ein stund 6 in der liberei gewesen und sich selbs 
drin beschlossen; waß er aber darinen gethon, wüsse er nit. 



8 lc *ÄÄ 



Zur Entstehung und Überlieferung 
des Urbars Bischof Bertholds IL von Strassburg. 

Von 

Hans Kaiser. 



Seit ich vor Jahren in dieser Zeitschrift (N.F. 23 (1908), 
S. 421 ff.) über die Überlieferung der ältesten Urbaraufzeich- 
nungen des Bistums Strassburg berichtet habe, bin ich allen 
Spuren der verschollenen Quellen, die mir Erfolg zu ver- 
sprechen schienen, nachgegangen und habe auch im übrigen 
die mit der Entstehung und Überlieferung zusammenhän- 
genden Fragen nicht aus den Augen verloren. Wenn alle 
diese auf die Aufspürung der Originale gerichteten Be- 
mühungen ergebnislos geblieben sind '), so haben sie andrer- 
seits wenigstens als Begleiterscheinung die Möglichkeit ge- 
währt, dass das Urbar Bischof Bertholds II. jetzt zeitlich 
genauer bestimmt werden kann und dass auch sonst ein 
paar Aufschlüsse gewonnen sind, die zu seinem Verständnis 
nicht unwillkommen sein dürften. 



') Damit nicht andere gleich mir sich vergebliche Mühe machen, weise 
ich ausdrücklich auf zwei besonders naheliegende Nachforschungen hin: bei 
Georg Arth, weiland Professor der Chemie in Nancy, und Paul Acker, Schrift- 
steller in Paris. Ersterer ist der Nachkomme des letzten bischöflichen Archi- 
vars Florenz Dagobert Arth, letzterer der Erln- Dagobert Fischers; vgl. hierzu 
meine Ausführungen N.F. 23, S. 446 f. Bei diesen X achsuch ungen hat mich 
Herr Professor Dr. Fr. Kiener, dem ich auch hier nochmals verbindlichst 
danke, in liebenswürdiger Weise unterstützt. Dass auch die in den Jahren 
1910 — 1912 durchgeführte, W. Beemelmans zu dankende Neuordnung des 
Stadtarchivs zu Zubern nichts zweckdienliches zutage gebracht hat, mag eben- 
falls bemerkt werden. 

19* 



►gl« mSwmxm 



284 



Kaiser. 



Die zeitliche Ansetzung des unter Berthold angelegten 
Urbars ist bis 1908 durch die Annahme bestimmt worden, 
dass der Band G 377 des Strassburger Bezirksarchivs als 
das Original oder doch als eine durchaus gleichzeitige Ab- 
schrift zu betrachten sei 1 ). Nur wenn dies wirklich der Fall 
war, konnten die vorhandenen Zeitangaben für die An- 
setzung eines terminus post quem ohne Einschränkung in 
Frage kommen; mit dem Nachweis, dass die Niederschrift 
erst zu Anfang des 15. Jahrhunderts — offenbar ziemlich 
eilig — erfolgt ist, wird das Argument natürlich hinfällig. 
Man muss sich jetzt vor Augen halten, dass das Original 
des Urbars zwar zweifellos unter Bertholds Regierung ent- 
standen ist, dass es aber mannigfache Zusätze, womöglich 
sogar viele Zusätze enthalten hat, die der ersten Nieder- 
schrift gefolgt sind und infolge der Schrift- und Tinten- 
unterschiede oder der Stellung am Rande des Bandes wohl 
im Original sofort als solche kenntlich, nicht aber in einer 
flüchtigen Abschrift späterer Zeit ausdrücklich hervorgehoben 
waren. Mit einem Wort: das letzte im Urbar sich findende 
Datum 1 3 5 1 3 ) kann nicht, wie dies früher versucht worden 
ist, ohne weiteres zur Bestimmung des terminus post quem 
herangezogen werden, die betreffenden Einträge könnten ja 
in der Originalhandschrift später hinzugefügt sein. 

So ist es in der Tat: bei genauerer Durchsicht der 
Handschrift wird der geschärfte Blick nun allerlei Nach- 
tragungen dieser Art deutlich erkennen. Dahin gehört 
z. B., wenn fol. 7 bei dem Dorf Friedolsheim zwei 
spätere Randnotizen bei der Abschrift in den Text hinein- 
geschoben sind, wobei der zweiten ein falscher Platz ange- 
wiesen ist, da sie (wie der Zusammenhang ergibt) parallel 
mit einer Textstelle über die Einkünfte zu Frankenheim lief, 
die durch vier Zeilen und die Aufzählung ebensovieler Dörfer 
von dem genannten Friedolsheim getrennt war. Weiter, wenn 
fol. 37 Bischof Berthold als verstorben bezeichnet, wenn 
fol. 96 — übrigens inmitten eines grösseren freien Raums — 



s ) N.F. 23, S. 423 f. — s ) Vgl. J. Frltt, Das Territorium des Bis- 
tums Strassbiirg um die Mitte des XIV. Jahrhunderts und seine Geschichte 
S- IX. 



t. lOoglc (BwaKHUHiviRarv 



Urbar Bischof ßertholds II. von Strassbutg. 285 

* 

ein auf Bischof Johann II. bezüglicher Zusatz steht 3 ) und 
wenn fol. 8g bei der Aufzählung der Lehen Burkhard Murn- 
harts Güter erwähnt werden, die von der Landgrafschaft 
zu Lehen gehen und ein für Bischof Johann [TL], der die 
Landgrafschaft erst erworben hat, ausgestellter Revers ver- 
zeichnet wird. Den bündigsten Beweis aber liefern einige 
Aufzeichnungen Grandidiers, die seinem im Grossh. General- 
Landesarchiv zu Karlsruhe hinterlegten Nachlass zu ent- 
nehmen sind *>; sie ermöglichen zugleich die Feststellung, 
wann etwa die Niederschrift des Originals erfolgt ist. 

Der grösseren Klarheit wegen bringe ich die wichtige 
Stelle unter Ausscheidung der hier nicht in Betracht kom- 
menden Literaturnachweise im folgenden zum Abdruck -) t 
indem ich den Blattbezeichnungen des von Grandidier ein- 
gesehenen Originals die der erhaltenen Abschrift G377 in 
eckigen Klammern beifüge. Sie lautet: 



! ) Damit berichtigen sich die Angaben bei Fritz S. IX u. XL — 
*) Nachlass Grandidier Karton VII, Fass. 9 Nr. 13. Der beigefügte 
archivalischc Vermerk lautet; Armoirc des huilliagcs, bailliagc de Wnntzenau. 
Boote 2. liassc 3, lettre a. Auf denselben Standort im bischöflichen Archiv 
verweist aber der über den Lcdercinband von fi 377 geklebte Papierslreifen 
(vgl. N.F, 23» S. 433 Anm. 5)» und es dürfte nun nicht mehr zweifelhaft sein, 
dass wir es trotz dieser seltsamen Bezeichnung, die zuerst den Gedanken an 
ein Teilregister nahelegte, liier mit dem Original zu tun haben. Wie es 
gekommen ist, dass das Urbar, das in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts 
in seinen beiden Überlieferungen im Inventaire des droits de PEv£ch£\ Sectiun I : 
Droits en gtneral. Boote 1, Hasse I, lettre f (G 2660» S. 10) richtig verzeichnet 
war, nun doch in seiner ursprünglichen Gestalt einen Vermerk erhielt, der auf 
ein einzelnes Amt sich bezog, ist schwer zu sagen; er wird wohl auf reiner 
Willkür beruhen. Denn es handelt sich beim Wanzenauer Amt nur um einen 
Verweis, wie er in dem alten Inventar nicht nur dort (G 2673, S. 12) son- 
dern wiederholt (ebenda S. 96, 107, 128, 142) und auch bei anderen Ämtern 
{vgl. für Zabcrn G 26b*), S. 73, 152, 186, 204, 256 u. öfter) vorkommt, — 
2 ) Die Fassung der Auszüge ist 5fter fehlerhaft und irreführend, ich habe 
gleichwohl von Kinzelberichtigiingcn abgesehen, offenbare Schreibfehler still- 
schweigend verbessert und nur die Versehen besonders angemerkt, die bei den 
Jahreszahlen untergelaufen sind. Grandidicrs Nachlass enthalt auch das Manu- 
skript der Auszüge aus dem dem eigentlicher» Urbar folgenden Lehnsregister, 
die in den Oeuvres ineclites IV, S. 553—567 — nicht immer ganz richtig — 
zum Abdruck gebracht sind. 



- ioOgk NM 



286 Kaiser. 

| 

Chartae, 

quae extant in codice membranaceo archivii Tabernensis, 
continente reditus, possessiones et feuda episcopatus Argen- 
tinensis, scripto sub Bertholdo episcopo, medio saeculo XIV. 

Opinor scriptum esse anno 1345, cum ad hunc annum 
cartae illic descriptae desinunt. Cartae enim annorum 1346 
et 1350 iam recentiori et altera manu illic adnotatae sunt 

fol. 7 [8]. Transactio Bertholdi I. a° 1239. 
8 [8']. Litterae Bertholdi 1330 1 ). 
23 [23']. Litterae germ. dominorum de Ochsenstein 1336. 
25 [26]. Litterae germ. Bertholdi episcopi 1342. 
25 averso [26']. Conradi episcopi Argentinensis sen- 
tentia 1194. 

36 [37']. Litterae germ. Johannis episcopi 1311. 

36 averso [38]. Litterae Bertholdi episcopi 1343. 

46 [46]. Capituli Lutembacensis decretum 1255. 

46 averso [47]. Coikfirmatio ... ab episcopo Henrico 

I255-). 

46 averso [47']. Confirmatio huius decreti ab Alexandro 

papa 1258 8 ). 

47 [48]. Litterae Innocentii IV. 1259 4 ). 

47 averso [48']. Henricus episcopus Peregrino advocato 

de Wangen 1247. 

48 [49]. Litterae germ. Bertholdi 1341. 

62 averso [66']. Litterae germ. Bertholdi de urbe Ober- 
kirch 1345. 
67 [67]. Litterae Johannis episcopi in Ettenheim 1318. 
72 averso [73]. Litterae germ. Bertholdi 1321 5 ). 

77 averso [83]. Litterae germ. Joffridi de Furtbach 13 12. 

78 [83']. Litterae germ. Henrici episcopi de Hugone de 

Lutzelstein 1223 "). 



') Zu lesen: 1338. — *} In G 377 in Gestalt einer Aktaufzeichnung 
überliefert. — *) Iu G 377 undatiert. — 3 ) Zu lesen: 1257 (IV* 10 non. marcii 
pont. nostri anno tercio). — *) Zu lesen: 1249 (seeundo kal. sept. poni 
nostri anno septimo). — : ') Zu lesen: 1329. — ") Kalls diese Urkunde deut 
scher Sprache Original wäre, käme ihr ihres Alters wegen in der Urkunden 
lehre eine hervorragende Hedeulung /u (vgl. Bresslau, Handbuch der Urkunden 
lehre II, I 3 , S. 386 ff.); es handelt sich aber zweifellos um eine späte, noch 



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Urbar Bischof Bcrtholds II. von Strassburg. 287 

79 [^4T? Eaedem Htterae sed latinae 1223 1 ). 

79 [84]. Litterae Bertholdi de Volmaro de Lutzelstein 

1339- 
81 [86]. Litterae germ. Conradi episcopi de Johanne de 

Lichtenberg 1295. 
81 averso [87]. Litterae Theodor, de Montisbelig. 1238. 

99 [93 'P Litterae Bertholdi de Begeris 13 44*). 

103 [98]? Litterae Bertholdi de nobilibus Danris 1350^. 

111 [106']. Litterae N. de Eberlin 1345 4 ). 

125 [121]. Litterae Johannis episeopi de feudo de Ven- 

denheim 13 10. 

132 [125]. Litterae Bertholdi de .D. de Megde 1336. 

136 [129']. Litterae Bertholdi de Lampertheim 1346. 

136 averso. Litterae Bertholdi quoque de Lampertheim 

1346 5 ). 
1 38 [131]. Litterae Bertholdi de N. de Nortgassen 1333. 

167 averso [13G]? Litterae Bertholdi de Reinboltis 1333 6 ). 

168 [136']? Litterae Bertholdi de Reinboltis 1344 7 ). 

168 averso [136']? Litterae Bertholdi de Huttenheim 1338 8 ). 

169 [137]? Litterae Bertholdi de Mutziche 1344°). 

180 averso [188]. Litterae Bertholdi de N. de Krefen 

181 [188']. Litterae Bertholdi de N. de Tenningen 

1342. 



dazu sehr ungeschickte Übersetzung. Schöpflin (Alsatia diplomaiica I t S» 340 
Nr. 416)» der G377 ais Vorlage benutzt hat, nennt 1220 als Jahr, da er 
.tercio 1 zu ,td/ gezogen hat 

*) Eingerückt in der folgenden Urkunde; es ist aber (raglich, ob im 
Original des Urbare nicht auch das Original der noch erhaltenen Urkunde 
(Strassburger Urkundcnbuch I T S. 154 Xr. 192, daselbst in der Datierung 
falsch ,in 4 statt ,ld- 4 J gestanden hat, das bei der Abschrift fortgelassen sein 
könnte. — *) In G377 nur als Auszug erhalten, der ziemlich ungeschickt bald 
objektive bald subjektive Fassung wählt; ohne Jahr — ^ In G377 nur ganz 
kurzer Auszug ohne Jahresangabe. — 4 ) In G377 als Aktaufzeichnung über- 
liefert. — 5 ) Fehlt in G377; vielleicht nur lateinische Fassung der vorher- 
gehenden Urkunde? — 6 ) In G37; nur kurzer Auszug ohne Jahresangabe* — 
') Desgleichen. — *) Desgleichen; statt Huttenheim ist Kymuntheiiti zu lesen. 
— "l G377 zahlt fol* 137 Güterbesitz des Nikolaus vnn Kimunlheim »in 
banno Mutziche« auf. Am Knde steht aber ein Verweis auf das Lehnsregister 
Bischof Johanns I, Die Urkunde Bcrtholds wate also wohl bei der Abschrift 
ausgelassen worden. 



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288 Kaiser. 

Grandidier hat in dieser Aufzählung fast alle Urkunden 
aufgenommen, die im ersten und zweiten Teil des Urbars 
(dem eigentlichen Urbar und dem Lehnsregister) nachzu- 
weisen sind; entgangen sind ihm nur die Urkunden Bischof 
Heinrichs von 1259, April 2 und Bcrtholds von 1351, April 12 1 ), 
während aus dem dritten Teil nur die beiden an letzter 
Stelle genannten namhaft gemacht werden. Da er stets die 
Blattzahl seiner Vorlage angibt, kann die Anordnung der 
verschollenen Handschrift unter Heranziehung von G377 
nun ziemlich deutlich verfolgt werden: es ergibt sich, dass 
Original und Abschrift hinsichtlich der Grösse und des 
Formats ziemlich genau miteinander übereingestimmt haben 
dürften-), da andernfalls die fast vollständige Gleichheit der 
Seitenzahlen bis fol. 48 bezw. 49 nicht zu erklären wäre. 
Auch in den folgenden Teilen entfernen dieselben sich nicht 
wesentlich voneinander; wenn die Unterschiede dann und 
wann etwas grösser werden, so hängt das damit zusammen, 
dass der bei einzelnen Abschnitten sachlicher Art beider- 
seits freigelassene Raum in der Abschrift bald grösser, bald 
kleiner bemessen worden ist. Ein erheblicherer Unterschied 
ergibt sich erst mit den fol. 167' des Originals genannten 
aLitterae Bertholdi de Reinboltis 1333°, deren Auszug in 
G377 schon fol. 136 steht. Auch dies aber ist mit der 
Annahme einer grösseren Lücke, die im Original zum 
Zwecke von Nachträgen gelassen sein dürfte, zwanglos zu 
erklären. ' Sie ist nach dem Eintrag der Urkunde für Hug 
von Nortgassen auf fol. 138 bezw. 131 zu vermuten, weil der 
Vorname des nächsten Lehnsträgers Albertus de Oswilre in 
verlängerter Schrift geschrieben und ausgeschmückt worden 
ist, was inmitten solcher Aufzählungen niemals geschieht, 
sondern nur nach einer Unterbrechung oder bei einem neuen 
Abschnitt festzustellen ist. Vür die beiden letztgenannten 
Urkunden verschieben sich die Dinge wieder ins Gegen- 



'► G 3*7 fol. 118 bezw. 160. Undatierte Aufzeichnungen, wie das Ding- 
hofrecht zu Kappel (fol. 58 ) und blosse Auszüge oder unvollständige Ab- 
schriften sind wohl absichtlich von ihm beiseite gelassen worden. — "J Schöpf lins 
Bezeichnung »Cod. niembran. maioris fornac (vgl. X.F. 23. S- 436 f.) darf 
also nicht allzu wörtlich genommen werden und der bei Fritz S. X. angeführte 
Verweis ist anders zu erklären. 



i ;oogk rtmaÄivWW 



Urbar Bischof Bertholds II. von Strasbourg. 280 

teil, weil im Original offenbar zwischen dem Lehnsregister 
und dem Anhang ein sehr viel grösserer Zwischenraum 
bestanden hat, als ihn der Abschreiber für nötig fand. 

Wir haben im Vorhergehenden schon gesehen, dass man 
sich unter G377 keine diplomatisch getreue Abschrift vor- 
stellen darf, sondern dass uns mancherlei Änderungen, d. h. 
Kürzungen begegnen. Wir werden noch sehen, dass diese 
Art der Niederschrift den Umständen, unter denen sie her- 
gestellt ward, entsprochen haben dürfte. 

Das Wichtigste aber, das Grandidiers Aufzeichnungen 
entnommen werden kann, ist das Datum für die Anlage des 
Urbars. Wir haben nach den Eingangsworten keinen Grund, 
daran zu zweifeln, dass die Jahre 1345 oder 1346, wahr- 
scheinlich das letztere, in dieser Hinsicht in Betracht kommen. 
Grandidier hat von seiner Entdeckung auch im zweiten Bande 
seiner Histoire de I'eglise de Strasbourg (S. 88 Anm. g u. 
S. 93 Anm. q) Gebrauch gemacht und 1346 als das ver- 
mutliche Entstehungsjahr angegeben; wenn im vierten Bande 
der CEuvres inedites (S. 182 u. 553) die Daten 1356 u. 1336 
angegeben werden, so dürfte daran ein blosses Versagen 
der Erinnerung, der das betreffende Jahrzehnt im Augen- 
blick nicht gegenwärtig war, schuld sein. 

Dass Grandidier das Original des Urbars, die Perga- 
menthandschrift, benutzt habe, war schon vor Jahren von 
mir angenommen worden '); die Überschrift der abgedruckten 
Aufzeichnung zerstreut jetzt jeden Zweifel. Aus ihr ersehen 
wir auch, dass das Original sich damals im bischöflichen 
Archiv zu Zabern befunden hat, — eine Tatsache, die ganz 
natürlich scheint und seinerzeit von mir auch für die frühere 
Zeit als selbstverständlich betrachtet worden war, da die 
Stadt ja im Besitz der in ihrem Auftrag angefertigten Ab- 
schrift war und der Vorlage nicht bedurfte. Aus dem Akten- 
material des Strassburger Stadtarchivs Iässt sich jetzt aber 
mit Sicherheit feststellen, dass beide Überlieferungen, Ori- 
ginal und Abschrift, sich jahrhundertelang im dortigen Ge- 



') N.F. 23, S. 437 Anm. 3. 



Google 



290 



Kaiser, 



wahrsam befunden haben '), und damit fällt auf den Zeit- 
punkt der Entstehung von G377 neues Licht. 

In einem dem Ende des 17. Jahrhunderts-) angehörenden 
Repertorium über die Lade 102 VDG Corp. B werden 
nämlich unter der Überschrift »Bischofl. gefäll, privilegia 
und silbergelder« folgende Archivalien aufgeführt: 

A. Ein uraltes bischofl. Straßburg, saalbuch auf papir 
geschriben und in bretter eingebunden 3 ). 

B. Ein anderes Straßburg, saalbuch ausführlicher und 
weitläufiger als das erste, auf pergament geschriben, in 
leder eingebunden. 

C. Das dritte bischofl. saalbuch auf pergament ge- 
schriben, in bretter eingebunden, zu Zeiten bischof Johannas IL 
von Liechtenberg, circa 1354 *) verfertiget. 

No. 1. Copiae priviEegiorum et documentorum episco- 
palium auf pergament in rot leder . . . 

Aus diesem Verzeichnis sehen wir also, dass ausser den 
beiden Überlieferungen des bertholdinischen auch eine Hand- 
schrift des johanneischen Urbars sowie ein Kopialbuch des 
Bistums im Strassburger Stadtarchiv sich befunden haben. 
Wie ist es dazu gekommen, dass derart wertvolle Archi- 
valien in fremde Hände gekommen sind? Bei der Beant- 
wortung der Frage können wir von der früher gemachten 
Feststellung ausgehen, dass die in G377 vorliegende Über- 
lieferung des Urbars mit der Person Bischof Wilhelms von 
Diest mit höchster Wahrscheinlichkeit in Verbindung zu 
bringen ist 5 ). Zwei Möglichkeiten schienen damals gegeben: 
man konnte annehmen, dass die Stadt bei ihrem den Bischof 
wirtschaftlich und politisch entmündigenden Vorgehen in 
den Jahren 1406 und 1407, das fast das ganze Stiftsgut der 
Verwaltung des liederlichen Prälaten entzog, sich eine Ab- 



') Herrn Dr. Karl Stenzel sage ich bei dieser Gelegenheit für seine 
freundlichen, mir sehr förderlichen Hinweise meinen verbindlichsten Dank. — 
s ) Die Vermerke zu 1699 und 1700 sind schon nachgetragen , vorher ist 1636 
das letzte Datum. — ") Der ursprünglich rotlederne Einband ist offenbar damals 
schon stark verschabt und abgenutzt gewesen. — *) Die Datierung (1362} ist 
dem Schreiber offenbar entgangen; er hat die Niederschrift wohl um 1354 
angesetzt, weil er wusste, dass Johann in diesem Jahre zum Bischof geweiht 
worden war. — '*') Vgl. N.F. 23, S. 434 f. 



;lk 



nwiaifiNuiiiYWiflY 



Urbar Bischof Bertholds II. von Straubing. 2QI 

Schrift des Urbars habe ausfertigen lassen, um so einen Über- 
blick über Höhe und Umfang der bischöflichen Einkünfte 
und Gerechtsame zu gewinnen. Oder aber: die Abschrift 
! st Ende 1415 oder kurz darauf entstanden, als nach der 
Gefangennahme Wilhelms die zu Strassburg befindlichen 
Archivalien des Bistums von der Stadt und dem Domkapitel 
beschlagnahmt worden waren. War ich vor Jahren geneigt, 
der ersteren Annahme den Vorzug zu geben, so muss ich 
jetzt nach Kenntnis des im Stadtarchiv bewahrten Ver- 
zeichnisses mein Urteil ändern: wir werden mit Sicherheit 
annehmen dürfen, dass die oben genannten Handschriften 
zu den Beutestücken vom 3. Dezember 1415 gehören. Da 
die Stadt wie das Kapitel, im Besitz des bischöflichen Terri- 
toriums, den Inhalt des ältesten, offenbar als besonders wert- 
voll betrachteten Urbars zu kennen wünschten, wurden zwei 
Schreiber, von denen der eine im Dienste beider Verbün- 
deten nachweisbar ist, mit der Herstellung einer Abschrift 
betraut, die dann — wie die zahlreichen Versehen und Flüch- 
tigkeiten beweisen — in ziemlicher Eile ihres Auftrags sich 
entledigt haben dürften. Denn man musste selbstverständ- 
lich damit rechnen, dass der Bischof kein Mittel unversucht 
lassen werde, um sofort nach seiner Freilassung wieder in 
den Besitz der für seine Verwaltung fast unentbehrlichen 
Dokumente zu gelangen. Wir wissen denn auch, dass noch 
vorher — im Herbst 1416 — den Strassburgern die Aus- 
lieferung der bei dem bischöflichen Geheimsekretär Johann 
Magistri vorgefundenen Urkunden und Besitz Verzeichnisse 
auferlegt worden ist'). Wie es dann möglich war, dass 
trotzdem grade die Archivalien, die zu den wertvollsten 
Rechtsaufzeichnungen des Bistums gehören, jahrhundertelang 
in fremden Händen geblieben sind, scheint geradezu unerklär- 
lich. Es lässt sich das nur begreifen, wenn man sich klar 
macht, dass der bischöfliche Territorialstaat unter Wilhelm 
von Diest eben völlig aus den Fugen gegangen war. 

Nun wissen wir aber bestimmt, dass die Urbare in der 
zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wieder dem bischöf- 
lichen Archiv angehören-;, und wir können jetzt vielleicht 

') Vgl. Finke in den Strassburger Studien II, S. 406. — '■') Vgl. X.F. 23, 
S. 437 u. 444. Die auffallende Tatsache, dass das Urbar von 1362 im sog. 



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2Q2 Kaiser. 

auch mit einiger Wahrscheinlichkeit erklären, wie sie dort- 
hin gekommen. In dem oben erwähnten Repertorium über 
die Lade 102 VDG Corp. B des Stadtarchivs sind die vier 
aufgezählten Handschriften später durch eine vorgesetzte 
Null als nicht mehr vorhanden bezeichnet worden. Über 
das Schicksal der letzten, des Pergamentbuchs mit den Copiae 
privilegiorum et documentorum episcopalium, sind wir nun 
durch ein offenbar in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts 
aufgestelltes Verzeichnis städtischer Archivalien, das gleich- 
zeitig Bemerkungen über Revisionen in den Jahren 1669 
und 1730 enthält 1 ), aufs genaueste unterrichtet. Ich muss 
den Leser um Nachsicht bitten, dass ich hier Dinge berühren 
muss, die mit dem Urbar nur in ganz losem Zusammenhang 
zu stehen scheinen: zum Verständnis der folgenden Aus- 
führungen ist eine solche eingehende Darlegung notwendig. 
In dem Verzeichnis heisst es: »In der lad 30 ligen 
30 stuck kaiscr- und konigl. den bischofen von Straßburg 
verlihener Privilegien, davon die copiae in einem buch in 
folio, welches in dem VDG Corp. B in der lade No. 102 
ligt 2 ), vorhanden« . . . Und nun ist nach der Revision vom 
26. Juni 1730 hinzugefügt worden: »NB. diese privilegia hat 
herr Johannes Baptista von Klinglin praetor regius in a° 1723 
dem hern cardinal von Rohan bischofen zu Straßburg zu- 
kommen lassen, nachdeme selbige aus hern praetoris Obrechti 
bibliotheque ihme durch hern licentiat Fleischmann ^ seind 
extradieret worden«. Auf das erwähnte Buch in Folio be- 
zieht sich dann noch ein späterer, am Rande stehender Zu- 
satz: 5 Dieses buch hat gleichfalls herrn praetoris regü excell. 
aus hern praetoris Obrechti biblioth. zu handen genommen«. 
Also: Ulrich Obrecht, der erste Prätor der französisch ge- 
wordenen Stadt Strassburg, hat die genannten Archivalien 
offenbar dem Stadtarchiv für seine Studien zur Geschichte 



Invtntairc Grandidier nur. in Gcstall von Verweisen bei den einzelnen Ämtern 
erwähnt wird, hat mich seinerzeit vermuten lassen, dass es sich in diesen Fällen 
um Teilregister handle. Das ist mit Rücksicht auf die nben S. 285 Anm. 1 
angeführten Tatsachen doch nicht anzunehmen, immerhin ist es auffallend, dass 
des johannei sehen Urbars im Inventaire des droits nicht ausdrücklich gedacht ist. 
*) VCG Corp. D 44, fasc. 13, Nr. 2. — ! ) Vgl. oben S. 290. — 
J ) Ober Fleischinann vgl. R. Reuss in der Revue d'Alsacc X.S. 12 (1898). 
S. 436 Anm. I, 



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Urbar Bischof Bcrtholds IL von Strasburg- 293 

des Els^ss entliehen, — als sein Sohn und Nachfolger des 
Amtes entsetzt von Paris nicht mehr nach Strassburg zurück- 
kehren durfte 1 ), hat der dritte Prätor, Johann Baptist von 
Klinglin dafür gesorgt, dass die wertvollen Zeugnisse der 
Vergangenheit nicht etwa als Privateigentum betrachtet und 
verschleudert worden sind- Die Pergamenturkunden sind 
dem ursprünglichen Eigentümer, dem Bistum, zurückgegeben 
worden; es sind dies ohne Zweifel gleichfalls Beutestücke 
von 1415 gewesen, die aber erst viel später — - auf dem 
Umweg über das Domkapitel — in städtisches Gewahrsam 
gelangt waren 2 ). Von dem endgiltigen Schicksal des Kopial- 
buchs ist in der Randnotiz nichts gesagt, doch wissen wir, 
dass dasselbe später wieder in den Besitz der Stadt gelangt 
ist, da mehrfache Verweise das Stadtarchiv als Lagerort an- 
geben 3 ). Man mag bischöflicherseits mit der Rückgabe an 



*) Johann Heinrich, j 1728. — *) Das zeigt Grandidiers Bemerkung in 
seiner Histoire de l'iglise de Strasbourg I, S. 83 Anm, r. — *j U- a. Gran* 
didier 1. c. 1, S. 83; daselbst ist in Anm. q auch der genaue Titel des Kar* 
tulars angeführt. Er wie Schöpflin (vgl. u. a. Alsatia diplomatica I, S- 25 
Nr. 22, S. 96 Nr. 122» S« 161 Nr. 204) haben die Sammlung wiederholt be- 
nutzt« Kine Abschrift mehrerer dort überlieferten Urkunden befindet sich unter 
dem Titel »Copiae privilegiorurn episcopalium *, von Bernegger im 17. Jahr- 
hundert hergestellt, im Strassburger Stadtarchiv VDG Bd. I Nr. 2. Da mehr- 
fach auch die Blattzahl am Kopf der Abschriften angegeben ist, kann man 
steh ungefähr eine Vorstellung von dem Umfang des Karlulars machen: es 
wird zur Zeit seiner Anlage — denn es ist weitergeführt worden — etwa 90 
beschriebene Bläuer enthalten haben (eine Urkunde von 1354 hat auf foL 81b 
gestanden, eine 16 Jahre nach 1357 ausgestellte ist durch die Angabe >foK 102 ff.* 
gekennzeichnet)* Diese Privilegiensammlung darf nicht mit einer anderen ver- 
wechselt werden, die derselbe Johann von Lichtenberg, damals noch Dom- 
dechant, im Jahre 1347 hat anlegen lassen. Aus diesem letzteren Kartular 
haben z. B, Schöpflin (Alsatia diplomatica I, S. 131 Nr. 162) und Grandidier 
(Histoire de l'äglise de Strasbourg II, S* 40 ff.) das Diplom Ottos II. für 
den Strassburger Bischof von) 6. Januar 982 al>godruckt; da Grandidier S* 39, 
woselbst in Anm. x die genaue Bezeichnung angegeben ist, ausdrücklich auf 
den vorhergegangenen Druck durch Obrecht (Alsaticarura rerum prodromus 
S. 294 f*) sich bezieht, mag festgestellt werden, dass nur das Kartular von 
1357 Obrechts Vorlage gewesen sein kann, da in ihm — wie aus ßerneggers 
Abschrift ersichtlich ist — die verderbte Form Sabernc (statt Salerne) in der 
Datierung sich findet. Die Sammlung von 1347 ist im Besitz de- Domkapitels 
gewesen und wohl wahrend der Revolutionswirren zugrunde gegangen, das zehn 
Jahre jüngere Kartular soll in das Gewahrsam der Stadtbibliothek gelangt 
und mit ihr 1870 zugrunde gegangen sein (vgl. L. G. Gluckler, Geschichte 



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294 



Kaiser. 



die Stadt einverstanden gewesen sein, da man nach der 
Wiedererlangung der Originale auf dasKopialbuch als solches 
weniger Wert legte; noch wahrscheinlicher aber dürfte die 
Annahme sein, dass Klinglins Tod, der bald darauf — am 
7. Juni 1725 — erfolgte, die Auslieferung an das Bistum 
verhindert hat und dass die Stadt ihr vermeintliches Eigen- 
tumsrecht nachher mit um so grösserem Erfolge geltend 
machen konnte, als grade die älteren Urkunden des Liber 
ja fast ausschliesslich auch die städtischen Rechtsverhältnisse 
betroffen haben dürften. 

Aber wie dem auch gewesen sein mag — das jeden- 
falls ist festzuhalten, dass das Kopialbüch zu Anfang des 
18. Jahrhunderts seinen alten Platz im Stadtarchiv zeitweise 
nicht mehr innehatte. Wenn wir uns nun vergegenwärtigen, 
dass die gleichfalls in der erwähnten Lade 102 VDG Corp. B 
bewahrten beiden Überlieferungen des Urbars von ca. 1346 
und das spätere von 1362 etwa um die gleiche Zeit durch 
Nullen als nicht mehr vorhanden gekennzeichnet waren, dann 
ist die Vermutung nicht ganz unwahrscheinlich, dass auch sie 
wohl von Obrecht einmal entliehen und dann später viel- 
leicht auch durch Klinglin an das Bistum zurückgekommen 
sind. In der Tat hat Obrecht eine Handschrift des Urbars 
von ca. 1346 — und zwar mit Wissen Klinglins — zeit- 
weise in Händen gehabt. In einem Brief an den städtischen 
Advokaten Salomon vom 24. Juni 1697 heisst es wörtlich: 
»M» Klinglin doit aussi vous avoir remis le livre manuscrit 
contenant un denombrement des fiefs relevant de TEveche 
de Strasbourg. Lorsque vous en aurez fait usage, je vous 
prie de me le renvoyer, en choisissant pour cet effet, une 
occasion süre, et de faire en sorte que personne ne scache 
ni de qui vous l'avez recu ni ä qui vous l'avez rendu « '). 



des Bistums Strasshurg I, S. 290 Anm, 2; Rathgeber, Die handschriftlichen 
Schätze der früheren Strassburger Stadtbibliothek weiss nichts davon zu be- 
richten). 

') Vgl. R. Reuss in der Revue d'Alsacc N.S. 13 (1899), S. 41. Ober 
Benutzung des Urbars von ca. 1346 im 17. und 18. Jahrhundert vgl. meine 
Mitteilungen N.F. 23, S. 436 f. Den dort aufgeführten Autoren ist noch der 
Germanist Johann Georg Scherz hinzuzufügen, in dessen von J. J. Oberlin später 
herausgegebenem Glossarium Getnianicum medii aevi (Strassburg 1781, 84) ein 



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Urbar Bischof Bertholds II. von Sirassburg. 2Q ~ 

Spätestens in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts be- 
finden sich sämtliche Urbarhandscliriften dann wieder im 
bischöflichen Archiv und eines von ihnen, leider das wenigst 
wertvolle, ist in der Revolutionszeit in den Besitz des Strass- 
burger Bezirksarchivs übergegangen. Dass mit der Abgabe 
von G377 an das bischöfliche Archiv eine Durchbrechung 
des Provenienzprinzips stattgefunden, da die Abschrift des 
Urbars ja durch die Stadt für ihre Zwecke veranlasst worden 
ist, was man freilich im 18. Jahrhundert kaum wissen konnte, 
ist bereits früher von mir bemerkt worden '). 

Die voraufgehenden Ausführungen dürften abgesehen 
von den positiven Feststellungen nochmals die Schwierig- 
keiten veranschaulicht haben, mit denen eine kritische Aus- 
gabe der Urbaraufzeichnungen des 14. Jahrhunderts, deren 
Ausgangspunkt das Urbar von ca. 1346 bildet, verknüpft 
ist. Wenn der Quellenwert von G377 ohnehin durch den 
Nachweis der erst zwei Menschenalter später erfolgten 
Niederschrift schon erheblich herabgesetzt war, so tritt nun 
vollends deutlich hervor, dass die jüngere Überlieferung nicht 
einmal eine wörtliche Abschrift des ursprünglichen Urbars 
und der nach seiner Anlage eingefügten Zusätze darstellt» 
dass wir vielmehr mit Kürzungen und anderen willkürlichen 
Änderungen zu rechnen haben. Dass die Originale des 
bertholdinischen und johanneischen Urbars einmal wieder 
zu Tage kommen, scheint nach dem Fehlschlagen aller 
darauf gerichteten Bemühungen wenig wahrscheinlich, wohl 
aber dürften noch mannigfache aus späterer Zeit herrührende 
Bruchstücke und Auszüge sich finden, die oft an ganz ver- 
steckter Stelle ruhend nur durch Zufall ans Licht gezogen 



Ms. de feudis Episcopatus Argentincnsis (= Lchnsregister, z. B. S. 14 acht- 
halb; S. 20 aftcrslagen; S. 102 becher; S. 391 fierling und öfter) und ein Ms. 
guiltorum Episcopatus Argentorat. (oder redit. Argent. = Urbar; z. B. S. 1063 
montelkorn) als Quellen genannt werden. Ein Schüler Schilters, zu dessen 
Thesaurus antiquitatum teutonicarum er zahlreiche Nachtrage und Berichtigungen 
gegeben, wird Scherz wie sein Lehrer die durch G 377 dargestellte Überlieferung 
(vgl. N-F. 23, S- 436) benutzt haben, wenn er nicht überhaupt nur auf Aus- 
zügen Schilters fusst. 

') N.F. 23, S. 438. 



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2QI 



Kaiser. 



werden können 1 ). Ich darf wohl mit der Bitte schliessen, 
mich von solchen Funden freundlichst in Kenntnis setzen 
zu wollen, damit die von mir geplante Bearbeitung 
dieser wichtigen Quellen wenigstens alles enthalte, was 
bei gewissenhafter Nachforschung heute noch zusammen- 
zutragen ist. 



') Namentlich im Strassburger Stadtarchiv, das also auch, was man 
früher nicht wusste, dos Urbar von 1362 Jange bewahrt bat, würde auf 
solche Splitter zu rechnen sein. 



livfi I 



Die Anfangsperiode 
der Reformation in SIeidans Kommentarien. 



Von 

Paul Kalkoff. 



I. Die Wittenberger Luther-Ausgabe als Vorlage SIeidans. 

In neuester Zeit ist das literarische Charakterbild SIei- 
dans, dessen »Kommentarien über die kirchlichen und poli- 
tischen Verhältnisse unter Kaiser Karl V.« den Höhepunkt 
der humanistischen Historiographie darstellen, wiederholt von 
berufener Seite gezeichnet worden. Nach dem wirksamen 
Appell, den Hermann Baumgarten durch seine bahnbrechen- 
den Sammlungen und Studien an die Fachgenossen ge- 
richtet hat, ist eine Reihe gründlicher Untersuchungen über 
SIeidans Quellen und die Art ihrer Verarbeitung wie über 
seine gesamte Stellung im Strome der geistigen Entwicklung 
seiner Zeit ans Licht getreten, von denen hier nur die ge- 
haltvollen »Studien« Moritz Ritters »über die Entwicklung 
der Geschichtswissenschaft«) 1 ) und die A. Hasenclevers über 
die Entwicklung der politischen Ideen SIeidans 2 ) und seine 
Quellen für das wichtige fünfte Jahrzehnt hervorgehoben 
werden sollen. Unabhängig von einander haben letzthin 
zwei Forscher die Summe dieser Bemühungen gezogen: im 
Rahmen der »Geschichtschreibung der Reformation und 
Gegenreformation« hat E. Menke-G lockert 3 ) eine wohlabge- 
rundete Skizze seines Lebenswerkes und seiner literarisch- 



') Historische Zeitschrift (HZ.) 109, 284—298 (1912). — *) Sleidan- 
Studicn. Bonn 1903, sowie in dieser Zeitschrilt, NF. XXIV, 1 u. 2. — 
■) Ostcrwivck 191 2. Über Sleidan S. 65 ff. unter schnrfer Hervorhebung der 
dem Können SIeidans gezogenen Grenzen. 

ZHWchr. f. Gesch. d. Oberrli. #.F. XXXII. 2. 20 



t. lOogle ffiiHfttcHUHiviRsrv 



Kalkoff. 

politischen Persönlichkeit geboten, während A. Krieg auf 
breiterer Grundlage und mit liebevoller Versenkung in die 
Eigenart des aufrechten Mannes und überzeugungstreuen 
Protestanten seine Geschichtsphilosophie wie seine Stellung 
innerhalb der Humanistengemeinde zeichnet und den Lieb- 
lingsthemen des Politikers Sleidan nachgeht 1 ). 

Allgemein anerkannt wurde dabei das Streben Sleidans, 
nach bestem Können dem Haupterfordernis des Geschicht- 
schreibers zu entsprechen, das er in der treulichen Erfor- 
schung und Wiedergabe des tatsächlichen Verlaufs findet: 
>historiae prima laus est et unica prope, si vere conscripta 
est«. Und in diesem Streben, das ihm einen ehrenvollen 
Platz unter den Nachfolgern des Thucydides sichert, bemüht 
er sich auch, mit dem eigenen Urteil möglichst zurückzu- 
halten, neben der »veritas«, der Wahrheitsliebe, auch den 
»candor«, die vornehme Unparteilichkeit des Richters, zu 
bewahren. Wenn wir dazu seine hohe Auffassung vom 
Berufe des Historikers hinzunehmen, den er sich gern an 
der Seite des handelnden Staatsmannes, als einen Mann von 
Geschäftskenntnis und erprobter Urteilsfähigkeit denkt, wie 
«r selbst tiefe Blicke in die politische Werkstätte seiner Zeit 
tun durfte, so erscheint der Versuch gerechtfertigt, ihm auch 
für die Anfangsperiode der Reformation, über die er in der 
Hauptsache nur aus gedruckten Quellen berichten konnte, 
doch vielleicht eine wichtige Kunde-') abzulauschen. 

Die Äusserung Sleidans betrifft den Kernpunkt der auf 
die verfassungswidrige »Entstehung des Wormser Edikts« 3 ) 
abzielenden Intrige, deren Urheber und Leiter der Nuntius 

') Programm des Gymnasiums von Zehlendorf (Zchlendorf 190;). Eine 
zusammenfassende Würdigung Sleidans findet sich auch in den bekannten 
Handbüchern von Fueter und G. Wolf. — *) Gerade die Beziehungen Sleidans 
zu dem Erzbischof Hermann von Köln und seinem Reformationswerk waren 
schon dem Katholizismus jener Zeit ein Dorn im Auge, so dass im Auftrage 
des Erzbischofs Gebhard der Kölner Buchdrucker Jaspar Gcnncp die Glaub- 
würdigkeit Sleidans zu verdächtigen suchte. C. Varrcnlrapp, Hermann v. Wied. 
Leipzig 1878. II, 48 ff. — ') Titel meiner im folgenden mit WE. anzuführen- 
den Arbeit, einer »Geschichte des Wormser Reichstags vom Standpunkt der 
lutherischen Frage«. Leipzig 1913. Dazu zwei ergänzende Untersuchungen 
Zur Entstehung des Wormser Edikts- (Archiv für Reformationsgeschichte 
(ARG.) X11I (1916), 241—276 und »Luthers Ansichten über die Reichsver- 
fassung und die Rezeption des Wormser Edikts* (Histor. Virteljahrschrift 1917). 



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Die Anfangspetiodc der Reformation bei Sleidan. 2QQ 

Alcander und der burgundische Grosskanzler Gattinara 
waren. Um ihren Quellenwert innerhalb eines sonst an 
selbständigen Mitteilungen sehr armen Abschnittes der 
Kommentarien recht zu würdigen, ist es nötig, auf die Vor- 
lagen und die Komposition der ersten drei Bücher einzu- 
gehen, soweit sie die reformations^eschichtlichen Vorgänge 
»von den Ablassthesen bis zum Wormser Edikt« betreffen. 

Es ergibt sich schon aus den angedeuteten Grundzügen 
des Geschichtswerkes, dass seine Schwächen, die annalistische 
Anlage und die starke Abhängigkeit von dem jeweils an 
die Reihe kommenden Exzerpt, hier noch schärfer als in 
den späteren Teilen hervortreten. Überdies hat die neuere 
Forschung gezeigt, wie dürftig das Wissen selbst eines so 
eifrig beflissenen Schriftstellers war, wie viele Fehler seiner 
Vorlage er in den Kauf nehmen und wie er über weite 
und wichtige Strecken des politischen Verlaufs völlig im 
Dunkeln bleiben musste. 

Die einzelnen Stücke, meist Drucke lutherischer Schriften, 
sind ja schon in den von Ch. C. am Ende herrührenden 
Anmerkungen der vortrefflichen Ausgabe J. G. Bochmes 1 ) 
nachgewiesen worden. Dann hat Th. Paur in einer für seine 
Zeit sehr verdienstlichen und noch heute wertvollen Unter- 
suchung 2 ) darauf hingewiesen, dass Sleidan, der im Mai 1545 
von den schmalkaldischen Ständen aufgefordert wurde, »die 
ganze Historie der vemeuerten Religion zu beschreiben «, für 
die vom Auftreten Luthers bis zum Abschluss der Leipziger 
Disputation reichende Darstellung den soeben erschienenen 
ersten Band der gesammelten lateinischen Werke Luthers 
benutzen konnte. Doch hat Paur sich lehrreiche Beobach- 
tungen entgehen lassen *), indem er wie am Ende im ein- 



') Frar.cofimi 1785. Pars I. Hier weiter angeführt mit BE. — ■) J»h. 
Sleidans Commentare . . . historisch-kritisch betrachtet. Leipzig 1843. S. 31, 
105. Weitere Ausführung einer Breslauer Dissertation 'De Jo. Sleidano com- 
mentanoruni etc. scriptorc. Vralislaviae 1842. Vgl. auch den ausgezeichneten 
Artikel II. Baumgartens in der Allgem. Deutschen Biographie (ADB.) 34, 437 
und über Sleidans literarische Technik S. 460. — *} Weit mehr gilt das noch 
von dem Aufsätze F. W. Kampschultes {Forschungen zur deutschen Ge- 
schichte IV, 59 — 69. Göttingen 1864), der einen Teil seiner wenigen exakten 
Angaben der Untersuchung I'aurs entlehnt hat und, »Ulli Sleidans Verfahren 
und Methode naher kennen zu lernen ■, gerade das erste Buch betrachtet, das 



20* 



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»OO Kalkol (* 

zelnen auf die vollständigere und leichter erreichbare 



»die wichtigeren Übelständc* am deiitliclistcn zeige (S, 6l), nämlich die Zu* 
sammensetzung des Ganzen aus »leichthin verbundenen Exzerpten*. Kr billige 
ihm zwar nachträglich lür den ersten, nach seiner Meinung völlig wertlosen 
Teil seines Geschichtswerkes den mildernden Umstand zu (S. 65)» dass er der 
»zweiten Generation des Reformationszeitalters angehörtes daher seine »fleissige, 
zum Teil trockene Gelehrtcnarbett in ihrer ersten Hälfte der unmittelbaren An» 
schauung völlig ermangele* (S* 69). Wenn er aber die Einseitigkeit seines 
»mehr die politische, als die theologische Seite*. )S. 68) hervorhebenden Werkes 
besonders deshalb tadelt, weil er von der volkstümlichen Wirkung der luthe- 
rischen Lehre 'keine Ahnung* gehabt habe» so Ifisst er sich von der ultramon- 
tanen Tendenz leiten, die -'Aufregung des Bauernstandes, die lumultuarischen 
Vorgänge in den Studien» die verwegenen Anschläge der Reichsritterschaft* in 
erster Linie al> Folgen der auf den Umsturz aller überlieferten Ordnung ge- 
richteten Umtriebe Luthers aufzufassen, die Reformation als Mutter der sozialen 
und politischen Revolution hinzustellen. ^Nicht einmal der bedeutende und 
verhängnisvolle Einfluss» den U- v. Hütten auf Luther und den Gang der Be- 
wegung ausgeübt hat, findet Berücksichtigung* (S. 64); damit ist zugleich er* 
wiesen» dass dem Autor »ganz und gar das Verständnis für die nationale 
Seite der Bewegung fehlt*! Abgesehen von dieser Herabsetzung des Wertes 
der Kommcntark-n dient dies als Mittel» an ihrer Stelle das Werk des Coch- 
laus, dessen Fälschungen und »Entstellungen* Kampschulte doch nicht ganz 
abzuleugnen wagt, als viel «wirkungsvoller, anschaulicher und — fügen wir es 
hinzu — auch wahrer« anzupreisen. Dass Sleidan die »ersten Jahre der Be- 
wegung in falschem Lichte» unter einem Gesichtspunkt betrachte» der ein volles 
Verständnis, eine unliefangene Würdigung derselben von vornherein unmöglich 
mache*, gehe auch daraus hervor, dass »sofort Luther und die Fürsten, ins- 
besondere der Kurfürst von Sachsen im Mittelpunkt der Darstellung erscheinen: 
Luther predigt usw., der weise Kurfürst steht ihm helfend und schützend zur 
Seite« « . .; die Frage nach der Glaubwürdigkeit Slcidans habe bei solcher ver- 
fehlten Auffassung *für die ersten Bücher gar keinen Sinnt (S. 66). 
Nun aber hat sich zeigen lassen» dass die angebliche Verbindung zwischen 
Luther und Hütten wie der gesamten Kitterschaft zum mindesten nur von der 
einen Seite her bestand, dass si*r von Luther wie von dem Kurfürsten mit 
aller möglichen Deutlichkeit abgelehnt wurde; vor allem aber, dass in der Tat 
von den ersten Anfängen des Konfliktes an der Landesherr Luthers einen 
wohldurchdachten» ebenso zähen als kühnen und aufopferungsvollen Kampf 
gegen Papst und Kaiser geführt hat, der nebenbei auch den Schutz der Kitter 
für Luther völlig entbehrlich machte; endlich dass die rücksichtslose und viel- 
gestaltige Aktion der Kurie ebenfalls sofort nach dem ersten Auftreten Luthers 
einsetzte* aber von der ultnunon tauen Geschicluschieibung bisher im Dunkeln 
gehalten wurde» dass im besondern die Lügen und Ränke des Cochläus weit 
schlimmer waren» als bisher angenommen wurde- In der Hauptsache ist also 
die nüchterne, akten massige Darstellung Sleidans gerade für die Anfangsperiode 
der Reformation richtiger, als es selbst von protestantischer Seite bisher bean- 
sprucht werden konnte- Und wenn es auch heute noch einem Autor nicht 



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Die Anfangflprriode dei Reformation bei Sieldan. 101 

Sammlung der »Reformations-Acta und Documenta« von 
V. E. Löscher 1 ) verwies. 

So ist es schon bezeichnend für die pedantische Nüch- 
ternheit, mit der Sleidan ein Aktenstück nach dem andern 
vornimmt, dass er mit der höchst charakteristischen Ein- 
leitung Luthers-) zu der »res indulgentiaria , wie er den 
ersten Abschnitt der Reformattonsgeschichte nennt, nichts 
anzufangen weiss. Diese aus der Fülle der Erinnerung mit 
feiner Ironie geschriebene Skizze gehört noch heute zu dem 
eisernen Bestand unserer vornehmsten Quellen, wenn sie 
auch chronologisch nicht ohne Schwierigkeit ist und über- 
haupt 'Cum grano salis verstanden sein will. Obwohl hier 
ausdrücklich von Briefen Luthers an seine beiden kirchlichen 
Vorgesetzten, den Erzbischof von Mainz und den Bischof 
von Brandenburg, gesprochen wird, in denen er über den 
soeben erfolgten Thesenanschlag Rechenschaft gab, ge- 
denkt Sleidan nur des erstoren, denn nur dieser ist im 
I. Tomus der »editio Witebergensis« abgedruckt. Dagegen 
vermeidet Sleidan den auf der hyperkritischen Anwandlung 
eines modernen Lutherforschers :f ) beruhenden Fehler, das 
uns erhaltene zweite Schreiben Luthers an seinen Ordinarius 
aus seinem Zusammenhang mit den Schreiben an Staupitz 
und an Leo X. (vom 30. Mai 1518) herauszurcissen und von 



verwehrt werden kann, sein Thema von vornherein so zu unigrenzen, dass er 
»die Dinge vorzugsweise unter dem staatsmännischen Gesichtspunkte betrachtet* 
(S. 68), zumal wenn auf diesem Gebiet noch nichtige Probleme zu lösen sind, 
so ist es doppelt ungerecht, deshalb bei einem Autor des sechzehnten Jahr- 
hunderts von »ganz irrigen Voraussetzungen« zu reden, weil er noch nicht an 
Aufgaben herangetreten ist, die erst die Wissenschaft unserer Tage zu lösen 
versucht hat. Und was vermögen auch heute noch die Historiker »von den 
geheimen Triebfedern der Handlungen, dem Treiben hinter den Kulissen, den 
Schleichwegen der Diplomatie« ihrer eigenen Zeit trotz aller ^öffentlichen Doku- 
mente« (S. 69) zu berichten? Dass Sleidan uns gleichwohl über die folgen- 
schwerste Innige der Reformationszeil eine wertvolle Andeutung gibt, wird sieh 
im Laufe dieser Untersuchung zeigen. 

'( Leipzig 1720— 28. Treffende kleinere Beobachtungen gibt I'aur S- "8 
über die stilistische Behandlung dieser Akten durch Sleidan. — ") Jetzt be- 
quem zu benutzen in der »Auswahl« der »Werke Luthers« von O. deinen. 
Bonn 1913. IV, 42t ff. — *) E. L. Enders, Luthers Briefwechsel. Frankfurt 
1884. I, 147 ff. Vgl. dazu zuletzt meine Ausführungen in der Zeitschrift für 
Kirchengeschichte iZ-KG.i XXXII, 578 Ann». 2. 



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302 



Kalkoff, 



dem deutlich vermerkten Datum des 22. Mai in den Februar 
zu verlegen. Die Bedeutung des Sehreibens an den Papst 
als Rechtfertigung und Widerklage in dem Vorverfahren 
des schon von den Dominikanern veranlassten ersten römi- 
schen Prozesses musste ihm um so mehr verborgen bleiben, 
als das Inhaltsverzeichnis der Wittenberger Ausgabe von 
einer »epistola dedicatoria« redet, die den »Resolutiones* 
über die Ablassthesen vorangestellt worden sei. Dass erst 
hinter dieser Schrift die Leitsätze der in Heidelberg auf 
einem Kapitel der Augustiner abgehaltenen Disputation ein- 
gereiht werden, die jenen Briefen voraufgegangen war. 
störte den Historiker nicht, da er von dieser Disputation 
überhaupt keine Notiz nahm. Dagegen beschäftigt er sich 
nun mit den literarischen Gegnern Luthers, mit Dr. Eck 
und Silvester Mazzolini, da in dem Sammelwerk erst die 
Antwort Luthers auf Ecks »Obeliscia und dann je zwei 
Gegenschriften Luthers und des römischen Palasttheologen 
folgen. Er bemerkt dabei gar nicht, dass die ebenso kurze 
als scharfe Erwiderung, mit der Luther die an massende 
Inhaltsübersicht' einer künftigen grossen Streitschrift des 
Prierias herausgab, ihn bis in den Juni 1520 vorausgreifen 
lässt, während die demnächst von den Wittenbergern mit- 
geteilte und auch von Sleidan erwähnte kleine Schrift 
gegen Hochstraten aus den Tagen der Leipziger Disputation 
stammte. 

Mit Recht hebt M. Ritter hervor, dass Sleidan in der- 
artigen Fällen sich allzu sklavisch an das einzelne Akten- 
stück hält, an der einzelnen Tatsache haftet; auch dass seine 
Auszüge nicht selten oberflächlich und ungenau sind, und 
dass er im vorliegenden Falle nicht das vom theologischen 
Standpunkt aus Wichtigste, sondern nur den allgemeinen 
Eindruck einer solchen Schrift widergibt, oder dass ein 
Jurist schwerlich den ursprünglichen Sinn eines Aktenstückes 
wieder erkannt haben würde 1 ). Aber dieses Urteil ist inso- 
fern zu streng, als die Zeitgenossen die von Sleidan ange- 
strebte stilistische Eleganz, die korrekte Latinität höher 
schätzten als die sachliche Genauigkeit in Nebendingen, und 



') HZ. 109, 293, 297 Anm. 4 unter Vergleich eines Auszugs bei Sleidan 



und bei Kösllin-Kawerau, M. Luther. $. Aufl. I, 193. 



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Die Anfangsperiode der Reformation bei Sleidan. 303 

dass sie in vielen derartigen Fällen auch besser als wir 
zwischen den Zeilen zu lesen verstanden und hinter einer 
klassischen Floskel unschwer den konkreten Sachverhalt, 
den wissenschaftlichen Terminus entdeckten 1 ). 

So ist denn an der Umformung der letzten Antwort, 
deren Luther den Hofdominikaner überhaupt gewürdigt hat, 
nichts auszusetzen, ja Sleidan hat den Sinn dieser vom 
höchsten sittlichen Pathos getragenen Abfertigung an den 
Apostel des päpstlichen Absolutismus treffender wieder- 
gegeben als die heutigen Historiker der Schule Joh. Janssens. 
Doch ertappen wir ihn hier bei einem Versuch, durch Ver- 
schweigen 2 ) einer schon damals von päpstlicher Seite gegen 
Luther ausgenutzten Stelle einer Verlegenheit zu entgehen. 



■) Ein rechtes Schulbeispiel dafür ist die Verwirrung, die in neueren 
Werken protestantischer, aber auch katholischer Autoren dadurch entstanden 
ist, dass nach humanistischer Mode auch die Nuntien, die nur im frühmittel- 
alterlichen Dienst der Kurie noch »legati missi* heissen, jetzt aber von den 
stets im Range der Kardinäle stehenden »legati a latere* streng unterschieden 
werden, als »legati« bezeichnet werden, ein Fehler, den Sleidan bei Erwähnung 
der Nuntien Aleander und Caracciolo vermeidet, dert aber Boehmc und am 
Ende (I, 131) mitgemacht haben. So spricht noch Dietrich Schäfer in seiner 
Deutschen Geschichte (3. Auflage. Jena 1913* IX« 28) von dem »Legaten Ale- 
ander-. Vgl. zu diesem Sprachgebrauch meine Untersuchung über »Erasmus 
u. seinen Schüler \\\ Kesen« usw. in Egli-Finsler, Huldreich Zwingiis Briefe 
(Sämtliche Werke. Leipzig 1905. Im Corpus Reformatoren III.) I, 420, Es 
ging das Mißverständnis so weit» dass die Beschwerden des Reichstags von 
Augsburg über einen ?- Nuntius*, nämlich über Caracciolo, von jeher auf den 
völlig unschuldigen Legaten Kajetan bezogen worden sind. Vgl. P. Kalkoff» 
Kardinal Knjetan auf dem Augsburger Reichstage von 15 18. Quellen u. Forsch, 
aus italienischen Archiven X, 226 ff. (Rom r<>07). Ferner wussten die Zeil- 
genossen auch genau, dass ein armseliger Wicht wie Karl von Miltitz eben 
nicht zu den päpstlichen Diplomaten wie Ateander und Caracciolo oder der 
berühmte Gelehrte Dr. Eck gehörte, die man als »nuntii et oratores« bezeich* 
netc» sondern das* er zu der subalternen Klasse der »nuntii et commissariic 
zählte. Selbst der gestrenge Richter Sleidans, der katholische Professor Kamp- 
schulte, spricht von >Luthers Schreiben an den Papst (vom 3. März 1519) in- 
folge der Tätigkeit des papstlichen Legaten Miltitz* (a. a. O. S. 61)* — 7 ) Be- 
kanntlich haben unter Berufung auf Kampschulte Janssen-Pastor unternommen, 
die Glaubwürdigkeit Sleidans als *des Meisten; in der Kunst des Verschweigen^ 
zu erschüttern. Aber wie harmlos ist in diesem Falle sein Verhalten gegen- 
über der von papistischer Seite geübten Kunst der Übertreibung und Ent- 
stellung. A. llollaenders Verwahrung (in dieser Zeitschr. N.K. XIV» 428 
Anm. 2) bleibt also durchaus berechtigt. 



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304 



Kalkoff. 



wie er ja auch die Doppelehe des Landgrafen von Hessen 
mit keiner Silbe erwähnt, wahrend er das anstossige Ver- 
hältnis des Heinz von Wolfenbüttel ausführlich behandelt 
hat '). Luther, der damals noch in einem Konzil das einzige 
Mittel der Rettung für die durch das verweltlichte Papsttum 
irregeleitete Christenheit, für die an den Rand des Ver- 
derbens gebrachte Kirche erblickte, war entrüstet darüber, 
dass diese Theologen dem Papste eine unbedingte Herr- 
schaft auch über das Konzil zuwiesen und dessen Berufung 
wie seine künftigen Entscheidungen von dem Belieben des 
unfehlbaren Oberhauptes der Kirche aljliängig machten. 
Er erklärt, dass es dann Pflicht der weltlichen Herrscher 
sei, die Kurie mit Waffengewalt an ihre Pflicht zu erinnern 
und nötigenfalls diese Kardinäle und Päpste wie ihre lite- 
rarischen Trabanten zu züchtigen. Und so führt auch Sleidan 
in etwas glatteren Sätzen aus, dass nach Luthers Meinung 
auch der Papst den göttlichen Geboten unterworfen sei, wie 
der Geringste, und dass diese römischen Lehrmeister, die es 
anders haben wollten, sich an der göttlichen Majestät ver- 
sündigten; wenn wir also Diebe und Räuber mit dem Tode 

bestraften, so sei es auch in diesem Falle Sache der Obrig- 
keiten (magistratus), gegen jene gottlosen Fälscher der heili- 
gen Schrift einzuschreiten 2 ). »Warum*, ruft Luther in 
heiligem Zorne aus, i greifen wir sie nicht mit allen Waffen 
an und waschen unsere Hände in ihrem Blute«! Audi 
Sleidan hat begriffen, dass Luther mit dem ersten Ausdruck: 
»omnibus armis impetimus* in erster Linie an die Waffen 
des Geistes denkt, sodann an ein dem göttlichen und mensch- 



') Paur S. 66 f. Ein weiteres Beispiel weiss aber selbst Kampschulte 
nicht anzuführen, der ihm nur noch die beschönigende Schlussbemerkung über 
das Marburger Keligionsgesprach (aimce discessum est) zum Vorwurf nmclien 
kann (a. o. 0. S. 6;). — *) Vgl. BE. I, 32 mit der Wiedergabe der Stelle 
bei Köstlin-Kawerau I s , 302. Kritische Gesamtausgabe der Werke Luthers 
(Weimarer) VI, 347. Dazu meine Ausführungen WE. S. 55 ff. und ARG. 
XIII, 266 f. Von der vorsichtigen Einschränkung, die ich an leufc'rer Stelle 
noch /u Ehren der deutschen Gegner Luthers gemacht habe, muss ich jedoch 
Hochstraten ausnehmen, der in dem »unechten Brcve Madrians VI. an den 
Kurfürsten von Sachsen (Tlu-olog. Studien u. Kritiken. Jahrgang 1917), das ich 
als eine Flugschrift des Kölner Inquisitors nachgewiesen habe, von dieser Unter- 
stellung den gehässigsten Gebrauch gemacht hat. 

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Die Anfongppeiiode »1er Reformation bei Sleidan. iq^ 

liehen Recht entsprechendes Einschreiten der christlichen 
Obrigkeiten, denn er kleidet den Satz in die Worte: >ut 
hi longe nocentissimi reipublicae hostes communi hominum 
studio et opera comprimantur«. Der zweite Ausdruck, der 
zuerst von dem leidenschaftlichsten Feinde Luthers, von 
Ilochstraten, dahin gedeutet wurde, dass Luther das Volk 
zum allgemeinen Priestermord auffordere, ist nichts anderes 
als ein Hinweis auf das strenge Gericht Gottes, der nach 
Psalm 58, 11 die Gottlosen zerschmettern wird, so dass der 
Gerechte, der solche Strafe sieht, sich darüber freut, dass 
Gott noch Richter auf Erden ist: da wird er seine Hände 
im Blute der Gottlosen waschen, d. h. sich in seiner eigenen 
Handlungsweise nach dem Gesetz Gottes bestärkt fühlen, 
da er erfährt, dass er Gott nicht vergeblich gedient hat. 
Diese Worte der Vulgata. die Luther selbst in seinen ersten 
Vorlesungen über die Psalmen umständlich ausgelegt und 
ganz besonders auf die pharisäischen Irrlehrer der Juden,' 
die starrsinnigen Gegner des Heilandes, gedeutet hatte, 
hätten die Theologen alter wie neuester Zeit wiederer- 
kennen müssen; dem Juristen Sleidan aber kann man es 
nicht verdenken, wenn er den schon im Wormser Edikt 
von Aleander missbrauchten Ausdruck lieber bei Seite liess, 
um den Leser an seiner im übrigen durchaus verständigen Um- 
schreibung 1 ) der lutherischen Gedanken nicht irre zu machen. 

Sleidan, der den Schriftwechsel zwischen Prierias und 
Luther als eine akademische Fehde auffasst — 'dum haec 
more scholastico scriptis utrinque geruntur« -) — und nicht 
weiss, dass die erste Schrift des »magister sacri palatii« 
dessen amtliches Gutachten in dem gegen Luther eröffneten 
ordentlichen Prozess darstellt 3 ), bespricht nun erst kurz die 
politische Sendung des Kardinallegaten Kajetan, und zwar, 
wie auch Paur feststellt, im Anschluss an das Schriftchen 
des Jakobus Manlius'). Er erwähnt dabei zwar, dass der 



')' Auch Kam pschulte muss (S. 62) anerkennen, dass Sleidan seine »Aus- 
züge mit vielem Geschick* gemacht und >im wes-jnt liehen den Inhalt treu und 
richtig wiedergegeben hat'. — *} BE. I, 35. — J ) ZKG. XXXlIf, 2$ ff. 
oder in der Buchausgabe: Zu Luthers römischen Prozess des Jahres 131?*. 
Gotha 1912. S. 154 ff, — ') Paur S. 9,8 weist nach, dass Sleidan irrtümlich 
den geweihten Hut und Degen dem neuen Kardinal Alhreclit zukommen Übst. 



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306 - Kalkoff. 

Papst einen Kreuzzugsablass anbot, vergisst aber dann 
völlig, über das fatale Schicksal dieses Antrags und den 
für die Kurie schliesslich doch noch sehr annehmbaren Be- 
schluss in der Frage der Geldbeschaffung für den Türken- 
krieg zu berichten *). Auch seine Vermutung, dass Leo X. 
dem Erzbischof von Mainz die Kardinalswürde übertragen 
habe, um der »Kirche« einen fürstlichen Verteidiger von 
höchstem Range- zu- sichern, ist insofern gewagt, als der 
Papst bei diesem schon am 24. März 1518 im Konsistorium 
angekündigten Entschluss-) keinesfalls schon daran gedacht 
hat, dass er sich des Erzbischofs werde versichern müssen, 
um der Gegnerschaft Luthers Herr zu werden, obwohl er 
damals schon Schritte gethan hatte, sich durch Beeinflussung 
des kursächsischen Hofes des gefährlichen Gelehrten zu be- 
mächtigen 3 ). Wohl aber wollte die Kurie um ihrer in jenem 
Augenblick schwebenden Geld- und Machtfragen willen die 
beiden kurfürstlichen Brüder vom Hause Hohenzollern bei 
guter Laune erhalten 4 ). 

Unser Schriftsteller schneidet sich nun von vornherein 
die Möglichkeit ab, die Verhandlungen über Luther in leid- 
lichem chronologischem, geschweige denn pragmatischem 
Zusammenhang vorzutragen, indem er sich zunächst g*anz 
von der Reihenfolge der Aktenstücke in der Witebergensis 
abhängig macht. Er gibt also zunächst eine Paraphrase 
des merkwürdigen Schreibens Maximilians I. vom 5. August 
1 5 1 8, jener von Cajetan entworfenen, vom Kardinal Matthäus 
Lang beförderten Denunziation gegen Luther, die ihre Spitze 
zugleich gegen den Kurfürsten von Sachsen richtete 5 ), ohne 
diesen wichtigen Umstand zu bemerken. 

Die knappe Mitteilung über Luthers Prozess, dass die 
Zitation auf Betreiben des amtlich beteiligten Prierias er- 
folgt sei, hat Sleidan den Einleitungen entnommen, die 
Luther seinen beiden Appellationen voranstellte* 1 ), sowie dem 



'( Vgl. mei.ic »Forschungen zu Luthers römischem Prozesse Rom 1903. 
Kapitel IV und V. ZKG. XXVII, 327 fr. — s ) Forschungen S- 115. - 
s ) Vgl. ZKG. XXXII, Kap. IV: Vorbereitende Schrille zur Verhaftung 
Luthers. Buchausgabe S. 60 ff. — *( Vgl. »Die römischen Verhandlungen 
über die Bestätigung Erzbischof Albrechts», ARG. I, 381. — ") Forschungen 
Kap. VI. — ü ) ZKCi. XXXII, 219 f. XXXIII, 12 ff. 



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Die Anfangsperiode der Reformation bei Slcidan. ^01 

Breve vom 23. August 15 18, das er nun in seiner gewohnten 
Art wiedergibt, ohne jedoch als Jurist zu erkennen, dass 
damit das ordentliche Verfahren abgebrochen und auf Grund 
der hier festgestellten Notorietät neuer und schlimmerer 
Verfehlungen Luthers ein endgültiges Urteil im summa- 
rischen Verfahren von dem höchsten Richter selbst gefällt 
worden war, das zunächst die Verhaftung Luthers erforder- 
lich machte. Seiner Vorlage gemäss gibt Sleidan nun um- 
ständlich das vom gleichen Tage datierte Breve an den 
Kurfürsten von Sachsen wieder, das diesem Zwecke diente, 
schiebt dann aber wunderlicherweise das schon am 3. Fe- 
bruar 15 18 ergangene Breve an den Promagister der Augu- 
stiner, Gabriele della Volta ein 1 ), in dem dieser angewiesen 
wurde, Luther mit den Mitteln der Ordensdisziplin zum 
Schweigen zu bringen. Ganz abgesehen von dem Datum, 
hätte er als Jurist begreifen müssen, dass dies eine schon 
durch den ordentlichen Prozess und die Zitation nach Rom 
völlig überholte Massregel des Vorverfahrens war, der . in- 
quisitio famae«. Er hat das Stück der 1535 in Venedig 
erschienenen, dann 153g in Basel nachgedruckten Samm- 
lung der von Pietro Bembo als Geheimsekretär Leos X. 
verfassten Briefe entnommen-') und scheint diese Entdeckung 
erst gemacht zu haben, als er seine Hauptvorlage schon 
bis zu den Urkunden vom 23. August durchgearbeitet 
hatte. 

Er nimmt nun diesen Faden wieder auf mit der an 
sich zutreffenden Wendung, dass Luther sich bemüht habe, 
vom Papste die Verweisung seines Prozesses vor sachkun- 
dige Richter in Deutschland zu erlangen, und exzerpiert nun 
die beide-n Schreiben vom 25. September, in denen die Uni- 
versität Wittenberg^) sich bei Leo X. und dem schon am 



') Herr W, von Hofmann hatte die Güte, mir mitzuteilen, dass das 
Original dieser von Bembo stark überarbeiteten Urkunde sich in dem von ihm 
gründlich durchforschten Augustinerarchiv in Korn nicht vorgefunden hat, son- 
dern nur ein völlig belangloses Ernennungspatent vom 30. Januar 1518. — 
a ) Vgl* zu diesen wie andern Akten aus Luthers römischen Prozessen die 
»chronologische Übersicht« in den Forschungen S. 43 ff. und zu dem Breve 
an Gabriel Venetus ZKG. XXXII, 234 Anm. 3. — 3 ) Forschungen S. 60. 
Vgl auch die interessanten Nachweise O. Clemens Über die Art der Bear- 
beitung dieser Urkunden und Drucke für den I. Band der Wittenberger Ans* 



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3oS 



Kalkoff. 



io, September mit der Überbringu-ng der Goldenen Rose 
beauftragten päpstlichen Kammerjunker Miltitz 1 ) für diesen 
Wunsch ihres Professors verwandte. Dass auch diese Für- 
sprache der Universität auf eine Weisung des Kurfürsten 
zurückzuführen ist, konnte Sleidan nicht vermuten; wohl 
aber hat er aus den gedruckten Äusserungen Luthers über 
seine Verhandlungen mit dem Legaten entnehmen können, 



gäbe durch Georg RÖltr und Melnnchtbon (ZKG. XXVI* 243 ff-) t da Sleidan 
besonders durch die von ihnen beliebten Datierungen mehrfach beeinllusst 
worden ist. 

J ) Vgl. Kalkoff» Die Miltitziude. Eine britische Nachlese zur Geschichte 
des Ablafistreites. Leipzig 191 1. S. 6 f. Sleidan hat aus der Adresse des 
Schreibens der Universität den Titel cubicularius beibehalten und bezeichnet 
also Miltitz nie als »camerarius-. . mit dein Titel einer höheren Rangstufe in 
der familia« des Papstes. Wenn \\\ v. Hufmann (Forschungen z. Gesch. der 
kurialen Behörden. BibL des Ftuuss. HUt Instituts XII, XIIL) Rom 1914. 
F, löo AntiK 4- II, 205 findet, dass meine Ausführungen, Miititziade S. 60 ff, 
über das Verhältnis der verschiedenen Klassen dieser Hofbeamten >nicht völlige 
Klarheit* bringen, so verkennt er meine Aufgabe, die nur darin bestand, nach- 
zuweisen, dass Miltitz zu den ^cinf hinreichen, weil stets in der Umgebung des 
Papstes befindlichen« Beamten, unter denen sich »Nepolen und vielvermögende 
Günstlinge des Papstes* befinden können, eben nicht gehorte, dass er in den 
von mir angeführten Verzeichnissen nicht vorkommt, aus denen für die Zeit 
Leos X. eine höhere Bewertung dtt Titels der icamerariu zweifellos hervor- 
geht. Dass auch die urkundlichen Nachweisungen v. Hofmanns diese Klarheit 
keineswegs bringen, liegt wohl daran, dass diese Hofümter und die entsprechen- 
den Titel von der Willkür und dem Geldbedürfnis der einzelnen Papste ab- 
hängig und unter dem einfachen Hadrian VI. wie in den schlimmen Zeiten des 
Sacco di Roma grossen Veränderungen unterworfen waren. Soweit Personen 
in Betracht kommen, die im politischen I-eben eint- Rolle gespielt haben, er- 
gibt sich bald die Notwendigkeit, die schemaiisclicn Angaben der Verwaltungs- 
akten durch lebensvollere Mitteilungen sonstiger Ouellen zu ergänzen. Kür den 
Nachweis der ganz subalternen Stellung wie der persönlichen Nichtigkeit eines 
Miltitz mag noch die Tatsache verzeichnet werden» dass auch in der von 1507 
bis 1519 reichenden »Matricula uotariorum«, in ihr nach einer Reform dieses 
Instituts alle in Rom zur Praxis zugelassenen Anwälte verzeichnet sind und 
in der das deutsche Element mit 156 Namen erstaunlich stark vertreten ist, 
sein Name nicht vorkommt (K. IT. Schäfer. Deutsche Notare in Rom am 
Ausgang des Mittelalters. Hist. Jahrb. XXXUI (1912)» 719 ff->- Abgesehen 
von der vorgeschriebenen Prüfung war dem windigen Gesellen an einer geord- 
neten Berufstätigkeit überhaupt nichts gelegen; er hielt sich nur in Rom auf» 
um die Gelegenheit zur Erlangung von Pfründen auszuspähen, auf die er sich 
dann durch seine verwandtschaftlichen Beziehungen zu Nik. von Schonbrrg 
und seine höfischen Dienste hei den jungen Kardinälen die Anwartschaft 
erwirkte. 



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.Die Anfangsperiode der Reformation bei Slcidan. ^oq 

dass er es *auch« der Vermittlung seines Landesherren bei 
dem Kardinal Kajetan verdankte, wenn er von der Reise 
nach Rom entbunden und nach Augsburg beschieden 
wurde. Nach den nun von Slcidan ausgezogenen »Acta 
Lutheri apud legatum apostolicum Augustae« musste er an- 
nehmen, dass Luther damit die Gelegenheit zu einer gründ- 
lichen sachlichen Verantwortung gegeben werden sollte 
(»dicturus causam«), wozu jedoch nur eine Vollmachtsüber- 
schreitung seitens des gelehrten Dominikaners den nötigen 
Spielraum gewährte, während dieser durch das Breve vom 
1 1. September nur dazu ermächtigt worden war, als delegierter 
Richter im Rahmen des schon ergangenen päpstlichen Ur- 
teils vom 23. August Luthers Widerruf entgegenzunehmen 
und die aus seiner Haltung sich ergebenden Folgerungen 
zu ziehen. Sleidan beschränkt sich darauf, den sorgfältig 
umschriebenen Verlauf des Verhörs 1 ) und den Inhalt der 
von Luther abgegebenen schriftlichen Erklärungen bis zu 
der ersten Appellation wiederzugeben und dann mehrere 
Exkurse über die von den beiden Gelehrten umstrittene 
Bulle Klemens VI. von 1343 über den Ablass, über die 
Tätigkeit des grossen Pariser Theologen Johann Gerson auf 
dem Konstanzer Konzil und dessen Dekret über die Amts- 
gewalt des Papstes einzuschalten, wie er schon die Polemik 
des Prierias durch Angaben über das Schuloberhaupt dieser 
scholastischen Richtung, den heiligen Thomas von Aquino. 
zu erläutern gesucht hatte. 

Daran schliesst sich dem Wittenberger Bande ent- 
sprechend der Briefwechsel zwischen Kajetan und dem Kur- 
fürston, sowie der von Luther auf das ihm von Friedrich 
übermittelte Schreiben des Legaten sofort erstattete Bericht 
vom ig. November 2 ) und die Erklärung der Universität 
Wittenberg vom 23. November zugunsten des von Luther 
geforderten Schiedsgerichtes unparteiischer Gelehrter. Er 



') Vgl. jetzt etwa das Kapitel V über »dns Augsburger Verhör« in meiner 
Einleitung zu den »Ausgewählten "Werken Luthers« hrsg. von H. H. Borcherilt. 
Re forma torisch c und politische Schriften hrsg. von Borcherdt und P. Kalkoff. 
München u. Leipzig 1914. II, S. LXX ff. oder die Sonderausgabe u. d. T.: 
»Luther und die Entscheidungsjahre der Reformation*. 1917. — *) Vgl. dazu 
meine Untersuchung in ZKGi XXVII, 323 ff. 



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3'0 



Kalkuff. 



hebt nun völlig zutreffend als Ergebnis der mitgeteilten 
Aktenstücke über die Haltung des Kurfürsten hervor, dass 
dieser die päpstlichen Forderungen abgelehnt und sorgfältig 
darüber gewacht habe, dass gegen Luther kein unrecht- 
mässiger Gewaltakt ausgeführt werden konnte. Doch hat 
auch er nicht umhin gekonnt, die von Friedrich geflissent- 
lich genährte Auffassung von seiner rein passiven Rolle in 
Luthers Handel sich anzueignen, indem er. wieder im engen 
Anschluss an die Opera Lutheri nun aus der angeblich am 
5. August 15 18 aus Augsburg« erfolgten »Antwort des 
Kurfürsten an den Kardinal Raffaele« Riario entnimmt, dass 
Friedrich nach seinem eigenen Geständnis bis zu jenem 
Tage keine Schrift Luthers gelesen noch seine Predigten 
gehört habe 1 ). Man kann mit dem humanistischen Schrift- 
steller, dem alle Hilfsmittel gegen falsche Datierungen 
fehlten, um so weniger rechten, als ausser der schiefen Be- 
urteilung Friedrichs auch die Unklarheit über diesen Brief- 
wechsel mit einem von der Kurie in einem entscheidenden 
Augenblicke benutzten Statisten sich bis in die »Deutschen 
Reichstagsakten unter Karl V.* 2 ) fortgepflanzt hat. Das 
Schreiben des schon 1537 gestürzten Kardinals vom 20. Mai 
1520 bedeutete das Ultimatum des Papstes an den noto- 
rischen Beschützer Luthers und wurde erläutert durch ein 
gleichzeitiges dem Mainzer Gesandten diktiertes Schreiben, 
während die Antworten des Kurfürsten unter der vertrau- 
lichen und drastischen Mitarbeit Luthers Anfang August 
von Wittenberg abgingen J ). 

Mit dem nächsten Auszug befindet sich Sleidan wieder auf 
sicherem Boden: die Ablassdekretale »Cum, postquamc, durch 
dieKajetandem päpstlichen Urteil nachträglich eine notdürftige 
dogmatische Unterlage zu verschaffen suchte, ist wirklich am 
o. November 1518 ausgefertigt worden. Aber die Angabe, 
dass Kajetan schon im Dezember sie in vielen Exemplaren 
an die deutschen Bischöfe versandt habe, ist einfach dem 



') BE. I, 57. Paur S. 82 f. — ^ (RA.) Hrsg. v. A. Wrede. Goihi 
1896. II, 471 Anm. I. noch dazu mit dem falschen Namen »Rovere«, während 
Sleidan den richtigen Familiennamen anführt. — 3 ) Vgl. meine Ausführungen 
und archivalischen Mitteilungen in ZKG. XXV nach dem Personenverzeichnis 
in der Buchausgabe des »Prozesses von 1518«, S. ZU. 






Die Anfangsneiiodc der Reformation bei Sleidan. 



[ I 



Publikationsmandat entnommen, das Kajetan zugleich mit 
dem notariellen Akt über die am 13. Dezember in Linz 
vorgenommene förmliche Prüfung und Verkündigung der 
Bulle in Wien hatte drucken lassen 1 ). Doch hat Sleidan 
nicht gewusst, dass die Vervielfältigung durch den Druck 
erfolgt ist, und dass dem Wittenberger Abdruck ein solches 
beglaubigtes Exemplar zugrunde lag, sondern er spricht von 
Abschriften, da in der Urkunde der Ausdruck »transsumptac 
gebraucht wird. Überdies gehört ein solcher Druck zu den 
grössten Seltenheiten, und es ist bis jetzt nur ein einziges 
Exemplar im Vatikanischen Archiv entdeckt worden. 

Das folgende Stück des Sammelwerkes, Luthers zweite 
Appellation, leitet Sleidan mit der zutreffenden Bemerkung 
ein, dass dieser aus den Drohungen des Legaten in dessen 
Schreiben an den Kurfürsten habe entnehmen müssen, man 
werde in Rom nun zur Fallung des Urteils schreiten; und 
in der Tat wurde dort die Bekräftigung des Urteils vom 
23. August durch eine förmliche Bannbulle geplant: die 
wiederholt aufgeschobene und nun endlich ausgeführte Ent- 
sendung des Kommissars Miltitz hatte nur den Zweck, die 
Auslieferung des notorischen und erklärten Ketzers sicher- 
zustellen. 

Die Herausgeber der Witebergensis beginnen damit 
nach der überlieferten annalistischen Methode »die Geschichte 
des Jahres 1519 der Reformation (negotii evangelici)« und 
leiten die neue Reihe von Aktenstücken 2 ) mit einem kurzen 
erzählenden Abschnitt ein, der ebenso wie die Praefatio des 
ganzen Bandes von Luther selbst herrühren dürfte, da selbst 
Melanchthon keine so präzisen Angaben über die damalige 
Lage zu machen imstande war. Mit einer kleinen chrono- 
logischen Ungenauigkeit, wie sie auch der Haupteinleitung 
eigen ist, berichtet Luther, dass Miltitz, ein meissnischer 
Edelmann, im Jahre 15 19 von Leo entsandt wurde, um die 

') Vgl. meine Untersuchung über «die von Kajetan verfasste Ablass- 
dekretaie« im ARG. IX (1912), 142 ff., besonders Seile 14;. Da Sleidan 
nicht weiss, dass die Dekretale von Kajetan in Rom bestellt worden war, so 
schiebt er mit einem •vaticinium ex eventii' dem Papste das Motiv unter, dass 
er »bei diesem Stande der Dinge — der Verwendung der Universität für 
Luther — »einen Abfall befürchtet habe*. — -) Diese Überschrift und die 
neue Zahlung von Nr. 1 an vorn im Index. 



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3i2 Kalkoff. 

Goldene Rose zu überbringen, die am 4. Sonntage der 
Fastenzeit (Laetare) ausgestellt zu werden pflege. »Denn 
obwohl der Herzog Friedrieh nicht zugeben wollte (non 
profkcbatur), dass er die Schriften Luthers gegen die Ablässe 
verteidige, so wollte er sich doch auch nicht zum Richter 
aufwerfen noch Luther mit Gewalt unterdrücken, ehe seine 
Sache geprüft und gerichtlich entschieden sei. Daher ver- 
suchte Leo X.. durch die verschiedensten Aufträge und Bot- 
schaften ') den Kurfürsten zu strengeren Massregeln (aspe- 
riora consilia) anzutreiben, und so brachte auch Miltitz unter 
Darbietung der Rose die Klagen und die Befehle des Papstes 
vor und bedauerte, dass die Zwietracht in der Kirche [von 
dem Lande des Kurfürsten] ihren Anfang genommen habe, 
wobei er offen die Schuld-) dem Martin Luther, versteckt 
aber dem Herzog beirnass und unter dringenden Vor- 
stellungen (magnis obtestationibus) forderte, dass Luther 
unterdrückt werde. Dies betrieb Miltitz eifrig, während er 
mehrmals an das Hoflager zurückkehrte 3 ). Während man 
nun |in der Umgebung Friedrichs] über den ihm zu er- 
erteilenden Bescheid ratschlagte, entwarf Luther im Hause 
Spalatins in Altenburg die folgenden Punkte für eine solche 
Antwort«. 

Sleidan hat nun nicht nur dieses kirchen politisch wich- 
tige Aktenstück übergangen, sondern trotz der für ihn so 
bequem benutzbaren Fingerzeige dieser Einleitung die ganze 
Episode der Sendung Miltitzens sehr kurz abgetan. Dabei 
lehnt er sich gleichwohl wörtlich an diese Erzählung an 
und berichtet über die das Jahr 15 19 eröffnenden Urkunden, 
die Breven des Papstes an den Kanzler Pfeffinger und den 



') In diesem '«piibuscumjue offieiis et nuntiis missis'- liegt eine An- 
spielung nicht nur auf die voraufgehende Beauftragung Kajelans, sondern auch 
auf die mehrfachen Anläufe der Kurie während der Voruntersuchung, die Aus- 
lieferung Luthers zu bewirken. — "j Vgl. dazu den Ausdruck der Praefatio: 
»tota culpa est Moguiuini . . .= O. Giemen, Luthers Werke IV, 427, 2- 
AUG. I, 382. — *) Luther erinnerte sich ganz richtig, dass Miltitz Ende 
Dezember schon am Hofe des Kurfürsten in Altenburg eingetroffen war und 
sich dann Mitte Januar 1519 noch einmal in Lochau bei Friedrich eingefunden 
haue. ARG. I, 376 Anm. 2. IX, 152 Ann). ZKG. XXV, 290 Anm. I. 
400 Anm. Mit dem -saepc rediens* durfte er zugleich auf die späteren Be- 
suche Miltitzens angespielt haben. 



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Die Anfangsperiode der Reformation bei Sleidan. \i\ 

Hofkaplan Spalatin nebst den Begleitschreiben des Vize- 
kanzlers Medici, in denen diese vornehmsten Berater des 
Kurfürsten aufgefordert werden, für die Bestrafung" Luthers, 
dieses aSohnes des Satans«, einzutreten 1 ): Man möchte 
daraus den Schluss ziehen, dass Sleidan vielleicht auch auf 
Grund mündlicher Überlieferung Melanchthons oder anderer 
evangelischer Kirchenpolitiker wie Butzer den Eindruck ge- 
wonnen hatte, dass dieser Miltitz eine ganz untergeordnete 
Persönlichkeit war und dass seine Machenschaften keinen 
Einfluss auf den Gang der Ereignisse hatten. Denn der 
Historiker berichtet, dass Miltitz nach seiner Ankunft in 
Sachsen »exhibita rosa negotium sibi commissum strenue 
agebat«, also im wörtlichen Anschluss an Luthers Erzählung, 
indem er nur den Charakter der von dem Kommissar vor- 
gebrachten Werbung völlig zutreffend mit dem Worte 
»strenue* statt des in der Vorlage stehenden »seduloc an- 
deutete. Es wäre dabei eigentlich überflüssig, anzumerken -), 
dass Miltitz die Rose »erst am 25. September 15 19 den kur- 
fürstlichen Räten eingehändigt« habe; denn Luther wusste 
ganz genau, dass diese Übergabe nicht schon bei seinem 
Eintreffen erfolgt war. und gebrauchte deshalb nicht einen 
Ausdruck wie »tradita«; aber Sleidan mag ja an eine Über- 
reichung des Kleinods gedacht haben. Man kann es ihm 
auch nicht verübeln, dass er nun fortfährt: Luther habe, 
nachdem er von Miltitzens Auftrag Kenntnis erhalten, am 
3. März ein Schreiben an den Papst gerichtet, denn dieser 
alte Irrtum der Herausgeber, die einen schon am 5. Januar 
hergestellten Entwurf Luthers mit diesem Datum versahen, 



*) Dass diese Schriftstücke, die talsächlich schon in der /weiten Hüllte 

des Oktober 15 18 ausgestellt waren (Forschungen S. 61 f.), in der Witebcr- 

gcnüis auf Anfang Januar 15 19 verlegt waren, stört unsern Schriftsteller wenig, 

da er für die Verhandlungen Miltitzens die ganze Zeit bis zum 3. März, zur 

Verfügung bat. Kr setzt dann auch Miltitzens Ankunft in Deutschland erst 

nach den »am 12. Januar« erfolgten Tode Maximilians I. an (BK. I, 62). — 

a ) Wie Paur S. 97 tut. Dagegen Forschungen S. 70. Miltitziade S. 34. Die 

chronologische Unklarheit bei Sleidan ist auch da ran I zurückzuführen, dass 

Luther in der »Praefatio« nach dem Anfang 1519 erfolgten Tode des Kaisers 

erzählt, dass Friedrich die Goldene Rose, »eodcin anno ei a Leone X. missanu, 

mit Geringschätzung aufgenommen habe. O. Giemen IV, 424, 28. 
ZpiUchr. f. Gesch. d. Obcrrh. N.F. XXXII. 2. 21 



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314 Kalkoff. 

ist erst durch Th. Brieger widerlegt worden 1 ); aber einen 
bedauerlichen Missgriff beging der fleissige Referent, wenn 
er dieses Schreiben Luthers als »literas valde demissas< be- 
zeichnete. Vielmehr war es nichts anderes als eine gehar- 
nischte Wiederholung der unmittelbar an den Papst ge- 
richteten Widerklage vom 30. Mai 15 18 und von solcher 
Schärfe und Unbeugsamkeit in Verweigerung des Wider- 
rufs, dass der armselige Unterhändler, der durch Luthers 
Unterwerfung sich reichen Lohn zu verdienen hoffte, von 
der Annahme dieses Schriftstückes absehen musste. Leider 
hat sich gerade dieser Irrtum Sleidans wie eine ewige 
Krankheit durch alle Darstellungen der Reformations- 
geschichte fortgeschleppt: am verkehrtesten in der Luther- 
biographie A. Hausraths '-), der von einem »Rückzug Luthers 
unter dem Einfluss der »Friedensstimmung des kursäch- 
sischen Hofes« und der »Vermittlung* des »jungen, liebens- 
würdigen Domherrn und Diplomaten*: spricht; aber noch 
Dietrich Schäfer :( ) ist der Meinung, dass erst Dr. Eck >den 
nach Miltitz* Bemühungen abflauenden Streit neu angefacht 
habe«. In engem Zusammenhang mit dieser verfehlten Dar- 
stellung der Altenburger Vorgänge steht dann auch die 
Auffassung dieses und anderer neuzeitlicher Geschicht- 
schreiber, dass es in diesen drei Jahren vom Thesenanschlag 
bis zur Verbrennung der Verdammungsbulle »mehr als eine 
denkbare Möglichkeit gegeben habe, den Streit beizulegen, 
den vollen Bruch zu vermeiden«. Es ist richtig, dass Luther 
»nicht in jedem gegebenen Augenblick seiner Sache gleich 
sicher war« und dass er »zweifelte, ob er wirklich zu so 
Grossem berufen sei«, dass die Massnahmen des »zur Ab- 
wehr und Ahndung schreitenden Papstes« ihm »Bedenken 
verursachten. Aber wenn man unter den »gegebenen Augen- 
blicken« auch nur die entscheidungsvollen Momente ver- 
steht, in denen er, wie bei der ersten Aufforderung zum 
Widerruf, die ihm sein Vorgesetzter Staupitz im Februar 
1518, oder der zweiten, die ihm das Kapitel seines Ordens 
in Heidelberg übermittelte, sicli selbst über die tiefsten Be- 



') I.utherstudien I, über »das Ergebnis der Altenburger Verhandlungen-. 
ZKG-. XV, 104 ff. und danach ZKfi. XXV, 290, 399 ff. Miltitziade S. 13 ff. 
— *) Miltitziade S. )6 Anm. 4. — ■ 1 ) Deutsche Geschichte II, 9. 



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Die Anfangsperiode der Reformation hei Sleidan. i ] c 

weggründe seines Handelns, die letzten Grundlagen seiner 
Überzeugung Rechenschaft ablegen musste, so ist jene Auf- 
fassung schon hinfällig. Noch mehr gilt dies von Fällen, 
in denen Luther in gelehrter Auseinandersetzung, wie mit 
Prierias und Kajetan, sich berufen fühlte, die schwer ge- 
fährdete Sache der reinen Erkenntnis des Gotteswortes und 
der missleiteten Kirche zu vertreten, oder wenn er durch 
tückische Verstösse des Gegners genötigt wurde, Folgerun- 
gen zu ziehen, vor denen er im stillen Kämmerlein noch 
zurückgeschreckt war. Nein, es wäre nicht »möglich ge- 
wesen, Luther mit eigenem Einverständnis zum Schweigen 
zu bringenc, und gerade die kläglichen Versuche eines 
Miltitz, seine Gutmütigkeit und seine pietätvolle Stimmung 
gegenüber der Mutter Kirche zu überrumpeln, sind dafür 
ein weiterer Beweis. 

Als Luther mit der abgeklärten Milde des Alters auf 
die grossen Entscheidungen jener Jahre und seine eigenen 
Seelenkämpfe zurückblickte, stellte sich« seinem Geiste auch 
die Möglichkeit noch einmal dar, wie wohl der grosse Bruch 
hätte vermieden werden können, und er beteuerte nochmals 
seine Friedensliebe, die Gefühle der Demut und Anhäng- 
lichkeit, die der selbstsüchtige Schwätzer zu seiner, Irre- 
führung zu missbrauchen gedachte, die aber ihre starre 
Grenze fanden an der »salva conscientia veritatis«, an allem, 
was sein Gewissen als wahr und recht erkannt hatte. Er 
schildert dann, wie Miltitz den armseligen Ablassprediger 
den Arger des Papstes und — des Erzbischofs von Mainz ') 
fühlen Hess, und bemerkt, dass man — in den Kreisen des 
kurfürstlichen Hofes wie der Universität — das ganze Vor- 
gehen (consilium) Miltitzens für nichtig und zwecklos, ihn 
selbst für einen Windbeutel (futilis) hielt. Luther gedenkt 
nun auch mit keiner Silbe der vielberufenen Alten burger 
Abmachungen. Denn diese liefen auf den einen Punkt 
hinaus, dass Luther künftig schweigen wollte, wenn auch 
seine Gegner schweigen würden: diesen aber Schweigen 
aufzuerlegen, war Miltitz von keiner Seite her autorisiert, 
und niemand hat auf päpstlicher Seite von dieser Abmachung 
Notiz genommen; ja, Miltitz hat sich sehr gehütet, ernstliche 

') ARG. I, 376 Anm. 2. 

2«* 



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3 i6 Kalkoff. 

Schritte zur Durchführung dieser Verabredung zu tun 1 ). Das 
gelehrte Schiedsgericht aber unter dem Vorsitze eines deut- 
schen Bischofs, das Luther sich gefallen lassen wollte, wenn 
— was er für ausgeschlossen hielt — der Papst darauf ein- 
ginge, war eben die kursächsische Kampfmassregel, zu deren 
Annahme oder auch nur Empfehlung der subalterne Kom- 
missar keinerlei Auftrag hatte. Der Hauptpunkt war ja 
aber auch für den ganz unwahrscheinlichen Fall der papst- 
lichen Zustimmung, dass die dogmatische Grundlage für 
diese Verhandlung die neue' Ablassdekretale bilden musste, 
von der Luther schon in Altenburg erklären musste, dass 
er sich ihr nicht werde anschliessen können, wenn sie die 
Streitfrage nur mit Berufung auf die päpstliche Vollgewalt 
und nicht mit Gründen der heiligen Schrift entscheide 2 ). 
Daher betont Luther noch im Jahre 1545, dass die Kluft 
nur dann hätte überbrückt werden können, wenn der Erz- 
bischof von Mainz alsbald auf seine Ermahnungen hin und 
dann der Papst, bevor er ihn ohne Verhör verurteilt und 
mit seiner Bulle bedrängt hätte, die Übergriffe Tetzels ver- 
hindert hätten. Er vergisst dabei oder spricht in der Ab- 
sicht, seine entgegenkommende Stimmung zu erklären, 
darüber hinweg, dass Miltitz mit seinem allzu späten Ver- 
such den Kern der Frage gar nicht berührte, ihn nicht be- 
rühren durfte und überdies in seiner bodenlosen Ignoranz 
nicht einmal verstand; er hat überhaupt in diesem ergreifen- 
den Epilog der grossen Tragödie mit liebenswürdiger Be- 
scheidenheit seine eigene Rolle als die eines jungen Heiss- 
sporns umschrieben, die grossen Züge dieser seiner Helden- 
zeit, sein unerschrockenes Streben nach selbständiger Er- 



') DICK Zusage Luthers an eine untergeordnete Persönlichkeit wie Miltiiz 
wird erst verständlich, wenn wir von Mclanchihon in dessen kurzem Lebens- 
bild Luthers erfahren, dass dieser ein solches Abkommen mit dem Vorgesetzten 
des Kommissars, mit dem Legaten Kajelan, dem delegierten Richter 
in seiner Sache, einzugehen sich bereit erklärt hat: »Cons'at «tiam Luthcrum 
cardinali Caietano promissunim fuissc silentium, si adversariis etiam seien tiuin 
i neide relurv. Witebergensis II, fol. V e . Kajetan war allenfalls in der Lage, 
einem Pricrias und Dr. Eck die Einstellung der literarischen Fehde nahezu- 
legen; zumal auch der Ingolstädtcr Professor von den Dominikanern vorge- 
schickt worden war. Den Kommissar würdigt Melanchthon überhaupt keiner 
Erwähnung. — =) Vgl. ZKG. XXV, 39g ff. ARG. IX, 158. 



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Die AnfangS|)cri<Kle der Reformation hei Slcidan. 3 1 / 

kentltnis und seine unbeugsame Uberzeugungstreue, als die 
Eigenschaften eines »iuvenis, ut dicitur, Doctor Theologiaet, 
eines »irreprehensibilis monachus« ') hingestellt. 

Und es war doppelt unmöglich, »Luther mit eigenem 
Einverständnis zum Schweigen zu bringen*, weil auch die 
Kurie von vornherein die letzten Folgerungen in der Ab- 
lassfrage auf dogmatischem wie auf kirchenpolitischem Ge- 
biet klar erkannt und Schritt für Schritt mit grösster Ent- 
schiedenheit danach gehandelt *hat. Es ist nicht richtig, 
dass Leo X. in dieser Sache weder »die nötige Kenntnis 
der kirchlichen, und insbesondere der deutschen Verhält- 
nisse bewiesen«, noch ihr »die erforderliche Umsicht und 
Sorgfalt gewidmet* habe. Er hat sie keineswegs in wich- 
tigen Augenblicken seinen Händen entgleiten lassen«, und 
hinter den »blinden Eiferern wie Prierias stand stets der 
persönliche Machtwille Leos X. und die von den bedeutend- 
sten Vertretern der herrschenden Theologie verfochtene 
l'berlieferung der Papstkirche. Gerade der anerkannte Führer 
der thomistischen Schule, der vielgeschmähte Kajetan, war 
im übrigen noch am ersten befähigt und gewillt, einen 
Luther zu verstehen und zu behandeln« und er hat eine 
unerhörte Überschreitung seiner Vollmachten riskiert, um 
die Forderung einfachen Widerrufs, die er an Luther stellen« 
musste, auf dem Wege einer Verständigung über die tief- 
sten Grundlagen der Glaubenslehre zu umgehen; nur in 
«ler Frage der päpstlichen Machtstellung in der Kirche hatte 
er sich durch seine wissenschaftliche Richtung wie seine 
politische Laufbahn zu weit von der an die Schrift gebun- 
denen Auffassung Luthers entfernt, so dass auch dieser, der 
einzige ernst gemeinte Versuch einer Verständigung »wir- 
kungslos, bleiben musste« 2 ). 

Das zeigte sich als nun ganz unvermeidliche Ent- 
scheidung, die denn auch von Luther ohne viel Aufhebens 
mit aller Schlichtheit und Bestimmtheit festgestellt werde, 
als Kajetan ihm seine nun dogmatisch sanktionierte Formel 
über die Kraft der Ablässe als Richtschnur für den Wider- 

') O. C lernen IV, 422. 23. 427, 22. — *) Vgl. meine Darlegungen in 
der Einleitung zur Münchencr Luther- Ausgabe II. LXXXI f. oder >Ent- 

•«cheidunefcjahrc- S. 81 f. /.w I). Schiifer S. 8 f. 



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318 Kalkoff- 

ruf vorlogen Hess. Es sind auch diese am 28. und 29. Mai 
in Weimar eingeleiteten, durch Luthers Schreiben vom 
30. Mai 15 19 schnell zu Ende gebrachten Verhandlungen ! i 
mit dem Namen Miltitz verknüpft; aber der »Domherr* hat 
diesmal nur eben Botendienste verrichtet, wie auch bei dem 
letzten Versuch der Kurie, »Luther mit eigenem Einver- 
ständnis zum Schweigen zu bringen«, der darauf hinauslief, 
dass der arme Mönch sich seine Überzeugung durch ein 
reiches Erzbistum und den Kardinalshut sollte abkaufen 
lassen. Das ist also die rechte Stelle, um den treffenden 
Ausspruch jener »Deutschen Geschichte« mit gesteigertem 
Nachdruck zu wiederholen: »hier erkennt man die Kluft, 
die das sittliche Empfinden der italienischen Kurialen von 
dem des deutschen Mönches trennte 



c - 



Im Hinblick auf den Geschichtschreiber des sechzehnten 
Jahrhunderts ergibt sich dabei die Beobachtung, dass er 
diese Episode, die mit dem Namen des unbedeutenden und 
vorwitzigen Junkers verknüpft ist, mit jenen drei Worten 



J J Vgl. mdM Untersuchungen im ARG. IX, 142 ff. und XI, 161 (f.; 
Luthers Antwort auf Kajetans Ablassdt'kretale, — *) Von D. Schäfer ange- 
wandt auf die zudringlichen Bemühungen eines kleinfürstlichen Diplomaten in 
Augsburg, des Urban von Serralonga (vgl. über ihn ZKG. XXV nach dem 
Personenverzeichnis der Buchausgabe des Prozesses von 1518 S. 212), der aber 
kein »Gehilfe Kajetans* war. Über das bescheidene Gefolge des Legalen vgl. 
meine Studie über »G. B. Klavio als Biographen Kajetans*, in der ich da* 
<iuellenmässige Material zur I^ebcnsgeschichte des Tommaso de Vio gesichtet 
habe. ZKG- XXXIII, 245. Kajetan ist auch nicht erst »im Herbst in Augs- 
burg erschienen«, sondern hat bereits am 6. Juli seinen durchaus nicht prunk- 
vollen Einzug gehalten (Forschungen S. 121 ff. Chroniken deutscher Städte. 
Augsburg. V, Bd* hrsg. von Fr. Roth. Leipzig 1896. S. 88. 90). Der Reichs- 
tag hat auch nur die nach der Auffassung der massgebenden Kurfürsten von 
Sachsen und Mainz ungeeigneten Formen der Türkenhilfe, den Krcuzzugsahlas* 
und den Zehnten auf die Geistlichkeit, abgelehnt, überzeugte sich aber von der 
Notwendigkeit des Türkenzuges so sehr, dass er eine ansehnliche Reichssteuer 
bewilligte, die gerade Friedrich von Sachsen als der erste bei seinen I^and- 
ständen durchsetzte (ZKG. XXVI l, 327 ff.). Die Beschwerden der deutschen 
Nation wurden auch nicht dem Legaten in dem »Sinne entgegengehalten *, dass 
man, wie bisher angenommen wurde, ihn selbst der Teilnahme an solchen 
Cbergrilfen t\vr Kurie beschuldigte, und nicht der I ältlicher Bischof Eberhard 
brachte die bekannte Klageschrift ein, sondern die Sekunda rstifte seines Spreu* 
gel*, die von dem Krasmianer Job. v. Vlatten ihre Kingabe hatten stilisieren 
lassen. Kalkoff, DU* Depeschen des Nuntius Aleander vom Wonuser Reichs- 
tage 1521. 2, Auflage. Halle 1897. S. 218 Anm, 2 [weiter zitiert mit DA»|* 



il'j . 



FMUENNUHlYUTn 



Die Anfangsperiode der Reformation bei Sleidan. 3 I n 

treffender gewürdigt hat, als die neuzeitlichen Kirchenhisto- 
riker, die gerade bei dem edeln »Ireniker« Miltitz mit Vor- 
liebe zu verweilen pflegen. 

Nachdem nun Sleidan seine reformationsgeschichtlichen 
Mitteilungen durch die Darstellung* der Wahl Karls V. 1 ) 
unterbrochen hat, kommt er auf die Witebergensis zurück 
und schaltet demnach vor der Darstellung der Leipziger 
Disputation erst noch zwei aus dem Frühjahr 1519 stam- 
mende kurze Schreiben ein, die zwischen Erasmus von 
.Rotterdam und dem Kurfürsten Friedrich gewechselt worden 
waren-). Es muss auffallen, dass er diese knappe Kund- 
gebung des grossen Humanisten zugunsten Luthers wieder- 
gibt, in der er dessen Lowener Gegner, die Genossen Hoch- 
stratens, scharf verurteilt und nur ein vorsichtigeres Auftreten 
Luthers wünscht, dagegen später die wichtigen Aktenstücke 
des IL Bandes, die eine viel weiter gehende Teilnahme des 
Erasmus an Luthers Sache verraten, übergeht. Er konnte 
freilich nicht wissen, dass auch die »Acta academiae Lova- 
niensis« aus der Feder des Erasmus stammten, der durch 
diese Flugschrift eine Revision des papstlichen Urteils gegen 
Luther vorbereitete, und dass das »Consilium cuiusdam«. 
ebenfalls von Erasmus stilisiert und von dem Dominikaner 
Faber von Augsburg vertreten, der Herbeiführung eines 
gelehrten Schiedsgerichts dienen sollte. Aber die berühmten 
"Axiomata Erasmi«, die auf das enge Einvernehmen zwischen 
ihm und dem kurfürstlichen Beschützer Luthers in der Zeit 
des Kölner Fürstentages vom November 1520 hinweisen 8 ), 
hätten sehr wohl Beachtung verdient. Erasmus teilt hier das 
Schicksal Karlstadts, der bei der Erzählung der Leipziger 
Disputation nur nachträglich und beiläufig erwähnt wird 1 ); 
diese sei ursprünglich wegen des Streites zwischen Eck und 
Karlstadt verabredet worden und Luther sei zunächst nur 



') Hierzu die berühmte Ktitik der Reden der Kurfürsten von L. v. 
Ranke. Zur Kritik neuerer Geschichtschreiber. Sämtliche Werk« 34, 65 ff. 
<2. Auflage, Leipzig 1874) und weiterhin Paur S. 112 ff. 117. — *) BE. I, 
84 sq. Opera Luthcri I, fol. 237. — ") Vgl. meine Untersuchung über die 
Vermittlungspolitik des Erasmus« im ARG. I, 1 ff. und die auf Erasmus be- 
züglichen Kapitel meiner Anfänge der Gegenreformation in d«n Niederlanden. 
Halle 1903. — ') BE. I. 88. Vgl. die oberflächliche Kritik Kampschultes 
a. ii. O. S. 62. 



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3 20 Kalkoff. 

als ^Zuhörer« in Leipzig erschienen. Schon Th. Paur hat 
darauf hingewiesen, dass Sleidan damit der Erzählung 
Luthers in der ^Praefatio* >) folgt und der Wiedergabe der 
Disputationsakten in der Witebergensis, wobei der Anteil 
Karlstadts an dem grossen Redekampfe völlig ausgeschieden 
war. Die Tendenz dieses Verfahrens wird unbestreitbar, 
wenn O. Giemen aus den Vorarbeiten zu diesem Sammel- 
bande nachweist, dass hier auch die Schlussrede des Leip- 
ziger Humanisten Johann Lange mit einer lobenden Er- 
wähnung Karlstadts weggelassen worden ist, nachdem man 
zunächst nur die ihn betreffenden Stellen gestrichen hatte -)- 
Aber was einem Karlstadt recht war, das musste in den 
Augen eines strengen Lutheraners dem als Papisten ver- 
storbenen Erasmus billig sein. Und so darf man wohl 
schliessen, dass Sleidan der in den Kreisen der Schmalkal- 
dischen Fürsten, zumal der kursächsischen Räte und Theo- 
logen herrschenden Auffassung Rechnung tragen wollte, 
wenn er sich in Behandlung der beiden in Wittenberg 
so missliebigen Männer einer strengen Zurückhaltung be- 
fleissigte. 

Mit einer kurzen Erwähnung Zwingiis und seines Auf- 
tretens gegen den Ablassprediger Samson schliesst das erste 
Buch der Kommentarien, das also genau so weit reicht als 
der erste Band der Wittenberger Ausgabe, der einzige, der 
dem Verfasser im Jahre 1545 zur Verfügung stand. Das 
zweite Buch beginnt demgemäss mit der ersten Schrift, die 
den zweiten Band der »Opera LutherU eröffnet, dem Send- 
schreiben an Leo X. Auch für die geschichtliche Einleitung, 
in der Sleidan an die schon erwähnte Entsendung des Karl 
von Miltitz an den Kurfürsten anknüpft, stand ihm keine 
andere Quelle zu Gebote als die Erzählung, die Luther 
selbst in dieser nicht sowohl als ein versöhnlicher ;>Privat- 



*) O. Giemen IV. 424, 36 ff- Paur S. 103. Auch die Benutzung <lcr 
in der Witebergensis mitgeteilten »Rcsohitioncs Lutheranac* hat Riur vermerkt 
der Ausdruck Sleidans, Luther habe »varia doctrinae capita prorsus, ut inquit 
haiTClica* gesammelt, verweist ausserdem auf Nr. 22: »Arüculi haeretici Jo 
Kccii' . , ■ Und in der besonderen Vorrede Luthers zu den Leipziger Dispu 
tationsakten ( Witebergensis fol. 243) heisst es: Habes htc, lector, . . . dispu 
tationem illam celebrem inter . - * Joh. Ecriuni et M. Lut herum habitam. — 
*) ZKG, XXVI, 248. 



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Die Anfangsperiode der Reformation hei Sleidan. ?2I 

brief« an den Papst, denn als Absage und Rechtfertigung 
vor der breitesten Öffentlichkeit entworfenen Schrift gibt 1 ). 
Sleidan erwähnt daher diese Vermittlungsversuche Miltitzens 
noch einmal im Verlauf seiner Inhaltsangabe 3 ). Dabei ent- 
geht es ihm aber völlig, dass Luther die ersten Bemühungen 
Miltitzens, der es mit Hilfe des Kurfürsten zu Wege ge- 
bracht habe, sich etliche Male mit ihm zu besprechen«, in 
die Zeit vor der Leipziger Disputation verlegt, also, die ganz 
bedeutungslose, ebenfalls vom Kurfürsten genehmigte Zu- 
sammenkunft vom 9. Oktober 1519 in Lieben werda bei 
Seite lassend, nur an die Altenburger Unterredung denkt, 
die jenes von Sleidan schon erwähnte »unterwürfige« Schrei- 
ben »vom 3. März« zur Folge hatte. Luther bringt nun 
den Versuch Miltitzens, ihn mit Unterstützung der im August 
1520 in Eisleben versammelten Augustiner zu einem ent- 
gegenkommenden Schritte zu bewegen, allerdings in un- 
mittelbare Verbindung mit der Leipziger Disputation :{ ), durch 
die Dr. Eck die Lage wesentlich verschärft habe. Und 
Sleidan nimmt an der zeitlichen Entfernung der beiden Vor- 
gänge um so weniger Anstoss, als er das erst nach der Zu- 
sammenkunft Luthers mit Miltitz vom 12. Oktober 1520 
verfasstc, aber auf den 6. September zurückdatierte Schreiben 
getreu nach der Wittenberger Ausgabe 4 ) auf den 6. April 
1520 verlegt; aber er motiviert die grössere Spannung der 

') Vgl. meine Einleitung zu Luthers Ausgewählten Werken S. CLXXV ff. 
und S..298 f. oder »Entscheidungsjahre« S. 175 ff. — 3 J BE. I, 90 und 93. 
Sleidan übertreibt dabei eigenmächtig die Befugnisse Miltitzens, der diesmal 
auch vom Kurfürsten nicht autorisiert worden war, wenn er berichtet, dass 
Miltttz »einige Obere des Augustinerordcns berufen liabc-; die lateinische 
Fassung in der Witebergensis II, fol. 2 b sagt: patres ordinis capitulo congre- 
gatos adit, consiliuai petit ... — *) O. Giemen II, 8, 3 ff. Dabei ist der 
feine Unterschied zu beachten, dass Luther von Miltitz als >dcs Papstes Bot- 
schaft« nur bei seinem ersten Auftreten spricht; da seine amtliche Eigenschaft 
als Nuntius seit Übergabe der Rose erloschen und Miltitz jetzt vielmehr kur- 
sächsischer Rat war, nennt er ihn nur »Herr Carolus«. Zu dem letzten Ge- 
spräch in Lichtenburg war Miltitz auch nicht durch den Kurfürsten ermächtigt 
worden. — *) Tom. II, fol. 3 a. Damit erledigen sich die Bedenken bei BE. 
I, 91 Anm. 3. Offenbar wollte Melanchihon diese Schrift Luthers als einen 
wirklichen Versuch der Annäherung aufgefasst wissen und machte ihn als 
solchen glaubhafter, indem er ihn noch erheblich vor das Datum der Ver« 
dammungsbulle zuriickveilegte. 



roogle rflmaTCHUHMB: 



322 



Kalkoff. 



Verhältnisse doch noch durch den Hinweis, dass Luther 
inzwischen »seine Lehre immer mehr erläutert und ver- 
breitet« habe. Er weist damit schon auf die am Schluss 
des Briefes von Luther angekündigte Schrift i von der Frei- 
heit eines Christenmenschen« hin. ohne doch von ihr mehr 
zu sagen, als was Luther selbst bemerkt: sie sei »die Summa 
eines, christlichen Lebens« — »verae doctrinae summa«. 
Wenn er dann zwar aus der dogmatischen Hauptschrift 
über die »babylonische Gefängnis der Kirche« die Sakra- 
mentlehre flüchtig erwähnt, die grosse sozial- und kirchen- 
politische Kampfschrift »"Von des christlichen Standes Besse- 
rung« aber gar nicht berücksichtigt, wie M. Ritter tadelnd 1 ) 
vermerkt, so erklärt sich auch dies teilweise aus der naiven 
Abhängkeit unseres Schriftstellers von seiner Vorlage: denn 
er arbeitete nach der Gesamtausgabe der lateinischen Werke 
Luthers, in der die Schrift »An den Adel« fehlte. Mit dem 
nächsten Stück greift diese in den August des Jahres 1519 
zurück, indem sie die aus Anlass einer Erkrankung des 
Kurfürsten Friedrich entstandene Trostschrift von den »vier- 
zehn geistlichen Xothelfern« und Luthers Widmungsschreiben 
mitteilt, worauf auch bei Sleidan das Schriftchen von der 
»ratio confitendi« folgt- Mit Luthers Antwort auf den 
»Zettel des Offiziats von Stolpen*-), d. h. den Erlass des 
Bischofs von Meissen gegen Luthers Vorschlag, den Laien- 
kelch durch den Beschluss eines künftigen Konzils wieder 
zu gestatten, schreitet auch Sleidan wieder in den Januar 
1520 vor. Da sich die bischöfliche Kurie unter dem Ein- 
fluss der Leipziger Dominikaner auf das von ihnen dogma- 
tisch inspirierte V. Laterankonzil berufen hatte, so benutzt 
unser Humanist die Gelegenheit, seine Kenntnis über den 
Verlauf der grossen kirchenpolitischen Intrige darzulegen, 
in der die rebellischen Kardinäle unter dem Schutze Frank- 
reichs den Papst Julius II. dazu brachten, ihr »Winkel- 
konzil c von Pisa durch eine kurialistische Komödie zu über- 
trumpfen. Der Anordnung der Witebergensis gemäss be- 
spricht er dann Luthers .Abwehr gegen die Verdammung 
seiner Lehre durch die Kölner und Löwener Theologen 



') HZ. 109, 288. — *j Vgl. d:izu das wichtigste Kapitel mei 
lit/iiu!-.-. : »Der Kurfürst von Sachsen und die Bischöfe«, &• 46 ff- 



ner »Mil- 



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Die Anfangsperiode der Reformation bei SIeidan. ^2^ 

unter der Führung H ochst ratens l ). und Luthers Anspielung 
auf die Verfolgung eines Reuchlin -) durch dieselben Gegner 
führt ihn nach einem Exkurs über Wilhelm von Occam 
auf die Reuchlinsche Fehde, die er jedoch nur bis zu der 
im Juli 15 16 erfolgten Vertagung des von Hochstraten in 
Rom anhängig gemachten Prozesse erzählt: die schliesslich!' 
Verurteilung des * Augenspiegels« und die feierliche Wieder- 
einsetzung des Ketzermeisters ist ihm ebenso unbekannt ge- 
blieben, wie die Überbringung dieses päpstlichen Macht- 
spruches durch den Nuntius Aleander im September ij2o ;f ). 

Eine arge Verwirrung haben nun die alten Lutheraus- 
gaben bis auf die neuere Zeit dadurch angerichtet, dass sie 
die von Luther im engsten Einvernehmen mit seinem Kur- 
fürsten an Kaiser Karl V. gerichtete »Bitte um Recht«, der 
die kleine schon auf dem Fürstentage in Köln öffentlich 
angeschlagene Schrift mit der Forderung eines gelehrten 
Schiedsgerichts, die »oblatio sive protestatio«, beigelegt war, 
mit dem Datum xdes 15. Januar 1520* wiedergegeben haben, 
das nach dem Stilus der burguradischen Kanzlei gedacht 
war. Die wichtige Kundgebung, durch die der Kurfürst 
eine den Vorschriften der Wahlkapitulation entsprechende 
Behandlung der lutherischen Frage auf dem Boden des 
Reichsrechtes erzwingen wollte, erfolgte vielmehr erst 1521 
in Worms kurz vor Eröffnung des Reichstages 1 ). Im Banne 
seiner Vorlage behandelt SIeidan diese Episode noch vor 
der im Januar und Februar 1520 sich abspielenden Aktion, 
durch die der Kurfürst die benachbarten Bischöfe und den 
Metropoliten Luthers diesem günstig zu stimmen suchte, um 
den zu erwartenden kirchlichen Zensuren entgegenzuarbeiten 5 ): 
der nun ausführlich wiedergegebene Briefwechsel Luthers mit 
dem Bischof Adolf von Merseburg tritt dabei an Bedeutung 
weit zurück hinter der viel berufenen Antwort des Kardinals 
Albrecht am 26. Februar 1520, die als das kirchen politische 



') Vgl. meine Anfange der Gegenreformation in den Niederlanden 1, 
72 ff. — '*) BE. i, 102. — *} Anfänge I, 82 f. Offenbar benutzte er als 
Quelle die von Freunden Keuchlins herausgegebenen .Ada iudiciorum inter fr. 
Jac. Hochstiaten et Joh. Reuchlin ex regislro publico autenlico et sigillato. 
Hagenau 1518. -- ') ZKG. XXV, 54G f. 535 Ann). 2. — 5 ) Miltitziade 
S- 39 «■ 



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324 



Kalkoff. 



Programm der in seiner Umgebung befindlichen Erasmianer 
aufzufassen ist 1 }. 

Sehr bezeichnend für die kritische Hilflosigkeit unseres 
Autors ist es nun aber, dass er mit dem kostlichen Briefe 
Dr. Ecks an seinen Gesinnungsgenossen, den damaligen 
Konstanzer Generalvikar Johann Fabri, nichts anzufangen 
weiss, der einen tiefen Einblick nicht nur in die Motive 
und die Machenschaften Ecks, sondern auch in die römi- 
schen Beratungen über die Verdammungsbulle eröffnet'-). 
Da heisst es mit dürren Worten: »Der Entwurf des Urteils 
gegen Luther ist fertiggestellt; in der nächsten Versamm- 
lung der Kardinale wird darüber beschlossen werden«. Über- 
dies waren die zynischen Äusserungen Dr. Ecks durch die 
Randglosse des bald darauf von Luthers Freunden veran- 
stalteten Druckes, den die Witebergensis wiedergibt, gehörig 
unterstrichen worden. Wahrscheinlich Hess sich Sleidan da- 
bei einfach von dem Gedanken leiten, dass er den gegne- 
rischen wie den aus andern Gründen im lutherisch-schma!- 
kaldischen Lager missliebigen Personen nicht zu viel Ehre 
durch häufige Erwähnung antun dürfe, denn er übergeht 
min auch den Brief Huttens an Luther vom 4. Juni i52o :( ), 
der ebenfalls wichtige Angaben über die Tätigkeit Ecks 
und das Vorgehen der Kurie enthält. 

Dieser Tendenz einer den fürstlichen Häuptern des 
Hundes, zumal den Ernestinern günstigen Darstellung der 
Reformationsgeschichte entsprach dagegen ganz vortrefflich 
die nun folgende Antwort des Kurfürsten Friedrich auf ein 
Schreiben des Mainzischen Geschäftsträgers in Rom, Dr. 

') Mütitztadc S. 45 Anm. |, BE. I, 112 sq. — 3 ) Kurschiingen S. 74 
ZK'i. XXV, 102 f. Entscheidungsjabre S. 140 I. O. Clemen im Zentral* 
blau f. Bibliothekswesen XVII, 5S0. Witcbergensis II, fol. 48. — ") Endeis II. 
408 ff. Ebenso nimmt et keine Notiz von der drastischen Schilderung des 
rOmiSChen Hofes und der finanziellen Kniffe der Kurie aus einem Schreiben 
Huttens an den Kurfürsten und ignoriert auch die Glossen Huttens zur Hülle 
«Exsurge. Domine«; denn die Wittcnbcrgcr haben die Verdammungsbulle nach 
dem durch Huttens satirische Bemerkungen berühmt gewordenen Druck mit 
allen Zutaten des Ritters Ulrich wiedergegeben. Immerhin widmet ' Sleidan 
dem Kitter. den er als »einen der eifrigsten Anhänger Luthers unter den deut- 
schen Gelehrten* schätzt, einen kurzen aber würdigen Nachruf, indem er -den 
grossen Freimut und die Schärfe des Geistes* in seinen Schriften hervorhebt 
(BF. 1. 214). 



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Die Anfangsperiudc der Reformation bei Sleidan. -12S 

Valentin von Tetleben, das neben dem hier in das Jahr 
15 18 versetzten Briefe des Kardinals Riario das Hauptstück 
in diesem diplomatischen Vorstoss dt?r Kurie darstellt. Dieser 
seiner Bedeutung entspricht denn auch die vom Kurfürsten 
unter Heranziehung Luthers selbst mit der grössten Sorg- 
falt ausgearbeitete Gegenerklärung vom 10. Juli 1520 1 ), die 
Sleidan gebührend zur Geltung bringt. Dabei wich das von 
den Herausgebern falsch bestimmte Datum (1. April 1520) 
von dem richtigen nicht so erheblirh ab, wie bei dem 
Schreiben des Kardinals, so dass die kirchenpolitische Si- 
tuation hier leidlich richtig wiedergegeben wird. Immerhin 
ergab sich für unser Geschichtswerk der Irrtum, dass Sleidan 
ein vom 8. Juli 1520 datiertes Breve des Papstes a J an Fried- 
rich, das Dr. Eck im Herbste dem Bruder und Statthalter 
des Kurfürsten, dem Herzog Johann, übermittelt hat, aus- 
drücklich als unmittelbare Antwort des Papstes auf das 
Schreiben vom 1. April hinstellt, wahrend die Wittenberger 
Krklärungen erst in der zweiten Hälfte des Monats Juli nach 
Koni abgegangen sind. 

Dagegen hat er entsprechend der in dem Breve ent- 
haltenen Ankündigung der Verdammimgsbul'.e nun dieses 
-überaus weitschweifige Dekrete des Papstes mit aner- 
kennenswerter Genauigkeit seinem wesentlichen Inhalte nach 
wiedergegeben und den Kernpunkt richtig herausgefunden 
und erläutert: als schwerstes Verbrechen") war dem deut- 
schen Mönche seine Berufung von dem Richterspruch des 
Papstes auf ein Konzil angerechnet worden unterAnführung 
der ein solches Rechtsmittel ausschliessenden Erlasse Pius II. 
und Julius IL, die nun von Sleidan ihrer kirchenpolitischen 
Entstehung nach kurz und treffend gekennzeichnet werden. 
Ausführlicher behandelt er nun jedoch nach Massgabe seiner 
Vorlage nur noch Luthers Appellation: er hebt dabei richtig 
hervor, wie dieser seine frühere Berufung auf ein Konzil 
nicht nur wiederholt, sondern durch Anrufung des Kaisers 



') ZKG- XXV, 506 ff. 594 ff. — *) Das Breve »Quod ad noss; der 
kleine Fehlet im Datum bei Sleidan (6. Juli), geht auf ein Verlesen der in der 
Witebergcnsis sehr klein gedruckten arabischen Ziffer zurück. BE. I, II". 
Zu den Braven vom 8. Juli vgl. ZKG. XXV. <>6 Anm. I. 141 f, Forschungen 
S. 75 f. — 3 ) ZKG. XXV, 122. 



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Kalknff, 



und der Reichsstände verschärft habe. Dann aber übergeht 
er die kleineren Flugschriften, mit denen Luther die Bulle 
als ein Machwerk Dr. Ecks bekämpfte, gibt aus der grossen 
Reformationsschrift über die. babylonische Gefangenschaft 
der Kirche nur einige spöttische Bemerkungen aus der Ein- 
leitung, sowie als den Hauptinhalt den Angriff auf die sieben 
Sakramente wieder, erwähnt die nach Inhalt und Umfang 
ebenso bedeutende »Verteidigung« dieses Werkes, die >Asser- 
tiop, nur ganz flüchtig — er beeilt sich unverkennbar, durch 
Schilderung der Krönung Karls V. 1 ) seinen Lesern eine an- 
genehme Abwechslung zu bieten. Dabei versäumt er nicht, 
die Verleihung des Kaisertitels durch den Papst als eine 
Anmassung nachzuweisen, die, von der Bestätigung - der 
Königswahl ausgehend, in den Dekreten Innozenz II L und 
Klemens V. sich zu einer unerhörten Knebelung der kaiser- 
lichen Macht im Dienste der Kirche verdichtet habe. Kr 
verliert dabei die Beziehung auf den Hauptgegenstand seines 
Werkes, die deutsche Reformation, nicht aus den Augen, 
indem er auf die seit Klemens 1 V. im kanonischen Recht 
festgelegte Verpflichtung des Kaisers zur Verteidigung- der 
Kirche und der päpstlichen Würde mit der Folgerung, dass 
er auch die Ketzer ausrotten und alle Feinde der Kirche 
mit der Reichsacht verfolgen müsse-), hinweist. 

Er gibt nun nach den gleichzeitigen in der Witeber- 
gensis enthaltenen Veröffentlichungen des kursächsischen 
Hofes, der »brevis commemoratioc und dem ^responsum 
FridericL die Verhandlungen der beiden Nuntien Caracciolo 
und Aleander 8 ) mit dem Kurfürsten in Köln wieder. Dabei 

') Dabei hält er sich an den Bciicht des erzbischöflich kölnischen Haies 
Hartmannus Maurus und begeht nur einige untergeordnete Verstösse, die 
Ih. l'aur S. 93 If. vermerkt. Noch R\ Baumgarten scheint in seiner meister- 
haften »Geschichte Karls V.« Stuttgart 1885. I, 319 das Datum der Verleihung 
des Kaiseriitcls durch öffentliche Verlesung des papstlichen Breves auf den 
24. Oktober verlegt zu haben, indem er einen der von Sleidan vermerkten l-'est- 
tage übersah (BE. I, 128); Sleidan gibt den 25. Oktober, während H. Maurus 
deutlich genug den 26. verzeichnet. RA. II, 101 Anm. (>. WE. S. 29 f. — 
* J ) Vgl. dazu WE. S. 75 ff. — *) Sleidnn vermerkt noch, dass beide spater 
Kardinäle wurden, erwähnt aber Aleander, der noch zweimal, 1531 f. und 
1538 f. als Legat nach Deutschland kam, in seinem ganzen Werke nur noch 
«■inmal als Mitglied der Kardinalskommission Pauls III. BE. II, 103. 



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Die Anfangsperiode der Reformation bei Sleidan. ?27 

hebt er aus der Erwiderung der Nuntien treffend hervor, 
class der angebliche schiedsrichterliche Auftrag des Erz- 
bischofs von Trier, auf den sich Friedrich zu berufen pflegte, 
jedenfalls erloschen sei, seit der Papst als höchster Richter 
die Entscheidung an sich gezogen und nun auch schon ge- 
fällt habe 1 ): daher hätten die Nuntien »bald darauf« Luthers 
Schriften verbrannt. Luthers Vergeltungsmassregel wird nun 
nach den beiden in der Gesamtausgabe enthaltenen Recht- 
fertigungsschriften behandelt, und dann unter vorsichtiger 
Übergebung der köstlichen Satire des Urbanus Regius auf 
die LOwener und Kölner »Brandstifter«-) nur noch nach 
Luthers Gegenschrift vom 1. April 1521 die dem Kaiser 
gewidmete Streitschrift des Dominikaners Lanzelott Politi 
(Ambrosius Catharinus) erwähnt 3 ). 

So ergibt sich denn schon aus dieser Nachprüfung der 
beiden ersten Bücher der Kommentarien, dass Sleidan nicht 
nur wie gewöhnlich mit grösster Gewissenhaftigkeit, aber 
zugleich mit kritischer und stilistischer Unbehilflichkeit sich 
an die einzelnen Akten gehalten hat, -sondern auch dass er 
für die ganze Anfangsperiode der Reformation von diesem 
einen Werke, den beiden ersten Bänden der Wittenberger 
Lutherausgabc, abhängig ist. Man ermisst auch an diesem 
Beispiel, welchen gewaltigen Dienst Luther der geschicht- 
lichen Forschung durch diese Sammlung seiner Werke ge- 
leistet hat, zumal sich diese auch auf anderes wertvolles 
Quellenmaterial erstrecken sollte. Wir werden auch mit 
unscrm Humanisten nicht streng ins Gericht gehen, wenn 
er einzelnen Mängeln seiner Vorlage gegenüber sich nicht 
zu helfen gewusst hat; haben doch manche dieser Irrtümer 
sich bis auf die neuesten Darstellungen der Reformations- 
geschichte fortgepflanzt. Verwunderlich bleibt es aber doch, 
dass Sleidan über derartig wichtige Vorgänge, die erst ein 
Vierteljahrhundcrt hinter ihm lagen, so wenig aus den Be- 

') ZKG. XXV, 515 f. — 7 ) Zum mindesten wusste Sleidan mit dem 
Pseudonym »Simon Hcssus* nichts anzufangen. Vgl. dazu O. deinen im 
Zentralblatt f. Bibliothekswesen XVII, 566 ff.)- — ") Über diese vgl. ZKG. 
XXXII, 45 ff. und Kr. Laudiert, Die italienischen literarischen Gegner Luthers. 
Freiburg 1912. S. 30 f. Er starb erst 1553 und so verzeichnet Sleidan noch 
als Mitlebender, dass er Krzbischof von CODZB geworden sei, um auch an diesem 
Beispiel zu zeigen, wie die Päpste alle Gegner Luthers glänzend belohnt hätten. 



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$2$ Kalkoff. 

* 

richten mithandelnder Zeitgenossen oder aus eigenen Samm- 
lungen an Drucken zu entnehmen vermocht hat Dass er 
die Praefatio« Luthers nicht zu benutzen verstand, wurde 
schon erwähnt; aber dass er bei der Herausgabe seines 
Werkes die allzu dürftigen Angaben über Luthers Jugend 
und Werdegang, sowie über entscheidende Vorgänge der 
Reformation nicht aus der biographischen Einleitung ergänzt 
hat, mit der Melanchthon dem zweiten Band der Witten- 
berger Ausgabe seinen besonderen Wert verliehen hat, ist 
doch ein nicht zu übersehender Kingerzeig für das eng be- 
grenzte Können unseres Autors; freilich ist damit die Histo- 
riographie seines Zeitalters überhaupt gekennzeichnet. 

Immerhin zeigt auch dieser nur einleitende und ver- 
hältnismässig unselbständige Teil des grossen Geschichts- 
werkes das Streben des Verfassers nach Sachlichkeit und 
Unparteilichkeit 1 ), das schon in den Augen der Zeitgenosse!! 
seinen edelsten Vorzug ausmachte. Er selbst war sich dessen 
wohl bewusst. wenn er in der Apologie« seiner Kommen- 
tare auf die »mit unerhörten und noch dazu erdichteten 
Seheltworten überhäufte Historie« des Cochläus hinwies, der. 
wie alle Skribenten seines Schlages, dem einen Teil nur 
Böses nachsage, auf der andern Seite =alles rühme und 
hoch erhebe« 2 ). In der Tat hatte er noch mitten im Ge- 
triebe der heftigsten Kämpfe, des blutigen Ringens um 
Sein oder Nichtsein des Protestantismus stehend, dem deut- 
schen Volke die erste und auf Jahrhunderte massgebende 
Reformationsgeschichte gegeben, die keine Schmäh- oder 
Parteischrift war. sondern bei warmer innerer Teilnahme 
an den grossen Geschehnissen »objektiv und in ruhiger Er- 
zählung'- sich bewegte. Und so konnte schon im Todesjahre 
Sleidans der Verfasser eines Auszuges 11 ) den beispiellosen 
Erfolg seines Hauptwerkes auf den innigen Beifall zurück- 



') Auch 0. Winckelmann hebt dies itelfend hervor, wenn er belichtet 

welchen Anfeindungen der Autor itrotz aller Ruhe und Sachlichkeit der Dx- 
Stellung, trotz aller Enthaltsamkeit im Urteil« auf beiden Seiten ausgesetzt wir. 
In dieser Zeitschrift N.F. XIV, 569. — *) A. a. O. S. 605. — *) Vgl. dk 
ausgezeichnete Besprechung des Buches Baumgartens von W. Krafft in den 
Theolog. Arbeiten aus dem rheinischen Prediger- Verein hrsg. von Fr. ElwrU" 
busch. Elberfeld i88o. IV*. 1 1 2 f - Über die beispiellose Verbreitung des Ge- 
schieh 13 werkes vgl. auch die übersieht bei Kampschulte a. a. O. S. 59. 



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V 



Die Anfangsperiode der Reformation bei Sleidan. i2ü 

führen, den »die Schönheit der in ihm dargebotenen nackten 
und einfachen Wahrheit und die Würde und Annehmlich- 
keit« seiner Darstellung bei den Lesern gefunden habe. Koch 
heute kann er in seiner schlichten Wiedergabe des ge- 
schichtlichen Verlaufs dem Reformationshistoriker als Vor- 
bild dienen, der mehr als je bestrebt sein muss »aus den 
nicht mehr misszudeutenden Quellen einen Grundstock der 
Tatsachen in ihrem unverkennbaren ursächlichen Zusammen- 
hang herauszuarbeiten, der als neutrale Zone von beiden 
Seiten anerkannt werden müsste* 1 ). (Fortsetzung folgt.) 



') Vgl. das Votwort zu meinen »Entscheidungsjahren*; S. 8. 



/«ittchr. f. (>«rh. it. Olmirh. N.F. XXXII. 2. 22 



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Richard Schröder f. 

EIN NACHRUF. 

Von 

Eberhard Freih. v. Künßberg. 



Die Lücken, die der Kriegstod in die Reihen unseres Volkes 
rcisst, sind um ein Vielfaches grösser und schmerzlicher als je der 
Friedenstod sie brachte; wir haben schier die Totenklage verlernt 
Die Gefallenen ehrt man durch stilles Gedächtnis und durch Fort- 
führung ihres Kampfes; so hält man Treue über den Tod hinaus. 
Wenn uns nun das Hinscheiden Richard Schröders doch jählings 
so hart trifft, uns so nahe geht und zunächst uns ratlos erscheinen 
lässt, so ists nicht nur darum, weil er uns so ans Herz gewachsen 
war, sondern weil er ein erprobter Vorkämpfer war im Kampf 
für Wahrheit und Wissenschaft. Und er war ein Altersfreiwilliger, 
der die nach Lebensjahren und Erfolgen ihm längst zustehende 
verdiente Ehrenruhe nicht beanspruchte, sondern rastlos weiter 
seinen Mann stellte, ein Vorbild von Pflichterfüllung und Lebens- 
mut. Nach ganz kurzem Krankenlager ist Schröder, noch voll 
von Plänen und Hoffnungen, zu Beginn des Jahres 191 7 im 
79, Lebensjahre verschieden. 

Auf dem knappen Kaum, der hier zur Verfügung steht, kann 
das arbeitsreiche Leben des nimmermüden Joannes nicht eingehend 
geschildert, können seine Schriften aus den verschiedensten Ge- 
bieten des deutschen Rechtslebens nicht aufgezahlt, geschweige denn 
gewürdigt werden; nur einzelne Züge können mit wenigen Strichen 
gezeichnet werden. 

Gerade und schlicht, ohne Umstände, wie der Grundzug seines 
Wesens, so war auch sein Lebenslauf, begünstigt vom Glück, das 
dem Tapferen hold ist. Das kleine pommersche Landstädtchen 
Treptow an der Tollense darf sich als seine Vaterstadt rühmen. 
Durt verbrachte er die ersten Jugendjahre, geliebt von Mutter und 
Geschwistern, verwöhnt von seinem Vater, dem humorvollen Freunde 
Frit2 Reuters, dem Justizrat Schröder. Das kleine und kränkliche 
Kind musste oft der Schule fernbleiben und mit Schlagfertigkeit 



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Richard Schinder f. ^j ( 

das Hünsein der Kameraden quittieren. Die Schulzeugnisse nennen 
sein Betragen musterhaft, bescheiden und freundlich und loben 
den angestrengten Fleiss. Das Gymnasium besuchte er in Anklam, 
schon damals Vorliebe für deutsche Geschichte und deutsche 
Sprache bekundend; Griechisch, dessen Anfänge ihm Fritz Reuter 
beibrachte» Französisch und Logik lagen ihm weniger. Dauerndes 
Interesse bewahrte er naturwissenschaftlichen Dingen, wenn anrh 
sein Knabenwunsch, Naturforscher zu werden, nicht in Erfüllung 
ging. In der Lebensbeschreibung, die er anlasslich seiner Reife* 
prüfung niederschrieb, äusserte er die Absicht, in Bonn Jura und 
unter Simrock deutsche Sprache zu studieren, um den Dr. plul. 
zu erwerben. Er ahnte damals nicht, dass er den philosophischen 
Doktorhut erst 1893 bekommen würde, freilich ehrenhalber 
(Göttingen). Sein ausschliessliches Studium bildete in Berlin und 
Göttingen die Rechtswissenschaft; seinen Lehrern v, Richthofeu, 
Ilomeyer, Waitz, Kuhns, Haussen, Beseler bewahrte er dauernde 
Dankbarkeit. Eine Preisarbeit, die er 1860 in Berlin einreichte, 
versah er mit dem bescheidenen Kennwort ^Lehrstück ist kein 
Meisterstück« und — bekam den Preis. Wie oft hat er dies nicht 
bei ähnlichen Anlässen akademischen Preisträgern erzählt und sie 
so zu weiteren Bemühungen angespornt. 

Die Doktorarbeit >De dote* (1861J betraf bereits das Gebiet, 
in dein er dann sein Leblang unbe/wcifclte Autorität blieb, das 
eheliche Güterrecht. Mit 25 Jahren habilitierte er sielt in Bonn, 
und der Weg des akademischen Lehrers war für ihn tatsäch- 
lich eine Laufbahn. 1 866 wurde er ausserordentlicher, 1 870 
ordentlicher Professor in Bonn, gleich darauf folgte seine Berufung 
nach Würzburg, Nach wenigen, glücklich verlebten Jahren kam 
cj nach Strassburg und kaum dass er dort anfing heiniisch zu 
werden, übersiedelte er nach Göltingen. Hier blieb er sogar nur 
zwei Jahre; 1S87 erhielt er den Ruf nach Heidelberg. 

R. Schioder stand bereits auf der Höhe des Lebens, als er 
in den Kreis der Heidelberger Hochschule eintrat, als er Badener 
wurde. Er hatte schon fast fünfzig Semester Lehrtätigkeit hinter 
sich ; eine stattliche Reihe von Veröffentlichungen, eine grosse 
Anzahl dankbarer Schüler verkündeten seinen Ruhm allenthalben; 
auf verschiedenen Hochschulen in Nord und Süd war er zuhause. 
Und doch wird er in der Erinnerung dauernd als der »Heidelberger« 
weiter leben, doch hat Baden durch seinen Tod am meisten ver- 
loren. Denn hier am Oberrhein wurde der Vielgcwanderte wirk* 
lieh sesshaft, hier lehrte er nochmals über fünfzig Semester, hierher 
war der Schülerstrom besonders stark, liier wirkte der gereifte 
Mann eist recht in die Kreite und Tiefe und durfte im gesegneten 
langen Herbst des Lebens reiche Ernte heimbringen. Wohl hatte 
er seine tiefgründige Geschichte des ehelichen Güterrechts noch in 
Würzburg vollendet und war daraufhin mit der Erstattung eines 
Gutachtens für das eheliche Güterrecht des Bürgerlichen Gesetz- 



22* 



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:i2 v * Künßbcrg, 

buches beauftragt worden, wohl hatte er durch kleinere und grössere 
Arbeiten (über die Franken, über die niederländische Kolonisation 
Usf.) von sich reden gemacht, wohl war er schon seit 1866 der 
Fortsetzer Jakob Grimms in der Herausgabe der Weistümer, die 
er durch die Sisyphusarbeit des Registers 1874 erst eigentlich er- 
schlösse und er war überdies seit einigen Jahren als Schriftleiter 
der Zeilschrift für Rechtsgeschichte massgebend in der Literatur — 
aber dies alles wurde doch in Bälde übertroffen durch die Führung, 
die er sich, kaum in Heidlbcrg angekommen, mit der Herausgabe 
seines Lehrbuchs der deutschen Rechtsgeschichte errang. Nicht 
nur Fachgenossen, sondern alle historisch Forschenden gewohnten 
sich rasch daran, bei allen einschlägigen Fragen zunächst nach 
»dem Schröder« zu greifen. Mit dem goldeswerten Mute zur Voll- 
endung hat er das Buch geschrieben, ohne langes Grübeln auch 
die Schwierigsten Fragen entscheidend oder doch anschneidend, 
durch reiche Literaturangaben die Nachprüfung erleichternd. Jede 
neue Auflage war ein neues Werk, nicht nur hinsichtlich des Um- 
fanges verbessert, sondern vor allem durch die wissenschaftliche 
Ehrlichkeit, die eigene Fehler offen eingesteht, Arbeiten anderer 
anerkennt und so mit dem gesamten Fortschritte des eigenen Faches 
und der Nach barfächer Schritt hält. Bei der raschen Folge von 
Auflagen, die sein Lehrbuch erlebte — 1907 war es es die fünfte — 
konnte von einem Veralten nicht die Rede sein. In der Heraus- 
gabe der sechsten Auflage, seines wissenschaftlichen Testaments, 
wurde er jäh unterbrochen ; doch ist dafür Sorge getragen f dass 
die gelehrte Welt das Buch tunlichst bald und noch als »echten 
Schröder« in die Hand bekommt. 

Mit wissenschaftlichen Gegnern - - persönliche hat er wohl 
nie besessen — hat sich der einflussreiche Mann massvoll aus* 
einandergesettt; selten merkte man seinen schriftlichen Äusserungen 
den heiligen Zorn oder die gerechte Entrüstung an, die er manch- 
mal mündlich entlud. Eine sarkastische Vorrede mit Hörnern 
und Zähnen hat er einmal noch knapp vor dem Druck umgeändert. 
Gern ergriff er jede Gelegenheit zur Versöhnung und fügte der 
Zahl seiner guten Freunde durch Ritterlichkeit weitere bei. In 
mehrköpfigen Verhandlungen war er stets gern gesehen, nicht nur 
wegen seines umfassenden, stets gegenwärtigen Wissens, sondern 
auch wegen der angeborenen Begabung zur Vermittlung; mehr als 
einmal hat er gespannte Situationen glücklich gelöst und wenn es 
auch mit Hilfe einer lustigen Schnurre gewesen wäre. 

Schröder suchte und liebte den Verkehr mit Gelehrten von 
Nachbarfächem* vor allem mit Historikern und Philologen, freudig 
gebend und gern empfangend. Dieses Bedürfnis machte ihn zum 
eifrigen Mitglied wissenschaftlicher Vereine und Gesellschaften, denen 
er, wie z. B. der Gesellschaft für pommersche Geschichte, dem 
historischen Verein für Unterfranken, dem hansischen Geschichts- 
verein auch bei örtlicher Trennung zeitlebens treu blieb. 



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Richard Schröder +. ^ z ^ 

Als ihn, kaum in Heidelberg angekommen, die ehrenvolle 
Wahl in die badische historische Kommission berief, nahm er 
seine Pflichten sehr ernst — in 30 Jahren fehlte er fast in keiner 
Sitzung! — und schon 1891 stellte er den wichtigen Antrag auf 
Herausgabe der oberrheinischen Stadtrechte und Weistumer. Zunächst 
wurden die Stadtrechte in Angriff genommen, und natürlich Hess 
es Schröder nicht beim Rat bewenden» sondern legte selbst Hand 
an. Er übernahm die fränkische Abteilung, deren etwas verzögerten, 
endlichen Abschluss (durch Nachtrag und Register) er leider nicht 
mehr erleben sollte- Ebensowenig sali er das erste Heft der 
badischen Weistumer, die seit ig 10 die Sorge der Kommission» 
Schröders ganz besondere Hoffnung und Freude bildeten. 

Von den vier Akademien der Wissenschaften, deren Mitglied 
er war (München, Amsterdam, Berlin, Heidelberg), war er in erster 
Reihe der preussischen durch Arbeit verbunden. Durch zwei 
Jahrzehnte war das deutsche Rechtsworterbuch, das von dieser in 
Angriff genommen ist, seiner Sorge anvertraut. Vor 25 Jahren 
bereits hatten sich Karl v. Amira und Heinrich Brunner über die 
Notwendigkeit und den Plan eines Wörterbuchs geeinigt, das das 
gesamte deutsche Rechtsleben aller Zeiten umfassen sollte, 1896 war 
nach Überwindung der ersten Schwierigkeiten eine akademische 
Kommission gebildet worden, und da war es Richard Schröder, der 
den bewundernswerten Mut besass, für die Vorarbeiten die Leitung 
und damit die Hauptarbeit zu Übernehmen. Wörterbucharbeit war 
ihm nicht fremd. Er war seinerzeit mit Jakob und Wilhelm Grimm 
in enge Fühlung gekommen, hatte ihnen mancherlei beim deutschen 
Wörterbuch geholfen; später war er mit Lexer sehr befreundet; 
ein Fortsetzer Grimms war sein Schwiegersohn Wunderlich, der 
ihm im Tode eine Woche vorausging. Bei einem Unternehmen, 
das neben den Rcchtsqucllen auch die Profanqucllen heranzieht, 
war es von Wert, einen Mann zu haben, der in der älteren Dichung 
so zuhause war wie Schröder; seine Arbeiten über deutsches Recht 
in deutschen Dichtern waren in dieser Hinsicht ebenso Vorläufer, 
wie seine Registcrarbeiten und Urkundenausgaben eine gute Vor- 
schule waren. Mit Feuereifer ging der beinahe Sechzigjährige au 
die Arbeit. Der überall Beliebte fand leicht aller < )rten Helfer. 
Er kam sich bald vor wie der Zauberlehrling, der die Geister nicht 
mehr beschwören konnte, so stürmten die Schätze der Rechtssprache 
auf ihn ein. Der Segenstrom übertraf alle Erwartungen um ein 
Vielfaches. Hatten die Freunde ursprünglich gedacht, in zwölf 
Jahren das ganze Werk gedruckt vor sich zu sehen, so äusserten 
sie nach zehn Jahren nur mehr bescheiden die Hoffnung, vielleicht 
den Anfang noch zu erleben. Zum siebzigsten Geburtstag (1908) 
konnte Schröder ein kleines Probeheft als Festschrift überreicht 
werden (^Beitrüge zum Wörterbuch der deutschen Rechtssprache«, 
Weimar, Böhlau 1908), das ihm und der wissenschaftlichen Welt 
die Fülle und Tiefe der noch zu hebenden Schätze ahnen Hess. 



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\\a v. Kiinlibcrg. 

Es war wohl seine grösslc Freude an diesem Festläge, den er 
mit der Familie und dem »Wörterbuch«, das er dazu zählte, in 
aller Zurürkgezogenheit in Lindenfels verbrachte. Wenige Jahre 
darauf durfte et und sein von ihm herzlich verehrter Freund Brunner 
noch den richtigen Anfang des Rechtswörterbuches sehen. Das 
Quellenheft zeigte die umfassenden Grundlagen der Arbeit und das 
erste Heft, das in den Mobilmachungstagen die Druckerpresse 
verHess, erweckte Staunen vor dem Reichtum und dem Leben der 
älteren Rechtssprache. Nur zwei Wortartikel wird das Rechts* 
Wörterbuch von Richard Schröder bringen, mit seinem Mute des 
Vollenden» wird es fortgesetzt werden müssen, bis die letzte Hand 
die Feder hinlegt. Unter ihm zu arbeilen war eine Freude, denn 
er sah in uns Arbeitsgefährten und gewährte jene Selbständigkeit 
und Freiheit, die den Jüngern mit der grösseren Aufgabe und 
Verantwortung wachsen und erstarken lässt. 

Seine Studenten liebte er und fohlte sich am wohlsten auf 
dem Katheder oder in studentisch froher Runde; die Hörerlisten 
bewahrte er sorgfältig auf; manch bedeutender Name ist in der 
unübersehbaren Menge seiner Zuhörer. Die Herzen der akade- 
mischen Jugend gehörten ihm als Lehrer und als väterlichem 
Freunde bei ernster und heiterer Gelegenheit. Wie lebendig war 
doch sein Vortrag, wie zündend seine Rede bei festlichem Anlass» 
und wie oft hat er nicht einem verzagten Kandidaten schon beim 
ersten Besuch dadurch Mut gemacht, dass er ihn nach dem Be- 
finden der Eltern und Geschwister frag. Sein fabelhaft grosser 
Freundes- und Bekanntenkreis im ganzen Deutschland und sein 
bewundernswertes Peisonengcdächtnis Hessen ihn eigentlich zu jedem 
neuen Menschen irgend eine alte Beziehung auffinden und so den 
anheimelnden Eindruck seines freundlichen, schalkhaften Blickes, 
seines gütigen Wesens verstärken. 

In Gesellschaft war er immer heiter und liebenswürdig, 
nimmermüde in anregenden Erzählungen; alles überstrahlte ein un- 
verwüstlicher Humor, der ihn auch in trüben Zeiten nicht Verliess. 
Da ging er dauernd bei Fritz Reuter zur Schule. Wo er war, 
schien die Sornie. 

Richard Schröders besondere Tugend war die Treue gegen 
Tote. Nur ungern versäumte er das Ehrengeleit für einen Ver- 
storbenen, mit Dankbarkeit erzählte er von schönen Stunden mit 
dahingegangenen Freunden, stolz zeigte er in Büchern den sorg- 
faltig eingetragenen Vermerk »Geschenk des Verfassers*. Ihm wird 
die gleiche dankbare Treue nachfolgen, denn er hat den Besten 
seiner Zeit genug getan. 



Google wkSSSS!» 1 . 



Personalien. 



Professor Dr. Friedr. Walter in Mannheim, a.o. Mitglied 
unserer Kommission, der als Landsturinmann in das Heer eintrat, 
ist zum Leutnant d. L. befördert worden. 

Unser Hilfsarbeiter Dr. Franz Schnabel von Mannheim, 
der als Landsturmmann im Felde steht und eine Heereszeitung 
leitet, ist mit dem Eisernen Kreuz IL Kl. ausgezeichnet worden. 

Professor Dr. Johannes Ficker, der Vertreter der Kirchen- 
gesehichte der Universität Strassbur*», hat einen Ruf nach Halle 
angenommen, wird ihm aber erst nach Beendigung des Krieges 
Folge leisten. Professor Dr. Hans Fehr in Halle wird, unter 
Ablehnung einer Berufung nach Bonn, Richard Schröders Nach- 
folger auf dem Heidelberger Lehrstuhl für Deutsche Rechts- 
geschichte. 

Beim Abschluss des Heftes geht uns die Mitteilung von dem 
Abieben des Hofrats Prof. Dr. Fridrich Pfaff, Bibliothekars an 
der Universitätsbibliothek Freiburg und a.o. Mitgliedes der Bad. 
Hist. Kommission zu. Wir werden im nächsten Hefte darauf 
zurückkommen. 



Zeitschriftenschau und Literaturnotizen. 



Alemannia. Band 44. Heft 2 — 3. Arthur Kopp: Die 
Strassburgische Liederhandschri ft v. J. 1592. S. 65 — 93- 
Besprechung und Würdigung der in dieser. 9.11s dem Besitze Lass- 
bergs stammenden, heute in der forstlich Fürstenbergischen Biblio- 
thek zu Donaueschingen aufbewahrten und von Birlinger seiner- 
zeit im ersten Bande der Alemannia veröffentlichten Handschrift 
enthaltenen Lieder und Sprüche nach der literarischen Seite hin. — 
Heinrich Funck: Briefwechsel zwischen Johann Kaspar 
Lavater und Gottlieb Konrad Pfeifet S. 94 — 125. Bringt 
in einem ersten Teile zunächst die Briefe aus den Jahren 1778 
— 1782, — Hugo Boss: Fischarts Bearbeitung lateinischer 
Quellen. S. 125 — 137. Behandelt in einem ersten Teile zu- 
nächst Johann Fischarts Lob des Landlebens und sein Vorbild, 
die zweite Epodc des Horaz. — Arthur Bechtold: Hexen 
im bayrischen Lager bei Durlach (1643) S. 138 — 144. Der 
Ausbruch einer den Pferdebcstaml der Armee schwer schädigenden 
Seuche wird in dem Berichte der beiden, die Armee begleitenden 



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■ . 



336 



Zeitschriftenschau und LfttmturnotUen. 



Kriegskommissäre an den Kurfürsten Maximilian dem Einflüsse 
von Hexen zugeschrieben. — Fridrich Pfaff: Zur Geschichte 
der Schlacht bei Freiburg im Jahre 1644: Turennes Zug 
um den Schönberg. S. 144 — 165. Gegenüber neuerdings auf- 
getauchten Zweifeln verteidigt Pfaff die Richtigkeit und Glaub- 
würdigkeit des von Mercy an den Kurfürsten Maximilian von 
Bayern erstatteten Berichts über den Verlauf der Schlacht und 
damit auch die Richtigkeit der Schilderung der Schlacht, wie sie 
von Fischer-Treuen fei d und Gaede in ihren Arbeiten dargestellt 
worden ist — Karl Obser: Jahrgeschichten von Säckingen 
(1527 — 1552). S. 165 — 1 68. Zerstreute annalistische Aufzeich- 
nungen aus dem Sackinger Kopialbuch Nr. 1 740 des Grossh. 
General-Landesarchivs zu Karlsruhe, — Karl Preisendans: Eine 
alte Erklärung des Namens »Alcmannien«» S. 16g — 172. 
Abdruck eines Briefs des Bologneser Gelehrten Achilles Bocchius 
aus dem Jahre 1549 aus der Handschrift Cod. Karlsruhe 625 der 
Grossh. Hof- und Landesbibliothek zu Karlsruhe; die Erklärung 
des Namens durch Bbcchius »Alemannia = »allez Mannen«, d. h. 
ein Volk, das nur aus Mannen {= Helden) besteht, ist deshalb 
nicht ohne Interesse, da sie sich in ähnlicher Weise bei Jakob 
Grimm wiederfindet. — Rudolf Blume: Ein Bild zur Faustsage. 
S, 1 72 — 1 74. Über ein im Besitze der Familie Briemle zu 
Ostrach befindliches Bild: »Wahrhafte Abildung Christi, welche 
der böse gaist dem Doctor faust hat vor stellen miesen«. 



Mannheimer Geschichtsblätter. XVIII. Jahrgang. Nr. 1/2. 
Gustav Christ: Dr. Faust als Flieger u, Hypnotiseur. Sp. 2 
— 4. — Gustav Christ; Aus Mannheims Umgebung nach 
dem Orleans'schen Krieg. Sp. 5 — 18. (Forts.; vgl diese Zs. 
NF. XXXII). Übersicht über die Geschichte des Strassen- 
heimer Hofs. — Ad. Kistner; Joh- Jak. Hemmers erste 
Blitzableiter in Mannheim, Heidelberg und Schwetzingen. 
Sp. 1 8 — 2 1. Seine ersten Blitzableiteranlagen in den genannten 
Studien errichtete Hemmer 1776. — W. G[oerig]; Die Mann- 
heimer Zeitung über Hemmers Blitzableiter. Sp. 21 — 22. 
Aus dem Jahre 1782. — Kleine Beiträge: G. C(hrist): Das 
Miihlenschlösschen. Sp. 22 — 23. — G. C[hrist]: Die Ab- 
tragung des Heidelberger Tores in Mannheim, Sp. 23 — 24. 
— Neuerwerbungen und Schenkungen. 144. 

Nr. 3^4. Karl Obser: Christian Ludwig von Schön- 
berg und seine Reise nach Heidelberg (1671). Sp. 26 — 34- 
Abdruck nach den tagebuchartigen Aufzeichnungen von Schönbergs 
in einer Handschrift (Ms, hist. 827) der König!. Bibliothek zu 
Göttingen. — Jakob Wille u, Gustav Christ: Judenordnung 
des Kurfürsten Karl Ludwig vom 16. April 1662. Sp. 34 
— 39. Erläuterter Abdruck aus Kopialbuch Nr. 435 des Grossh. 
General-Landesarchivs zu Karlsruhe. — Gustav Christ: Aus 



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Zcitschrifienschau und Literaturnotizen. 227 

MtMinlieims Revolutionstagen i. J. 1849. Sp. 39 — 47, Aus- 
züge aus gleichzeitigen Zeitungen, betr. die Gefechte bei Laden- 
luirg, Käfertal, an der Bergstrasse und bei Ludwigshafen, die 
Besetzung und Beschiessung Mannheims, sowie die Kundgebungen 
des »Diktators« Mieroslawski. Wille: Verordnung gegen das 
leichtfertige Treiben der Mägde in Heidelberg vom 
Jahre 1683. Sp« 47 — 48. Aus Kopialbuch 1587 des Grossh. 
General-Landesarchivs. — F. &L Feldhaus: Mannheimer Gold, 
Sp. 48- — Neuerwerbungen und Schenkungen- 145, Sp. 48. 



Frankenland. Illustrierte Vierteljahrsschrift für Ge- 
schichte, Kunst, Kunsthandwerk, Literatur, Volkskunde 
und Heimatschutz in Franken- 3, Jahrg. 1916. Leo Wilz: 
Drei Polizei Verordnungen früherer Zeit über einfachere 
Lebenshaltung. (Ein Beitrag zur Volkskunde.) S. 2 — 20. Über 
drei bischöflich Würzburgische Verordnungen aus den Jahren 1624, 
1 654 und 1 704 gegen die übermässige Kleiderpracht und den 
kostspieligen Aufwand bei Hochzeiten, Kindsiaufcn und Leichen- 
begängnissen. — Walther Schotte: Hans Walther t. Ein 
Nachruf- S. 49 — 59. Aus dem preussischen Archivdienst her- 
vorgegangen, wirkte Walter seit 1 q i 3 als fürstlich Löweustein- 
Wertheim-Freudenburgisrher Archivar zu Wertheim- Begründer 
und erster Herausgeber der Zeitschrift 1 Frankenland«. Kr fiel auf 
dem Felde der Ehre den 14. Juli 1916, erst 34 Jahre alt 



Württ ein bergische Vierteljahrs hefte für Landes- 
geschichte. N.F. 25. Jahrgang. Festband 1916. Stuttgart. Kohl- 
hammer. VIII -1- 655 SS. 

Der 25. Band der württembergischen Vierteljahrehefte für 
Landesgeschichte ist als Festband zur Feier des 25jährigen Be- 
stehens der Herausgeberin, der württembergischen Kommission für 
Landesgeschichte, erschienen. Er ist zugleich die Festgabe zum 
25jährigen Regierungsjubiläum ihres Königlichen Gönners und För- 
derers. Der stattliche Band verdient nicht nur aus freundnach- 
barlicher Gesinnung, sondern auch um seines für die Geschichte 
Süddeutschlands sehr ertragreichen Inhalts willen eine kurze Er- 
wähnung an dieser Sielte. Acht — Bossert nicht eingerechnet — 
von den 22 Beiträgen liefen aus der Landeshauptstadt, sechs von 
der Universität Tübingen ein, gewiss ein gesundes Verhältnis von 
Residenz, Hochschule und übrigem Lande. Fast alle Aufsätze 
sind gute, einzelne hervorragende Leistungen, Unter den letzteren 
sind solche verstanden, die, ihr landesgeschichtliches Thema ganz 
erschöpfend, zugleich die Geschichte grösserer Zusammenhänge 
fordern und weitere Anregungen geben. Gerade bei einer solchen 
Sammlung kommt, zum Bewusstsein, dass — von Ausnahmen ab- 
gesehen — nur umfassend gebildete Forscher eben auch in der 
Landesgeschichte wirklich Fruchtbares leisten, und es verbindet sich 



«k mnammm. 



^7# Zeitschriftenschau und Literaturnotizcn. 

damit der Wunsch, dass gerade sie sich diesem Arbeitsgebiet 
immer wieder zuwenden möchten. Sie finden oft dankbarere Auf- 
gaben und Leser, als an anderer Stelle. 

In weitausholender Untersuchung handelt Heinrich Günter, 
eines der verdientesten Mitglieder der Kommission, von den Toten 
von Lustnau. Der beste Kenner der mittelalterlichen Kunst- 
denkmäler Württembergs E. Gradmann sucht das Rätsel von 
(Unter-)Regenbaeh (a. d. Jagst) zu lösen. Eingehend und mit 
Heigabe von Bildtafeln untersucht er die wohl schon in der Karo- 
lingerzeit gegründete Krypta (im Keller des Pfarrhauses) und ihren 
bildnerischen Schmuck. Der Maul bronner Ephorus A. Mettler 
geht mit Liebe der Anlage und Erbauungszeit des alten Mün- 
sters und der Peterskirche (Totenkirche!) in Oberstenfeld 
nach. Die Klostergeschichte fördern Joseph Zeller mit einer 
Studie über das letzte schwäbische Doppel kl oster, das 
Prämonstratenserstift Adelberg, bei der nur die schülerhafte 
Verwendung verschiedener Grade von Sperrdruck unangenehm be- 
rührt, und besonders der Tübinger katholische Theologe K. Bihl- 
me yer mit einem Beitrag über Mystisches Leben in dem 
Dominikanerkloster Weiler bei Esslingen im 13, und 
14. Jahrhundert. Bemerkt sei die Benutzung des Cod. St. Peter 
Pap, 3 1 der Grossh. Hof- und Landesbibliothek in Karlsruhe. 
Geradezu glänzend durch die Beherrschung nahe- und fernliegen- 
der Quellen und die Findigkeit und Sicherheit des Fortschrittes 
der Untersuchung ist Karl Weilers Aufsatz Über Markgröningen 
und die Reichssturmfahne. Mit Spannung folgt gerade der 
Kenner der zerfahrenen, an sich durchaus nicht sehr verlockenden 
deutschen politischen Geschichte der Wende des 13./14. Jahr- 
hunderts den überzeugenden Ausführungen. An dieser Arbeit 
müssen Waitz und Scheffer-Boichorst im Grabe noch ihre Freude 
haben. Die Beiträge G. Mehrings zur Geschichte der Kanzlei 
der Grafen von Wirtemberg erregen den Wunsch nach einer 
ähnlichen Arbeit für Baden auf Grund der rüstig fortschreitenden 
Markgrafenregesten, während bei der Arbeit von R. Krauss Über die 
männlichen Vornamen im Hause Württemberg der Zweck 
nicht ganz ersichtlich und die Methode nicht einwandfrei erscheint. 
Von verfassungsgeschichtlichen Arbeiten sei die des auf diesem 
Gebiet anerkannten K, Otto Müller über das Bürgerrecht in 
den oberschwäbischen Reichsstädten (u. a. auch Überlingen) 
hervorgehoben, dessen Bemerkung, dass die Landflucht im 13. und 
[4. Jahrhundert verhältnismässig wohl nicht geringer war, als heut- 
zutage, Beachtung verdient. Trocken, doch inhaltsreich behandelt 
einer der Herausgeber der würlt. Landtagsakten Eugen Adam 
Herzog Friedrich I. und die Landschaft, knapp und treff- 
lich wie immer der Tübinger Gymnasialrektor Theodor Knapp 
die schwäbisch -österreichischen Stände (vgl, die Landgraf- 
schaft Neuenbürg im heutigen Baden). Der unermüdliche Mlt- 



8k wTuS: 



Zeitschriftenschau und Literaturnotizen. ?2n 

Arbeiter der Vierteljahrshefte Gustav Bossen trägt mit Bienen- 
rieiss alles Erreichbare über die Ho fkapelle unter H erzog 
Ulrich zusammen; der Tübinger Kirchenhistoriker Karl Müller 
gibt in seiner u. a. auf den Zeugnisbüchern des Konsistoriums 
sich aufbauenden Arbeit über kirchliches Prüfungs- und An- 
stellungswesen in Württemberg im Zeitalter der Ortho- 
doxie nicht nur lebensvolle Einzelbilder, sondern ein eindrucks- 
volles Bild zur Kirchengeschichte jener Zeit und zeigt damit, welch 
dankbares Feld die Landesgeschichte gerade für den universal ge- 
bildeten Geschichtsforscher bietet. Neben einem Verzeichnis der 
(173) Wiegendrucke der Bibliothek der evangelischen 
Nicolauskirche in Isny (geordnet nach Druckort, Drucker bzw. 
Firma und Datum der einzelnen Drucke, nebst Verzeichnis der 
Verfasser u. a. m.) gibt Otto Leuze ein reizendes Bild von Ge- 
schichte, Inkunabeln und Katalogisierung dieser kleinen aber feinen 
Bibliothek. Recht dilettantisch ist dagegen bei manchen dankens- 
werten Aufklarungen das Bild, das Johannes Greiner vom Archiv- 
wesen Ulms in seiner geschichtlichen Entwicklung ent- 
wirft. Das Fehlen einer fachmännischen Leitung des Archivs nach 
Löckles Weggang wird hier fühlbar. Sehr aktuell mutet ein 
Rhein — Neckar — Donau Verkehrsplan des ausgehenden 
18. Jäh rhunderts an, den Moritz v. Rauch uns vorführt 
Mutig erhob sich trotz aller kleinstaatliehen Eifersüchtelei die 
Unternehmungslust in Württemberg, Bayern, Heilbronn und der 
Pfalz. Der Wasserweg Holland und (Frankreich — )Schweiz nach 
den Donaulandern (—Russland) — soweit damals überhaupt mög- 
lich — sollte verwirklicht werden. Die Abtrennung der Pfalz von 
Bavern versetzte dem schon durch die Revolutionswirren gestörten 
Unternehmen den Todesstoss. Ein kleiner Beitrag des jugend- 
lichen, für das Vaterland gefallenen Bearbeiters der politischen 
Korrespondenz König Friedrichs I. von Württemberg, Albrecht 
List: zur Geschichte der revolutionären Bewegung in 
Schwaben im Frühjahr 1799 (vgl K. Obsers Arbeiten für das 
oberrheinische Gebiet, führt an die Schwelle des 19. Jahrhunderts. 
Wir betreten dieses mit Eugen Schneiders schönem Beitrag 
über König Wilhelm und die Entstehung der württem- 
bergischen Verfassung, der die sehr notwendige Korrektur an 
Treilscbkes Bild vornahm, der u. a. von den preussischen Gesandt- 
schaf tsberichten jener Tage einseitigen Gebrauch machte; zum Teil 
auf Grund neuen Materials wird hier des Königs Haltung erst 
recht verstandlich- Als eine Vorarbeit zur Geschichte der Geistes- 
kampfe in Schwaben in den 30er und 40er Jahren möchte Her- 
mann Fischer seine Zusammenstellung der schwäbischen Mit- 
arbeiter der Hallischen Jahrbücher für Deutsche Wissenschaft 
und Kunst betrachtet sehen. Es ist eine Fülle ausgezeichneter 
Namen, der wir hier begegnen. Das übrige Süddeutschland war 
damals wohl kaum imstande, eine gleich stolze Zahl auf diesen 



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340 



Zeitschrift^nschau und Lueralurnotizen. 



Gebieten zu nennen, Adolf Rapp (Wtirttembergische Poli- 
tiker von 1848 im Kampf um die deutsche Frage) gruppien 
manche alte und neue Arbeitsergebnisse neu und eigenartig. Bei 
der Stellung der Uhland, Pfizer, Wengler, Strauss t Mohl, Rümelin 
und Römer tritt die ernste Gegenwart mit ihrem Panier Mittel- 
europa oft in den Gesichtskreis. Noch ist eine von H. Kinder- 
mann veröffentlichte autobiographische Skizze von Her* 
mann Kurz zu erwähnen. Als Chronist der 25 jährigen 
Regierungszeit des Königs schliesst Gottlob Egelhaaf den 
stattlichen Festband. Jf. ffaeting ß z. Zt. Im Felde. 



Verzeichnis hessischer Weistümer. Unter Mitwirkung 
von Dr. Georg Fink bearbeitet von Wilhelm Müller. (Arbeiten 
der Historischen Kommission für das Grossherzogtum Hessen] 
Darmstadt 1916, Verlag des Historischen Vereins für das Gross- 
herzoglum Hessen. IV und 96 S. 8°. 

Von den beiden grossen zustandsgeschichtlichen Quellengruppen 
des Mittelalters übertreffen die Weistümer die Urbare noch in der 
Schwierigkeit, die eine vorwiegend örtliche und zerstreute Über* 
lieferung ihrer Auffindung, Sammlung und Erforschung in den We 
stellt. Wie sehr diese Schwierigkeit schon die ersten Herausgebe: 
deutscher Weistümer qulilte, zeigt neuerdings in dem von Öchsl: 
herausgegebenen Briefwechsel Bluntschlis die Korrespondenz mi: 
Jakob Grimm, Schon für die erste landschaftliche Sonderreihe im 
Reich, die der rheinischen Weistümer, hat die Frage zu einer 
eignen Veröffentlichung von Stoffverzeichnissen vor der des Stoff* 
selbst geführt, obwohl diese Methode natürlich den Nachteil hat, 
dass grosse Archivalienmassen zweimal hintereinander durchgear- 
beitet werden müssen, und obwohl dieser Nachteil die gewohnt« 
Langwierigkeit gerade der Weistümerpublikationen noch verschlimweit. 

Ich halte es also wenigstens für keinen Schaden, wenn solche 
Verzeichnisse nach Art des vorliegenden darauf verzichten, gewissen 
theoretischen Idealen der Wcistumedition entgegenzukommen und m 
jeder Ortschaft ausser der fraglichen Quellengattung (die fieilich kaum 
weit genug zu fassen ist) auch sämtliches verwandte, wirtschafte- 
und rechtsgeschichtliche Urkundenmaterial zu katalogisieren* Etwas 
anderes ist es schon, wenn bei vereinzelt komplizierterem Über- 
lieferungsstand die kurze Bezeichnung der Stücke ihr gegenseitiges 
Verhältnis nicht mit umfasst (z. 11. S. 16 Hirschhorn). Dass trotz 
der Ankündigung in der Vorbemerkung (S. IV), die Stadtrechts- 
quellen seien späterer eigener Bearbeitung vorbehalten, der rhein- 
hessische Abschnitt ein ausführliches systematisches Verzeichnis der 
von Worms enthalt, wird /.weifellos nur als eine Bereicherung 
empfunden werden. Carl Brinkmann. 



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Das Cisterzienserkloster Wettingen und seine 

Beziehungen zu Salem bis zum Tode des 

Abtes Peter II., 1633. 

* 

Von 

Hans Lehmann. 

(Fortsetzung.) ') 



Auf die Kunde vom Tode das Abtes Andreas be- 
schlossen schon nach acht Tagen die Gesandten der Eid- 
genossen auf der Tagung in Luzern vom 24. März 1528, 
es sollen Luzern und Uri, welche in den letzten Jahren die 
Landvögte für die Grafschaft Baden gestellt haben und 
darum mit den Händeln im Kloster am besten bekannt 
seien, ihre Boten zur Wahl eines neuen Abtes senden. 
Diese haben gemeinsam mit dem Landvogt bei den Prä- 
laten zu sitzen und sich dafür zu verwenden, dass ein ge- 
schickter, tauglicher Herr erwählt, sowie die bedeutenden 
täglichen Ausgaben des Klosters vermindert werden. Dabei 
nahmen sie als Wahltag den 14. April in Aussicht, sofern 
nicht von der Wahlbehörde eine kürzere Frist gewünscht 
werde 2 ). Die Wahl, welche Abt Jodokus IL von Salem 
präsidierte, fiel leider auf den untauglichsten Kandidaten 
im Konvente, den Grosskellner Georg Müller von Baden 3 ), 



*) Vgl. diese Zeitschrift N.F. 31, 602—630. — a ) Eidg. Abschiede, 

Bd. IV, ia, S- 1291 c; D. Willi, Album Wettingense, Nr. 459. — 

B ) Nachdem der erste Teil dieser Arbeit im Drucke erschienen war (Bd. 31 

S. 602 ff.), fanden sich im General-Landesarchiv in Karlsruhe noch vier Faszikel 

Akten vor, die sich auf das Kloster Weitingen und seine Stellung zu Salem 

beziehen, Davon fallen aber nur zwei Schriftstücke von einiger Bedeutung in 

die schon behandelte Periode: 1. der Entwurf zu einer lat. abgefassten Urkunde 

betreffend die Abtwahl Johannes V. aus dem Jahre i486; er wird dieser Arbeit 

am Schlüsse als Anhang beigegeben werden; 2. ein Schreiben von Schultheis» 
Zeilschr. f. Getch. d. Oberth. N.F. XXXII. 3. 23 



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342 



H. Lehmann. 



einen Neffen des Abtes Johannes. Welche Erwägungen 
die Mönche bewogen haben mochten, einem der jüngsten 
Mitglieder des Konventes und zweifellos einem gutmütigen, 
aber willensschwachen Manne das Steuer des kaum wieder 
in ein ruhigeres Fahrwasser eingelenkten Klosterschiffes an- 
zuvertrauen, um das die Wogen der Reformation in be- 
drohlicher Nähe stärker als je brandeten, wissen wir nicht. 
Sollte es in der Hoffnung geschehen sein, durch die Wahl 
eines gefügigen Lenkers die Führung um so leichter in die 
eigene Gewalt zu bekommen, so straften die kommenden 
Ereignisse keine Unschuldigen. 

Am 8. August 1529 konnte der Dichter und Maler 
Nikiaus Manuel von Bern, der seit 1528 dem Kleinen Rate 
seiner Vaterstadt angehörte und die neue Lehre in Wort 
und Schrift aufs eifrigste verfocht, an Schultheiss und Rat 
melden, er sei am vergangenen Tage mit dem Hofmeister 
zu Königsfelden ') und Bernhard Brunner, dem Untervogt 
zu Baden, in Wettingen gewesen und habe die Mönche 
mit freundlichen Worten überredet, den neuen Glauben an- 
zunehmen. Mit Ausnahme eines einzigen haben sie darein 
gewilligt, und ihnen sei auch der Abt »mit Weinen und 
Süfzen« gefolgt 2 ). Immerhin sollten sie auf seinen Rat die 
»Götzen« nicht sofort verbrennen, sondern »mit Züchten« 
in der Stille wegschaffen, die Kutten ausziehen, nach Baden 



und Rat der Stadt Baden von Freitag nach St. Othmar 1517 an den Abt von 
Salem, das sich auf seine Vermittlung in einem Streit der Stadt mit dem 
Kloster Wettingen bezieht (fasc. 2660). Es handelt sich dabei um das Patro- 
natsrecht ihrer Kirche, das bis dahin das Kloster ausübte, nun aber auf Be- 
treiben des Rates vom Papste Leo X. durch eine Bulle vom 19. August 1517 
diesem zugunsten der Stadtgemeinde entzogen worden war. Aber schon im 
März des folgenden Jahres widerrief der Papst die Bulle und setzte das Kloster 
wieder in seine alten Rechte ein. Dabei kam dem Abte von Salmanns weiter, 
der dem Kloster mit Rat und Hilfe getreulich beistand, ein wesentliches Ver- 
dienst zu <B. Fricker, Gesch. d. Stadt u. d. Bäder zu Baden, S. 241 ff.). 

') Das von der Königin Elisabeth an Stelle ihres ermordeten Gemahles 
Albrecht 1. gegründete Franziskaner Doppelkloster, später nur noch Clarissinnen- 
kloster, war schon am 26. Febr. 1528 zur Reformation übergetreten und wurde 
infolge dessen von Bern durch Hofmeister verwaltet, damals durch Georg Schöni- 
— *) Nachdem sie vorher noch mit Andacht die Vesper von M. Himmelfahrt 
gesungen hatten. Fr. D. Willi, Zur Gesch. des Klosters Wcttingen-Mehrerau, 
Bregenz 1902, S. 26. 



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■ . 



Kloster Wettingen und seine Beziehungen zu Salem. ^43 

und an die anderen Orte, wo dem Kloster der Kirchensatz 
zustehe, christliche und wahrhaftige Prädikanten setzen und 
die Ehre Gottes getreulich fördern. Das haben sie zu tun 
versprochen. Auch habe er ihnen gesagt, er besitze zwar 
von seinen Herren noch keine bezüglichen Zusicherungen, 
trotzdem aber dürfe er versichern, dass sie die Abgefallenen 
nach bestem Vermögen schützen und schirmen werden. Das 
sollte nun dem Abt und Konvent durch ein besonderes 
Schreiben bestätigt werden. Es geschah 1 ). In welcher 
Weise der Übertritt der einzelnen Konventmitglieder er- 
folgte, und ob wirklich alle bis auf eines den alten Glauben 
aufgaben, was von den Klosterchronisten bestritten wird-), 
ist hier nicht näher zu untersuchen, zu bedauern aber, dass 
sich dieser Übertritt nicht ohne hässliche Hegleiterscheinungen 
vollzog 3). 

Zunächst liess man den Geschehnissen ungehindert ihren 
Lauf. Denn nach dem Abschiede der Tagsatzung zu Baden 
vom 5. Oktober 1529 legten Abt und Grosskellner zu 
Wettingen alter Ordnung gemäss Rechnung ab, wobei 
ihnen die Verwaltung des Klosters bis auf weiteren Be- 
scheid wieder übergeben wurde. Da man aber vernommen, 
heisst es weiter, dass »siec (d. h. die Mehrzahl der Mönche) 
sich dem göttlichen Worte anhängig gemacht und vielleicht 
bald mehrere oder alle Weiber nehmen oder sich anders 
»versehene, und weil das Vermögen des Klosters beträcht- 
lich sei, so solle der Landvogt zu Baden beförderlich ein 
Inventar über liegendes und fahrendes Gut aufnehmen, da- 
mit nichts veruntreut werde 4 ). Gleichzeitig plante man, die 
Abfindung der übergetretenen Mönche grundsätzlich zu 
regeln. Das war um so notwendiger, als nur dadurch ge- 
ordnete Zustände geschaffen werden konnten. Wie stark 
der übergetretene Konvent an den Sieg der Reformation 



') Eidg. Absch., Bd. IV, 1 b, S. 317. — *) Fr. D. Willi, Ord. Cist., 
Zur Geschichte d. Klosters Wcttingcn-Mchrcrau, S. 25. — 3 ) H. Bullinger, 
Reformationsgeschichte, herausgegeben von J. J. Ilottinger u. H. H. Vögcli, 
Bd. II, S. 221/22; vgl. auch Joh. Huber, Chronik des Heinrich Küssenberg, 
Sep.-Abdrnck, S. 23. — ') Eidg. Absch., Bd. IV, i b, S. 390 k. Bis Mitte 
Oktober war Jakob an der Rtiti aus Schwyz Landvogt; er wurde abgelost 
durch Anton Adackcr aus Unterwaiden, der bis Anfang Juli 1 53 1 regierte. 

23* 
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344 



H. Lehmann. 



glaubte, beweist die Tatsache, dass Abt Georg den am 
31. März 1530 zu- Baden versammelten Gesandten der Eid- 
genossen das Anerbieten machte, er wolle ihnen durch einen 
geschickten Prädikanten das göttliche Wort verkünden 
lassen 1 ). Trotzdem auch die Rechnung vom Juni 1530 be- 
friedigte und die gewünschten Inventare erstellt worden 
waren, fand man sich veranlasst, dem Abte und den Kon- 
ventherren zu eröffnen, dass, nachdem die Mehrzahl von 
ihnen »eheliche Weiber« genommen, sie nicht wohl länger 
im Kloster verweilen dürfen, weshalb man von ihnen einen 
Vorschlag für einen billigen Auskauf erbitte. Als solchen 
verlangten die, welche geheiratet hatten oder »den Studien 
nachgingen«, jährlich und lebenslänglich 30 Gulden, 20 Mütt 
Kernen, 10 Saum Wein und 10 Malter Haber mit der Be- 
dingung, dass der ehemalige Abt die Verwaltung des Gottes- 
hauses behalte. Wer dagegen auf eine Kollatur versetzt 
werde, wofür die Ausgetretenen, sofern sie sich eigneten, 
ein Vorrecht beanspruchten, hatte auf diesen Loskauf zu 
verzichten, ausgenommen in Fällen, wo Alter oder Krank- 
heit ihn an der Ausübung der Seelsorge verhinderten. Zu- 
dem erklärten sie sich bereit, bei Hagelwetter, Reif oder 
anderen »Landsgebresten« dem Abte einen Teil dieser Spesen 
aus Mitleid nachzulassen. Sollte er aber mit Gewalt aus- 
gestossen werden, so behalten sie sich freie Hand vor. 
Trotzdem wurde auch dem Abte nahegelegt, er möchte sich 
auskaufen lassen, worauf er aber nicht eintrat 3 ). In der 
Folge gestaltete sich für ihn und die noch anwesenden 
Konventmitglieder die Lage immer unangenehmer, weshalb 
beide am 30. Juli die in Zürich versammelten Gesandten 
der VIII Orte um Aufschluss darüber baten, was man mit 
ihnen vorhabe. Sie erhielten zur Antwort, man gedenke, 
dem Abte bis auf weiteres Regiment und Haushaltung zu 
belassen, dagegen solle er die » Konventpersonen, welche 
zur neuen Lehre tauglich seien«, nach Basel oder Zürich 
zum Studium schicken, damit sie zur Verkündigung des 
göttlichen Wortes befähigt werden 3 ). Trotz dieses Beweises 



') J. Stricklcr, Aktensammlung zur Schweiz. Reformationsgeschichte, 
Bd. II, 1215, 3. — ') Eidg. Abich., Bd. IV, ib, S. 688 ff. — *) Eidg. 
Abscb., Bd. IV, ib, S. 717. 



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Kloster Weltingen und seine Beziehungen zu Salem. 34S 

von Zutrauen verschlechterten sich die Zustände abermals 
zusehends. Denn am 13. Oktober 1530 stellten sich einige 
Konventherren bei der Tagsatzung" in Baden mit dem Ge- 
suche ein, man möchte ihnen nun wirklich auch das in 
Aussicht genommene jährliche Leibgeding verabfolgen. Da- 
bei beklagten sie sich darüber, dass der Abt das Konvents- 
siegel bei sich aufbewahre und während kurzer Zeit zu 
seinen Händen 200 Gulden aufgenommen habe. Eine Auf- 
forderung an den Landvogt zu Baden, die Siegel an sich 
zu nehmen, hatte keinen Erfolg, da der Abt die Aushän- 
digung verweigerte. Ebensowenig ging er auf den Vor- 
schlag des Auskaufes ein 1 ). Vielmehr reichte er am 12. No- 
vember 1530 beim Rate von Zürich eine Supplikation ein, 
worin er darauf hinwies, wie sehr zu besorgen sei, dass das 
Gotteshaus, wenn es unter fremde, »unwissende« Verwaltung 
käme, und die Orte es {abwechselnd) bevogteten, es zu- 
grunde gerichtet, den Armen seine Handreichung entzogen, 
das Almosen geschmälert und die Studierenden der nötigen 
Hilfe beraubt würden. Daran knüpfte er die Bitte um des 
Rates zugesagten Schutz und versprach alles Gute, indem 
er gleichzeitig darauf aufmerksam machte, welch grosse 
Verantwortlichkeit Zürich auf sich nähme,- wenn es durch 
seine Schuld eine so löbliche Stiftung zugrunde gehen liesse. 
Da man gegen die Wirtschaft im Kloster nichts einzuwenden 
vermochte, Zürich dem Abte und dem Konvente viel Gutes 
versprochen hatte und die Mehrheit des letzteren auch nicht 
geneigt war, das Kloster zu verlassen, so wurden die Ge- 
sandten für die kommende Tagung in Baden dahin instruiert, 
sie möchten den Abt, wenn die (katholischen) Orte versuchen 
sollten, ihn zu ländern«, verteidigen, in Schutz nehmen und 
sich seiner Beseitigung widersetzen. Im übrigen Hess man 
abermals den Ereignissen bis auf weiteres ihren Lauf, be- 
deutete aber dem Abte, dass, wenn er sich aussteuern lassen 
wolle, sein Gehorsam billige Berücksichtigung finden werde-). 
Gleichzeitig holte der Rat ein Gutachten darüber, was in 
dieser Angelegenheit zu tun sei, bei Ulrich Zwingli ein. 
Es sollte sich über folgende Punkte aussprechen: 1. ob 



') Eidg. Absch.. Bd. IV, ib, S. 803 h. — ') Eidg. Abscb., Bd. IV, 
1 b, S. 834. 



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za() H. Lebmann. 

wegen der schwierigen Rechnungsführung infolge der Be- 
lastung der Renten, Gülten und Einkommen des Klosters 
bei Aufnahme der Gelder für seine Wiederherstellung nach 
dem Brandunglücke es sich empfehle, mit der Verwaltung 
den jeweiligen Landvogt zu Baden zu betrauen, obgleich 
zweifellos nicht alle dazu befähigt sein dürften; 2. ob eine 
solche Verwaltung für das tägliche Almosen und die übliche 
Gastierung von Ehrenleuten geeignet sei, da infolge mög- 
lichen Abbruches des Almosens und Parteilichkeit in der 
Gastfreundschaft Unzufriedenheit geschaffen werden könnte; 

3. ob nicht die verschiedenen Klosterleute in den ihnen zu- 
gestandenen Ansprüchen geschmälert würden, wenn, wie es 
leider an anderen Orten geschehen sei, der Vogt nur daran 
dächte, möglichst viel für sich auf die Seite zu schaffen; 

4. ob nicht für Wettingen (zufolge seiner Nähe bei der Stadt 
Baden, wo die eidgenössischen Tagsatzungen gewöhnlich 
stattfanden und die berühmten Bäder von nah und fern, 
Hoch und Niedrig, zahlreich besucht wurden) die Verhält- 
nisse ganz anders liegen, als für abgelegene Klöster; 5. ob 
nicht der Abt zu seinem eigenen Vorteil handelte, wenn er 
sich auskaufen Hesse, da er vermutlich aus der grossen Aus- 
kaufssumme mehr für sich vorschlagen könnte, als aus den 
Ersparnissen im Haushalte usw. 1 ). 

Da inzwischen einige der Konventherren immer drin- 
gender ihren Auskauf begehrten, kam endlich am 4. Januar 
1531 ein Vergleich zustande, der die früheren Forderungen 
etwas reduzierte, die Interessen beider Parteien aber billiger- 
weise wahrte-'). Von da an fehlen für die nächsten Monate 
Aufzeichnungen in den amtlichen Akten, und man würde 
darum die ihnen folgenden kaum richtig verstehen ohne 
einen kurzen Blick auf den Verlauf der politischen Ereig- 
nisse in der Eidgenossenschaft während diesen aufgeregten 
Zeiten. 

Nach dem für die Anhänger des alten Glaubens erfolg- 
reich beendeten Wortgefechte zu Baden machten die der 
katholischen Konfession treu gebliebenen Stände (Orte) 



') Strickler, Aktcnsammlunß, a. a. O., Bd. II, 1835. — *) Eidg. 
Absch., Bd. IV, ib, S. 872. 



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Kloster Weltingen und seine Beziehungen zu Salem. 147 

Luzern, Uri, Schwyz, Unter Waiden und Zug ihre auf dem 
Tage zu Zürich am 17. Juli 1524 *) ausgesprochene Drohung, 
Zürich von den künftigen Beratungen auszuschliessen, nicht 
nur wahr, sondern sie regelten auf ihren Sondertagungen 
sogar Geschäfte, welche die von allen Orten gemeinsam 
regierten Vogteien betrafen, und unterhielten zudem einen 
freundlichen Verkehr mit Osterreich. Zum Glücke für die 
Anhänger der stark bedrohten Glaubensneuerung in Zürich 
machte diese dafür rasche Fortschritte in Bern, wo auf 
Ostern 1527 der Kleine Rat vorherrschend mit ihren An- 
hängern besetzt wurde. Doch wollte er ihre Einführung in 
den ansehnlichen Ländergebieten seines Standes nicht be- 
schliessen, ohne Freund und Gegner nochmals Gelegenheit 
zu gegenseitiger Aussprache geboten zu haben. Sie begann 
in Bern am 6. Januar 1528 und dauerte 18 Tage. Diesmal 
war Zwingli anwesend und verhalf seiner Sache so gründ- 
lich zum Siege, dass nach Beendigung dieses zweiten Reli- 
gionsgespräches der Rat von Bern die neue Lehre sofort, 
wenn auch nicht ohne vereinzelten Widerstand, in seinen 
Landen einführte. Im Februar 1529 folgten die Städte Basel 
und St. Gallen und im September sclüoss sich ihnen auch 
Schaffhausen an. In anderen Ständen, wie Glarus und 
Appenzell, blieben die Meinungen geteilt. Trotzdem waren 
die Katholiken in den von den Orten gemeinsam re- 
gierten Untertanenländern, zu denen auch die Grafschaft 
Baden mit dem Kloster Wettingen gehörte, zunächst noch 
in der Mehrheit, und es versuchten darum Zürich und Bern 
um so eifriger, dort ihren Einfluss geltend zu machen 2 ). Die 
Gegensätze verschärften sich infolge dessen immer mehr 
und nahmen einen um so gefährlicheren Charakter an, je 
enger sich die V katholischen Orte an Österreich anschlössen, 
bis sie endlich zum Entscheide mit dem Schwerte drängten. 
Man rüstete auf beiden Seiten, bei den Reformierten aber 
rascher. Infolge dessen kam am 26. Juni 1529 ein für sie 
günstiger Friede zustande. Dies gab ihnen nun erst recht 
den Mut, ihre Sache weiter tatkräftig zu fördern, und es 
wurde ihnen das um so leichter, als man die Vollziehung 

'> Vgl. oben N.F. 31, 628, 630. — *) B. Fricker, Gesch. d. Stadt 
und d. Bäder zu Baden, S. 121. 



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348 **. Lehmann. 

der Friedensbedingungen in den gemeinsam regierten Län- 
dern Zürich anvertraut hatte. Zwar war den Gemeinden 
das Recht gewahrt worden, über ihre Stellungnahme zur 
neuen Lehre abstimmen zu dürfen, doch versäumten die 
mit dieser Handlung betrauten Ratsboten selten, ihren Ein- 
fluss zugunsten der Reformation geltend zu machen. In- 
folge dessen entstanden in allen deutschen Vogteien refor- 
mierte Gemeinden, während viele Klöster aufgehoben wurden. 
Kann es da befremden, wenn auch die von einem willens- 
schwachen Manne geleitete Abtei Wettingen, welche in der 
zwischen Zürich und Bern eingeklemmten gemeinen Herr- 
schaf Baden lag, den Überredungskünsten des ebenso klugen 
wie tatkraftigen bernischen Ratsherrn Nikiaus Manuel nach- 
gab, namentlich wenn man bedenkt, dass ein grosser Teil 
ihrer Besitzungen auf dem Gebiete der reformierten Städte 
Zürich und Basel lag, in denen sie auch eigene Häuser besass. 

Musste schon die rasche Ausbreitung der neuen Lehre 
bei den Anhängern der alten Bedenken für die Zukunft 
ihrer Konfession erwecken, so war dies nicht weniger der 
Kall mit Bezug auf ihre künftige Stellung in der Verwal- 
tung der gemeinsam regierten Länder und zwar um so mehr, 
als sich nun auch die reformierten Stände zu ihrer weiteren 
Kräftigung nach auswärtigen Bundesgenossen umsahen. 
Dazu gesellten sich noch allerlei Sonderinteressen der ein- 
zelnen Orte (Stände), welche Unfrieden stifteten, der sich in 
gegenseitigen Schmähungen Luft machte, und schliesslich 
verstärkte eine allgemeine Teuerung der Lebensmittel die 
so schon über das Mass gereizten Gemüter. Da machte 
Bern den verhängnisvollen Vorschlag, die infolge ihrer 
geographischen Lage so gut wie ganz durch die refor- 
mierten Orte von dem Aussenverkehr abgeschlossenen 
katholischen, welche in Anbetracht der geringen Frucht- 
barkeit ihres Bodens auf die Einfuhr von Lebensmitteln an- 
gewiesen waren, dadurch zur Nachgiebigkeit zu zwingen, 
dass man ihnen = Proviant und feilen Kauf« sperre. Die 
unsichere Wirkung eines derartigen Gewaltmittels wohl er- 
kennend, trat Zürich ungern auf diesen Vorschlag ein und 
Zwingli eiferte sogar dagegen. Leider gab es trotzdem nach 
und trieb damit seine konfessionellen Gegner zur Ver- 



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Kloster Wettingen und seine Beziehungen zu Salem. S4Q 

zweiflung. Nachdem schon die durch den ungünstigen 
Frieden geschaffene Lage sie in aller Stille darauf hatte 
Bedacht nehmen lassen, unter günstigeren Umständen mit 
Gewalt sich eine bessere und würdigere zu schaffen und 
infolge dessen heimlich betriebene Rüstungen eine rasche 
Mobilisierung ermöglichten, erklärten sie Zürich den Krieg 
und rückten mit unerwarteter Raschheit in der Stärke von 
ca. 8000 wohl gerüsteten Streitern ins Feld. Darauf war 
man in Zürich nicht gefasst. Zwar riefen überall im Lande 
die Sturmglocken die Krieger zu rascher Hilfe herbei, doch 
lagen die wenigen Truppen, welche man dem Feinde ent- 
gegenwerfen konnte, in unentschlossener Hand. Der kurze 
Feldzug endete darum am 11. Oktober 1531 in dem Treffen 
bei dem Cistcrzicnserkloster Kappel am Albis mit einer 
Niederlage, obgleich selbst Zwingli sein Leben opferte. Auch 
die nachfolgenden Unternehmungen, welche mit Hilfe der 
Bundesgenossen diesen Misserfolg sühnen und zu einem 
siegreichen Ende führen sollten, erfüllten diese Erwartungen 
nicht, und so mussten die reformierten Orte froh sein, dass 
ihnen noch vor Jahresschluss ein annehmbarer Friede an- 
geboten wurde. Den schwersten Schlag erlitt dabei die 
Kirchenreformation und zwar nicht nur durch den Tod 
ihres tatkräftigen und zielbewussten Leiters, sondern auch 
infolge der Schwächung der politischen Behörden in ihrer 
Forderung. Nicht umsonst schrieb Tschudy in seiner Chronik, 
es habe eine »wunberbare Veränderung aller Dinge« statt- 
gefunden; denn nun machten die katholischen Orte mit allem 
Nachdruck ihren Einfluss zugunsten ihrer Konfession geltend, 
soweit dieser reichte, indem sie nicht nur die alte Lehre 
wieder einführten, sondern auch die davon Abgefallenen 
empfindlich straften. 

Die Ereignisse dieser kriegerischen Zeiten machten nicht 
immer vor Wettingens Klostermauern Halt. Zwar gab sich 
die benachbarte Stadt Baden als Sitz des Landvogtes der 
VIII alten Orte Mühe, es mit keiner der beiden Parteien 
zu verderben. Da ihn aber seit Ende Juni 1523 die 
katholischen Orte zu stellen hatten, so neigte auch der Rat 
mehr nach dieser Seite 1 ). Das zeigte sich, als in den Wirren, 

') B. Ficker, Gesch. d. Stadt u. d. Bäder z. Baden, S. 124 ff. 



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icQ '!■ Lehmann. 

die dem sog. zweiten Kapellerkriege vorangingen, Anfang 
Juni 1 53 1 200 Mann von Zürich aufbrachen, um einen Streit 
zwischen Basel und Solothurn zu verhindern, und auch »etwas 
Geschütz« bis nach dem Dorfe Wettingen führten. Denn 
hier verlegten ihnen die Badener den Weg durch den Eng- 
pass, welchen ihre Stadt völlig beherrschte 1 ), so dass sie bis 
auf weiteres im Dorfe Quartiere beziehen mussten. Schlimmer 
gestalteten sich für diese zürcherische Besatzung die Verhält- 
nisse nach dem unglücklichen Ausgange des Gefechtes bei 
Kappel. Denn schon am folgenden Tage (12. Oktoberj 
schrieb Peter Meyer 2 ) an Bürgermeister und Rat, wie sich 
die Leute von Wettingen zwar willig zeigen, aber bitten, 
man möchte sie als Nachbarn der Badener nicht bloßstellen; 
auch habe der Abt sich anerboten, eine kleine Besatzung 
aufzunehmen, dagegen erkläre der Landvogt, Konrad Bach- 
mann von Zug 3 ), er werde die Gemeinde und das Kloster, 
sobald sie zu Zürich hielten, als Feinde behandeln; auch habe 
er vom Abte vernommen, dass in der Stadt alle Umtriebe 
zugunsten der kath. V Orte begünstigt werden 4 ). Etwas 
weniger siegesbewusst zeigte sich der Rat von Baden selbst, 
indem er am 17. Oktober bei Zürich wegen der ausge- 
brochenen Feindschaft sich entschuldigte. Dabei machte er 
zum Teil den Abt von Wettingen verantwortlich, da er einen 
ihrer Bürger gefangen genommen und auf ergangene Frage 
nur ungenügende Auskunft gegeben habe; auch seien am 
Tage zuvor einige Bürger des Städtchens Aidlingen, nach- 
dem sie beim Abte gegessen und getrunken, auf dem Heim- 
wege in das Haus eines ihrer Angehörigen vor der Stadt 
eingedrungen, wobei dieser genötigt worden sei, ihnen allerlei 
mitzuteilen. Schliesslich habe die Besatzung in Wettingen 
sich in dem Walde vor der Stadt in Schild und Harnisch 
gezeigt und dadurch einen Aufruhr veranlasst. Weil man 
aber, wie früher, mit Zürich gute Freundschaft haken wolle, 
so bitte man den Rat, zu bewirken, dass derlei Anlässe zu 

') Stricklcr, Akten, a. a. O. Bd. III, 865, 4. — •) Peter Meyer ge- 
hörte seil 1518 dem Grossen Rate von Zürich an und wurde 1323 Zunft- 
meister. Seit 1525 finden wir ihn sehr häufig als Gesandten seiner Stadt für 
die verschiedensten Geschäfte. — 3 ) Er war es nur kurze Zeit von Mitte Juni 
1531 vermutlich bis zum Dezember. — 4 ) Stricklcr, Akten, a. a. O-, 
Bd. IV, 25. 



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Kloster Wetlingen und seine Beziehungen zu Salem. ici 

Klagen künftig unterbleiben 1 ). Anderseits wollte auch das 
Landvolk für die geleistete Hilfe belohnt werden, indem es 
um Befreiung von den lästigen Abgaben an Klöster und 
geistliche Herren einkam. Das geht u. a. aus einem Schreiben 
hervor, welches der Hauptmann Heinrich Werdmüller-) um 
die gleiche Zeit an den Rat von Zürich sandte und worin 
er meldete, dass von den Dorfbewohnern von Dietikon über 
150 Mann beim Sturmläuten sich gestellt haben, nun aber 
dafür verlangen, von den grossen Kosten und Zehnten, die 
der Abt zu Wettingen beziehe, befreit zu werden 8 ). Dass 
sich infolge des für die Katholiken günstigen Verlaufes der 
Ereignisse die Beziehungen des Landvogtes Bachmann zu 
Kloster und Dorf Wettingen nicht besserten, kann nicht be- 
fremden; immerhin wollte er aber die eingeleiteten Friedens- 
verhandlungen nicht trüben 4 ). Infolge dessen schrieb er am 
1. November dem Abte, es sei ausgestreut worden, dass er 
ihm, dem Gotteshause und der Gemeinde abgesagt habe. 
Das sei nicht wahr. Deswegen habe er dieses Gerücht 
schriftlich bei Zürich und durch den Untervogt mündlich 
bei ihm widerlegen lassen, aber keine Antwort erhalten. 
Als Amtmann der katholischen Orte begehre er für den 
Fall, dass er in die Lage komme, mit dem Abt oder den 
Gemeinden Würenlos oder Wettingen zu verhandeln, was 
seine Herren berühre, sicheres Geleit dahin und zurück und 
hierüber umgehende Antwort 5 ). Da sich aber in den fol- 
genden Tagen die Verhältnisse noch mehr zugunsten der 
Katholiken wendeten, ermutigte dies den Landvogt zu ener- 
gischerem Auftreten. Infolge dessen schrieben am 19. No- 



'} Strickler, Akten a. a. O., Bd. IV, 250. — *) H. Werdmüller aus 
dem alten berühmten Zürcher Geschlechte hatte schon den Schwabenkrieg und 
die Mailänder« Feldzüge mitgemacht. Er wurde 15 15 Mitglied des <ir. Rates. 
Bekannt' ist er auch als eifriger Anhänger der Reformation, der mit nndern 
gegen den bischöfl. Constanz. Vicar Joh. Faber eine Streitschrift 1 >-.- Gyren- 
rupfen« herausgab; 1531 wurde er als Hauptmann mit 500 Mann als Besatzung 
nach Bremgarten gelegt. Diese hatte auch die umliegenden Gegenden zu be- 
wachen und wurde darum nach und nach bis auf 1500 verstärkt. Leu, Helv. 
Lex. Bd. 19, S. 310. — 3 ) Stricklcr, Akten, a. a. O., Bd. IV, 326. — 
*) Der Friede der V kath. Orte mit Zürich wurde am 20. Nov., mit Bern 
am 24. Nov., mit Basel am 22. Dez. 1531 und mit Schaffbausen am 31. Jan. 
1532 geschlossen. — 6 ) Strickler, Akten, a. a. O., Bd. IV, 76. 



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aej H. Lehmann. 

vember Bürgermeister und Rat von Zürich ihrem Haupt- 
mann Escher 1 ) in Zug, der Landvogt zu Baden habe gestern 
seine Amtleute nach Wettingen hinaus mit der Aufforderung 
geschickt, das Dorf solle die Besatzung entlassen und die 
Gewehre in das Schloss nach Baden abliefern. Dabei habe 
er zu verstehen gegeben, dass die acht Männer, welche bis- 
her im Namen der Gemeinde handelten, besonders der Vogt, 
der Ammann, der rtlformierte Prädikant 2 ) und auch der Abt 
nicht mehr sicher seien. Die beiden Ersten seien darum 
schon geflohen und man wisse nicht, wo sie sich aufhalten. 
Da nun aber alle, die Zürich in diesem Kriege beistanden, 
in den Frieden eingeschlossen seien, so sollen die Gesandten 
dies den V Orten ernstlich vorhalten, damit sie ihren Land- 
vogt veranlassen, er möchte sie in Ruhe lassen und an Leib 
und Gut sichern *). 

Inzwischen waren die Feinde auch in das Kloster ein- 
gefallen, hatten drei Knechte gefangen genommen, dem Prä- 
dikanten seinen Wein weggenommen und auch in anderen 
Dörfern der Umgebung, wo es Besitzungen hatte, übel 
gewirtschaftet, so dass der Rat von Zürich sich am 20. No- 
vember nochmals veranlasst sah, seinen Gesandten Konrad 
Rollenbuz 1 ) in Zug aufzufordern, über diesen neuen Friedens- 
bruch bei den V Orten zu klagen 5 }. Schon am 21. November 
antworteten Hauptleute und Pannerherren derselben von 
Häglingen aus an Zürich, man habe den Landvogt zu Baden 
zur Verantwortung gezogen. Nun sei er heute selbst ge- 



l ) Hauptmann Heinrich Escher halle sich schon in den Burgunder-, 
Schwaben- und Mailänderkriegen ausgezeichnet, so dass er in den beiden 
Kappelerkriegen als Hauptmann die Zürcher kommandierte und nach dem 
unglücklichen Treffen bei Kappcl zum obersten Hauptmann im Felde ernannt 
wurde; als solcher half er den Frieden beschlicssen und besiegeln. — *) Es 
war Jakob Leu von Baden, ehem. Konvcntual des Klosters Wettingen (vgl. 
Willi, Wettingen -Mehrerau, a- a. O. S. 25). Er versah den Gottesdienst in 
der Dorfkirche bis nach der Schlacht von Kuppel und war nebenbei ein guter 
Musiker und Freund des Reformators Leo Jud. 154" kam er als Nachfolger 
Jakob Scharers (Scherers) nach Thalweil. K. Wirz, Etat des Zürcher Mini- 
steriums, S. 175. — n ) Strickler, Akten, a. a. O. Bd. IV, 1027, t. — 
*) Die Rollenbuz waren 1470 von Ulm nach Zürich eingewandert. Konrad 
wurde 1530 Mitglied des Grossen Kats und 1537 des Kleinen Rats von 
freier Wahl. Leu, Hei. Lex. Bd. 15, S. 383. — 5 ) Strickler, Akten, a. a. O. 
Bd. V, 102 a. 



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Kloster Wettingen und seine Beziehungen zu Salem, ;n 

kommen, um sich über die Vorwürfe höchlich zu beschweren 
und zu entschuldigen, da er nichts anderes getan, als das 
zu Wettingen liegende Geschütz ins Schloss überführt, die 
Besatzung weggeschickt und einiges Silbergeschirr zu der 
Kidgenossen Händen verwahrt habe; denn der Abt sei aus 
dem Kloster geflohen, und zudem halte sich darin allerlei 
Volk auf, dem nicht zu trauen gewesen sei. Er rufe dafür 
Stadt und Landschaft Baden als Zeugen an. Was die an- 
deren getan, missbillige er sehr und werde sie bestrafen, 
damit Zürich sehe, wie leid es seinen Herren sei. Auch soll 
das geraubte Gut ersetzt und der Friede strenge gehalten 
werden l ). 

Abt Georg und wahrscheinlich auch ein Teil des aus- 
getretenen Konventes waren nach Zürich geflohen, wo das 
Kloster seit Jahrhunderten ein stattliches Haus bcsass*). 
Von dort richtete er am 26. November in seinem und des 
Konventes Namen ein Schreiben an den Rat von Bern, 
dessen Mitglied Nikiaus Manuel, wie wir vernahmen, beide 
zum Austritte aus dem Orden veranlasst hatte. Darin führte 
er aus, man wisse, wie sie zur Erleichterung der befangenen 
Gewissen und um mehr Friede und Einigkeit zu stiften, 
der mönchischen Sekte sich entschlagen und damit der 
V Orte Ungunst zugezogen haben. Das zeige sich jetzt 
darin, dass der Landvogt sofort nach Friedensschluss die 
Besatzung entfernt, Silbergeschirr, Schlüssel, Büchsen und 
Gewehre, wovon doch ein guter Teil nach Zürich gehöre, 
in das Schloss geführt, einen anderen Zusatz in das Kloster 
gelegt, dem Prädikanten seinen Wein genommen und scharfe, 
drohende Reden ausgestreut habe, durch die man veranlasst 
worden sei, nach Zürich zu fliehen. Da nun Bern nicht 
bloss mündlich durch den Venner Manuel sei. 3 ), sondern 
auch schriftlich zugesagt habe, Abt und Konvent bei dem 
göttlichen Wort zu schirmen, jetzt aber mit Gewalt und 
Mutwillen gegen sie gehandelt werde, so müssen sie den 



■) Strickler, Akten, a. a. O., Bd. IV, 103, 1. — *) Vgl. D. Willi, 
Die Wettingerhäuser in Zürich, Zürcher Taschenbuch, 1885, S. 100 — 110; 
Des Klosters Wettingen Gütererwerbungen im Gebiet des Cantons Zürich, 
Zürch. Taschenbuch 1887, S. 142 — 198. — ") Manuel war am 20. April 1530 
gestorben. 



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354 



H. Lehmann, 



Rat in ihrer Not an jenes Versprechen erinnern, indem sie 
dringlich bitten, ihrer eingedenk zu sein und ihrem Gesandten, 
der ohne Zweifel bald an die Tagung nach Baden geschickt 
werde, ernstlich zu befehlen, er möchte treulich die Hand 
über ihnen halten und Unbill verhüten, auch dahin wirken, 
dass sie wieder Haus und Heim beziehen können, in Gnaden 
behandelt, kraft des neuen Friedens bei dem Gotteswort 
gelassen und in ihren Unternehmungen geschirmt werden 1 ). 
Auf diese Klage hin erhielt der Landvogt Bachmann am 
I. Dezember einen scharfen Verweis, wobei man den Abt 
nicht nannte, sondern vielmehr vorgab, man habe von seinem 
Gebahren »landmärswis« (d. h. durch im Lande herum- 
gehende Gerüchte) Kenntnis erhalten. Dabei wurde ihm 
anbefohlen, Abt und Konvent gemäss den Friedensbestim- 
mungen in Ruhe zu lassen 2 ). * 

Inzwischen waren die dem Orden treu gebliebenen Mit- 
glieder im Kloster verblieben. Um so mehr hielten es die 
V Orte nunmehr für ihre Pflicht, zu dessen Wiederher- 
stellung zu schreiten. An Stelle des geflohenen Abtes 
brachte man als Schaffner und Pfleger P. Johann Schnewly 
in Vorschlag, welcher damals erfolgreich als Beichtiger im 
Frauenkloster Wurmsbach am oberen Zürichsee wirkte, den 
gleichen Mönch, durch dessen unvorsichtige Manipulationen, 
angeblich mit Raketen, der Klosterbrand vom n. April 1507 
entstanden war 3 ). Am St. Katharinentag, den 25. November 
153 1. demnach am Tage vor dem Schreiben des geflohenen 
Abtes nach Bern, und unmittelbar nach dem geschlossenen 
Frieden, hielt er zum erstenmal wieder katholischen Gottes- 
dienst in der Kirche. Um die Sache rascher zu fördern, 
nahmen nun auch die V Orte eine entschlossenere Haltung 
ein. Denn auf einer Tagung vom 11. Dezember in Zug. 
woran sich auch Gesandte von Zürich, Basel und Schaff- 
hausen beteiligten, erklärten sie etwas ironisch, der Abt 
brauche nur mit aller Habe, die er weggeführt, wieder ins 
Gotteshaus zu ziehen, so werden sie und der Vogt in Baden 
ihn wohl ruhig lassen; auch die Schlüssel, welche dieser nur 

'} Strickler, Akten, a. a. O., Bd. IV, IUI. — a I Strickler, Akten. 
a. a. O., Bd. IV, 1145b. — 3 ) Vgl. P. D. Willi, Album Wettingense, 
a. a. O. Nr. 456. 



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Kloster Wettingen und seine Besiehungen zu Salem. k: 

der Sicherheit halber zu sich genommen, sollen ihm dann 
wieder zugestellt werden 1 ). Dafür nahm nun Zürich der 
definitiven Einsetzung des Johannes Schnewly gegenüber 
eine ablehnende Stellung ein* indem es am 12. Dezember 
erklärte, die Kidgenossen hätten ihn ja selbst weggeschickt, 
da er das Kloster verbrannt habe-). Allein es drang mit 
seiner Ansicht nicht durch. Denn als auf der gemeinsamen 
Tagung in Baden am 16. Dezember die Mönche Johannes 
Schnewly und Heinrich Schnyder um die Erlaubnis ein- 
kamen, wieder bleibend ins Kloster zurückkehren zu dürfen, 
wurde ihnen diese Bitte gewährt. Weil nun aber dort der 
Abt wieder haushalte und die Mehrzahl der Mönche Weiber 
haben, so solle auf die nächste Tagung berichtet werden, 
wie man das Kloster verhalten wolle. Bis dahin habe der 
Abt auch Rechnung abzulegen 8 ). Als man aber auf der 
Tagung vom 8. Januar 1532 zu Baden eine solche von ihm 
verlangte, entschuldigte er sich, er habe nichts davon ge- 
wusst, sondern geglaubt, mau werde nur den Streit zwischen 
Heinrich Schneider und »dem andern Konventherrn«, d. h. 
Schnewly, verhandeln, indem er versprach, dies nachzuholen. 
Dabei erhielten beide Parteien im Kloster die Weisung, sie 
haben gemäss dem Landfrieden verträglich miteinander zu 
leben. Die Gesandten aber sollten auf die nächste Tagung 
Vollmachten mitbringen, die gestatteten, die Regierung im 
Gotteshaus endgültig festzulegen 4 ). Schon am 20. Januar 
konnten infolgedessen für den Abt und die Konventbrüder, 
welche beim neuen Glauben verblieben, die Einkünfte auf 
Lebenszeit festgesetzt werden. Sie betrugen für den Abt 
jährlich 50 Gulden bar, 20 Saum Wein, 20 Mütt Kernen 
und 10 Malter Hafer, für jedes ehemalige KonventmitgHed 
die Hälfte 5 ). Als Schaffner wurde darauf mit Mehrheit 
Johann Schnewly gewählt runter einer Bedingung, welche 
die Boten kennen« 6 ). 

') Eidg. Absch., Bd. IV, ib, S. 1229, tfr. 655 g. — *) Slrickler, 
Akten, a. a. O., Bd. IV, 1187,3. — 3 > Eidg. Absch., Bd. IV, ib. 
S. 1239 v. — *) Eidg. Absch., Bd. IV, 1 b, S. 1251 y. — s ) Die An- 
gaben von P. D. Willi, Zur Geschichte des Klosters Wettingen-Mehrerau, 
a. a. O., S. 27, sind demnach viel zu niedrig. — B ) Eidg. Absch., Bd. IV, 
ib, S. 1275. Die Bedingung bestand darin, dass er die 100 Kronen, welche 
Scfawyt nach dem ersten Landfrieden an die Kinder des hingerichteten rcfonn. 



•gl« naSSnm 



i=6 H- Lehmann. 

Infolge dessen verHessen Georg Müller und seine An- 
hänger das Kloster. Ersterer begab sich in dessen Haus 
nach Zürich, wo er um das Jahr 1542 als »Herr Jörg« ge- 
storben sein soll. Ein schlechter Mensch war er nicht, denn 
selbst seine Feinde konnten ihm nichts Böses nachsagen, 
wahrscheinlich aber ein schwacher. Ob man ihm seinen 
Übertritt zum reformierten Glauben als Verdienst oder 
Schuld anrechnen will, das hängt von der Stellung des 
Richters zur Reformation ab. Das Schweizerische Landes- 
museum besitzt von ihm eine kleine Wappenscheibe mit der 
Inschrift: VENERABILIS- JÖRG MOLATORI- ABB AS- 
MONMSTERY- MAISTELLE. Wir wollen hoffen, der Abt 
habe dem Glasmaler diesen Text nicht schriftlich geliefert. 
Dem vierteiligen Wappenschild sind Inful und Pedum sowie 
ein Helm mit der Zimicr des Gründerhauses von Rapperswil, 
einer Rose, aufgesetzt; die vier Felder enthalten die Wappen- 
bilder von Citeau, von Rapperswil. Müller und Wetting^en. 

Nachdem die abgefallenen Insassen das Kloster endlich 
verlassen hatten, konnte man an dessen Wiederherstellung 
denken. Der Konvent bestand zwar nur aus dem Schaffner 
Johannes Schnewly und vier noch dem früheren Bestände 
angehörigen Geistlichen, von denen der eine die Profess 
unter Abt Albrecht IL (1462 — 1486) die drei andern unter 
Johannes V. (i486 — 152 1) abgelegt hatten. Aber selbst unter 
diesen scheint das Einvernehmen kein ungetrübtes gewesen 
zu sein. Um so mehr musste darauf Bedacht genommen 
werden, durch Herbeiziehung weiterer Mitglieder, die nicht 
Zeugen der alten Misswirtschaft gewesen waren, einen 
frischen, lebenskräftigen Kern richtiger Klosterleute zu 
schaffen, der auch unter den neuen Verhältnissen sich für 
die Zukunft gedeihlich entwickeln konnte. Diesem Bedürf- 
nisse kam der Umstand, dass, vermutlich seit Januar 1532, 
Heinrich Schönbrunner von Zug, einer der tatkräftigsten 
und leidenschaftlichsten Vertreter des alten Glaubens, als 
Landvogt zu Baden residierte, vortrefflich zu statten 1 ). Ihn 

Pfarrers Kciscr zu zahlen hatte, diesem Stande zurückvergüte, da es billig sei, 
dass der Abt aus den Gütern des Klosters Almosen gebe. 

*) Von ihm und seiner Gemahlin Anna Itten befindet sich im Nordarme 
des Kreuzganges noch ein Wappensclieiben|>aar aus dem Jahre 1532, die einzige 
Stiftung, welche aus dein Zeiträume von 1522 — 1550 erhalten blieb. 



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Kloster Wcttingen und seine Beziehiingen zu Salem. ir« 

unterstützten mit allem Nachdrucke die Äbte von Salmans- 
weiler und St. Urban (Luzern). Von ersterem, Amandus 
Schaff er (1529 — 1534) 2 ). durfte man als dem Vaterabte vor 
allem Hilfe erwarten. Darum wandten sich Schönbrunner 
und Schnewly Samstag vor Quasimodo (6. April) 1532 mit 
einem Schreiben an ihn, lautend: 

Nachdem der Abt und Konvent des Gotteshauses Wet- 
tingen von unserem wahren christlichen Glauben abgefallen, 
weswegen sie nach dem Siege unserer Herren der V Orte 
aus dem Gotteshause Wettingen verwiesen und Verstössen 
worden, sind wir nun willens, dasselbe gemäss seiner Stif- 
tung mit frommen und ehrlichen Priestern neu zu versehen 
und zu besetzen. Da nun an solchen Mangel herrscht, das 
genannte Gotteshaus aber zu Euer Hochwürden Orden ge- 
hört und unter dessen Regel steht, so gelangen wir an 
E. H. mit unserer untertänigen, angelegentlichen und ernst- 
haften Bitte, Ihr wollet vor allem zu Lob und Ehr des all- 
mächtigen Gottes, dann aber auch damit der Willen der 
Stifter erfüllt werde, zwei oder drei fromme, ehrbare Priester 
so schnell als möglich dahin schicken, unter denen ein ge- 
lehrter und geschickter Mann sein sollte, der die Kinder 
frommer Biederleute, wenn sie solche dem genannten Gottes- 
hause anvertrauen, in der heiligen Schrift unterweisen und 
lehren könnte. Dafür soll ihnen eine billige Belohnung, 
auch *alle Zucht und Ehr« widerfahren. Sollte sich E. H. 
dazu entschliessen, wie wir hoffen, so würdet Ihr von dem 
allmächtigen Gott den Lohn für die Erhaltung unseres 
wahren christlichen Glaubens empfangen, und sollten unsere 
Herren von den V Orten und wir E. H. und Euerem hoch- 
würdigen Gotteshause einen Dienst erweisen können, so 
werden wir dazu stets gerne bereit und geneigt sein. Wir 
bitten um eine geschriebene Antwort durch den Boten 2 ). 

In der Tat wurden im gleichen Jahre noch einige Novizen 
aufgenommen. Um so bemühender ist es, zu sehen, dass, 
was die auswärtigen Gönner des Klosters aufzubauen sich 
bestrebten, die eigenen Insassen wieder abzubrechen drohten. 



') K. Obser, Epitaphien im Kloster Salem, Zeilschr. f. d. Gesch. d. 

Obertheins N.F., Bd. 31, S. 183. — '') Grossh. bad. General-Landesarchiv, 

Akten Salmansweiler, Fase. 2658. 

Zeiuchr. (. d. üetch. Obcrrh. N.F. XXXII. 3. 24 



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35« 



H. Lehmann. 



Offenbar kostete es den Schaffner grosse Mühe, aus der 
infolge der Reformation teilweise ausser Rand und Band 
gekommenen Wirtschaft des Klosters die Aussteuern für die 
Apostaten und die Besoldungen für die Laienpriester an den 
zur Reformation übergetretenen Kollaturkirchen aufzubringen, 
die beide an Zürich einen mächtigen Verfechter ihrer 
Ansprüche hatten. So nahm sich der Rat dieser Stadt am 
10. März 1533 beim Landvogte Schönbrunner des Prädi- 
kanten Jakob- Stöckli in Würenlos 1 ) an, welcher klagte, dass 
er von niemandem etwas bekomme und an Nahrung Mangel 
leide, während der katholische Messpriester sein Einkommen 
erhalte, mit dem Ersuchen, er möchte dafür besorgt sein. 
dass das Kloster seinen Verpflichtungen nachkomme-). 
Schon zwei Tage später verwendete er sich wieder für 
den ehemaligen Prädikanten an dem gleichen Orte, Marx 
Brunner ;i ), dem der Schaffner zu Wettingen sein Einkommen 
mit Haft belegt hatte 1 ). Aber auch gegen seine eigenen 
Mitbrüder mussten ihn die katholischen Schirmherren In 
Schutz nehmen, und sie taten es, da sie zweifellos mit seiner 
Verwaltung zufrieden waren. Darum verfügten sie auf der 
Tagung vom 28. Juli, dass der Schaffner bei seinem Amte 
belassen werde und sein Mitbruder »Herr Heinrich* 
(Schneider, oben S. 355) sich nicht in die Verwaltung ein- 
mischen, sondern ihm gehorchen und sich des Spielens, Zu- 
trinkens und äusserer Gesellschaft enthalten solle 5 ). 

Solche Zustände Hessen die Ernennung eines mit den 
nötigen Vollmachten ausgestatteten Abtes immer wünsch- 
barer erscheinen. Trotzdem verschob man auf dieser Tagung 
die Angelegenheit. Inzwischen sollte der Rat von Luzern 



') Würenlos bei Weilingen war eine Kollatur des Klosters. — ") Strick- 
ler, a. a. O. Bd. V, 20". Noch in den i53oiger Jahren treffen wir diesen 
aus Zürich gebürtigen Jakob Stöckli als Prädikanten in Trüllikon, Kt. Zürich. 
Er kam darauf 1540 nach Rickenbacb (Zürich), wo er um 1557 starb. 
K. Wir«, Etat des Zürcher Ministeriums, S. 177 u. I47. — s ) Marx Brunne 
von Glarus. der früher Tischmacher war, wurde vorübergebend Pfarrer in Otel- 
fingen, einer Filiale von Würenlos, die bei der Reformation abgetrennt worden 
war. Aber schon 1530 amtete dort ein anderer Prädikant. Wo Brunner hin- 
kam, weiss man nicht. K. Wirz, Etat des Zürcher Ministeriums, S. 130. — 
4 ) Strickler, Akten, a. a. O-, Bd. V, 209- — r, | Eidg. Absch., Bd. IV, 
lc, S. 132, Anm. 23. 



«* mSSSSÜSS: 



Kloster Weltingen und seine Beziehungen zu Salem. ^SQ 

beim Abte von St. Urban, Walther Thöri {1525 — 1534), 
dessen Kloster auf dem Gebiete der Stadt lag, anfragen, 
ob er sich für befugt halte, die jungen, im vergangenen 
Jahre eingetretenen Novizen einzukleiden, oder ob er die 
volle Ermächtigung vom Bischof von Verulam l ) erwerben 
müsse, und auf der nächsten Tagung darüber berichten '-). 
In dieser Angelegenheit schrieb am 5. Oktober 1523 auch 
der Abt von Salmansweiler, Amandus Schäffer (1529 — 1534). 
an den Abt von St. Urban: 

Unlängst haben ihm die Gesandten der V Orte ge- 
meldet, dass das Kloster Wettingen mit Bezug auf den 
Gottesdienst in bedauerlichen Abgang gekommen sei. Zu- 
dem verlangen einige Novizen, dort Profess zu tun. Er 
wäre nun gerne selbst dahin gekommen, sei aber durch 
Krankheit daran verhindert worden. Darum beauftrage er 
ihn, sich in seinem Namen nach Wettingen zu verfügen 
und dort zu bewirken, dass der Gottesdienst wieder in Auf- 
nahme gebracht werde, gleichzeitig aber auch den Novizen, 
sofern er sie tauglich erfinde, die Profess abzunehmen 3 ). 

Infolgedessen konnte der Gesandte von Luzern, Schult- 
heiss Golder, auf der Tagung vom 1. Dezember 1533 
melden, der Abt von St. Urban sei letzthin in Wettingen 
gewesen, um die jungen Novizen einzukleiden. Dabei habe 
er die Überzeugung gewonnen, dass dort ein Abt eingesetzt 
werden müsse, der regiere und haushalte, da sonst das 
Kloster völlig in Zerfall gerate 1 }. Auf der Tagung vom 
>5- Januar 1534 kam die Angelegenheit nochmals zur 
Sprache, wobei bestätigt wurde, dass, da im Kloster kein 
Abt regiere, den Schaffner aber niemand respektiere, son- 
dern ein jeder selbst Herr sein wolle, dort übel gewirt- 
schaftet werde. Darum solle die Wahl eines solchen in 
Aussicht genommen und Johann Schnewly als der geeig- 
netste Kandidat vorgeschlagen werden 5 ). Dieser Abschied 
wurde auch den Boten von Zürich und Bern, die an den 



l ) d. h. vom Xuntius des Papstes Clemens VIF., Ennius Phylonardus, 
der nach dem Klostetbrande die Kirche und die Friedhöfe neu gt weiht hatte 
(Bd. 3t, S. 614/15). — *> Eidg. Absch., Bd. IV, ic, S. 129 r. — "} Eidg. 
Absch., Bd. IV, ic, S. 132 zu r, — *) Eidg. Absch., Bd. IV, ic, 
S. 222 c. — ") Eidg. Absch-, Bd. IV, ic, S. 261 e. 

24" 



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\(tO H. Lehmann. 

Beratungen nicht teilnehmen wollten, mitgegeben. Demnach 
scheinen die katholischen Orte an Schnewly, trotz seiner 
Schwächen, festgehalten zu haben. Zu Anfang der am 
10. Februar beginnenden Tagung in Baden setzten sie ihn 
denn auch in sein Amt ein 1 ), obschon sie dazu nicht be- 
rechtigt waren. Darum suchten sie schon am 14. Februar 
in einem längeren Schreiben an den Abt von Salmans- 
weiler ihre Handlungsweise zu rechtfertigen oder doch zu 
entschuldigen, wie folgt: er werde sich zweifellos daran er- 
innern, dass vor einigen Jahren Abt und Konvent des 
Gotteshauses Wettingen vom wahren christlichen Glauben 
und ihrem heiligen Orden abgefallen und trotzdem in dem 
Gotteshaus geblieben seien. Da nun aber ihre Herren und 
Oberen mit anderen Orten der Eidgenossenschaft in Streit 
(Empörung) gekommen seien, hätten sie mit Hilfe des all- 
mächtigen Gottes erreicht, dass dieser Abt und die abge- 
fallenen Mönche das Gotteshaus verlassen und sich mit einer 
jährlichen Entschädigung begnügen mussten, die sie zwar 
unbilligerweise beanspruchen, was sie vor Gott verantworten 
mögen. Inzwischen sei von ihren Herren und Oberen das 
Gotteshaus mit einem Schaffner, der dem Orden angehöre, 
und einigen Priestern versehen worden und auch mit einem 
neuen Konvent aus Söhnen ehrsamer Leute, welche mit 
seiner Erlaubnis die Profess dem Abte von St. Urban ab- 
gelegt haben. Dieser habe ihnen kürzlich angezeigt, dass 
es nunmehr notwendig geworden sei, einen Herrn und Abt 
einzusetzen, der die Jungen in Hut und Gehorsam nehme; 
denn wenn nur ein Schaffner da sei, würden sie in Unge- 
horsam erzogen und auch dem Gotteshause nicht so wohl 
haushalten, wie wenn ein Herr da wäre. Das haben ihre 
Herren und Oberen in guten Treuen geprüft und sich davon 
überzeugt, dass dem so sei. Darauf haben sie nach Er- 
wägung aller Umstände den ehrwürdigen und frommen 
(geistlichen) Herrn Johannes Schnewly, der bisher des 
Gotteshauses Schaffner gewesen sei und während dieser 
Zeit sich ehrlich, ehrsam und priesterlich aufgeführt und 



*) Die Angabe von P. D. Willi, Zur Geschichte des Klosters Weitingen- 
Mchrerau, a. a. O. S. 28, dass die Wahl zwischen dem 4. März und dem 
Monat Juni 1534 stattgefunden habe, ist demnach unrichtig. 



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Kloster Wettingen und seine Beziehungen zu Salem. 36 1 

auch für das Gotteshaus gut gewirtschaftet habe, diesem 
zu einem Herrn und Abt verordnet und eingesetzt. Des- 
halb stellen sie an Seine Hochwürden die angelegentliche 
Bitte, Sie möge unter Berücksichtigung des grossen Aus- 
falles der Kosten und des Schadens, welche das Gotteshaus 
Wettingen erlitten habe und noch durch die Bestreitung 
des Unterhaltes von zwei Konventen erleiden müsse, woran 
es unschuldig sei, und da sie zu Gott hoffen, er werde es 
bald nach seinem göttlichen Willen in andere Wege lenken, 
den genannten Herrn Johannes Schnewly nach des würdigen 
Ordens Brauch und Herkommen zu einem Herrn und Abt 
nach Gebühr konfirmieren und bestätigen, und zwar mit 
den geringsten zulässigen Kosten. Sie hoffen um so mehr, 
dass Seine Hochwürden dazu gerteigt seien, sich ihnen 
günstig zu erweisen, damit die Neugläubigen, wie sie ihnen 
schon vorgeworfen haben, nicht sagen können, es sei nur 
um des Geldes willen geschehen. Wenn dann später wieder 
der Fall einer neuen Abtwahl eintrete, da der genannte 
Herr Johannes Schnewly ein alter Mann sei, so wollen sie 
dann dazumal Seiner Hochwürden in ihren Rechten keinen 
Eintrag tun und sich bestreben, dass ihr gemeinsamer heiliger 
Glaube und der würdige Orden gemehret werden. Sie bitten 
S. H. hierüber um schriftliche Antwort mit dem gleichen 
Boten '). 

Verschlossen wurde dieses Schreiben mit dem Siegel 
»ihres frommen, wisen und getreuen lieben Landvogts im 
Ergöuw Gilgion Tschudy«*). 

Auf der Tagung vom 9. Juni 1534 in Baden legte der 
neu eingesetzte Abt zum ersten Male Rechnung ab. Dabei 
machte er die Mitteilung, dass er Zweien, welche im Kloster 
gewesen, jährlich je 50 Stück als Kompetenz geben müsse. 
Der eine davon sei aber als offener Dieb verleumdet, der 
andere schon vor fünf Jahren aus dem Kloster gelaufen, 



'} Schreiben im Giossh. General- Landcsarcbiv in Karlsruhe, Akten Salem 
Fase. 2658. — *) Gilg Tschudi von Glarus war der Nachfolger Heinrich Scbün- 
brunners seit Juni 1533 — 1535- Es ' sl der bekannte Chronist und eifrige 
Katholik, von dem sich aueb ein Glasgemälde aus dem Jahre 1571 im Kreuz- 
gange befindet. Zum zweiten Male bekleidete er diese Würde in den Jahren 

»549— S»- 



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iÖ2 H. Lehmann. 

weshalb er glaube, von dieser Verpflichtung entbunden zu 
sein '). Wie es sich damit verhielt, erfahren wir wenigstens 
teilweise aus dem Abschiede vom 29. September gleichen 
Jahres, wonach sich ein Jakob Summcrli 2 ), ein entlaufener 
Mönch beschwerte, dass man ihm seine Kompetenz vor- 
enthalte (»abstricke«), weil er in seiner Kindheit dem 
alten Abte ein paar Hosen entwendet habe. Da er aber 
mit der Rute dafür gestraft worden und vom Konvente 
darnach beschlossen worden sei, dass ihm daraus weiter 
kein Vorwurf oder Nachteil entstehen solle, so bitte er, ihn 
bei seiner Kompetenz bleiben zu lassen. Da Bern sich 
des Klägers annahm, wurde sein Gesuch in Erwägung ge- 
zogen 3 ). 

Aber auch die Kollaturen, namentlich die in reformierten 
landen, brachten wieder viel Verdruss. So wollten die Unter- 
tanen zu »Wassersdorf, einer Filiale von Höngg« 4 ) eine 
eigene Kirche bauen und darum die Zinse von dem Widern 
dem Kloster vorenthalten b ). Dem Pfarrer zu Riehen auf 
dem Gebiete der reformierten Stadt Basel war sein Ein- 
kommen zum Nutzen des Klosters von 100 auf 60 Stück 
herabgesetzt worden"), wogegen der Prädikant sich nicht 
nur auf Brief und Siegel berief, sondern auch geltend 
machte, er habe eine grosse Pfarrei und zudem liege sein 
Pfarrhaus an der Strasse, sodass er täglich belästigt werde. 
Auch beziehe der Amtmann (in des Klosters Haus) zu Basel 
150 Stück, während man ehrliche Gesellen genug fände, die 
sich mit 50 begnügen würden. Obgleich der Abt diese 
Zumutungen ablehnte und die Schirmherren fanden, der 
Prädikant sei mit 60 Stück angemessen besoldet, wurden sie 
ihm auf Verwendung Basels doch um 5 erhöht 7 ). Im fol- 

') Eidg. Absch., Bd. IV, ic, S. 338 b. b. — a ) Wahrscheinlich Jakob 
Summerer von Baden, der bei Einführung der Reformation ausgetreten war. 
Willi, Album Weitingensc, a. a. O. Nr. 471; id. Wettingen-Mehrerau, a.a.O. 
S. 25. — 3 ) Eidg. Absch., Bd. IV, ic, S. 404 o. — *} Hier klagte der 
Abt, ohne die Verhältnisse genauer zu kennen, oder dann wurden die Namen 
vom Schreiber unrichtig ins Protokoll eingetragen. Statt Wassersdorf sollte 
Bassersdorf stehen und statt Hongg Kloten, da Bassersdorf eine Filiale von 
Klotcn war, wo Wettingen ebenfalls die Kollatur besass, wie zu Höngg. Alle 
diese Ortschaften liegen im Gebietedes reformierten Zürich. — s ) Eidg. Absch.. 
Bd. IV, ic, S. 399 h. h. — *) Eidg. Absch., Bd. IV, ic, S. 364 z. — 
7 J Eidg. Absch., Bd. IV, ic, S. 221 z. 



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Klostet Wettingen und seine Beziehungen zu Salem. 363 

genden Jahre klagte der Abt, der alte Pfarrer in Thalwil 
(Zürich), der wegen Leibesschwäche dort weggekommen sei, 
beziehe trotzdem 50 Gulden jährlich. Nun verlange sein 
Nachfolger 80 Gulden, was das Gotteshaus nicht zu bezahlen 
vermöge 1 ). Auch diese Einwendung fand man richtig 2 ). 
Im bernischen Städtchen Brugg mussten dem Jacob Christen 3 ) 
jährlich 50 Stück ausgerichtet werden. Da nun die Pfarrei 
Dietikon bei Zürich, wo das Kloster die Kollatur beibe- 
halten hatte, trotzdem der Ort, wie alle auf zürcherischem 
Gebiete, zur neuen Lehre übergetreten war, einen neuen 
Prädikanten bedurfte, fand der Abt, Christen würde sich 
dafür eignen, und wollte ihm sogar für diesen Fall sein 
Einkommen um 10 Stück mehren. Trotzdem weigerte er 
sich 4 ). Wie diese Forderungen geregelt wurden, erfahren 
wir nicht; nur so viel ist sicher, dass Christen nicht nach 
Dietikon kam 5 ). Um seinen mannigfachen Verpflichtungen 
besser nachkommen zu können, machte auf der Juni-Tagung 
des Jahres 1537 der Abt bei der Rechnungsablage den Vor- 
schlag, den Klosterhof zu Basel samt dem Zehnten zu ver- 
kaufen, da er sich nicht rentiere und die Basler darauf zu 
Händen ihres Spitals 5—6000 Gulden geboten haben, wovon 
die Zinsen hinreichen würden, um eine bessere Finanzlage 
zu schaffen' 1 ). Allein schon auf der Tagung vom 1. August 
erklärte der Gesandte von Basel, der Rat sei nicht gesonnen, 



*) Der alte Pfarrer, Jost Müller von Cham, war seit 1528 zunächst Ver- 
weser gewesen, dann aber als Nachfolger des Ulrich Eggstein, der sich um 
die Einführung der Reformation sehr verdient gemacht hatte, definitiv einge- 
setzt worden. Müller galt als ein trefflicher Poet. Er erhielt 1535 seiner 
Verdienste wegen das Bürgerrecht zu Zürich. Im Mai 1533 stellte er das 
Gesuch, man möge ihm wegen seines hohen Alters und »etlichem Unangenehmen«, 
einen Nachfolger bestellen und ihn entschädigen. Es wurde ihm entsprochen 
und als Verweser Jacob Schärer, ehem. Konveotual von Wettingen eingesetzt. 
K. Wirz, Etat des Zürcher Ministeriums, S. 175. Willi, Wettingen- 
Mehrerau, a. a. O. S. 25. — *) Eidg. Absch., Bd. IV, ic, S. 509, m. m. 

— 8 ) Er hatte schon unter Abt Andreas Wengi dem Konvente angehört, war 
dann aber bei der Reformation ausgetreten. Willi, Alb. Wettingense a. a. O. 
Nr. 469; id. Wettingen-Mehrerau, a. a. O. S. 25. — 4 ) Eidg. Absch., Bd. 
IV, ic, S. 715 g. g. — 6 ) Die Pfarrei wurde noch 1533 mit Gallus Glatthaar 
■tus Anspach, bis dahin Pfarrer in Krumenau (St. Gallen) besetzt, der aber erst 
1540 den Synodalcid leistete. K. Wirz, Etat des Zürcher Ministeriums, S. 29. 

— "J Eidg. Absch., Bd. IV, ic. S. 849 s. 



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304 



H. Lehmann. 



die genannte Summe zu bezahlen, da man den Bestand der 
Liegenschaften viel zu hoch angegeben habe 1 ). Im Jahre 
1538 waren die Schulden des Klosters auf 3000 S" ange- 
wachsen, weshalb der Abt nun das Gesuch stellte, 1000 Gulden 
aufnehmen zu dürfen. Bevor dies bewilligt wurde, wollte man 
womöglich den Handel mit Basel bereinigen. Auch tadelte 
man ihn, dass er einen fremden Schreiber angestellt habe, 
dem er den Herrentisch, etwas Kleider, ein eigenes Pferd, 
und jährlich 45 Gulden Lohn geben müsse, was für das 
Kloster zu viel sei, um so mehr, als sich auch billigere 
Leute in der Eidgenossenschaft gefunden hätten, die zu 
diesem Amte befähigt gewesen wären 2 ). Auf der Tag- 
satzung vom August bot Basel für den Hof 3000 Gulden. 
Allein der Abt fand diese Summe zu niedrig und wollte 
nun von einem Verkaufe überhaupt nichts mehr wissen, da 
der Hof schon mehr als 200 Jahre zum Kloster gehöre 
und er hoffe, dass im nächsten Jahre Wein und Korn so 
gut geraten, dass ein Anleihen ohne Mühe wieder zurück- 
bezahlt werden könne. Die Schirmherren dagegen be- 
schlossen, »diewyl dann das gotshus für und für in abgang 
kompt« s ), sollte die Angelegenheit nochmals erwogen werden. 
In der Oktober- Tagung wurde der Verkauf abgelehnt und 
dem Abte gestattet, 1500 Gulden aufzunehmen, doch musste 
der Landvogt zu Baden darüber verfügen 4 ). Um so be- 
schämender ist es für die damaligen Zustände, dass auf der 
Tagung vom 2. Februar 1539 die Gesandten ihren Räten 
melden mussten, der Abt zu Wettingen hause lüderlich und 
niemand wisse, wozu das aufgenommene Geld verwendet 
werde 5 ). Eine Erklärung kö